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Ist Fracking eine beherrschbare Technologie?

Bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts hinein wurde der Energiebedarf weltweit und in Deutschland überwiegend durch Erdöl und Kohle gedeckt. Dann entdeckte der Mensch einerseits die Atomkraft und andererseits das Erdgas, das ab etwa 1960 mit finanziell akzeptablem Aufwand gewonnen werden konnte. Heute gibt es Pipelines von mehreren Tausend Kilometer Länge, die das Erdgas aus weit entfernten Fördergebieten nach Deutschland leiten. Denn das hiesige Land hat kaum eigene Quellen. Die Reichweite des weltweit vorhandenen Erdgases ist abhängig davon, ob der Mensch es unter wirtschaftlichen Aspekten fördern kann. Man unterscheidet zwischen Reserven und Ressourcen. Die Erdgasreserven lassen sich mit den heutigen Fördertechniken erschließen. Hier liegt die Reichweite bei etwa 60 Jahren. Die Erdgasressourcen können momentan wirtschaftlich nicht gewonnen werden.

Ziel von Wissenschaftlern und Ingenieuren ist es daher, die Gewinnung der Erdgasressourcen bei überschaubaren Kosten möglich zu machen. Dazu zählt das Fracking. Beim Frackvorgang wird tief liegendes, erdgashaltiges Gestein mittels Wasser, chemischen Zusatzstoffen, Sand und hohem Druck aufgebrochen. Das dort befindliche Erdgas lässt sich so gewinnen. Während anderer Länder wie die USA dem Fracking aufgeschlossen gegenüber stehen, sehen manche Deutsche die Umweltgefahren als zu groß an, um dem Fracking vorbehaltlos zuzustimmen. Andere hingegen befürworten diese Art der Erdgasgewinnung, weil sie vom Menschen klar beherrschbar sei. Aber ist sie das wirklich? Lesen Sie die Argumente von Befürwortern und Gegnern dieser Technik.

Franziska Buch, Referentin für Energie und Klima beim Umweltinstitut München e.V.

 

Pro

Deutschland deckt derzeit mehr als 50 % seines Primärenergieverbrauchs mit Erdöl und Erdgas. Dies wird sich trotz der Energiewende so schnell nicht ändern. Wir werden auch in naher Zukunft jährlich etwa 90 Mrd. m³ Erdgas benötigen, um unseren Bedarf zu decken. Die heimische Förderung trägt derzeit nur mit etwa 10 % zu diesem Bedarf bei – Tendenz stark sinkend. Ohne Schiefergasförderung und Fracking-Technologie werden unsere Reserven in etwa zehn Jahren aufgebraucht sein. Deutschland wäre dann komplett abhängig von ausländischen Erdgaslieferungen. Mit der Fracking-Technologie und der Förderung von Schiefergas könnte diese vollständige Abhängigkeit bis in das Jahr 2100 hinausgezögert werden.
Aus geowissenschaftlicher Sicht spricht nichts gegen die Fracking-Technologie. Sie ist beherrschbar. Weltweit wird die Technologie seit vielen Jahrzehnten routinemäßig eingesetzt – in Deutschland seit den 50er-­
Jahren bereits mehr als 350-mal. Bei uns ist dabei nicht ein Schadensfall aufgetreten, der zu einer Umweltbeeinträchtigung oder Grundwasserkontamination geführt hat.
Beim Fracking werden Tiefengesteine durch Einpressen einer Frac-Flüssigkeit – überwiegend Wasser – aufgebrochen, um millimeterdünne künstliche Fließwege für Erdöl oder Erdgas zu erzeugen. In Deutschland existieren einschlägige Vorschriften und Genehmigungsauflagen. So muss die Verrohrung z. B. konzentrisch als Mehrfachverrohrung ausgeführt und jede Teilverrohrung mit einer Zementschicht ummantelt werden. Bohrungen dürfen nur von einem zum Untergrund abgedichteten Bohrplatz vorgenommen werden. Beide Maßnahmen verhindern, dass die Frack-Flüssigkeit mit Grundwasser in Kontakt kommt. Eine Gefährdung des Trinkwassers lässt sich dadurch ausschließen.
Die öffentlich verbreitete Vorstellung, durch Fracking würden Gifte in den natürlichen, sauberen Untergrund gelangen, ist unzutreffend. Ebenso die Ansicht, tiefe Wässer seien reiner als oberflächennahe. Grundwasser im Norddeutschen Becken beispielsweise ist in einer Tiefe von wenigen 100 m extrem salzig, enthält gelöste Gase, Schwermetalle und zahlreiche andere Stoffe, die es ungenießbar machen. Die eingepresste Frac-Flüssigkeit besteht aus Wasser mit weniger als 2 % chemischen Additiven, die u.a. dem Korrosionsschutz der Verrohrung dienen und die Reibung beim Flüssigkeitstransport in den Rohren verringern. Sie wird teilweise rückgefördert und dann recycelt oder entsorgt oder verbleibt in den gefrackten Erdgasformationen. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Dichte können die Tiefenfluide nicht in höhere Stockwerke des Untergrundes aufsteigen. Der hydraulische Überdruck, der in diesen Tiefen herrscht, zeugt zudem von einer verlässlichen Abdichtung zu oberflächennahen Schichten. Das befürchtete Risiko induzierter Erdbeben durch das Erschließen von Schiefergasvorkommen ist nach heute verfügbarer Datenlage deutlich geringer als bei der Förderung konventionellen Erdgases oder beim herkömmlichen Untertagebergbau.
An der sachgerechten Durchführung und Bewertung von Fracking-Maßnahmen arbeiten in Deutschland zahlreiche Experten aus den Fachgebieten Geologie, Lagerstättenkunde, Gesteinsphysik, Seismologie, Geochemie, Hydrogeologie, Reservoir- und Bohrlochingenieurwesen zusammen. Ihre Aufgabe ist es, die Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Diesen gut ausgebildeten Spezialisten mit ihrer Fachkompetenz sollten wir auch in Zukunft vertrauen.

Contra

Die Begehrlichkeiten der erdgasfördernden Unternehmen nach neuen Energiequellen wachsen, denn die Fördermengen aus konventionellen Vorkommen gehen zurück. Nun müssen die Konzerne zu immer aufwendigeren, teureren und vor allem umweltschädlicheren Methoden greifen, um die letzten endlichen Ressourcen aus der Tiefe zu holen.
Aus diesem Grund wollen die Konzerne auch die Schiefergasförderung in Deutschland etablieren. Dabei machen sie Bürgerinnen und Bürgern falsche Versprechen über den gesamtgesellschaftlichen Nutzen von Fracking. Fakt ist aber, dass die deutschen Schiefergasreserven viel zu gering sind, um einen Boom wie in den USA auszulösen. Fracking wird also weder einen signifikanten Beitrag zu niedrigeren Energiepreisen leisten, noch kann es uns unabhängig von Erdgasimporten aus Russland oder anderen Ländern machen. Niedrigere Preise und Energieunabhängigkeit erreichen wir nur durch einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Gleichzeitig verharmlosen die Energieunternehmen und ihre Lobby die Risiken und nähren den Mythos von der „beherrschbaren Technologie“. Die Realität sieht aber anders aus: Zahlreiche Erfahrungen aus den USA sowie wissenschaftliche Untersuchungen belegen die massiven Gefahren für Mensch und Umwelt. Die giftigen Chemikalien, die gemeinsam mit einem Gemisch aus Wasser und Sand in die Tiefe gepumpt werden, können durch Lecks austreten und Grund- und Trinkwasser verseuchen. Auch Lagerstättenwasser – Wasservorkommen in tiefen Gesteinsschichten, die i. d. R. mit Schwermetallen und Arsen sowie natürlichen radioaktiven Stoffen und Kohlenwasserstoffen hoch belastet sind – kann im Zuge der Fracking-Bohrung oder der späteren Entsorgung entweichen und so Böden oder Grundwasser verunreinigen. Wissenschaftler der Universität Innsbruck stellten bei Messungen in den USA im Rahmen eines NASA-Forschungsprojekts kürzlich fest, dass durch Fracking klima- und gesundheitsschädliche Gase in die Luft geraten. Und nicht zuletzt zeigt die Erfahrung aus den USA: Ein massiver Flächenverbrauch sowie der Anstieg von Lkw-Verkehr und Lärm in ländlichen Gebieten beeinträchtigen die Lebensqualität der Anwohner.
Fracking zur Förderung von „Tight Gas“ werde in Deutschland bereits seit 50 Jahren ohne Probleme praktiziert, wie die Befürworter oft betonen. Dass es sich dabei um glatte Lügen handelt, wurde kürzlich sogar von der Industrie selbst bestätigt. Gernot Kalkoffen, Europa-Chef von Exxon Mobil, gab in einem Interview mit der Tageszeitung (taz) zu, dass im Zuge der Fracking-Operationen in Deutschland jahrelang giftige Stoffe wie Benzol und Quecksilber aus Leitungen für den Transport von Lagerstättenwasser entwichen sind. Durch schlecht abgesicherte Bohrplätze und schludrige Reinigungsarbeiten traten auch an der Oberfläche giftige Substanzen aus und verseuchten Böden. Kalkoffen sprach zudem offen über Trinkwasserverschmutzung in den USA. Schließlich gestand er ein, dass es seinem Unternehmen völlig unbekannt ist, wie viel des besonders klimaschädlichen Gases Methan durch die Fracking-Bohrungen freigesetzt wird. Die neue, angeblich giftfreie Frackingflüssigkeit, deren baldigen Einsatz Exxon Mobil zuletzt in großen Zeitungsanzeigen bewarb, ist hingegen noch nicht einmal einem Feldtest unterzogen worden. All diese Beispiele zeigen, dass die vielbeschworene „Beherrschbarkeit“ nur ein theoretisches Konstrukt ist. Die Praxis sieht anders aus.

 


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