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Ist es nachhaltig, dass Nachtspeicheröfen auch nach 2020 betrieben werden dürfen?

In den Wirtschaftswunderzeiten und danach wurden sie vielfach eingebaut: Nachtspeicherheizungen. Damals waren sie eine willkommene Alternative zu den kohle- und ölbefeuerten Einzelraumheizungen. Sie dienten und dienen noch heute als planmäßiger Stromabnehmer: Nachts nehmen sie den durch Überkapazitäten erzeugten Strom aus Großkraftwerken auf und geben ihre Wärme tagsüber wieder ab. Die Energieversorger honorieren den Kunden dies mit Strompreisen, die unter denen der Tagestarife liegen. Denn die Großkraftwerke abzuschalten, ist unwirtschaftlich. Es gibt zwar keine flächendeckende Erhebung, aber geschätzt sind es um die 10 Mio. dieser dezentralen Heizungen, die in den rund 1,4 Mio. Wohnungen stehen.

Zur 1. Großen Koalition unter Angela Merkel wurde dann eine Veränderung eingeleitet: Bestimmte Nachtspeicheröfen hätten ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr betrieben werden dürfen. Doch im Mai letzten Jahres hat die damalige CDU/CSU-FDP-Koalition die Abschaltpflicht wieder zurückgenommen. Über das Erneuerbare Energiengesetz trat dieser politische Wille mit sofortiger Wirkung in Kraft. Auch aus der Energieeinsparverordnung 2014 wurde die Außerbetriebnahme ersatzlos gestrichen. Damit dürfen z.B. auch die Geräte, die weit älter sind als 30 Jahre, weiter betrieben werden.

Die Aufhebung der einstigen Abschaltpflicht wird unterschiedlich aufgenommen. Die einen bejubeln sie und sehen neue Chancen in ihrer Nutzung, andere sehen den Klimaschutz gefährdet. Lesen Sie, wie ein Energieversorger und ein Forschungsinstitut für Umwelt- und Klimaschutz die Folgen der Regierungsentscheidung bewerten.

 

Patrick Hoffmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Schwerpunkt Energieeffizienz im IZES – Institut für Zukunftsenergiesysteme gGmbH, Saarbrücken

 

PRO

Die Integration erneuerbarer Technologien ist eine der zentralen Herausforderungen, wenn es um die energetische Versorgungssicherheit in Deutschland geht. Insbesondere der stetig steigende Anteil von sauberem Ökostrom muss effizient ins Netz eingebunden werden – eine Aufgabe, die ohne smarte und leistungsstarke Speicherlösungen nicht gelingen kann. Denn klar ist: Nur wenn es künftig gelingt, überschüssigen regenerativen Strom auch in bedarfsarmen Zeiten abzunehmen, können die erneuerbaren Anlagen ihre Klimaschutzwirkung voll entfalten.
Im Fokus steht dabei eine Speichertechnik, der ein eher schlechter Ruf vorauseilt: die der Nachtspeicheröfen. Doch bei der technischen und ökonomischen Bewertung dieser Heizungsform wird fast immer außer Acht gelassen, welchen ungeheuren Mehrwert die noch bestehenden Nachtspeicherheizungen bei der Herausforderung der Integration der Erneuerbaren Energien in unsere Energie-Infrastruktur leisten könnten. Zudem legt der immer weiter wachsende Anteil der Erneuerbaren Energien am Strommix eine neue Bewertung der elektrischen Heizung – ob Direkt-, Speicherheizung oder über die Wärmepumpe – nahe.
Aktuell gibt es in Deutschland rund 1,4 Mio. Haushalte mit Nachtspeicherheizungen. Die Leistung eines solchen Geräts beträgt dabei durchschnittlich 10 kW. In Summe stellen diese Einzelsysteme eine Gesamtspeicherleistung von 14.000 MW bereit. Würden diese Anlagen computergesteuert – wie ein virtueller Speicher – zusammengefasst, könnten dort Tausende Windräder und Photovoltaik-Anlagen ihren Strom als Wärme zwischenlagern. Ein anderes Beispiel: Gelänge es, nur 30% der Speicherheizungen als Puffer für vorübergehende Überkapazitäten zu nutzen, ließen sich dort 4000 MW Strom hineinladen. Dies entspräche einer Kapazität von vier bis fünf großen Pumpspeicherkraftwerken.
Damit aus dieser ambitionierten Zukunftsvision Realität werden kann, braucht es allerdings ein neues, weiterentwickeltes Lademodell. In unserem Forschungsprojekt „Windheizung“ haben wir ein solches für Fußbodenspeicherheizungen mit neuer Regelungstechnik erfolgreich erprobt. In 80 Testhaushalten in Essen und Meckenheim wurden dazu die herkömmlichen starren Ladezeiten der Heizungen aufgehoben und durch einen flexiblen Ladeprozess ersetzt. In der Praxis verfügt dabei jeder Haushalt über eine Steuerzentrale, die über Funk mit dem Energieversorger verbunden ist. Dieser kann den Stromfluss in die Elektroheizungen steuern und dabei berücksichtigen, ob situativ viel Ökostrom zur Verfügung steht oder nicht. Dadurch entsteht für die Nutzer auch der angenehme Nebeneffekt, dass die gleichmäßigere Aufladung zu einer stabileren Raumtemperatur führt – und das bei geringerem Stromverbrauch. Denn die gleichmäßigere Wärmeverteilung über den gesamten Tag führt zu niedrigeren Temperaturdifferenzen zwischen drinnen und draußen und damit zu geringeren Verlusten.
Ein weiterer Vorteil: Die bessere Einbindung der schwankenden Stromspitzen in das Versorgungssystem trägt insgesamt dazu bei, die Netzstabilität zu erhöhen. Weil die regenerative Einspeisung stark fluktuiert, braucht es in der Zukunft flexible Verbraucher, die den Erzeugungsspitzen einfach folgen können. Wärmeanlagen wie Fußboden- und Nachtspeicherheizungen können dies.
Fazit: Durch die Kombination von moderner Regelungstechnik und einem neuen Lademodell werden aus den bislang schlecht beleumundeten Elektroheizungen innovative Ökostromheizungen.


CONTRA

Drei gute Gründe sprechen dafür, Nachtspeicheröfen so schnell wie möglich durch moderne Heizungssysteme zu ersetzen:

1. Sie sind ineffizient.

Jede andere aktuelle Wärmeversorgung – von der Kraft-Wärme-Kopplung bis zur Vor-Ort-Erzeugung im Brennwertkessel – bietet einen höheren Gesamtwirkungsgrad als die Nachtspeicherheizung. Denn bei ihr wird zuerst im Kraftwerk Wärme aufwendig und verlustbehaftet in Strom umgewandelt, wobei Zweidrittel der Energie ungenutzt verloren geht. Danach wird der Strom in der Heizung wieder in Wärme zurückverwandelt – eine aus Sicht der Ener­gieeffizienz und des Klimaschutzes völlig unvertretbare Vernichtung von Energie.

2. Sie sind teuer.

1 kWh Nachtstrom kostet momentan im Schnitt 15 Cent. Die Preise für Gas und Pellets liegen zwischen 5 und 6 Cent. Bei einem typischen Jahreswärmebedarf eines Einfamilienhauses von rund 20.000 kWh ergeben sich so für das Heizen mit Strom Mehrkosten von bis zu 2000 Euro im Jahr.

3. Sie behindern den Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Nachtspeicherheizungen – und das ist der Grund, warum sie überhaupt in den Verkehr gebracht wurden – nehmen einen Teil der nächtlichen Überproduktion unflexibler Kohle- und Atomkraftwerke auf, damit diese nachts weiterbetrieben werden können. Denn die Kraftwerke abzuschalten wäre für die Versorger viel zu teuer. Nachtspeicheröfen werden auch heute noch den größten Teil ihrer Betriebszeit mit Strom aus konventioneller Erzeugung betrieben und daran wird sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern. Denn das zurzeit häufig gehörte Argument „Stromheizungen eignen sich optimal, um die Überproduktionen der fluktuierenden Erneuerbaren abzupuffern“, ist bei näherer Betrachtung eine Mogelpackung: Trotz sogenannter negativer Börsenpreise durch ein zeitweise hohes Angebot an Erneuerbaren Energien ist es bisher noch nie vorgekommen, dass Wind und Sonne mehr Strom erzeugt haben als in Deutschland nachgefragt wurde. Schaut man sich die beiden Tage im Sommer und Winterhalbjahr 2012 an, an denen die Erzeugung aus Wind und Sonne der Gesamtstromnachfrage am nächsten kam, sieht man Folgendes: Auch an diesen Tagen wurde noch konventionelle Erzeugungskapazität von 14 bis 21 GW benötigt, um die inländische Nachfrage zu decken – u.a. auch die der zahlreichen Nachtspeicherheizungen.
Erst deutlich nach 2020 ist davon auszugehen, dass Wind und Sonne in nennenswert häufigen Stunden mehr Strom erzeugen als die Verbraucher benötigen. Aber auch dann stellt sich die Frage, ob dieser überschüssige Strom wirklich „verheizt“ werden muss oder ob er nicht Anwendungen zur Verfügung gestellt werden sollte, die – anders als der Wärmebereich – zwingend auf Strom angewiesen sind, z.B. die Elektromobilität. Ohnehin müssten die momentan noch in ca. 1,4 Mio. Wohnungen betriebenen Nachtspeicheröfen erst einmal aufwendig und kostenintensiv mit einer entsprechenden Technik (intelligenten Stromzählern, Steuerungsgeräten) ausgerüstet werden, um sie überhaupt so schalten zu können, wie es die Kopplung an die Erzeugung aus Wind und Sonne (scheint nur am Tage) notwendig machen würde.
Fazit: Nachtspeicherheizungen tragen dazu bei, dass sich die Laufzeiten von fossil befeuerten, klimaschädlichen Kraftwerken verlängern und erweisen somit der Ener­giewende einen Bärendienst. Das Aufheben des Speicherofenverbots war daher ein Schritt in die falsche Richtung – sie sollten im Gegenteil so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen werden.


 


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