Ist die Sanierung von Trinkwasserleitungen mit Epoxidharz ein unbedenkliches Verfahren?
Trinkwasseranlagen in Neubauten funktionieren in der ersten Zeit einwandfrei. Das Wasser ist klar, die Ventile sind leichtgängig und es fließt genug Wasser aus den Armaturen. Erst im Laufe der - längeren oder kürzeren - Betriebszeit treten Störungen auf. Braunes Wasser deutet auf Korrosionsvorgänge hin. Kommt nur wenig Wasser aus den Armaturen, ist das ein Hinweis auf Inkrustationen. Ein schleichender Prozess, der Jahre und Jahrzehnte dauern kann. Doch spritzt erst einmal Wasser aus der Leitung, muss zumindest das betroffene Teilstück saniert werden. Viel Dreck, ein vorübergehender Ausfall der Wasserversorgung und ein hoher Koordinationsaufwand entstehen immer dann, wenn sich die Leitungen unter Putz und in bewohnten Gebäuden befinden.
Damit es zu einem Totalausfall erst gar nicht kommt, raten auf Sanierung von Trinkwasseranlagen spezialisierte Unternehmen zu einem Beschichtungsverfahren mit Epoxidharz: Die gesamte Installation wird mit diesem Stoff von innen ausgekleidet. Das Beschichtungsmittel Epoxidharz allerdings wird kontrovers diskutiert. Nach Meinung der Kritiker gehen von ihm viele Gefahren aus. Die Befürworter sehen das hingegen ganz anders. Wir haben zwei Vertreter gebeten, ihre Argumente zusammenzutragen. Ist die Sanierung mit Epoxidharz ein unbedenkliches Verfahren?
PRO
Christopher Probst, Vorsitzender des Verbands der Rohrinnensanierer und Geschäftsführer des Unternehmens Donauer & Probst GmbH & Co. KG, Mannheim
Das Verfahren der Rohrinnensanierung von Trinkwasserleitungssystemen gliedert sich nach dem Regelwerk des VdRi (Verband der Rohrinnensanierer) in die Phasen Objektaufnahme, Trocknung des Rohrsystems, Entfernung der Verschmutzungen/Inkrustierungen, Beschichtung mittels speziellem Epoxidharz, Spülung des Leitungssystems mit Wasser und einer vollständigen Dokumentation der Einzelschritte. Die Wasserqualität wird nach der Sanierung von unabhängigen Laboratorien regelmäßig überprüft.
Die Vorteile liegen mit der Kosten-, Zeit- und Aufwandsminimierung klar auf Seite des bereits seit 25 Jahren am Markt bestehenden Rohrinnensanierungsverfahrens. Als angebliche Risiken des Verfahrens werden Migrationen von Stoffen aus dem verwendeten Beschichtungsstoff in das Trinkwasser sowie Haltbarkeitsaspekte von Verfahrensgegnern zu Unrecht angeführt. Die eingesetzten Beschichtungsstoffe erfüllen die Rezepturanforderungen der Beschichtungsleitlinie des UBA (Umweltbundesamt). Außerdem wird das Material nach DVGW-Arbeitsblatt W 270 regelmäßig erfolgreich geprüft und ist durch akkreditierte Labore für den Einsatz im Trinkwasserbereich freigegeben. In Deutschland definiert der § 17 der TrinkwV die Anforderungen an das Trinkwasser. Hinweise auf eine Überschreitung von Grenzwerten liegen, bei einer Verarbeitung des Beschichtungsmaterials nach Herstellerangaben, nicht vor. Trinkwasseranalysen nach erfolgreicher Sanierung zeigen regelmäßig keine Auffälligkeiten.
Auch Problemstellungen hinsichtlich der Haltbarkeit und Alterungsbeständigkeit haben sich in den letzten 25 Jahren nicht gezeigt. Gewährleistungsverpflichtungen der lange am Markt bestehenden Sanierungsunternehmen von bis zu zehn Jahren unterstreichen diesen Punkt. Moderne Beschichtungsstoffe lassen sich zudem thermisch und chemisch nach DVGW W 557 desinfizieren.
Das rechtliche Umfeld ist durch die TrinkwV geprägt. Diese Verordnung sieht für die Sanierung der Trinkwasserleitungen kein behördliches Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren vor. § 4 und § 17 verlangen, dass die Wasserverteilung mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik genügt, d. h. die Anlage mindestens nach diesem Standard betrieben wird, die verwendeten Werkstoffe und Materialien nicht Stoffe in Mengen in das Trinkwasser abgeben, die höher sind als dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar ist, und dass die Grenzwerte der TrinkwV eingehalten werden. Die vorhandenen technischen Regeln - Beschichtungsleitlinie des Umweltbundesamtes, Technische Regeln des Verbandes der Rohrinnensanierer, Verarbeitungsanweisungen der Harzhersteller, Arbeitsblatt W 270 des DVGW - geben mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik wider. Nach regelgerechter Sanierung werden keine die Anforderungen der Trinkwasserverordnung überschreitenden Stoffgehalte im Trinkwasser festgestellt.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Verfahren der Sanierung von Trinkwasserleitungen mittels Epoxidharz eine kostengünstige, schnelle und rechtlich zulässige Alternative zu herkömmlichen Sanierungsmaßnahmen ist, die ihre Unbedenklichkeit über die letzten 25 Jahre unter Beweis gestellt hat.
CONTRA
Dr. rer. nat. Johann W. Erning, Fachbereich "Korrosionsschutz von technischen Anlagen und Geräten" in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin
Seit vielen Jahren werden Verfahren zur nachträglichen Auskleidung von Trinkwasserleitungen in Gebäuden am Markt angeboten. Gegen die Anwendung der Innenbeschichtung ergeben sich grundsätzliche Bedenken aus technischer wie regulatorischer Sicht.
Von Anfang an hat die Fachwelt Bedenken geäußert. Diese beziehen sich auf die Physik der Beschichtungen (Diffusion von Wasserdampf führt zur Ablösung der Schichten) sowie die Herstellung einer beschichtungsgerechten Oberfläche in den Rohren. Denn die Oberfläche muss frei sein von sichtbarem Öl, Fett, Schmutz und frei von Verunreinigungen. Doch das ist in der Praxis nicht zu erreichen. Diese Bedenken sind bis heute nicht ausgeräumt, die auftretenden Schäden an ausgeführten Sanierungen belegen dies nachdrücklich. Die Schädigung der Haftung auch bei ideal vorbereiteten Rohrinnenflächen durch die Diffusion von Wasserdampf führt zur Begrenzung der Lebensdauer. Im Warmwasser ist oft schon nach fünf Jahren eine weitgehende bis vollständige Ablösung der Beschichtung zu beobachten.
Das Beschichtungsmaterial ist umstritten: Die EFSA (European Food Safety Agency) hat gerade einen Entwurf vorgelegt, die tolerierbare tägliche Dosis für Bisphenol A - ein Bestandteil von Epoxidharz - zu verringern, weil erhebliche Bedenken bezüglich gesundheitlicher Schäden bestehen. Bereits die bisher gültigen Grenzwerte haben aber verhindert, dass ein Beschichtungsstoff die Prüfung gemäß der Beschichtungsleitlinie des Umweltbundesamts (UBA) bestanden hat.
Kritisch ist in der Trinkwasserinstallation das besonders ungünstige Oberflächen-Volumen-Verhältnis: Ein Beschichtungsstoff, der für einen Trinkwasserbehälter akzeptiert werden kann, kann in Rohren kleinen Durchmessers unzulässig hohe Konzentrationen an bedenklichen Stoffen an das Trinkwasser abgeben.
Die TrinkwV gibt eindeutige Hinweise zu den in der Trinkwasserinstallation zulässigen Werkstoffen. Diese werden nach § 17 zukünftig über Bewertungsgrundlagen, die durch das UBA festgelegt werden, geregelt. Nur Werkstoffe, die nach den Bewertungsgrundlagen des UBA positiv beurteilt wurden, sind zukünftig einsetzbar. Eine Zuwiderhandlung stellt erstmals einen Ordnungswidrigkeitstatbestand dar.
Zudem führt die Beschichtung häufig zu Beeinträchtigungen der hydraulischen Verhältnisse mit der Folge von Problemen durch Stagnation und dadurch verursachte Vermehrung von Mikroorganismen wie Legionellen. Eine Desinfektion kann zu einer Schädigung des Beschichtungsstoffs führen, was dann zur Abgabe von Stoffen an das Trinkwasser führt.
Die bis Mai 2011 gültigen Regelwerke des DVGW wurden aufgrund der genannten Bedenken sowie fehlender Nachweise der Hersteller zurückgezogen. Eine Zertifizierung von Verfahren und Unternehmen kann daher derzeit nicht erfolgen.
Aufgrund der genannten technischen und hygienischen Probleme ist der Einsatz dieser Verfahren in der Trinkwasserinstallation derzeit nicht empfehlenswert. Die oben genannten Erfahrungen bezüglich der Lebensdauer derartiger Sanierungen, selbst die Verfahrensanwender geben eine gegenüber einer Neuinstallation deutlich verkürzte Lebensdauer an, stellen zudem die Wirtschaftlichkeit einer solchen Maßnahme infrage.