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Ist der Einsatz von Einzelraumregelungen bei Flächenheizsystemen noch zeitgemäß?

Das zentrale Heizsystem ist aus der heutigen Zeit kaum wegzudenken. Aufeinander abgestimmte Komponenten und eine an den aktuellen Standard der Technik angepasste Systemtemperatur sorgen für ein Höchstmaß an Effizienz und Behaglichkeit. Auch Einzelraumregelungen dürfen hier nach Meinung vieler nicht fehlen, helfen sie doch mit, die umwelttechnischen Interessen der Politik umzusetzen. Gemäß § 14 der aktuellen Energieeinspar-Verordnung sind sie bei allen Warmwasser-Heizsystemen vorgeschrieben. Doch dieser Passus trifft nicht nur auf Zustimmung. Kritiker sehen den Einsatz von Einzelraumregelungen in Verbindung mit Flächenheizsystemen kontraproduktiv zum gewünschten Ziel der EnEV. Zudem sei der Selbstreguliereffekt vollständig außer Kraft gesetzt. Nach Meinung der Befürworter hingegen zeigen sich in der Vorschrift keinerlei Kollisionen zur Verordnung. Ganz im Gegenteil, mit Komfort und Umweltentlastung wird argumentiert. Wir haben zwei Vertreter gebeten, ihre Position zu verdeutlichen und mit Argumenten zu untermauern, um die Frage zu beleuchten: Ist der Einsatz von Einzelraumregelungen bei Flächenheizsystemen noch zeitgemäß?

Bernhard Wenzel, Vorstandsmitglied der Klima-Innovativ e.V.

 

PRO

Reiner Pfliegensdörfer,
Dipl. Wirtschafts-Ing. bei der Danfoss GmbH, Abteilung Heating Solutions

Man stelle sich einen Wintertag vor. Die Bewohner kommen nach Hause, gehen in den Flur, ins Wohnzimmer, gehen weiter in das Badezimmer, dann ins Schlafzimmer. Vielleicht gibt es auch noch zwei Kinderzimmer, ein Gästezimmer und ein kleines Büro. Überall ist es schön warm. Egal wer einen Raum wann und wie lange nutzt: Überall und immer – außer vielleicht während der Nacht – ist es schön warm. Ist das wirklich so angenehm, wenn man in seinem Zuhause festen Temperaturvorgaben zu folgen hat? Macht es nicht Sinn, den Bewohnern die Möglichkeit zu lassen, in jedem Raum und zu jeder Zeit ihre Raumtemperaturen selbst einzustellen, im Idealfall sogar für jeden Tag vorprogrammiert?
Nicht alle Räume werden gleichzeitig genutzt und das Temperaturniveau eines molligen Badezimmers möchte man nicht wirklich auch im Schlafzimmer vorfinden. Hinzu kommt: Jeder Mensch fühlt Temperaturen unterschiedlich. Allein deshalb empfiehlt sich der Einbau von intelligenten Reglern pro Zimmer.
Ein weiteres Szenario: Die Wolken­decke reißt auf und eine tiefstehende Sonne erwärmt den Raum. Bei Flächenheizsystemen ist dieser Effekt bekannt: Fix klettert die Temperatur um 3 und mehr °C über die normale Raumtemperatur. Einzelraumregelungen können zumindest einen Teil dieser Wärme durch Drosseln bzw. Unterbrechen des Heizwasserzuflusses ausregeln. Zugegeben, gegen die Trägheit älterer Fußbodenheizungen mit dicker Estrichplatte oder Heizkörper mit großem Wasserinhalt vermag selbst die schnellste Regelung relativ wenig auszurichten. Zumindest die neueren Flächenheizsysteme mit geringer Masse oder Heizkörper mit kleinem Wasserinhalt reagieren deutlich schneller auf Temperaturschwankungen. Die Reaktionszeiten von mehreren Stunden gehören im Neubau jedoch der Vergangenheit an. Richtig ist, dass moderne Heizungen in neuen Gebäuden die energieeffizientesten Komponenten sind. Im Gebäudebestand mit alten, ungeregelten Fußbodenheizungen zeigen sich durch den problemlosen Einbau drahtloser Regelungen jedoch hohe Einsparmöglichkeiten. Der Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen (BVF) spricht im Rahmen einer Studie von Einsparungen zwischen 11 und 21% in einem Einfamilienhaus mit 160 m2 – je nach Nutzung der nachgerüsteten Regelung. Was die Amortisation anbelangt, sind die Kosten für ein drahtloses Regelungssystem bereits nach drei bis vier Jahren wieder eingespielt.
Ganz erheblich ist auch die Umweltentlas­tung: Würden alle in Deutschland vorhandenen nicht geregelten Fußbodenheizungen nachgerüstet werden, könnten rund 1 Mio. t CO2 eingespart werden. Das entspricht den jährlichen Emissionen von 500000 Diesel-Autos mit einer Laufleistung von 15000 km und einem Verbrauch von 5l/100 km.
Als Fazit kann festgehalten werden: Ob alt oder neu, bei allen Fußbodenheizungen macht es Sinn, moderne Regelungstechnik zu nutzen. Damit lassen sich zum Teil erhebliche Energie-Einsparwerte erzielen. Gleichzeitig wird der individuelle Heizkomfort deutlich angehoben.


CONTRA

Bernhard Wenzel,
Vorstandsmitglied der Klima-Innovativ e.V.

Das Bild der Einzelraumregelung dreht sich, sobald heute als Standard geltende Niedertemperatur-Flächenheizsysteme ins Spiel kommen. In der Regel werden Brennwertheizungen mit einer Spreizung von 35/27°C ausgelegt. Bei Wärmepumpen sollten die Systemtemperaturen bei 30/27°C liegen. Besser aber ist es, wenn diese Temperaturgrenzen noch unterboten werden, um das Heizsystem effizient zu betreiben. Durch diese Anpassung ändert sich nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Anlage ins Positive, sondern es greift ebenfalls der Einfluss des Selbstregeleffektes. Ein Beispiel: Eine optimierte Fußbodenheizung erzeugt bei einer Auslegungstemperatur von –16°C max. 23°C Oberflächentemperatur bei einer mittleren Heizwassertemperatur von 26°C. Steigt die Raumtemperatur infolge innerer Wärmegewinne oder solarer Zugewinne an, so gibt die Flächenheizung wegen geringerer Temperaturdifferenz weniger Wärme ab. Bei starker Sonneneinstrahlung kann sogar Wärme aus dem Fußboden abgeführt werden. Diese Wärme kann dem Gesamtsystem an unbesonnter Stelle zugute kommen. Nicht aber, wenn die Einzelraumregelung wegen der überschrittenen Raumtemperatur Heizkreise abschottet. Insofern ist die Annahme, dass der Selbstregeleffekt unabhängig von regelungstechnischen Einrichtungen eintritt irreführend, da er ausschließlich in ungeregelten Systemen voll greift.
Darüber hinaus erzwingen Eingriffe durch Thermostatventile in das Flächenheizungssystem eine Erhöhung des Druckverlustes und damit eine höhere Strömungsgeschwindigkeit. Hierdurch resultiert eine geringere Wärmetransmission. Um die Heizlast dennoch zu decken, ist die Folge eine Erhöhung der Vorlauftemperatur. Erst mit leistungsgeregelten Geräten und Umwälzpumpen gelingt es, diese Effekte wenigstens innerhalb ihres Regelbereichs teils zu kompensieren. Noch gravierender ist dieser Effekt bei Wärmepumpen, die meist nicht leistungsgeregelt sind. Wegen des Absinkens des Volumenstroms steigt die Kondensationstemperatur im Verflüssiger, durch den damit größer werdenden Temperaturhub verschlechtert sich die Arbeitszahl erheblich. Selbst mit Leistungsregelung gelingt es nur teilweise, das Manko zu kompensieren. Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Einzelraumregelung im System Flächenheizung/Wärmepumpe den Energieverbrauch um bis zu 1/3 erhöht. Dadurch steigt ebenfalls der CO2-Ausstoß und natürlich steigen auch die Kosten.
Die dargestellte Beispielkonstellation (Wärmepumpe/Flächenheizung) ist kein Einzelfall sondern eine typische Situation, in der die Einzelraumregelung generell und nicht nur ausnahmsweise dem Zweck der EnEV kontraproduktiv entgegenwirkt. Was einst also bei schlecht gedämmten Gebäuden mit Hochtemperaturheizungen und wenn überhaupt vorhandener Regeltechnik als guter Ansatz zum Energiesparen gedacht war, hat sich bei Flächenheizungen längst ins Gegenteil gekehrt.


 


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