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Hybrid, stromproduzierend und transluzent - Ein wegweisendes Fassadensystem für die Mobiliar AG Bern

Ein Dienstleistungsgebäude aus den frühen 80er-Jahren. Eine Bauherrschaft mit einer energieeffizienten Vision. Und Baupartner, die diese Vision mithilfe von neuesten Technologien umsetzen. So lässt sich die dreijährige Sanierung des Mobiliar-Bürokomplexes in Bern zusammenfassen.

Das zu sanierende Dienstleitungsgebäude in Bern wurde in den frühen 80er-Jahren gebaut.

Ein erstes Muster wurde erstellt. Dieses bestand aus beweglichen, 45 cm breiten Glaslamellen, die je nach Geschoss unterschiedlich hoch waren.

Grundriss Planausschnitt.

Ausrichtung des Gebäudes.

Schließlich wurden Zellen gefunden, die den verlangten Sonnenschutz boten, den g-Wert erreichten und den Mitarbeitenden einen als natürlich und angenehm empfundenen Ausblick ermöglichten.

Eine planerische Herausforderung stellte die Verkabelung der Glaslamellen und der Antriebsmotoren dar.

Die Kabel wurden so in die Konstruktionsteile integriert, dass sie nicht zu sehen sind.

Auch die Farbgebung der Photovoltaikzellen erwies sich als Herausforderung. Aus ästhetischen Gründen war ursprünglich ein anthrazitfarbiger Farbton gewünscht.

 

Heute überzeugt das Gebäude durch moderne Infrastruktur und komfortable Arbeitsplätze. Was das Gebäude zu einem wahren Vorzeigeobjekt macht, ist seine Energieeffizienz: Die Gebäudefassade ist so konzipiert, dass sie vor Sonne schützt und gleichzeitig Strom produziert.

Eine energieeffiziente Vision

Das zu sanierende Dienstleitungsgebäude wurde in den frühen 80er-Jahren gebaut. Eine umfassende Modernisierung drängte sich auf. Im Jahr 2012 gab die Bauherrschaft den Startschuss zur Sanierung. Ihre Vision war ein möglichst energieeffizientes Gebäude. Die Architekten entwickelten eine Gebäudefassade, welche vor Sonneneinstrahlung schützt und zusätzlich noch Strom produzieren soll. Um diese Vision umzusetzen, mussten neue Wege beschritten und innovative Lösungen gefunden werden. Allen Beteiligten war klar, dass diese Sanierung bezüglich Energieeffizienz ein Leuchtturmprojekt werden sollte.  
Die Planer forschten also nach intelligenten Haustechnik- und Fassadensystemen. In einer ersten Recherche wurden die auf dem Markt erhältlichen Photovoltaikprodukte geprüft. Konkret suchten sie nach Sonnenschutzsystemen mit integrierten Photovoltaikzellen.
Die Tests mit kristallinen und mit amorphen Photovoltaikzellen zeigten unterschiedliche Ergebnisse. Kristalline Zellen sind in der Stromproduktion zwar äußerst effizient, aber nicht transparent. Transparenz war für den Einsatz an der Fassade jedoch zwingende Voraussetzung. Deshalb wurden die Zellen ausgelasert. Das Ergebnis war allerdings unbefriedigend, der g-Wert der Beschattung ungenügend.
Als tauglich erwiesen sich schließlich amorphe Zellen (PV-Dünnschichtzellen). Sie ermöglichten einen Sonnenschutz, der mit ca. 20% Transparenz den ungefähr gleichen g-Wert erreicht wie ein textiler Sonnenschutz. Der g-Wert der Fassade beträgt insgesamt ≤ 10%. Die Schwierigkeit lag darin, die normalerweise genormten Photovoltaikelemente maßgeschneidert auf das Gebäude anzupassen.
Ein erstes Muster wurde erstellt. Dieses bestand aus beweglichen, 45 cm breiten Glaslamellen, die je nach Geschoss unterschiedlich hoch waren. Angetrieben von Motoren, folgten die Lamellen dem Sonnenstand. Damit konnte in erster Priorität die Beschattung und in zweiter Priorität der bestmögliche Sonnengewinn für die Stromproduktion gewährleistet werden.

Ein maßgeschneiderter Prototyp

Die Umsetzung eines solchen Fassadensystems ist ein Prototyp. Da die Planer auf keine bereits ausgeführte Lösung zurückgreifen konnten, entwickelten sie eine spezifische eigene Lösung. Dafür interpretierten sie bestehende Produkte neu und setzten diese auf neue Art und Weise ein. Hinzu kommt, dass die Anlage auf die verwinkelte Form des Gebäudes maßgeschneidert werden musste. Das System mit den 45 cm breiten Glaslamellen zieht sich jeweils geschosshoch rund um das Gebäude.
Die Glaslamellen, die dem Sonnenstand nachfahren, verändern die Gebäudeansicht laufend. Eine planerische Herausforderung stellte die Verkabelung der Glaslamellen und der Antriebsmotoren dar. Die Kabel wurden so in die Konstruktionsteile integriert, dass sie nicht zu sehen sind.
Die Suche nach passenden Photovoltaikzellen gestaltete sich schwierig. Verlangt war ein Layout, das die für einen Sonnenschutz notwendige Transparenz von ca. 20% erreicht. Unzählige Layouts wurden geprüft, stehende und liegende Rechtecke getestet. Schließlich wurden Zellen gefunden, die den verlangten Sonnenschutz boten, den g-Wert erreichten und den Mitarbeitenden einen als natürlich und angenehm empfundenen Ausblick ermöglichten.
Auch die Farbgebung der Photovoltaikzellen erwies sich als Herausforderung. Aus ästhetischen Gründen war ursprünglich ein anthrazitfarbiger Farbton gewünscht. Da die meisten Photovoltaikzellen auf der Basis von Silicium-Dünnschicht jedoch violett-bräunlich sind, wurde schließlich dieser Farbton in die Fassadengestaltung integriert (siehe Foto Ausschnitt).
Das Leuchtturmprojekt verlangte eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die planerischen Vorschläge wurden der Bauherrschaft jeweils in Besprechungen und an Musterbesichtigungen vorgestellt. Die Umsetzung dieses Leuchtturmprojektes war nur dank der Bereitschaft der Bauherrschaft möglich, die Mehrkosten gegenüber einer konventionellen Beschattung zu tragen. Das Projekt ist als Investition in die Zukunft zu verstehen und nimmt eine Vorreiterrolle ein.
Die Bauherrschaft beschloss, die in der Fassade produzierte Energie vollumfänglich zum Eigenverbrauch zu nutzen und diese nicht an Dritte zu verkaufen. Zusätzlich wurden drei Flachdächer mit einer konventionellen PV-Anlage auf der Basis von kristallinen Solarmodulen belegt. Diese Anlagen ermöglichen die umweltfreundliche Energieerzeugung vor Ort und sollen bei einer Belegung von 390 Mitarbeitern und einem Gesamtverbrauch von 260000 kWh pro Jahr insgesamt  ca. 40% der benötigten Energie produzieren. Das Resultat war eine hoch spezialisierte, leistungsstarke PV-Anlage.
Im Verlauf des Projektes kam es bei den Zellenproduzenten  zu mehreren Wechseln. So stellte die 2012 in der Planungsphase ausgewählte Firma die Produktion der PV-Dünnschichtzellen ein. Für die Submission wurde deshalb die gesamte Planung auf die von Schott Solar produzierten Dünnschichtzellen (amorphe Silicium-Tandemzellen) angepasst. Doch auch diese Planung konnte nicht umgesetzt werden, da die Firma Schott die Herstellung dieses Produktes aufgab. Dies zeigt, wie klein der Markt für diese hoch spezialisierten Produkte zurzeit noch ist – sowohl für Anbieter als auch für Abnehmer. Die in der Submission gewählte Firma Colt musste nun alternative PV-Zellen vorschlagen, was zu einer Zeitverzögerung führte. Schließlich wurde mit den Zellen der Firma Antec Solar eine Lösung gefunden, welche sowohl den technischen als auch den ästhetischen Vorgaben entsprach.

Autor: Daniel Meyer, GWJARCHITEKTUR AG, Bern, Schweiz

Bilder:
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Kennwerte der Photovoltaik Fassadenanlage:

  • Installierte Leistung in kW DC-Seite (kWp): 74 kW
  • Produzierte Energie in kWh pro Jahr (kWh/a): 41 000
  • Spezifischer Ertrag in kWh/kWp: 545

Flachdachanlage:

  • Installierte Leistung in kW DC-Seite (kWp): 76 kW
  • Produzierte Energie in kWh pro Jahr (kWh/a): 76 000
  • Spezifischer Ertrag in kWh/kWp: 1000

 


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