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Hitze und Starkregen bändigen

Neue Ansätze für Regenwassermanagement in Städten

Wasserkreisläufe spielen eine wichtige Rolle bei der Planung von Stadtquartieren. Speziell Regenwassermanagement hat zum Ziel, durch dezentrale Maßnahmen der Überflutung bei Starkregen vorzubeugen und das Lokalklima zu verbessern. Es geht darum, Lösungen zu entwickeln, die der natürlichen, standortbezogenen Wasserbilanz aus Niederschlag, Verdunstung, Versickerung und Abfluss nahekommen. Bild: Gregor Grassl

London, Providence Wharf. Exklusiver Wohnungsbau an der Themse mit intensiv begrünten Dachgärten. Im Sommer besteht Bewässerungsbedarf. Die damit einhergehende Verdunstungskühlung und Luftbefeuchtung verbessern das Mikroklima. Wäre ein großer Regenspeicher im Untergeschoss eingebaut, könnte dort der Überlauf der Dachbegrünung zur späteren Bewässerung zwischengespeichert werden. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung des Objektes würde sich 100 % nähern, die Wassergebühren dementsprechend sinken. Bild: ZinCo

Prinzipskizze künftiger Regenwasserkonzepte, um den Verdunstungsanteil der lokalen Wasserbilanz durch Bewässerung der Dachflächen an trockenen Tagen zu optimieren, auch bei Gründächern. Die technischen Komponenten sind aus der Regenwassernutzung bekannt und preiswert vorhanden: Filter im Zulauf, Speicher mit Überlauf, Pumpentechnik zur Entnahme. Bild: Mall

Frankfurt am Main, Europaviertel West. Baumquartiere in Kombination mit Sickermulden verbessern das Stadtklima und mindern die Überflutungsgefahr. Der Oberflächenabfluss von Verkehrsflächen versickert und verdunstet hier. Zusätzlich könnte das Regenwasser von Dach-flächen, um die Verdunstungsrate zu erhöhen, in unterirdischen Speichern gesammelt und auf den Dächern an trockenen Tagen zur Verdunstung gebracht werden. Bild: König

Beispiel einer Sickerkammer. Das unterirdische Rigolensystem „Cavi“ von Mall ist aus Porenbeton mit einer Abdeckplatte aus Stahlbeton, die bei nur 25 cm Überdeckung Lkw-befahrbar ist. Die runde Kontrollöffnung ermöglicht Inspektion bzw. Wartung. Mit wasserrechtlicher Erlaubnis ist es möglich, damit Niederschlagswasser zu versickern, ohne Platzbedarf an der Oberfläche. Bild: Mall

 

Unsere Städte leiden mittlerweile abwechselnd unter Starkregen und Hitze, wo offene Wasserflächen und Begrünung weichen mussten. Der Klimawandel wird diesen Effekt noch verstärken. Nun geht es darum, durch Regenwassermanagement Lösungen zu entwickeln, die in den Cities Überflutungsgefahren mindern und zugleich Lebensqualität steigern.

Das Ideal wäre, der natürlichen standortbezogenen Wasserbilanz aus Niederschlag, Verdunstung, Versickerung und oberflächigem Abfluss so nahe zu kommen, dass eine unterirdische Ableitung in Rohren und Kanälen nicht erforderlich ist. Damit lassen sich im sprichwörtlichen Sinne „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Die urbanen Sturzfluten werden in vielen öffentlichen und privaten Rückhaltezonen gepuffert. Und eine hohe Verdunstungsrate kühlt die sommerlichen Temperaturen auf das Niveau des Umlandes ab. In Anbetracht der Kapazität zur Wasseraufnahme und -abgabe ist sinnbildlich der Schwamm das Vorbild.

Die Begriffe „Sponge City“ und „Schwammstadt“
Stark thematisiert wurde der englische Begriff „Sponge City“ in internationalen Publikationen des Jahres 2017, speziell im Zusammenhang mit dem Bau von Megacitys in China. Dort ist die staatlich gelenkte „Sponge-City-Initiative“ ein Instrument, um einerseits den komplexen Sachverhalt den in dieser Sache noch unerfahrenen kommunalen Verwaltungen zu vermitteln. Andererseits erhalten die öffentlichen Auftraggeber zweckgebunden finanzielle Unterstützung, sofern sie das gesteckte Ziel erreichen, bis 2020 auf 80 % des Stadtgebietes mindes­tens 70 % des auftreffenden Regenwassers „aufsaugen“ zu lassen oder zu nutzen. Es geht ausdrücklich um die kommunale Vorsorge gegen Überflutung, aber auch um das langfristige Sichern der Trinkwasserversorgung durch Senken des Trinkwasserbedarfs und Anreichern der Grundwasservorräte.
Gelernt hat man in China von eigenen urbanen Sturzfluten, die 2016 speziell in Wuhan, Nanjing, und Tianjin sowie 2012 in Beijing gewaltige Schäden verursacht hatten. Ähnliche Ereignisse zeigen, dass die Probleme weltweit bestehen und nicht auf einzelne Regionen oder nur auf Schwellenländer beschränkt sind.
Zur Lösung solcher Probleme wurde hierzulande bereits im Jahr 2016 festgelegt, dass in Absprache mit dem Umweltbundesamt die technischen Regeln der Siedlungswasserwirtschaft angepasst werden sollen. Vorausgegangen war eine 2015 veröffentlichte Studie des Berliner Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung, in welcher der Begriff „Schwammstadt“ als Prinzip bezeichnet wurde, um für den öffentlichen Raum bestehender Städte nachhaltige Speicher- und Bewässerungssysteme zu entwickeln [1].

Anpassung von Regelwerken
Der Entwicklungsprozess ist nunmehr in vollem Gange: Seit September 2016 liegt der deutschen Fach-Öffentlichkeit ein Entwurf des Arbeitsblattes DWA-A 102/BWK-A 3 „Ableitung von Regenwasser in Oberflächengewässer“ vor. Der Entwurf wird in Bezug auf seine Radikalität in Fachkreisen heftig diskutiert. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass diese Norm im Jahr 2019 Gültigkeit erlangt. Bis dahin soll auch das Arbeitsblatt DWA-A 138 „Versickerung von Regenwasser“ angepasst sein. Nachdem beide Regelwerke verabschiedet sind, müssen Planer bei deutschen Bauvorhaben als Voraussetzung für die Baugenehmigung mit dezentralen Maßnahmen die lokale Wasserbilanz abbilden, die vor der Bebauung an diesem Ort vorherrschend war.
Die Verdunstung beträgt im Randgebiet der meisten Metropolen vor einer Bebauung 60 bis 70 % der Niederschlagsmenge, danach nur noch einen Bruchteil davon. Pilotprojekte in Berlin und Nürnberg führen den Nachweis, dass zwei Drittel des Niederschlags mit dem Stand der Technik zu verdunsten gelingen kann, und das unter wirtschaftlich zumutbaren Konditionen. Objektspezifische, maßgeschneiderte Kombinationen aus Verduns­tung, Nutzung und Versickerung, machen es selbst in Citylage möglich, Niederschlagswasser nahezu 100%ig zu bewirtschaften [2].

Komponenten des dezentralen Regenwassermanagements
Bereits jetzt, im Vorfeld möglicher Änderungen bei Regelwerken und Wasser- bzw. Baugesetzen zugunsten deutlich höherer Verdunstungsraten, werden in der Regenwasserbranche neuartige Bewirtschaftungskonzepte vorgestellt. Sie sollen bei künftigen Neubauvorhaben mit wenig technischem Aufwand erlauben, Dach- und Oberflächenabflüsse zu sammeln und an trockenen Tagen zur Verduns­tung auf die Sammelflächen zurück zu leiten. Sinnvolle Komponenten sind:

  • Verdunstung durch Gebäudebegrünung, Dach und Fassade.
  • Verdunstung durch offene Wasserfläche, Teich und Wasserlauf.
  • Versickerung durch wasserdurchlässig befestigte Verkehrsfläche, Pflasterfugen und -bettung.
  • Versickerung durch bewachsene offene Mulde und unterirdische Rigole.
  • Nutzung/Retention durch Regenspeicher zur Substitution von Trinkwasser.
  • Retention durch Speicher/Stauraumkanal mit gedrosselter Ableitung.
  • Retention in urbaner Freifläche mit multifunktionaler Nutzung.

Letzteres wird in Hamburg bereits praktiziert, bei Neubaugebieten und Bestandsquartieren. Ein allmählicher Stadtumbau ist das Ziel. Die Behörde „Umwelt und Energie“ sowie das Versorgungsunternehmen „Hamburg Wasser“ haben gemeinsam das Projekt „Regen-InfraStruktur-Anpassung“ (RISA) 2009 gestartet und 2015 erfolgreich abgeschlossen. Absicht war, nachhaltige Ideen und Konzepte für den Umgang mit Regenwasser zu entwickeln. Ergebnis ist der „RISA Strukturplan Regenwasser 2030“ [3], ein dezentrales Konzept, das Regenwasser dort, wo es anfällt, erfasst und – soweit möglich – an Ort und Stelle durch geeignete Anlagen wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zuführt.
Bei diesem Projekt war die Hamburger Hafen City Universität (HCU) Partner und lieferte wissenschaftliche Unterstützung, z. B. durch Publikationen über das Projekt KLIQ online [4]. Ein Wissensdokument für die Verwaltung und ein Leitfaden für Eigentümer stellen die Konkretisierung des RISA-Ansatzes dar. Arbeitsschritte, Checklisten und Lösungsansätze sind auf andere Kommunen übertragbar.

Fazit
Urbane Sturzfluten und Hitze in Stadtzentren sind eine akute Bedrohung. Um Abhilfe zu schaffen, muss Regenwasser künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden [5]. Das funktioniert am besten dezentral, also auf den Grundstücken und Gebäudedächern – darin sind sich Politik und Wissenschaft einig. Sponge-City, die Stadt als Schwamm, ist ein Sinnbild dafür. Als neue Aufgabe beschäftigt das Thema mittlerweile Stadt- und Regionalplaner sowie letztlich das ausführende Handwerk.

Literatur:
[1] Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung. Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Berlin 2015
[2] König, Klaus W.: Siedlungswasserwirtschaft bei Extremwetter überfordert? Starkregen in Deutschland. Der Bausachverständige, Fraunhofer IRB, Stuttgart, Seite 33-37, Ausgabe 2/2017
[3] RISA Strukturplan Regenwasser 2030, Hamburg, aufgerufen am 15. April 2018, www.risa-hamburg.de/
[4] Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere in Hamburg, aufgerufen 15. April 2018, www.hcu-hamburg.de/kliq
[5] DWA-Regelwerk, Merkblatt DWA M-119. Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. Hennef, November 2016

Autor: Klaus W. König, Überlingen

 


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