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Heiz- und Lagertechnik umgestellt

Wohnungsbaugesellschaft erneuert 47 Jahre altes Nahwärmenetz und wechselt den Brennstoff

Mehrgeschossige Wohngebäude in Schwenningen. Luftbild der 7 Gebäude, die im Jahr 1969 mit Nahwärmenetz erstellt wurden. Die Heizzentrale befindet sich im Keller von Haus 15. Bild: GIS–Portal Stadt Schwenningen

Im Rahmen der Sanierung wurde auch das Nahwärmenetz komplett saniert. Bild: König

Heizzentrale aus dem Jahr 1969 mit Ölkessel vorne und Spitzenlast-Gaskessel hinten. Die Umstellung auf Holzpellets und die Erneuerung von Nahwärmenetz und Heizzentrale erfolgten im April 2016. Bild: König

Pelletspeicher bei der Endmontage. Zu sehen sind die drei ­Befüllöffnungen für den Brennstoff. Bild: Mall

Verladen des Pelletspeichers in Einzelteilen auf Lkws beim Hersteller Mall in Donau­eschingen-Pfohren. Montage vor Ort im März 2016 mit Entnahmetechnik im Speicher durch den Hersteller. Bild: König

Heizraum im Untergeschoss des Hauses Grabenäckerstr. 15. Holzpellet-Grundlastkessel und Gas-Spitzenlastkessel. Bild: wbg Fürderer

 

Die Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (wbg) hat in den letzten drei Jahren sieben mehrgeschossige Gebäude mit zusammen 64 Wohneinheiten modernisiert. Sie stammen aus dem Jahr 1969, wie auch das Nahwärmenetz und die Heizzentrale, in der bislang Öl verfeuert wurde. 2016 stellte die wbg auf Holzpellets um. Das neue Brennstofflager mit 60 m³ Fassungsvermögen befindet sich im Außenbereich. Modernisierung und Umstellung auf den regenerativen Brennstoff Pellets haben KfW-Zuschüsse von 1,76 Mio. Euro ermöglicht.

Pro Jahr wurde eine der drei Gebäudegruppen modernisiert und energetisch saniert. Die Gebäudehülle erhielt eine Mineralwolldämmung, Fenster wurden ausgetauscht und Wärmebrücken durch die Erneuerung der Balkone entfernt. Die Aktion begann Anfang 2015 und war Ende 2017 abgeschlossen. Im April 2016 wurden die Kessel ausgetauscht und das Nahwärmenetz erneuert – bei voller Belegung der 64 Wohnungen. Währenddessen war das alte Verteilnetz noch in Betrieb. Den späteren Spitzenlastkessel mit Gas ließen die Verantwortlichen montieren, als der 47 Jahre alte Ölkessel noch die Gebäude mit Wärme versorgte.

Transplantation des Herzens
Nach präziser Vorarbeit konnte die Umstellung in der Heizzentrale von einem Tag auf den anderen erfolgen. „Das gelingt in dieser Größenordnung nur mit besonders zuverlässigen Firmen“, meint Peter Fürderer, Leiter Bau und Technik bei der Bauherrschaft wbg. Er war zuständig für die Durchführung dieses dreijährigen Modernisierungsprojekts. „Und natürlich müssen unsere Fachingenieure für Architektur und Haustechnik sehr gut geplant haben!“ Jürgen Kern, Bauleiter des Architekturbüros Behnisch, sorgte u.a. dafür, dass Dämmung und luftdichte Gebäudehülle korrekt ausgeführt wurden. „Auch die Balkonplatten mussten von den Geschossdecken getrennt werden, da die Wärmebrücken zu groß waren“, ergänzt er und zeigt beim fertiggestellten Häuserblock in der Grabenäckerstraße die mit Wärmedämmkonsolen an der Fassade befestigten neuen Balkone in Stahlkonstruktion. „Das haben wir ohne Stützpfeiler geschafft“, betont Kern stolz. Er war auch verantwortlich dafür, dass die neuen, recht voluminösen Heizkessel durch eine Verbreiterung des bestehenden Kellerabgangs überhaupt in den Heizraum im Untergeschoss des Hauses eingebracht werden konnten.
Während der neu installierte Gas-Brennwertkessel im April 2016 über das kurz zuvor fertiggestellte Wärmenetz die Wohnungen für einige Tage allein versorgte, konnte das „neue Herz“ der Heiztechnik, der künftige Grundlastkessel für Holzpellets, sorgfältig eingebaut und mit dem außen liegenden Pelletspeicher verbunden werden, bevor er regulär in Betrieb ging. Der dafür zuständige Hermann Lehmann, Inhaber der Aicher Haustechnik, ist sehr zufrieden mit seinen Mitarbeitern. „Der Einbau war schwierig, die Inbetriebnahme eine Freude. Ich hoffe, dass mit unserer Inspektion und Wartung auch dieser Kessel über 40 Jahre gut funktioniert.“
Obwohl andere Betreiber von Gesetzes wegen nach 30 Jahren den Heizkessel austauschen mussten, konnte die wbg ihren ursprünglichen Ölkessel bei diesem Objekt 47 Jahre lang nutzen. „Das liegt daran, dass er mehr als 400 kW Leistung hatte und damit vom Gesetz nicht betroffen war, solange die Abgaswerte stimmen“, erklärt Fürderer.

Gesetze und Zuschüsse
Maximal 11 % der Investitionen können laut § 559 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nach einer Modernisierung auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Ein Team von Beratern hatte Fürderer die Entscheidung nahegelegt, die KfW-55 Effizienzhaus-Standards zu realisieren. Sie boten bei diesem Objekt das beste Preis-/Leistungsverhältnis und die größten Zuschüsse – und damit für die Mieter die geringsten Mietsteigerungen. Mehrere Zuschüsse dürfen für die gleiche Sache nicht in Anspruch genommen werden. „Mit KfW-55 sind wir 45 % besser als ein Neubau gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV)“, sagt der Fachingenieur für Haustechnik, André E. Schwarz. „Allerdings gehört dazu auch die Blower-Door-Prüfung auf Winddichtigkeit – diese ist aufwendig, da die Tests in bewohnten Räumen stattfinden.“
Die Holzpellets als Brennstoff für den Grundlastbetrieb sind Bestandteil des förderfähigen Gesamtkonzepts „Energetische Sanierung Gebäudehülle-Heizung-Nahwärmenetz“, denn Jahresprimärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust sind die entscheidenden Kriterien. Auch der Austausch der elektrischen Durchlauferhitzer in den Wohnungen durch Warmwasseranschluss an die Trinkwasserstationen mit Pufferspeicher im Keller jedes Hauses gehört dazu. Pro Wohnung erhielt die wbg 100 000 Euro zinsgünstiges Darlehen, bei 64 Wohnungen also 6,4 Mio. Euro. Die Förderung der KfW machte in diesem Fall bei dem zugesagten Tilgungszuschuss von 27,5 % immerhin 1,76 Mio. Euro aus.
Parallel zum bundesweit für Neubau geltenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) gilt in Baden-Würt­temberg zusätzlich das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) für den Bestand. Ziel der Politik ist, die erneuerbare Wärme noch stärker als bisher zu verankern. Wird z. B. ein Heizungsaustausch fällig, löst das die Wirkung des nur in Baden-Württemberg geltenden EWärmeG aus. Es fordert einen Mindestanteil von 15 % Erneuerbare Energie (oder die Energieeffizienz des Bestandsgebäudes mit anerkannten Ersatzmaßnahmen zu steigern). Auch damit hatte die Bauherrschaft kein Problem, da der Grundlastbetrieb der Heizung mit Holzpellets als 100 % regenerativ gilt.

Gründe für Pellets
In Villingen-Schwenningen, auf der Ostseite des Schwarzwalds, ist Holz – ob als Pellets, Hackschnitzel oder Scheitholz – einheimischer Rohstoff. Er bringt Vorteile für Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und bei Betriebskosten. Dieses Heizmaterial ist nachwachsend, CO2-neutral, trägt zu einer 100-prozentigen Wertschöpfung im Inland bei und ist für die Kunden preiswerter zu beziehen als die fossilen Brennstoffe aus fernen Ländern. Außerdem besteht nicht das politische Risiko eines Lieferboykotts, und Unfälle beim Transport sind weit weniger gefährlich als bei Öl und Gas.
Die Entscheidung gegen Hackschnitzel und für Pellets fiel aufgrund der kompakten Bauform des Kessels und Lagerbehälters, aber auch wegen des geringen Wartungsaufwands. Hackschnitzel bedeuten zwar günstigere Brennstoffkos­ten, hätten jedoch auch deutlich höhere Wartungs- und Baukosten verursacht – nicht zuletzt durch das im Vergleich zu Pellets drei Mal größere Lagervolumen. 

Autor: Dipl.-Ing. Klaus W. König, freier Fachjournalist und Buchautor


Informationen zum Thema

  • VDI Richtlinie 3464 „Lagerung von Holzpellets beim Verbraucher – Anforderungen an Lager sowie Herstellung und Anlieferung der Pellets unter Gesundheits- und Sicherheits­aspekten“. Beuth Verlag, Berlin.www.beuth.de
  • DEPI-Informationsblatt „Anforderungen an die ­Lagerbelüftung nach VDI 3464“. ­Deutsches Pelletinstitut, Berlin.www.depi.de
  • DEPI-Broschüre „Empfehlungen zur Lagerung von Holzpellets“ (große Lagerstätten sind Thema in Kapitel 5). Deutsches Pelletinstitut, Berlin.www.depi.de
  • DEPI-Flyer „ENplus – das Qualitätssiegel für Holzpellets sichert einen reibungslosen Heizungsbetrieb”, Information für Endverbraucher. Deutsches Pelletinstitut, Berlin.www.enplus-pellets.de
  • Planerhandbuch „Unterirdische ­Lagersysteme für Biomasse, Pellets und Wärme“. Mall GmbH, Donau­eschingen.www.mall.info

 


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