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Gefährdungsanalyse – (k)ein Geschäft für jeden SHK-Sachverständigen

Interview mit Andreas Stillecke, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk

Wird auf dem 5. Deutschen Forum Innenraumhygiene referieren: Andreas Stillecke. Bild: IKZ-HAUSTECHNIK

Stagnation vorprogrammiert: Zuleitung zu einem nicht durchströmten Brauchwasser-Ausdehnungsgefäß.

Verkeimte Filtertasse: Manchmal wird das Leben auch ohne Mikroskop sichtbar.

Unappetitlich: Stark mikrobiell kontaminierter Rohrbelüfter.

Austausch des Rohrvolumens ja, Fließgeschwindigkeit und kompletter Wasseraustausch sicher nicht.

Umgehungsleitung: Auch hier droht Verkeimung.

Unzulässige Verbindung: Dauerhafter Schlauch­anschluss ohne notwendige Absicherung des Trinkwassersystems.

 

Die Gefährdungsanalyse nach § 16 (7) Nummer 2 TrinkwV ist vom Unternehmer oder sonstigen Inhabern (UsI), sprich dem Betreiber einer Trinkwasserinstallation, nach der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes zu erstellen oder erstellen zu lassen. Andreas Stillecke, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk1), äußert sich über das Rüstzeug, welches für diese Tätigkeit notwendig ist.

IKZ-HAUSTECHNIK: Worauf ist bei der Erstellung einer Gefährdungsanalyse zwingend zu achten?
Andreas Stillecke: Bei der Erstellung ist insbesondere der Punkt der Befangenheit von Bedeutung. Personen die an der Planung, dem Bau oder Betrieb der Trinkwasser-Installation selbst beteiligt waren oder sind, könnten als befangen gelten. Ebenfalls von Bedeutung: Rechtlich ist die Gefährdungsanalyse an keine feste Form gebunden, soll sich jedoch an den Vorgaben der UBA-Empfehlung von Dezember 2012 orientieren. Aufgrund fehlender einheitlicher Standards haben sich die Verwendbarkeit und die Aussagekraft von Gefährdungsanalysen in der Praxis nämlich als stark variabel herausgestellt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche grundsätzliche Qualifikation ist für diese Tätigkeit erforderlich?
Andreas Stillecke: Für die Erstellung von Gefährdungsanalysen kommen aus dem Bereich des SHK-Handwerks Vertragsinstallationsunternehmen (VIU) und Ingenieur-/ Planungsbüros infrage. Ein einschlägiges Studium oder eine entsprechende Berufsausbildung zum Gas- und Wasserinstallateurmeister bzw. Anlagenmechanikermeister für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ist die erforderliche Grundqualifikation. Der Handwerksmeis­ter sollte eingetragener Konzessionsträger nach AVBWasserV sein.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sind zusätzliche Fortbildungen notwendig?
Andreas Stillecke: Ja. Zusätzlich zur Grundqualifikation werden fortlaufend spezielle berufsbegleitende Fortbildungen zur weiteren Vertiefung des Fachwissens im Bereich Trinkwasserinstallation und -hygiene gefordert. Als Mindestanforderung sind hier zum einen das Zertifikat der Fortbildung nach VDI 6023 Kategorie A oder zum anderen der Schulung „SHK-Fachkraft für Hygiene und Sicherheit in der Trinkwasserinstallation“ des Zen­tralverbandes SHK (beides nicht älter als 5 Jahre) zu sehen.
Im Falle eines Schadensersatzanspruches gegen den Ersteller einer Gefährdungsanalyse ist davon auszugehen, dass die fachliche Eignung, z. B. durch entsprechende fortlaufende Weiterbildungen, in den relevanten Fachbereichen nachzuweisen ist. Eine überdurchschnittliche Kenntnis der allgemein anerkannten Regeln der Technik – z. B. EN 806, DIN 1988, EN 1717, DVGW Arbeitsblätter W 551, 557, 1001 usw. – sind darüber hinaus als absolute Grundlage für die Erstellung von Gefährdungs­analysen erforderlich. Zusätzlich zu dem theoretischen Wissen sind persönliche Erfahrungen in Sachen Planung, Bau, Betrieb und Begutachtung von Trinkwasserinstallationen die Basis für eine fundierte Expertise.
IKZ-HAUSTECHNIK: Entsprechend der Vorgaben der TrinkwV und der UBA-Empfehlung ist eine Gefährdungsanalyse die Ursachenforschung und Bewertung der nachgewiesenen Kontamination in einer Trinkwasserinstallation. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Andreas Stillecke: Der Ersteller muss in seiner Gefährdungsanalyse das Gefahrenpotenzial der vorgefundenen Situation für die Nutzer der Trinkwasserinstallation einschätzen und bewerten. Er gibt eine Handlungsempfehlung und einen Zeitrahmen für die Umsetzung vor. Auf Grundlage dieser Gefährdungs­analyse erstellt der UsI ein Sanierungskonzept und veranlasst weitere erforderliche Planungen. In der Regel überträgt er diese Aufgaben an einen TGA-Fachplaner oder SHK-Fachbetrieb, da er in den meisten Fällen selbst nicht über eine entsprechende Fachqualifikation verfügt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Stichwort Versicherungsschutz für diese gutachterliche Tätigkeit. Wie haben Sie dieses Problem gelöst?
Andreas Stillecke: Da dieses Thema bei den Versicherungsunternehmen zu teilweise kontroversen Aussagen führt, ist eine detaillierte Benennung der Erstellung von Gefährdungsanalysen für Trinkwasserinstallationen in der Versicherungspolice anzustreben. Einige Versicherungen sehen in dieser Tätigkeit eine normale Aufgabe des Sachverständigen, andere Versicherungen sind nicht bereit, diese Tätigkeit in den Versicherungsrahmen aufzunehmen. Jeder, der sich in diesem Tätigkeitsfeld bewegt, sollte seine Versicherung überprüfen und eine explizite Aufnahme dieser Tätigkeit in den Versicherungsrahmen durchsetzen. Die Höhe der erforderlichen Versicherungssumme ist aufgrund fehlender Erfahrungen nur schwer abzuschätzen. Hier ist der Ersteller von Gefährdungsanalysen selbst gefragt, das Risiko seiner Tätigkeit zu beurteilen. Die Größe der begutachteten Installationen einerseits sowie die Folgen von Fehleinschätzungen für die Nutzer (Erkrankungsrisiko) und erfolglose Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen andererseits sind hier sehr individuell zu betrachten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie beurteilen Sie den Bedarf an Gefährdungsanalysen?
Andreas Stillecke: Die Verpflichtung zur regelmäßigen, orientierenden Untersuchung größerer Trinkwasseranlagen führt zu einem grundlegenden Bedarf bezüglich der Erstellung von Gefährdungsanalysen. Die Erfahrung zeigt auch, dass nicht generell das Alter einer Trinkwasserinstallation für die hygienischen Zustände verantwortlich ist. Auch in Neuanlagen mit nicht bestimmungsgemäßer Nutzung kommt es zu hygienischen Problemen. Planungs- oder Ausführungsfehler führen auch in sanierten oder neu-erstellten Trinkwasserinstallationen immer wieder zur Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes.
IKZ-HAUSTECHNIK: Das heißt: Wer sich mit der Erstellung von Gefährdungsanalysen eingehend beschäftigt, findet dort möglicherweise eine dauerhafte Aufgabe?
Andreas Stillecke: Ja, in der Tat. Aus meiner Erfahrung kann ich aber auch resümieren, dass die Fortbildungen in diesem Bereich mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sind. Ständig neue Erkenntnisse in der Mikrobiologie, unterschiedliche Material­eigenschaften wie auch die permanenten Novellierungen technischer Regelwerke bedeuten, dass man immer auf dem neuesten Wissensstand bzw. auf der Suche nach den neuesten Entwicklungen in diesen Fachbereichen sein muss. Ein Fehler in der Gefährdungsanalyse kann weitreichende Folgen haben. Denn wir alle wissen, und das nicht erst seit dem Fall „Warstein“, dass die Legionelle nicht zu unterschätzen und eine ernstzunehmende Herausforderung für die menschliche Gesundheit ist.
IKZ-HAUSTECHNIK: Das Aufgabengebiet der Sachverständigen im SHK-Handwerk ist sehr umfangreich. Welche Empfehlung geben Sie Ihren Kollegen mit auf den Weg?
Andreas Stillecke: Genau wie dem ausführenden Fachhandwerker kann ich auch dem Sachverständigen nur zu einer Spezialisierung raten. Denn wer meint, heute eine Lüftungsanlage, morgen eine Solaranlage und Abwasserinstallation, übermorgen Gas-, Öl-, Pellets-, Scheitholz- oder Wärmepumpenheizung und danach mal eben eine Gefährdungsanalyse für Trinkwasserinstallationen fachlich und umfänglich korrekt begutachten und bewerten zu können, könnte im Nachhinein über nicht bedachte Details seiner Projekte schmerzlich stolpern.

Ursachen für eine mangelhafte Trinkwasserhygiene – Bilder aus der Praxis

Hygienische Mängel in Trinkwasseranlagen sind nicht selten eine Folge von unzulässigen Installationen oder fehlender Wartung.
Andreas Stillecke hat uns einige Aufnahmen aus der Praxis zur Verfügung gestellt.

 


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