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Gebäudesanierung: Erst die Dämmung, dann der Heizkessel?: Pro & Contra: Ergebnisse aus einer Umfrage der „Haus- und Gebäudetechnik“-Gruppe im XING-Netzwerk

Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden ist die Wärmedämmung eine wichtige und vernünftige Sache, ebenso wie eine Heizkesselsanierung. Meist heißt es: erst die Gebäudehülle und dann die Heizkesselsanierung. Aber wenn man die Amortisationszeit betrachtet, dann macht wohl eher die Kesselsanierung das Rennen. Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht nur vielen Betroffenen die Frage nach der sinnvollen Vorgehensweise. Auch Fachkundige stehen oft vor dieser Entscheidung. Unsere Umfrage unter den Mitgliedern der Haus- und Gebäudetechnikgruppe* im XING-Netzwerk hat dieses Thema in einer Pro & Contra-Diskussion aufgegriffen. Neben einem zum Teil kontroversen Dialog zeigte das Ergebnis viele hilfreiche Meinungen und qualifizierte Aussagen und das mit Blick über den Tellerrand. Nachfolgend ein Auszug.

 

Die Meinungen gehen zum Teil weit auseinander, bei der Fragestellung, ob zuerst die Gebäudehülle saniert oder der Blick auf den Heizkessel gerichtet werden sollte. Doch die Mehrheit der Meinungsäußernden ist der Auffassung, dass im Bereich der Gebäudehülle die ersten Maßnahmen erfolgen sollten. So argumentiert z.B. ­Daniel Trüssel, technischer Geschäftsführer der KWT Kälte-Wärmetechnik AG (Schweiz): „Der Fensterersatz bringt rund 10K tie­fere Vorlauftemperaturen mit derselben Heizungsverteilung. Zusammen mit dem Dachstuhlboden oder der Unterdachsanierung reduziert sich der Energiebedarf um bis zu 40% mit vernünftigen Investitionen. Der reduzierte Heizlastbedarf minimiert dann auch die Kosten für den Wärmeerzeuger.“

Diese Maßnahmen vor der Kesselsanierung durchzuführen, erscheinen logisch. Doch unter Berücksichtigung der Amortisationszeiten kann das Ergebnis schnell in den Schatten gerückt werden. Dazu zitiert Dirk Geißler, Head of Marketing der Viessmann GmbH & Co. KG, eine Untersuchung der Dekra, die in der Fachzeitschrift Capital (12/2011)** vorgestellt wurde: „Am Beispiel eines Einfamilienhauses (Baujahr 1975) kamen die Dekra-Experten zu folgendem Ergebnis:

  • Dämmung der Außenwände: Amortisationsdauer 30 Jahre,
  • Austausch von Fenstern und Hautüren: Amortisationsdauer 32 Jahre,
  • Keller-Deckendämmung: Amortisationsdauer 9 Jahre,
  • Dämmung der Flachdachdecke: Amortisationsdauer 44 Jahre,
  • Neue Heizung: Amortisationsdauer 6 Jahre,
  • Thermische Solaranlage: Amortisationsdauer 14 Jahre.“


Aus dem Fazit berichtete Geißler, dass die meisten Dämmungen oder Installationen unwirtschaftlich wären. Nur die Dämmung der Kellerdecke, eine neue Heizung und eine thermische Solaranlage auf dem Dach würden sich demnach lohnen. Und würde eines der erwachsenen Kinder das Haus einmal übernehmen, kämen auch noch der Austausch von Fenstern, der Haustüre und eine Fassadendämmung in Betracht.

Mit einem Blick über den Tellerrand würde hingegen Christian Köck, staatl. gepr. Techniker des Planungsbüros Bohn­acker, das Sanierungsobjekt zunächst betrachten: „…um hier jemanden gut beraten zu können, muss immer der Gesamtzustand des Objektes gesehen werden. Danach kann entschieden werden, welche Maßnahmen zuerst gemacht werden müssen. Natürlich auch unter Berücksichtigung der Energieeinsparverordnung. Vom Prinzip her würde ich je nach Zustand der Außenwand mit der Außendämmung, dem Dach und den Fenstern beginnen. Danach die Heizung entsprechend abgleichen und ggf. den Wärmeerzeuger tauschen. Mit einer richtig eingestellten Heizanlage kann aber auch schon Geld gespart und was für die Umwelt getan werden.“

An dieser Stelle zeichnet sich schon ab, dass es eine Standardlösung kaum gibt. Und wie Friedmann Stahl, Geschäftsführer der IFB Ingenieure GmbH, meint, ist die Frage auch nicht einfach: „Wie man sieht, beantwortet sie jeder anders. Und die Beantwortung hängt auch vom Wärmeerzeuger ab. Wird z.B. ein Gas-Brennwertgerät eingebaut, ist die Amortisationszeit sehr kurz und bei einer späteren Wärmedämmung, wenn dann weniger Energie gebraucht wird, ist die Effizienz des Geräts eher noch besser. Eine kleine Überdimensionierung ist also unschädlich. Der Nachteil: Spart man schon mal eine Menge Energie mit dem Tausch des Wärmeerzeugers, so fällt der Schritt zur kostenintensiven Gebäudedämmung schwer, obwohl dieser Schritt dauerhaft mehr Ersparnis bringen kann.“

Udo Pauly, Leiter Marketing der Roto Pauly AG, sieht zum Thema allerdings noch einen ganz anderen Aspekt, der bestimmt (zu) oft vernachlässigt wird: „Wie so oft wird beim Thema Dämmung der Gebäudehülle contra neue Heizanlage auf die Aspekte der Amortisation der Investition fokussiert. Sicher kann und darf dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden. Eine hinreichende Argumentation gegenüber dem sanierenden Bauherrn sollte aber weiter greifen. Der Faktor „sich in seinen vier Wänden wohlfühlen“ ist mehr als nur ein aktueller Trend. Dazu trägt in hohem Maße beispielsweise ein hochwertiges Fenster mit Dämmwerten gemäß der neuesten Energiesparverordnung bei. Oder fühlen wir uns mit einer hocheffizienten Heizungsanlage, aber einem schlecht gedämmten Fenster, welches vielleicht auch noch zieht, in unserem Wohnzimmer wirklich wohl?“

Die (möglichst beste) Lösung könnte aber auch in einer Kombination von Maßnahmen liegen. So zeigt z.B. Andreas Weber-Legath, Angestellter einer Immobiliengesellschaft, das hohe Energieeinsparpotenzial auf: „Wir haben bei einem Projekt nur durch die Dämmung der Hülle (ohne Kellerdecke) eine Energieeinsparung (Heizung) von 65% erreicht. Anschließend wurden die Heizkörperventile gegen Thermos­tatventile getauscht und variable Pumpen eingesetzt, da die alten starren Pumpen nicht auf die nunmehr wesentlich geringere Leistung gedrosselt werden konnten. Das Gebäude wurde mit Wärme aus einem Nahwärmenetz betrieben. Aus dieser Erfahrung bin ich der Meinung, dass eine thermische Sanierung zumindest im Objektbereich nur gemeinsam mit der Betrachtung der Heizungsanlage sinnvoll erscheint, da die Heizung im Normalfall nach der thermischen Sanierung massiv überdimensioniert ist und nur in einem sicher nicht optimalen Wirkungsgrad betrieben werden kann.“

Diese Meinung vertritt auch Stephan Gupfinger, Teamleiter Service von Gahleit­ner Haustechnik (Österreich), wobei er allerdings auch besondere Nachteile im Bereich der Gebäudedämmung sieht: „Zum Thema Wärmedämmung bin ich zwiegespalten, da es ökonomisch sicher zu vertreten ist aber wir damit ein Generationenproblem schaffen, da in 30 bis 50 Jahren eine Unmenge an Sondermüll zu entsorgen ist. Bei der Materialwahl gibt es natürlich auch Alternativen wie Holzweich­faser, aber diese stellen eher die Minderheit dar. Eine Energieoptimierung ist aber nur sinnvoll, wenn man alle möglichen Aspekte ausnutzt. Daher ist es wichtig, das Gebäude zu dämmen und den Grundenergiebedarf zu senken. Eine Verbesserung der Wärmeverteilung und eine Abstimmung des Systems sind ebenfalls stets zu empfehlen (was nicht immer einen Austausch der Wärmequelle erfordert).“

Noch einen Schritt weiter geht Energieberater Falk Borrmann. Wenn das Objekt eine gewisse Altersgrenze erreicht hat, empfiehlt er neu zu bauen statt zu sanieren und sagt: „Sanieren ist immer die zweite Wahl, bedenkt man, dass alle Dinge eine begrenzte Nutzungsdauer haben. So ist auch ein Gebäude für seine spezielle Bestimmung von z.?B. 50 Jahre gedacht. Danach sollte der Rückbau, eine Erneuerung stattfinden. Hier liegt meiner Meinung nach der beste Einspareffekt: Neubau unter Berücksichtigung vom Stand der Technik und das für die nächsten 50 Jahre. Betrachtet man allerdings nur einen Abschnitt im Lebenszyklus eines Gebäudes, so sollte man über Rechenmodelle die für den betreffenden Fall jeweils günstigste Variante auswählen.“ Dabei seien geringinvestive Optimierungen vom Heizsystem oder die Dämmung von Teilbereichen zielführend.

Eine Meinung, die nicht lange unkommentiert blieb: „Die Sanierung eines Wohngebäudes als „immer die zweite Wahl“ darzustellen und einen Rückbau nahezulegen, z.?B. nach 50 Jahren, finde ich zu pauschal“, sagt Martin Gesell, Projektleiter Produktionsplanung in einem deutschen Industrie­unternehmen für Gebäudetechnik, und weiter: „Das mag ja für Gebäude mit eher schlechter Bausubstanz zutreffen, aber sicher nicht für die meisten Gebäude, die heute 50 Jahre alt sind.“ Allgemein empfiehlt Gesell erst die Dämmung, dann die Heizung. Dabei ist er überzeugt, dass sich dieses auch schneller lohnen kann. Denn für eine realistische Amortisationsberechnung müssten die Arbeiten abgezogen werden, die ohnehin notwendig sind, wie z.B. ein neuer Fassadenanstrich, für den dann auch ein Gerüst vorhanden sein muss. Hinzu komme, dass das Gebäude durch die Dämmung auch einen Wertzuwachs erhalte.

Fazit: Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass – auf die Eingangsfrage bezogen – knapp die Hälfte der Meinungsäußernden als erstes Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle durchführen würden und rund 1/3 die Heizungstechnik im Vordergrund von Maßnahmen sehen. In Verbindung mit der Dämmung der Gebäudehülle sollten dabei nach Meinung von 2/3 der Antwortenden auch geringinvestive Maßnahmen, wie der hydraulische Abgleich, durchgeführt werden. Bei den Meinungen wird aber auch deutlich, dass dieses Fazit nicht pauschalisiert werden darf, da jedes Objekt für sich individuell bewertet werden sollte und auch „der Blick über den Tellerrand“ schnell zu einem anderen Ergebnis führen kann.

www.xing.de



* Die Umfrage wurde Mitte Dezember 2011 in der Xing-Gruppe „Haus- und Gebäudetechnik“ (1780 Mitglieder) durchgeführt. Das Pro & Contra-Special wurde über 550-mal aufgerufen und 32 Meinungsäußerungen verfasst.

** Der Artikel „Denken und dichten“ aus der Fachzeitschrift Capital (12/2011) kann kostenlos über die E-Mail-Adresse: info@viessmann.com angefordert werden.

 


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