Werbung

Gebäude der Zukunft? - Wärme und Strom im Haus – wie heizen wir in Zukunft?

Auf der Suche nach dem Königsweg: Gebäudetypen, die sich mehr oder weniger selbst um die benötigte Energie kümmern, gibt es viele. So gibt es neben den SolarAktiv-Häusern das Nullenergiehaus, das Plusenergiehaus, das Nullemissionshaus und ganz aktuell: das Effizienzhaus Plus. Die meisten dieser Häuser haben eine Gemeinsamkeit: Es geht weniger um Energieautonomie, sondern vielmehr um positive Energie- bzw. Emissionsbilanzen.

Bild 1: Energieausweis. Bild: IKZ-ENERGY Archiv

Bild 2: Das Haustechnikkonzept des Berliner Effizienzhaus-Plus. Bild: Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

Bild 3: Die kumulierten Jahresbilanzen des Berliner Effizienzhaus-Plus. Bild: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur / DGS

Bild 4: Die umgerechneten Monatsbilanzen des Berliner Effizienzhaus-Plus. Bild: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur / DGS

Bild 5: Gegenüberstellung der Verbrauchsprofile von Wärme (Heizung und Trinkwasser) sowie Elektrizität über ein Jahr. Bild: Dissertation Dr. Ing. Andreas Lange, Otto von Guericke Universität Magdeburg

Bild 6: „Temperatursensitivität“ des Strommarktes, Stromlaststeigerung pro Kelvin sinkender Außentemperaturen und „überschüssige EE-Energie“ im Sommer. Bild: Eva Hauser, Institut für Zukunftsenergiesysteme IZES

Tabelle: „Endenergie oder Primärenergie?“

 

Mittlerweile ist das Projekt Effizienzhaus Plus1 wieder beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) angekommen. Zwischenzeitlich war das Förderprogramm für Modellhäuser beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVI) gelandet, der Bereich Bau ist von dort allerdings wieder abgewandert, momentan nennt man sich deshalb Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Für die Kontinuität eines solchen Förderprogramms ist ein solches Hin und Her sicherlich nicht sehr förderlich. Zurück zu dem Modellvorhaben.

Es werden Bauherren unterstützt, die Gebäude errichten, die deutlich mehr Energie produzieren2, als für deren Betrieb notwendig ist. Diese Energie soll insbesondere für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. Dabei werden zahlreiche Modellprojekte, nicht nur das im Dezember 2011 von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnete Berliner „Effizienzhaus Plus“, wissenschaftlich ausgewertet. Mit den Ergebnissen möchte man das Energiemanagement von modernen Gebäuden verbessern und die notwendigen Komponenten für die energieeffiziente Gebäudehülle und die Nutzung Erneuerbarer Energien fortentwickeln. In diesem Artikel wird die Frage diskutiert, ob man sich mit dem im Förderprogramm definierten „Effizienzhaus Plus Standard“ auf dem Königsweg befindet, oder ob es vielleicht besser wäre, mehrere Wege parallel einzuschlagen, um Weiterentwicklungen technologieoffen zu ermöglichen.

Der Jahres-Primärenergiebedarf als Vergleichsmaßstab

Neben dem Energieaufwand zur Errichtung eines Hauses ist der Unterhalt, sprich der Energiebedarf für das Wohnen selbst, letztendlich entscheidend für die Zukunftsfähigkeit und Praxistauglichkeit. Als ein Maßstab nachhaltigen Wohnens kann hierzu der Jahres-Primärenergiebedarf herangezogen werden. Er hilft beim Vergleich der verschiedenen Entwürfe. In ihm sind der Jahresheizwärme- und der Nutzwärmebedarf für die Warmwasserbereitung, die Energieverluste des Wärmeversorgungssystems, die Hilfsenergie für Heizung und Warmwasser sowie der Energieverbrauch für die Erzeugung und Bereitstellung der Energieträger wie beispielsweise Gas, Öl, Strom oder Holz enthalten. Die Basis des spezifischen Primärenergiebedarfs ist die beheizte Wohnfläche. Des Weiteren gibt es noch den häufig verwendeten Jahres-Primärenergiebedarf, bezogen auf AN nach EnEV. Er bezieht sich auf die Gebäudenutzfläche, die komplette Fläche der nutzbaren Räume eines Gebäudes wird dabei berücksichtigt. Diese Energiebezugsflächengröße bei Wohngebäuden ist im Allgemeinen etwa 25% größer als die beheizte Nutz- oder Wohnfläche, da auch indirekt beheizte Flure und Treppenhäuser mit einbezogen werden. Zu ihrer Ermittlung wird bei Wohngebäuden das beheizte Gebäudevolumen in m³ mit dem Faktor 0,32 multipliziert.

Energieüberschuss nur bei Strom?

Gegenstand über die Vergabe von Zuwendungen für die Modellprojekte im Effizienzhaus Plus-Standard ist ein rechnerischer und messtechnischer Nachweis eines Energieüberschusses, sowie ein hoher Grad der Eigennutzung der gewonnenen Energie. So weit, so gut. Was ein wenig verwundert: Alle Heizungen der 32 im Modellvorhaben3 gelisteten Gebäude haben Strom als Energieträger, meist  dient eine Wärmepumpe als Heizquelle. Eine schwarze Null erzielen die meisten Gebäude, es ist überwiegend ein Stromüberschuss ausgewiesen. Weshalb der Effizienzhaus-Plus-Standard in dieser Interpretation letztlich wenig technologieoffen ist, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Da wird dann deutlich: Der geforderte Energieüberschuss ist vielmehr ein Endenergieüberschuss, ein kleiner Kniff, der offensichtlich die Stromheizung bevorzugt. Dass man mit einem Scheitholzofen kein Elektromobil antreiben kann, ist durchaus klar. Jedoch muss man daraus ja noch lange nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass alles aus einem Guss, sprich elektrisch betrieben werden muss.

Abgesehen davon, dass es auch Zweifel gibt, ob das Elektromobilitätskonzept der Bundesregierung überhaupt sinnvoll ist. Denn wie kürzlich erst vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie veröffentlicht, müssten vielmehr verstärkt Anreize geschaffen werden, dass junge Leute sich erst gar kein Auto anschaffen. Steuerliche Vergünstigungen wie die Dienstwagenregelung oder Pendlerpauschale sind dagegen völlig falsche Anreize4.

Endenergie oder Primärenergie?

Um das Verhältnis aus Energiebedarf und Energieproduktion zu bilanzieren, wird in dem Modellvorhaben nicht die benötigte Primärenergie, sondern vielmehr die Endenergie betrachtet. Diese ist „der nach Energiewandlungs- und Übertragungsverlusten übrig gebliebene Teil der Primärenergie, die den Hausanschluss des Verbrauchers passiert hat ... da bei der Umwandlung ein Teil der Energie verloren geht (bzw. physikalisch korrekter in nicht mehr weiter nutzbare Energieformen umgewandelt wird), ist die Summe des Endenergieverbrauchs geringer als die Summe des Primärenergieverbrauchs. Der Primärenergieverbrauch enthält also auch alle Umwandlungs- und Übertragungsverluste. In Energiebilanzen werden üblicherweise sowohl Primär- als auch Endenergieverbrauch ausgewiesen“5.

Da sich die Endenergie aus Nutzenergie + Anlagenverlusten zusammensetzt, bedeutet das in der Konsequenz, dass überwiegend solarthermisch beheizte Häuser in ihrer (End)Energiebilanz deutlich schlechter abschneiden, obwohl ihre Primärenergiebilanz das Gegenteil ausdrückt. Letztendlich hat das auch Auswirkungen auf die im Energieausweis aufgeführte Gebäudeeffizienzklasse (siehe Tabelle und Bild 1). Wie erheblich sich die Endenergiebetrachtung auf die Klassifizierung auswirken kann zeigt folgendes Beispiel: Eine Doppelhaushälfte, Baujahr 1996, erreicht mit einer Gas-Brennwert-Heizung und einem damit einhergehenden Endenergieverbrauch von 98 kWh/m²a lediglich die Effizienzklasse C. Wird in den gleichen Gebäude eine Luft-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl JAZ = 3 installiert, ergibt sich in der Endenergiebetrachtung für dieses Heizsystem ein Verbrauch von 33 kWh/ m²a Strom. Die Folge: Die Effizienzklasse springt von C auf A.

Die EnEV ist richtungsweisend

Der Trend hin zur strombasierenden Heizung spiegelt sich auch in der EnEV wider. Die Senkung des Primärenergiefaktors für Strom erfolgt in zwei Stufen: Zunächst wurde er 2014 von 2,6 auf 2,4 herabgesetzt. Zum 1. Januar 2016 wird er 1,8 betragen. Die Anlagenaufwandszahl von Strom hat durchaus lenkende Wirkung und ist auch als politische Entscheidung zu sehen. Sie basiert auf der künftig anzunehmenden Zunahme an Erneuerbaren Energien. Die Zukunft der Erneuerbaren spielt in der Politik allerdings eine immer geringere Rolle, erst kürzlich hat Angela Merkel auf der Jahrestagung des BEE verkündet, dass die Photovoltaik in Deutschland eine Atempause bekommen soll. Zurück zum Primärenergiefaktor: andere Länder, andere Festlegungen. So wird Holz in der Schweiz nahezu der gleiche Primärenergiefaktor wie Erdgas zugeordnet. Je nach der Art (Stückholz, Holzschnitzel, Pellet) haben ihm die Eidgenossen Faktoren zwischen 1,06 und 1,22 zugewiesen (Vergleich Deutschland: 0,2). Schweizer Erdgas hat einen Primärenergiefaktor von 1,12, was in etwa dem Wert in Deutschland (1,1) entspricht.

Ist ein Plusenergiehaus überhaupt möglich?

Das Forschungsprojet „Smart ABC (Smart Active Building and Building Cluster)“ hat sich damit beschäftigt, ob Plusenergiehäuser, wie sie in der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie 2010/31/EU geforderte Standard des „Niedrigstenergiegebäude“ fordert, überhaupt realisierbar sind6. In dem EU-Standard ist definiert, dass Gebäude dieser Art ihren Bedarf mit „Energie aus Erneuerbaren Quellen am Standort oder in der Nähe“ decken müssen. Ziel der Arbeit war es zu untersuchen, inwieweit die Energieeffizienz und Erneuerbare Energieträger dezentral („am Standort“) oder zentral über ein Mikronetz („in der Nähe“) zur Erreichung eines Plusenergiegebäudes oder -gebäudeverbandes beitragen können.

Fazit der Studie: Die primärenergetische Analyse zeigte, dass bei keinem der Einzelgebäude oder Gebäudeverbände, trotz Nutzung Erneuerbarer Energieträger, ein „Plusenergiegebäude“ möglich war. Speziell die Bilanzierung auf Endenergieebene ergab, dass es entscheidend ist, ob der Endenergiebedarf auf Personen oder auf die Brutto-Grundfläche bezogen wird. Die großen Herausforderungen der Zukunft, so die Forscher, seien vielmehr die Minimierung des (Haushalts-)Strombedarfs und die Flächenbereitstellung für die Energieproduktion aus Erneuerbaren Energieträgern oder deren Effizienzsteigerung bei der Produktion. Auch sei eine 100% jährlich bilanzierte endenergetische Deckung mit Solarthermie und Photovoltaik noch lange kein Plusenergiegebäude.

Plus im Sommer – Minus im Winter

Das Plus bei Plusenergiehäusern ist meist ein rein bilanzielles Plus. Betrachtet man das Beispiel des Berliner Effizienzhaus Plus wird deutlich, dass eine Jahresbilanz nicht zeigt, wie sich die Produktion und der Verbrauch in den jeweiligen Monaten verhalten (siehe Bild 3 und 4). Zunächst wären grundsätzlich kleinere Schritte als reine Monatswerte (Wochen, Tage, Stunden) sinnvoll, um qualitative Erkenntnisse erhalten zu können. Möglicherweise sind diese Werte ja vorhanden, in dem zugänglichen Monitoring sind sie nicht enthalten. Auch wurden auf Anfrage des Autors keine herausgegeben. Dass die Daten durchaus vorliegen, ist daraus zu erkennen, dass das Monitoring des Gebäudes auch wöchentlich erfasst wurde. Mit Einzug der zweiten Testfamilie wurde diese Erfassung jedoch wieder abgeschaltet. Das Haus in Berlin wird jetzt analog der anderen Häuser des Netzwerks in monatlicher Folge aktualisiert7. Auf dieser Website wurden zum Redaktionsschluss (Ende Juli 2015) leider keine besonders aktuellen Werte angezeigt, das Live-Monitoring ist bereits längere Zeit abgeschaltet.

Der Bewohner, das unbekannte Wesen

Direkt vergleichbar sind die Werte ohnehin nicht. So wurde laut Ministerium in der ersten Nutzungsphase von März 2012 bis Mai 2013 erkannt, „dass bestimmte Situationen zu einer signifikanten Verschlechterung der Wärmepumpen-Jahresarbeitszahl führen können.“ Unter anderem sei die Ursache für die niedrige Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe der zweigeschossigen offenen Bauweise und dem Wunsch der Nutzer nach niedrigeren Temperaturen im Obergeschoss geschuldet. Dies hätte in der Praxis dazu geführt, dass durch die niedrigen Sollwerteinstellungen im Obergeschoss die Fußbodenheizung nicht genutzt wurde.

Da der Wärmebedarf des Gebäudes durch die Temperaturabsenkung in den Obergeschossen nur geringfügig beeinflusst wurde, musste offensichtlich die gesamte Wärmeversorgung des Gebäudes über die Fußbodenheizfläche des Erdgeschosses bereitgestellt werden. Die deshalb, über dem geplanten Sollwert, angehobene Vorlauftemperatur führte, so das BMVI, schließlich dazu, dass die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe deutlich unter den erwarteten Werten lag. Als Konsequenz aus diesen Erkenntnissen wurde das Erdgeschoss des Gebäudes luftseitig vom Obergeschoss abgetrennt und im Zuge der Effizienzsteigerungsmaßnahmen die bestehende on/off-Luft/Wasser-Wärmepumpe gegen eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit drehzahlgeregeltem Verdichter, integriertem Warmwasserspeicher und separatem Außenteil getauscht. Wie man unschwer erkennen kann, führen kleine Verhaltensänderungen in komplexen Systemen oft zu größeren Konsequenzen.

Kumulierte Jahresbilanzen

Um den Verlauf der Jahreszeiten in Bezug zu dem jeweiligen Energiebedarf bzw. die Stromerzeugung zu verdeutlichen, muss man die im Internet veröffentlichten Diagramme der kumulierten Endenergiewerte näherungsweise in monatliche Werte umwandeln (Bild 3 und 4). Erst dann kann man grob quantifizieren, wie ein Plusenergiehaus funktioniert. Betrachtet man die beiden Grafiken, ergibt sich ein grundsätzlich nicht unerwartetes Ergebnis: Von November bis April wird aus dem Netz heraus geheizt, sodass das Plusenergiehaus im Winter eine deutliche Stromlast zieht. Dabei sollte bedacht werden, dass dieser Winter ohnehin recht mild war. D.h., dass der Heizwärmeverbrauch aller Gebäude im Modellvorhaben niedriger als üblich sein dürfte. Ob eine Jahresbilanz überhaupt der richtige Maßstab für eine Bewertung dieses Gebäudetypus ist, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht wäre es sinnvoller, auch den durchaus üblichen Wert der solaren Deckung als Kriterium mit aufzunehmen.

War das Wohnhaus bisher nur Verbraucher von Energie, so wird künftig die für den Bedarf notwendige Energie in unmittelbarer räumlicher Nähe produziert, größtenteils aus Sonnenlicht. Jedoch gibt es keinen Trick, um über Energie zu verfügen, die nicht zur richtigen Zeit bereitsteht8. Bild 5 zeigt übliche Verbrauchsprofile von Wärme (Heizung und Trinkwasser) sowie Elektrizität über ein Jahr.

Das Problem einer Winterlast liegt vor allem darin, wie Eva Hauser vom Saarbrücker IZES bereits veröffentlicht hat9, dass die Überschüsse aus den fluktuierenden Erneuerbaren Energien (FEE) mittelfristig alles andere als synchron zur Wärmepumpennutzung laufen (Bild 6). Ihr Fazit: Es gilt zu vermeiden, eine neue Stromnachfrage entstehen zu lassen, die systematisch nicht aus Erneuerbaren, sondern aus konventionellen Kraftwerken bedient werden muss.

EU: Erneuerbare Energien sollten am Standort erzeugt werden

Ein Knackpunkt der Novelle der EU-RL über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zur Erreichung der „Niedrigstenergiegebäude“ ist die Definition für Neubauten und öffentliche Gebäude, die ab 1.1.2019 gelten soll. Dort ist definiert, dass der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden soll. Wie zwingend diese Definition umzusetzen sein wird ist noch nicht klar. Denn den Energiebedarf aus unmittelbar am Standort erzeugten Erneuerbaren Energien zu decken ist nicht einfach. Nimmt man es wörtlich, dann schließt es eine Belieferung mit Ökostrom ebenso aus, wie eine bilanzielle Rechnung.

SolarAktivhäuser mit einem sehr hohen Deckungsgrad könnten hier Vorteile haben, da sie, im Gegensatz zu anderen Ansätzen wesentlich technologieoffener sind. So sind beispielsweise die Sonnenhaus-Kriterien nicht so starr wie mancher glaubt. Unabdingbar ist lediglich der möglichst niedrige Primärenergiebedarf und dass der Brutto-Energiebedarf für Raumheizung und Warmwasser mindestens zu 50% aus solarer Strahlungsenergie (Solarthermie oder Photovoltaik) gedeckt werden muss. Es gibt mittlerweile mehrere unterschiedliche Modelle, die auf den ursprünglichen Grundsätzen aufbauen. Neben dem klassischen Sonnenhaus gelten für Sonnenhäuser, die mit einer Solarstromanlage ausgestattet sind weitere Standards.

Im „Sonnenhaus Plus“ muss mehr Strom selbst erzeugt als verbraucht werden. Im Gegensatz zum „Effizienzhaus-Plus“ bleibt die Endenergie beim Sonnenhaus Plus unberücksichtigt. Im „Sonnenhaus autark“ liegt der Schwerpunkt auf einer weitgehend netzunabhängigen solaren Eigenstromversorgung. Ziel ist ein möglichst hoher Autarkiegrad. Dies ist nur mithilfe eines niedrigen Stromverbrauchs möglich. Die Nutzung von Überschüssen für die Elektromobilität ist eine Option, die sich voraussichtlich in Zukunft mehr und mehr anbietet.

Ein mögliches Problem von der Fokussierung auf die Photovoltaik macht das Sonnenhaus-Konzept deutlich. Würden lediglich Gebäude gemäß dem Effizienzhaus-Plus realisiert, gäbe es für Solarthermie keinen Platz mehr. Der Flächenbedarf für PV zur Bereitstellung von Wärme im Gebäude ließe nichts anderes mehr zu. Das ist in gewisser Weise absurd, da ja in Deutschland nahezu alle Gebäude am Stromnetz angebunden sind. Solarthermie muss im Gegensatz dazu örtlich vorhanden sein, ein Kollektor auf dem Dach oder ein Wärmenetz ist notwendig. Beispielsweise würde ein Gebäude 5 mal so viel PV-Fläche benötigen um eine Zuheizung mit Biomasse zu kompensieren.

Aber auch andere Gebäude-Konzepte positionieren sich. Mittlerweile gibt es zwei neue Klassen des Passivhaus-Standards. Bei den Labels Passivhaus Plus und Passivhaus Premium wird berücksichtigt wie die für den Betrieb des Hauses nötige Energie erzeugt wird. Der große Unterschied zum Sonnenhaus: Es wird in der Regel mit Jahresbilanzen bei Energiebedarf und -verbrauch gerechnet. Es ist also nach wie vor möglich, Energie einzurechnen, die effektiv im Haus gar nicht verbraucht wurde. Es besteht kein zeitlicher Zusammenhang zwischen Produktion und Verbrauch, es wird vielmehr über einen definierten Zeitraum abgerechnet. Gerechnet wird mit einem so genannten PER (Primary Energy Renewable) -Faktor, je kleiner der Faktor, desto geringer die Energieverluste. Grundsätzlich macht man es sich durchaus einfach. Denn selbst Investitionen in Erneuerbare Energien können berücksichtigt werden. Diese müssen gar nicht mal regional sein. Auf dem Etikett muss zwar regional stehen, jedoch ist „regional“ noch nicht definiert.10 

Ist die Zukunft elektrisch?

Ob, wie es auf dem 15. Forum Solarpraxis verkündet wurde, der momentane technologische Wandel das elektrische Zeitalter einläutet, mag durchaus bezweifelt werden. In einem Kommentar von Michael Fuhs11  hieß es kürzlich, dass es wünschenswert wäre, wenn sich Photovoltaiker und Solarthermiker, die wissen wie man eine Heizung baut, zusammentun, um im Einzelfall die beste Lösung zu finden. Auch gäbe es andere Gründe, so Fuhs, sich gegen eine Heizung mit Photovoltaik und Wärmepumpe zu entscheiden. Neben dem finanziellen Aspekt, könnte auch ein Sympathiefaktor ausschlaggebend sein. Die Argumente können rational oder irrational sein (auch diese seien berechtigt), doch es wäre hilfreich, wenn sie in der Diskussion richtig benannt werden.

Da ist was dran: Unabhängig davon hat so mancher bereits die Totenglocken für die Solarthermie und Biomasseheizungen geläutet. Weshalb man sich kein Nebeneinander von Technologien vorstellen kann, ist zwar nicht nachvollziehbar, jedoch leider nicht ganz untypisch. So hält man mancherorts lieber an der Braunkohle und einer zentralen Energieversorgung fest, solange der ultimative Ausweg aus unserem Energiedilemma nicht definitiv feststeht. Da Königswege nur selten anzufinden sind, kann es auch gerne mal ein gülden angemalter Holzweg sein, so lange er innovativ und modern aussieht. Die Politik wäre gut beraten sich nicht wie üblich, sich für einen einzigen Weg zu entscheiden. Vielmehr sind systemisches Denken und „Sowohl-als-auch-Lösungen“ gefragt.

Ein Hinderungsgrund für individuelle Ansätze liegt leider auch daran, dass diese einen höheren Planungsaufwand und Fachkenntnis erfordern. Meist werden sowohl vom Kunden (Bauherrn) als auch vom Anbieter (Komponenten) Produkte von der Stange bevorzugt. Hinzu kommt noch, dass ausgeklügelte Technik eine größere Faszination als reine Funktionalität besitzt. Wenn unsere technologielastige Kultur dazu noch wenig Raum für Zweifel und Ratlosigkeit zulässt, suchen Ingenieure gerne nach der ultimativen Problemlösung, die zudem noch übersichtlich und klar strukturiert werden kann. Eine große Zahl an Mischformen ist hier weniger normgerecht.

Fazit

Es wäre wünschenswert wenn alle möglichen Wege intensiv erprobt werden wurden. Denn sowohl eine rein strombasierte Haustechnik, als auch ein übermäßiger Ausbau von Biomasseheiztechnik, kommt schnell an ihre Grenzen. Weder ist es abzusehen, dass unser Kraftwerkspark mittelfristig die steigenden Nachfrage an elektrischer Energie für Gebäude und e-Mobilität regenerativ bewältigen kann. Noch ist es erstrebenswert einen drastischen Anstieg an Biomasse zu erzeugen. Wie so oft liegt die Lösung in der Vielfalt von Möglichkeiten.

Autor:
Matthias Hüttmann

Legenden:

 

  1. Mittlerweile arbeitet man zusammen mit der KfW an einem Förderprogramm für Effizienzhäuser. 2016 soll es so weit sein.
  2. Auch wenn es sich um die offizielle Formulierung handelt, können Gebäude an sich keine Energie produzieren. Energie erzeugen können lediglich Energieerzeugungsanlagen bzw. Kraftwerke. In dem konkreten Fall produzieren die in der Gebäudehülle integrierten Solargeneratoren die Energie.
  3. Forschungsinitative Zukunftsbau: Effizienzhaus Plus
  4. energiezukunft: Wissenschaftler halten E-Mobilitätskonzept für falsch
  5. Wikipedia: Endenergie
  6. Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Dachverband: Plusenergiegebäude als Mogelpackung?
  7. Forschungsinitative Zukunftsbau: Effizienzhaus Plus Berlin mit Elektromobilität
  8. Solare Wärme, BINE Informationsdienst, 2008
  9. „Luftige Geschäftsmodelle“, SONNENENERGIE 1/13
  10. Energetisch Bauen und Sanieren: Passivhaus-Klassen sollen Energiebilanz abbilden
  11. pv magazine: Solarthermie und Photovoltaik: Tut euch zusammen!

Ab 2021 soll jeder Neubau ein Null-Energie-Haus sein

Im Mai 2010 hat das Europäische Parlament die neue EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, kurz EU Gebäuderichtlinie oder auch Directive on Energy Performance of Buildings (EPBD) verabschiedet. Sie soll maßgeblich dazu beitragen, den Energiebedarf der Mitgliedsländer und den Umfang ihrer CO₂-Emissionen weiter zu senken sowie ihre Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren. Die verschärfte Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Directive on Energy Performance of Buildings – EPBD) schreibt vor, dass alle neuen Gebäude in der EU ab 2021 nahezu auf dem Niveau von Null-Energie-Häusern (nearly zero-energy-buildings) gebaut werden müssen. Neubauten der öffentlichen Hand müssen diese Anforderung sogar bereits zwei Jahre früher (also ab 2019) erfüllen. Für 2015 ist ein Zwischenziel angesetzt: Zu diesem Zeitpunkt müssen die Mitgliedstaaten darlegen, wie sie die gesetzten Vorgaben erreichen wollen.

Bereits 2002 hatten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die erste EPBD erlassen. Die Richtlinie sollte europaweit die Energieeffizienz von Gebäuden erhöhen. Das mittelfristige Ziel dieser ersten EPBD war, die Energieeinsparungen bis zum Jahr 2012 auf 22% zu erhöhen. Den Grundstein zu beiden Richtlinien bildeten die Initiativen zur Bekämpfung der Klimaveränderung und zur Verbesserung der Versorgung mithilfe des Kyoto-Protokolls und durch das Grünbuch zur Versorgungssicherheit. In der Senkung des Energieverbrauchs mittels Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude sah man eine mögliche Lösung für beide Probleme. Bereits die EPBD I galt für Wohn- und Nichtwohngebäude, einige Gebäude, wie Industrieanlagen und denkmalgeschützte Gebäude, waren und sind allerdings ausgeschlossen.

Der Prebound-Effekt: die Schere zwischen errechnetem und tatsächlichem Energieverbrauch

Die deutschen Vorschriften für energetische Sanierung von Bestandsgebäuden basieren auf hohen thermischen Standards, deren Erfüllung die Regierung für technisch und wirtschaftlich machbar hält. Das vorliegende Papier untersucht die verfügbaren Daten von 3400 deutschen Gebäuden. Ihre theoretisch errechneten Energiekennwerte werden den tatsächlich gemessenen Verbräuchen gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewohner durchschnittlich 30% weniger verbrauchen, als es dem errechneten Energiekennwert des Gebäudes entspricht. Dieses Phänomen wird Prebound-Effekt genannt, wobei der Effekt umso stärker auftritt, je schlechter der Energiekennwert ist. Das gegenteilige Phänomen, der Rebound-Effekt, ist bei Niedrigenergiehäusern zu beobachten. Hier verbrauchen die Bewohner mehr als der Energiekennwert des Gebäudes zulässt. Ähnliche Phänomene wurden in verschiedenen kürzlich veröffentlichten Studien aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Großbritannien festgestellt. Daraus ergeben sich politische Folgerungen in zwei Richtungen.

Erstens, dass die Nutzung theoretischer Energiekennwerte zur Vorhersage von Energieverbrauch und CO2-Einsparung tendenziell die Einsparmöglichkeiten überschätzt, die Amortisationszeit unterschätzt und eventuell kostengünstige und aufwachsende Sanierungsschritte verhindert. Zweitens, dass das Potenzial von Energie- und CO2-Einsparung durch nicht-technische Maßnahmen wie etwa Bewohnerverhalten viel größer ist als allgemein angenommen, sodass Politiker ein besseres Verständnis dafür entwickeln müssen, was die Entscheidungen von Bewohnern antreibt oder behindert.

Übersetzung eines Artikels von Minna Sunikka-Blank & Ray Galvin (2012): Introducing the prebound effect: the gap between per-formance and actual energy consumption, Building Research & Information, 40:3, 260-273. Die Autoren lehren an der Universität Cambridge. Der Originaltext ist unter www.tandfonline.com erreichbar. Verantwortlich: Rainer Scheppelmann, Leitstelle Klimaschutz, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: