Funktionelle Vielfalt
Das Kombibad „Balneon“ in Neustadt am Rübenberge setzt auf ein effizientes Energiekonzept
Ein simples Wasserbecken löst heutzutage keine Faszination mehr beim Schwimmbadbesucher aus. Das neue Kombibad „Balneon“ in Neustadt am Rübenberge vereint deshalb die unterschiedlichen Themenbereiche Schwimmen, Fitness und Sauna unter einem Dach. Interessant für TGA-Profis ist vor allem die vom Architektur- und Ingenieurbüro pbr geplante Technik. Ein Blick hinter die Kulissen.
Insgesamt acht Schwimmbecken mit einer Gesamtwasserfläche von rund 1500 m² stehen Badegästen in dem Kombibad zur Verfügung. Neben einem 25-m-Sportbecken mit Sprungturm sorgen ein ganzjährig beheiztes Außenbecken und eine 70 m lange Röhrenrutsche für Abwechslung. Auf dem Gelände befindet sich außerdem ein Naturbadeteich, der durch eine biologische Wasseraufbereitung gefiltert wird. Über rundum angeordnete Skimmer werden Verunreinigungen von der Wasseroberfläche abgezogen. Das in dem Zug gesammelte Wasser wird über Pumpen dem Bodenfilter zugeführt. Dort passiert es die mit Biofilm bewachsenen Kornoberflächen. Abbaubare organische Stoffe werden von den Mikroorganismen im Biofilm verstoffwechselt und entweder in Form von Biomasse eingelagert oder als Abbauprodukt in Form von CO2, CH4 oder N2 ausgegast. Die noch im Rücklauf des Reinwassers vorhandenen gelösten Nährstoffe werden in einem Teilstrom über Phosphatabsorbergranulat zu 50 % eliminiert.
Schwimmbadtechnik und Badewasseraufbereitung Die Badewasseraufbereitung ist nach der DIN19643-2, 2012-11 ausgelegt. Es wurde die Verfahrenskombination Flockung-Mehrschichtfiltration mit adsorptiver Kohle-Chlorung gewählt. Die Zuordnung der einzelnen Wasserkreisläufe erfolgte nach den Kriterien Wassertemperatur, vergleichbare hygienische Belastung und Nutzungsprofile. So wurden sieben Anlagen zur Badewasseraufbereitung mit einer Umwälzleistung von insgesamt 616 m3/h installiert. Für die Aufbereitung kommen Saugfilter zum Einsatz, da diese Technik im Vergleich zu konventionellen Standard-Druckfiltern weniger Strom und Wasser verbraucht. Als Belastbarkeitsfaktor wurde k = 0,5 1/m3 gewählt. Dabei werden 100 % des Beckenzulaufvolumenstroms über die Filter gefahren. Zur Reduzierung von Desinfektionsnebenprodukten wie gebundenem Chlor und THM (Trihalogenmethan) wird Aktivkohle eingesetzt. Der Betrieb der Badewasser- und Betriebswasseraufbereitung erfolgt vollautomatisch mit pneumatischen Armaturen, wobei die Möglichkeit besteht, von Hand in die Betriebsabläufe einzugreifen. So stehen folgende Funktionen zur Auswahl: Aus, Normalbetrieb, Rückspülbetrieb, Teillastbetrieb außerhalb der Badebetriebszeit und Teillastbetrieb innerhalb der Badebetriebszeit. Für die Rohwasser- und Filtratpumpen wurden Permanent-Magnet-Motor-Pumpen mit Frequenzumformer eingeplant. Ein Teillastbetrieb während der Nichtbetriebs- und Betriebsstunden unter Einhaltung der Hygienehilfsparameter ist möglich. Für die Rutsche wurde ein Volumenstrom von ca. 360 m3/h vorgesehen. Die Rutsche wird aus einem Behälter beschickt, in dem auch das Wasser aus dem Flachauslauf fließt. An dem Behälter ist eine Saugfilteranlage mit einem Aufbereitungsvolumentstrom von 60 m3/h angeschlossen. Während der Nichtbetriebszeiten werden die Rutsche und das Landebecken in den Auffangbehälter entleert. Für das Planschbecken wird eine eigene Badewasser-Aufbereitungsanlage mit eigenem Schallwasserbehälter genutzt, um auf unterschiedliche Temperaturanforderungen reagieren zu können. Aufgrund des hohen pH-Wertes des Frischwassers wird die Desinfektion über eine Chloranlage realisiert. Diese senkt den pH-Wert. Da das Wasser durch Chlorgas sauer wird, werden zusätzlich Marmorkiestürme eingesetzt. Die Desinfektion wird als Vollvakuum-Chlorgasalage ausgeführt. Die angeschlossenen Dosiermittel für pH-Korrektur und Flockung stehen zentral in der Nähe des Chemikalienlagers. Alle Behälter wurden geschlossen ausgeführt und erhielten eine Be- und Entlüftung über Dach. Die Behälterböden haben ein Gefälle von 0,5 %. Die Füllwassermengen für die Rohwasserspeicher werden über Wasserzähler erfasst. Das anfallende Spülabwasser wird in einem betonierten Spülabwasserspeicher gepuffert und der Betriebswasseraufbereitung nach DIN 19645 Typ 1 zugeführt. Dies erfolgt über eine schwimmende Absaugung. Die Betriebswasseraufbereitung Typ 1 ist nach dem Prinzip der Mehrfachbarriere aufgebaut. Das aufbereitete Wasser wird über eine Kontingentsteuerung den einzelnen Anlagen als Füllwasser zugeführt. Über die Aufbereitungsanlage werden ca. 70 – 75 % zum Einsatz zurückgewonnen. Die Anlage besteht aus einer Ultrafiltrationsanlage, einem Aktivkohlefilter und einer Umkehr-Osmoseanlage.
Energetisch nachhaltigDer Wärmebedarf für das neue Kombibad wird über zwei gasbetriebene Wärmeerzeuger gedeckt. Die Grundlastabdeckung erfolgt durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW), dessen thermische Leistung 164 kW beträgt. Parallel wird durch das BHKW eine elektrische Leistung von bis zu 100 kW generiert, die entweder im Stromnetz des Schwimmbads genutzt oder ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Für die Optimierung eines wirtschaftlichen Betriebes des BHKWs wurden drei in Reihe geschaltete Pufferspeicher mit einem Gesamtvolumen von 12 m³ vorgesehen. Ein ungewollter taktender Betrieb im Teillastbereich wird durch den Einsatz der Pufferspeicher vermieden. Die Spitzenlast wird durch einen modulierend arbeitenden Brennwertkessel mit einer thermischen Leistung von 1000 kW gedeckt. Das BHKW und der Brennwertkessel werden hydraulisch in Reihe geschaltet. Solange das BHKW bzw. die Wärmeleistung des Pufferspeichers zur Einhaltung der Vorlauftemperatur ausreichen, erfolgt die Wärmeversorgung über einen Bypass durch Ansteuerung motorischer Klappen. Zur Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen werden, in Anlehnung an die VDI 2035, die erforderlichen Richtwerte eingehalten.
WarmwasserbereitungsanlagenZur Bereitstellung des Warmwasserbedarfs wurden drei separate Warmwasserbereitungsanlagen für die Bereiche Schwimmbad (Duschen/Umkleiden), Sauna und Gastronomie vorgesehen. Die Trinkwassererwärmung erfolgt mittels Speicherladesystem. Ein Vorteil dieser Anlage ist die 60 °C warme Vorlage im Speicher, die bei sich ständig ändernden Abnahmemengen konstant mit 60 °C zu den Duschen geführt wird. Ein Nachregeln an den Zapfstellen ist auf diese Weise nicht erforderlich. Mit einem Durchflusssystem wäre diese Versorgung aufgrund ständiger Regelabweichungen nicht möglich und würde zu hohen Komforteinbußen bzw. Temperaturschwankungen führen. WärmeverteilnetzeFür die Wärmeverteilung wurde in der Heizzentrale im Kellergeschoss ein Vorlaufverteiler und Rücklaufsammler mit hocheffizienten Pumpen installiert. Die Wärmeverteilung erfolgt im Zweirohrsystem. Heizungsleitungen, die Bereiche mit einem hohen Chloridanteil in der Umgebungsluft ungedämmt durchqueren (z. B. Einzelzuleitungen), wurden mit einem Korrosionsschutzanstrich versehen. Heizungsleitungen in Wandschlitzen und im Fußbodenaufbau oder als Anbindeleitungen für Heizkörper in Räumen mit erhöhter Feuchtigkeit wurden als Kupferrohre ausgeführt.
Effizientes Lüftungssystem senkt BetriebskostenUm sowohl die Luftmengen als auch die Anordnung der Zu- und Abluftdurchlässe zu optimieren, wurde mit Beginn der Planung eine Raumluftströmungssimulation durchgeführt. Im Ergebnis werden die unterschiedlichen Badebereiche in der Badehalle durch individuell angepasste Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bedient. Je nach Nutzungsbereich wird eine Wärmerückgewinnung von 75 bis 80% erzielt. Während des Badbetriebs arbeiten die zwei Zu- und Abluftgeräte für den Badebereich mit einem Volumenstrom von jeweils bis zu 24 600 m³/h und einem Außenluftanteil von 100 %. Dabei wird der Volumenstrom in Abhängigkeit der Abluftfeuchtigkeit geregelt. Wenn im Ruhebetrieb die Verdunstung aufgrund der nicht mehr vorhandenen Bewegung der Oberfläche deutlich geringer ist, kann der Volumenstrom auf minimal 8000 m³/h pro Gerät reduziert werden. Durch die gezielte Regelung der Volumenströme lässt sich die Stromaufnahme der Zuluft- und Abluftventilatoren im Jahresdurchschnitt deutlich reduzieren.
Effiziente WärmerückgewinnungDie Zuluftverteilung für die Schwimmhalle erfolgt über Lüftungskanäle, die in der abgehängten Decke oder sichtbar zwischen den Dachträgern geführt werden. Über Drallauslässe gelangt die Zuluft in den Aufenthaltsraum. Die Luftmenge wird dabei so geregelt, dass die Luft bis knapp über die Wasseroberfläche geblasen wird. Auf diese Weise wird die gesamte Halle durchspült, ohne dass Badegäste Zugerscheinungen spüren. Um auch im Ruhebetrieb eine optimale Wurfweite der Drallauslässe zu erreichen, können einzelne Zuluftkanäle über motorische Klappen verschlossen werden. Entlang der Wände in der Decke angeordnet, befinden sich Schattenfugen, über die die Abluft abgesaugt, in die Zwischendecke eingeführt und schließlich an der Wand zum Technikraum abgeführt wird. Um im Eltern-Kind-Bereich eine behagliche Atmosphäre zu gewährleisten, besteht hier die Möglichkeit, die Zuluft über ein Nachheizregister nachzuerwärmen. Die Zu- und Abluftanlage für das Kursbecken arbeitet mit einem Volumenstrom von bis zu 8600 m³/h. Dabei wird die Luftmenge in Abhängigkeit der Abluftfeuchtigkeit geregelt. Im Bereich der Umkleiden und Duschen wird die Abluft der Umkleiden effizient genutzt und den Duschbereichen als Zuluft zugeführt. Die nur gering belastete Abluft aus den Umkleiden dient zum Abtransport der Luftfeuchtigkeit aus den Duschen und wird auf diese Weise sinnvoll ein zweites Mal genutzt. Bilder: Christian Bierwagen
pbr Planungsbüro Rohling Die pbr Planungsbüro Rohling AG, die als Architektur- und Ingenieurbüro mit über 450 Mitarbeitern alle wesentlichen Bauplandienstleistungen erbringt, ist an elf Standorten bundes-weit niedergelassen. Schwerpunkte hat das Büro u. a. in der Planung von Gebäuden für Sport und Freizeit. Aktuell ist pbr an der Planung und Realisierung der neuen Wasserwelt „Rulantica“ des Europa-Park Rust beteiligt.