Für den Notfall gerüstet: Augennotduschen
Auswahlkriterien – Funktionsprüfung – Anwendung
Augennotduschen sind für chemische Laboratorien zwingend vorgeschrieben. Dadurch werden sie auch für Arbeitsplätze mit ähnlicher Gefährdung zum Stand der Technik. Auch in Produktionsbereichen sind sie besonders dort notwendig, wo Stoffe mit einer ätzenden oder reizenden Wirkung auf die Haut oder die Augen ab- oder umgefüllt werden.
Trotz einschlägiger Unfallverhütungsvorschriften kommen Verätzungen der Augen immer wieder vor. Gerade bei Tätigkeiten in Laboratorien lässt sich der offene Umgang mit Chemikalien oft nicht vermeiden. Gefährdungen gehen vor allem von Säuren und Laugen aus. Gelangen diese bei einem Unfall, beispielsweise als Spritzer, ins Auge können sie dieses dauerhaft schädigen, und das selbst bei niedriger Konzentration. In diesem Fall hilft eine Augennotdusche mit einer guten und raschen Zugänglichkeit für die sofortige Erste Hilfe und damit bei der Eindämmung der Schäden.
Der große Vorteil von Augennotduschen ist, dass sich im Falle einer Kontamination oder Verätzung beide Augen sofort und beliebig lange mit Trinkwasser in ausreichender Menge spülen lassen. Augenspülflaschen, beispielsweise solche mit steriler Spülflüssigkeit, dürfen nur dann die Augennotdusche ersetzen, wenn kein fließendes Wasser zur Verfügung steht und die Verlegung einer entsprechenden Leitung nicht zumutbar ist.
Augennotduschen sollen in Laboratorien möglichst im Bereich der Körperdusche oder des Ausgussbeckens installiert werden. Die Standorte sollen den Beschäftigten bekannt (vorzugsweise sogar vertraut) sein; sie sind durch das Rettungszeichen „Augenspüleinrichtung“ zu kennzeichnen. Gewährleistet ist eine gute und rasche Zugänglichkeit, wenn die Augennotduschen
- frei zugänglich sind und stets frei gehalten werden,
- so montiert sind, dass sie auch von Personen mit geringer Körpergröße gut genutzt werden können und
- von jedem Ort des Labors innerhalb von höchstens 5 Sekunden zu erreichen sind.
Für die Auswahl der Augennotdusche sind nach Vorgaben des Fachbereichs Rohstoffe und chemische Industrie folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- Die Dusche muss der DIN EN 15154-2 „Sicherheitsnotduschen – Teil 2: Augenduschen mit Wasseranschluss“ oder einer vergleichbaren Norm eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften entsprechen.
- Das Stellteil des Ventils (hiermit sind der Hebel, Griff, Knopf oder sonstiges Bedienelement zum Öffnen gemeint) muss leicht erreichbar, verwechslungssicher angebracht und leicht zu betätigen sein. Hierbei ist zu beachten, dass dies für den Notfall von entscheidender Bedeutung ist, da eine Betätigung auch im Zustand mehr oder weniger eingetretener Sehunfähigkeit, möglicherweise gepaart mit panischer Angst, möglich sein muss. Dazu sollte das Stellteil möglichst groß und auffällig sein, beispielsweise ein großer farbiger Hebel.
- Die Absperrarmatur muss nach einer Drehung von höchstens 90 Grad voll geöffnet sein.
- Das Ventil darf nach dem Öffnen nicht selbsttätig schließen. Ausgenommen hiervon sind bewegliche Augenduschen, deren Stellteil im Handgriff des Duschkopfes angebracht ist, sodass beim Ergreifen der Dusche dieses leicht betätigt werden kann.
- Die Wassermenge muss für jede Austrittsöffnung mindestens 6 l pro Minute betragen, der Fließdruck dauerhaft mindestens 1 bar.
- Die Strahlhöhe muss mindestens 15 cm und darf höchstens 30 cm betragen.
- Festinstallierte Augenduschen sind so anzubringen, dass der höchste Punkt des Wasserstrahles zwischen 115 cm und 125 cm über dem Fußboden liegt.
- Die Sprührichtung und die Wasserverteilung der Duschköpfe dürfen nur mit Werkzeug zu verändern sein.
Bewegliche Augennotduschen mit nur einem Spülkopf sind zulässig. Sie sind allerdings etwas weniger effizient, wenn gleichzeitig beide Augen verätzt sind. Bei der Installation von Augennotduschen ist Wert darauf zu legen, dass die Qualität des Wassers hoch (Trinkwasser!) ist und auch so bleibt. Wegen der Gefahr der Verkeimung ist darauf zu achten, dass Wasser nach Möglichkeit nicht längere Zeit in den Zuführungsleitungen stehen bleibt und nicht durch Wärmeeinwirkung von außen über Raumtemperatur gebracht wird. Aus dem gleichen Grund ist auch eine Temperierung des Wassers auf Temperaturen oberhalb der Raumtemperatur nicht geeignet.
Damit eine Augennotdusche sicher funktioniert, sollte sie mindestens einmal monatlich auf Funktionsfähigkeit geprüft werden. Zu beurteilen sind neben dem Volumenstrom (an jeder Auslassöffnung einer Augennotdusche müssen mindestens 6 l Wasser pro Minute austreten) auch das Bild der Wasserverteilung des Kopfes und die Qualität des Wassers sowie der Verschmutzungszustand (auch Kalk) durch Inaugenscheinnahme.
Durch häufigen Wasserwechsel lassen sich Verunreinigungen und Verkeimungen der Installation vermeiden. Es ist zu empfehlen, Augennotduschen nicht nur bei den regelmäßigen Prüfungen, sondern häufiger zu betätigen. Dies hilft auch zu gewährleisten, dass das Betätigungsventil leichtgängig bleibt und der Duschkopf durchgängig ist. Bewegliche Augenduschen, deren Stellteil im Handgriff des Duschkopfes angebracht ist, bieten hier gewisse Vorzüge: Sind sie im Bereich des Ausgussbeckens installiert, erweisen sie sich für das Ausspülen des Beckens als nützlich und werden daher gerne und häufig betätigt.
Ihre Vorzüge ausspielen können Augennotduschen, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen etwas ins Auge geht. Dann gilt es sofort und reichlich zu spülen! Das Spülen der Augen muss mit weit gespreizten Lidern erfolgen, um alle Chemikalienreste zu erfassen. Das Spülen muss lang durchgeführt werden, Richtwert sind mindestens 10 Minuten; eine ärztliche Kontrolle des Auges ist danach unverzüglich durchzuführen. Der Umgang mit Augennotduschen sollte regelmäßig geübt werden.
Autor: Dr. Michael Glück, Leiter Kompetenz-Center Präventionsprodukte und -marketing, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Heidelberg