Finale Herausforderungen an Gebäude für die Energiewende - Vom Paradigmenwechsel systemrelevanter Gebäudeausstattung
Unabhängig von der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Kontext der aktuellen Novellierung und deren Zukunft wird die systemtechnische Gebäudeausstattung die zentrale Herausforderung für den finalen Schritt zur Energiewende überhaupt sein.
Hinsichtlich des energetischen Standards von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden, wird es in Zukunft um die praktische Umsetzung von Systemintegrationen gehen, um nachhaltige Gebäude allein schon hinsichtlich der Energieversorgung zu realisieren. Bild: WeberHaus/IKZ-ENERGY Archiv
Neben der systemtechnischen Gebäudeintegration werden es gleichsam die Baustoffe und -materialien und die kognitive Vernetzung sämtlicher energetischen Wirkungen sein, die auch die Wieder- und Rückverwertung nicht nur von Materialien und Komponenten, sondern von ganzen Gebäuden in realen Bilanzen mit weitreichenden Zeitfenstern berücksichtigen muss. Bild: Hochtief Solution/IKZ-ENERGY Archiv
Obgleich die EnEV als solche den wesentlichen und wohl wichtigsten Beitrag geleistet hat, was den energetischen Standard von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden betrifft, wird es in Zukunft um die praktische Umsetzung von Systemintegrationen gehen, um nachhaltige Gebäude allein schon hinsichtlich der Energieversorgung zu realisieren. Die Berechnung von Jahres-Energiebilanzen kann hierbei allerdings lediglich eine Orientierungshilfe sein, da der reale Energiebedarf an Wärme und Kraft in Echtzeit abverlangt wird. Im Detail wird es darum gehen, praxis- und anforderungsgerechte Nutzungsprofile schon im Vorfeld jeglicher Baumaßname für Neubau oder Modernisierung dergestalt zu erstellen, dass nicht nur der Jahresbedarf dargestellt wird, sondern die Differenzierung in Monats-, Wochen- und Tagesprofilen, die Grundlage für eine dezentrale Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien bildet. Wichtig ist hierbei einmal mehr, die Klimazone als tatsächliches Faktum zur Kenntnis zu nehmen. Somit wird neben der Erzeugung von Energie umso mehr die Energiebereitstellung im Fokus stehen.
Demzufolge gilt es, das sogenannte Plus-Energiehaus oder Energiegewinnhaus unter diesen veränderten Vorzeichen bei Lichte zu betrachten, da die rechnerisch dargestellte Jahresenergiebilanz diesbezüglich in eine Sackgasse zu führen droht. Denn der Energiebedarf eines Gebäudes für Kraft und Wärme ist als Planungsgrundlage nicht länger in Jahreszyklen zu begreifen, sondern vielmehr dezentral in realistischen Tages- und gar Stundenszenarien zu betrachten.
Status Quo des energetischen Standards
Grundlage der EnEV bildete die integrale Zusammenführung von Wärmeschutzverordnung (thermische Hülle) einerseits und der Heizungsanlagenverordnung (Erneuerbare Energien) andererseits, was sich im heutigen Energieeffizienz-Standard ausdrückt. Resümiert man nun nach mehr als 10 Jahren EnEV die Entwicklung zum energieeffizienten Bauen und Modernisieren lässt sich feststellen, dass in dieser Dekade sehr viel erreicht wurde und wir nun eine Allgemeingültigkeit erreicht haben, die hinsichtlich des Wärmeschutzes nur mehr noch wenig Luft nach oben offen lässt. Entscheidend hierfür ist freilich unsere Klimazone, die einen Rest an Heizwärmebedarf naturgemäß nicht vermeiden lässt.
Anders verhält es sich mit dem sommerlichen Wärmeschutz, der in den letzten Jahren sicherlich weniger beachtet wurde, als der winterliche Wärmeschutz. Dennoch bietet der Markt auch hierfür zahlreiche Innovationen, insbesondere aus nachwachsenden Rohstoffen und ökologischen Baustoffen und -materialien, die nicht nur den Anforderungen an den winterlichen Wärmeschutz genügen, sondern gleichfalls auch den Anforderungen an einen sommerlichen Wärmeschutz entsprechen. Die Ausgeglichenheit von Wärmeschutz und Wärmespeicherung wird heute schon und zukünftig ein wesentlicher Bestandteil eines integralen Planungsansatzes im Bereich der Wärmeversorgung sein.
Eine weitere Herausforderung wird zweifelsfrei der Umgang mit internen Wärmegewinnen sein, die im Winter sehr entgegenkommend die Energiebilanz positiv beeinflussen, aber im Sommer für bisweilen sehr extreme interne Lasten sorgen. Diese nun aber mit Kühl- und Kälteaggregaten zu „erschlagen“, kann wohl kaum ein gangbarer Weg für eine nachhaltige Gebäudesystemtechnik sein. Obgleich die „Wärmegewinne“ von Haus- und Kommunikationsgeräten in jüngster Zeit deutlich reduziert wurden, ist es aber die Anzahl der verschiedenen Komponenten, welche die Lasten keinesfalls rückgängig erscheinen lassen. Die Reduzierung des Wärmebedarfs und im Gegenzug die Erhöhung des Kühlbedarfs würde eine irreversible Entwicklung bedeuten, wo selbst das Argument, man hätte doch im Sommer genügend PV-Strom zu Verfügung, einmal mehr die kurzfristige Denkweise der Vergangenheit vor Augen stellen würde, die es nun endlich zu überwinden gilt. Aufgabe ist es vielmehr systembedingte Rückkopplungsmechanismen durch systemrelevante Prozessstrategien innerhalb eines dezentralen Gebäudesystems real nutzbar zu machen.
Qualitätsanforderungen von Baustoffen und Baumaterialien
Ungeachtet einer drohenden „Übernovellierung“ lässt sich dennoch feststellen, dass der Standard der energetischen Qualität der thermischen Hülle einen Punkt erreicht hat, der sich in der Hauptsache auf Materialalternativen von Dämmstoffen konzentrieren muss, um die umweltgerechte Wieder- und Rückverwertung zu gewährleisten – ohne weiteren Sondermüll, Umweltlasten und massive ökonomische Schäden für die Allgemeinheit zu verursachen. Also, anstatt mehr umweltbelastende Optimierungsrituale zu praktizieren, sollten mehr umweltentlastende Systemsteuerungen einforderdert werden. Dieser Trend ist umso deutlicher zu erkennen, da auch immer mehr Wohnungsbaugesellschaften, Eigentümer von Wohn- und Nichtwohngebäuden und Bauträger sich mehr und mehr für ökologische Alternativen in Sachen Wärmedämmstoffen interessieren und sie diese zudem auch einfordern. Dies wird und muss sich auch auf die EnEV auswirken. Es kann nicht sein, dass ein Mindeststandard gefordert wird, der beispielsweise – per Verordnung - nur noch Fenster aus Kunststoff erlauben würde und den ungleich nachhaltigeren Varianten von Holzfenstern Knüppel zwischen die Beine wirft. Oder dass gar eine 4- und x-fach-Verglasung gefordert wird. Solche oder ähnliche Szenarien würden die EnEV für die Zukunft nicht nur ad absurdum führen, sondern von vielen Bauherren und Entscheidern, die weiter denken, als von der Tapete zur Wand, nicht mehr toleriert werden. Betrachtet man den anderen Aspekt der Energieeffizienz, so ist es insbesondere die Anlagentechnik, die es fortan umfassend systemisch in das Gebäude zu integrieren gilt.
Gebäudeintegrierte Photovoltaik
Ein sehr aktuelles Beispiel ist hierfür der Umgang mit Photovoltaik. Während in den letzten Jahren die Installation von PV-Anlagen, am Gebäude an sich – abgesehen von der Dachfläche – völlig vorbei lief, ist es nun die Normalisierung des Marktes, die sich durch die jüngsten Senkungen der Strom-Einspeise-Vergütungen ergeben und den Eigenverbrauch drastisch in den Fokus rücken lässt. So lange es nur darum ging, den erzeugten Strom auf direktem Wege in das „öffentliche“ Stromnetz zu speisen, um ein Maximum an Geld zu verdienen, spielte das Gebäude keine Rolle in jeglicher Betrachtung. Lediglich die Dachfläche und Dachneigung interessierte, das Gebäude als solches aber keinesfalls. Schon gar nicht der elektrische Bedarf, der unmittelbar und dezentral im Gebäude besteht. Nun, wie es nun mal so ist in unserer Gesellschaftsform, werden Denkprozesse nicht nur in Deutschland offensichtlich ausschließlich von monetären Verhältnissen motiviert und provoziert. Für eine nachhaltige und zukunftssichere Energiewende ist ein solches Denken allerdings kontraproduktiv und fatal. Höchste Zeit also, dass u.a. die Photovoltaik nun in der Realität angekommen ist und systemrelevante Lösungen bringen wird.
Nun sieht sich die Photovoltaik genötigt, doch mehr als das Dach eines Gebäudes zu betrachten, um zielorientierte Lösungen für einen weiteren Schritt in eine reale Energiewende zu entwickeln. Dieser Schritt wird ein gigantischer Schritt sein, denn er wird zeigen, was die Photovoltaik wirklich kann. Es wird in Zukunft darum gehen, PV-Anlage unmittelbar auf das Gebäude abzustimmen und dem spezifische Anforderungs- und Nutzungsprofil zu entsprechen, um einen weiteren, letztendlich entscheidenden Schritt in die Energiewende einzuleiten.
Energieautarke und dezentrale Gebäudesysteme
Für Bauherren besitzen eine maximale Energieautarkie und somit auch die dezentrale Speicherung von elektrischer Energie einen sehr hohen Stellenwert. Dazu gehört allerdings mehr, als eine Strombatterie in den Keller zu stellen. Auch ist die Stromspeicherung von PV und Kleinst-Windkraft oder der Kraft-Wärmekopplung nicht allein des Rätsels Lösung. Intelligente Systeme zum Lastmanagement sind ebenso notwendig sowie eine zielorientierte Komponentenauswahl und umfassende Vernetzung. Die Schlagwörter SmartGrid und SmartMetering allein reichen hierfür nicht aus. Die Herausforderungen sind zu elementar, um sie mit schicken Worthülsen zu umkleiden, die nicht selten gewünschte Transparenz vermeiden lassen. Vielmehr ist es die Selbstbestimmung – gerade in Sachen Energieversorgung – die den privaten Bauherren ebenso wie den Investor antreiben und sach- und zielgerichtete Lösungen einfordert.
Ebenso gilt es zu beachten, dass sich eine Entwicklung abzeichnet, die einen explodierenden Kühl- und Kältebedarf verlangt. Dies allein mit elektrischer Energie zu erledigen, ist ebenso zu kurz gedacht. Vielmehr gilt es hier gebäudetechnische Symbiosen zu definieren und zusammenzuführen, aber auch die Solarthermie zur Kühlung zu nutzen. Auf dem Wärmeplanet Erde wird die Wärmeenergie weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, gemeinsam mit der elektrischen Energie. Einen Prolog in diesem Sinne zeichnet bereits die Kraft-Wärme-Kopplung auf und wird sich in verschiedenen Disziplinen weiterentwickeln.
Fazit
Neben der systemtechnischen Gebäudeintegration werden es gleichsam die Baustoffe und –materialien und die kognitive Vernetzung sämtlicher energetischen Wirkungen sein, die auch die Wieder- und Rückverwertung nicht nur von Materialien und Komponenten, sondern von ganzen Gebäuden in realen Bilanzen mit weitreichenden Zeitfenstern berücksichtigen muss. Den geplanten Netzausbauszenarien steht die Dezentralisierung der Energieversorgung als zukunftssichere Variante gegenüber. Selbstredend haben sich die Machenschaften der großen Energieversorger und ihren politischen Wasserträgern für die Bauherren längst schon in der Erkenntnis entlarvt, dass wer glaubt, dass Volksvertreter ihr Volk vertreten auch glaubt, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Dieser Bewußtseinserweiterung, die durchaus einer neuen Aufklärung entspricht, gilt es durch innovative und unbedingt systemrelevant-nachhaltige Lösungen aus der Energie- und Baubranche zu entsprechen. Denn wie gesagt, es ist nicht allein damit getan, weitere Energiespeicher für Kraft und Wärme ins Gebäude zu hieven, ohne das Gebäude selbst als Energiespeicher und –bereitsteller zu begreifen.
Autor: Frank Hartmann