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Fensterlüftung allein reicht nicht

Rechtliche Vorgaben und Planungshinweise für die Wohnraumlüftung

Wohnzimmer mit unauffällig montierten Innenwandblenden zweier In-Wand-Lüftungsgeräte. Bild: Viessmann

Luftverteilungssystem mit flexiblen Lüftungsrohren aus Kunststoff. Dank kompakter Konstruktion ist eine Installation in abgehängten Decken oder Unterputz in Decken, Wänden oder Böden möglich. Bild: Blauberg Ventilatoren

Lüftungskonzept. Bild: FGK, nachgezeichnet mit leichten Änderungen von W. Wilming

Systeme der Wohnungslüftung. Bild: FGK, nachgezeichnet mit leichten Änderungen von W. Wilming

Schema eines Abluftsystems mit einem zentralen Abluftgerät. Bild: Maico

Zentrale Wohnungslüftungszentrale. Bild: Helios

Brauchwasserwärmepumpe mit Anschluss an Lüftungskanal. Bild: Stiebel Eltron

 

Die Kontrollierte Wohnungslüftung (KWL) ist in den zurückliegenden Jahren zu einem festen Bestandteil moderner Gebäudetechnik herangewachsen. Gleichwohl wird längst noch nicht jeder Neubau und jede umfangreiche Sanierung mit einer nutzerunabhängigen Lüftung ausgestattet. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den rechtlichen Vorgaben, der Erstellung von Lüftungskonzepten und der Auswahl lüftungstechnischer Maßnahmen.

Nach Meinung vieler Fachleute der Lüftungsbranche ist für Wohngebäude der Einbau einer kontrollierten Wohnungslüftung unumgänglich. Grundlage dieser Einschätzung ist § 6 der Energieeinsparverordnung (EnEV). Der verlangt, neue Wohneinheiten so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist. In der Verordnung wird zudem gefordert, den zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sicherzustellen. Damit diese Forderung erfüllt werden kann, muss die Lüftung nutzerunabhängig, also automatisiert sein, weiß Dipl.-Ing. Claus Händel vom Fachverband Gebäude-Klima (FGK). Eine manuelle Fensterlüftung erfülle diese Anforderungen nicht. Zwar gebe es keine direkte gesetzliche Vorschrift, gibt Händel zu. Es habe sich aber in der Rechtsprechung weitgehend die Sichtweise durchgesetzt, dass zur Vermeidung von Bauschäden und Haftungsrisiken eine ausreichende nutzerunabhängige Lüftung sichergestellt sein müsse. Ähnlich sieht es auch der Bundesverband für Wohnungslüftung (VfW). Zwar könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine lüftungstechnische Maßnahme oder gar ein ventilatorgestütztes Lüftungssystem in jedem Falle zwingend erforderlich sei. Doch berge die Alternative, den vorgeschriebenen Luftaustausch allein der Fensterlüftung der Bewohner zu überlassen, erhebliche rechtliche Risiken, so der VfW.
Auch wenn man sich über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Vorgabe noch streitet – festzuhalten ist, dass mit den hohen energetischen Anforderungen an die Gebäudehülle eine Luftdichtigkeit einhergeht, die einen ausreichenden Außenluftwechsel durch Fugenlüftung in vielen Fällen nicht mehr ermöglicht und deshalb eine lufttechnische Maßnahme erfordert. Dieses Faktum verbunden mit einem Verzicht auf energievergeudendes Lüften über Fenster und Türen hat bereits dazu geführt, dass viele Förderprogramme die Wohnungslüftung als wichtige Energieeinspartechnik einstufen und sie in Verbindung mit einer Wärmerückgewinnungsanlage als Ersatzmaßnahme nach § 7 des EEWärmeG akzeptiert.

Lüftungskonzept erstellen
Fachplaner und -handwerker werden sich bei der Planung einer Lüftungsanlage auf die DIN 1946-6 stützen. Dieses im Fachjargon „Lüftungsnorm“ genannte Regelwerk beschreibt unter anderem die Erstellung eines Lüftungskonzepts, das aufzeigt, wie ein ausreichender Luftwechsel in Wohnungen zu erreichen ist und das als Nachweis für die Notwendigkeit einer lüftungstechnischen Maßnahme dienen kann. Zu erstellen ist ein Lüftungskonzept laut EnEV für alle Neubauprojekte – für Sanierungen und Renovierungen von Ein- und Mehrfamilienhäusern nur dann, wenn mehr als ein Drittel sämtlicher Fenster ausgetauscht oder mehr als ein Drittel der Dachfläche neu gedämmt wird.

Lüftungsstufen für unterschiedliche Nutzungsbedingungen
Die DIN 1946-6 benennt vier Lüftungsstufen mit unterschiedlichen Nutzungsbedingungen, für die der Planer eine geeignete Lüftungsmaßnahme finden muss:

  1. Die Lüftung zum Feuchteschutz (FL) ist die notwendige Lüftung zur Gewährleistung des Bautenschutzes (Feuchte) unter üblichen Nutzungsbedingungen, bei teilweise reduzierten Feuchtelas­ten, zum Beispiel bei zeitweiliger Abwesenheit der Nutzer und Verzicht auf Wäschetrocknen in der Nutzungseinheit. Sie kann auch als „Urlaubslüftung“ bezeichnet werden.
  2. Die Reduzierte Lüftung (RL) dient zur Gewährleistung der hygienischen Mindestanforderungen, sowie des Bautenschutzes (Feuchte) unter üblichen Nutzungsbedingungen, bei teilweise reduzierten Feuchte- und Stofflasten, zum Beispiel infolge zeitweiliger Abwesenheit von Nutzern.
  3. Die Nennlüftung (NL) ist eine notwendige Lüftung zur Gewährleistung der hygienischen Anforderungen sowie des Bautenschutzes bei Anwesenheit der Nutzer (Normalbetrieb).
  4. Die Intensivlüftung (IL) ist eine zeitweilig notwendige Lüftung mit erhöhtem Luftvolumenstrom zum Abbau von Lastspitzen (Lastbetrieb). Sie wird in der Regel durch die Fensterlüftung unterstützt.


Lüftungskonzepte lassen sich schnell erstellen. Beispielsweise mit dem kostenlosen VfW-Planungstool1). Es berechnet den Volumenstrom zum Feuchteschutz und die Infiltration und legt damit fest, ob eine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich ist oder nicht. Für diesen Nachweis sind lediglich fünf Kenndaten (Gebäudetyp, Lage, Fläche, Baualter, Qualität der Luftdichtheit) notwendig. Die verschiedenen Arten von Lüftungssystemen, die ausgewählt werden können, werden in einer Übersicht dargestellt.

Lüftungstechnische Maßnahmen auswählen
Wenn nun die Bewertung des Lüftungskonzepts ergibt, dass die natürliche Luftzufuhr durch Infiltration nicht genügt, um den Feuchteschutz zu garantieren, muss der verantwortliche Planer eine geeignete lüftungstechnische Maßnahme (LtM) entwerfen. Das kann eine sogenannte freie Lüftung oder eine ventilatorgestützte Lüftung sein. In jedem Fall muss die angestrebte Lüftungsstufe erreicht werden.

Freie Lüftung
Bei der freien Lüftung ist planerisch zwischen Querlüftung und Schachtlüftung zu unterschieden. Unter einer Querlüftung wird die Durchlüftung einer Wohnung verstanden, bei der den Wohn- und Schlafräumen (den Zulufträumen) Außenluft zugeführt und anschließend der Küche, dem Bad und dem Gäste WC (den Ablufträumen) wieder entnommen und abgeführt wird. Die Lüftung zum Feuchteschutz (FL) ist für die gesamte Nutzungseinheit und für jeden einzelnen Raum sicherzustellen, und zwar allein über die Undichtheit der Gebäudehülle (Infiltration) und falls notwendig über Außenluftdurchlässe (ALD) beziehungsweise Lüftungsschächte, also ohne manuelles Öffnen der Fenster.
Bei einer Querlüftung, die allein dem Feuchteschutz dienen soll, sind die notwendigen Einrichtungen so zu dimensionieren, dass sie den Festlegungen der Lüftungsstufe „Lüftung zum Feuchteschutz (FL)“ nachkommen; bei Quer- und Schachtlüftungssystemen ist die freie Lüftung so auszulegen, dass sie der Intensivitätsstufe „Reduzierte Lüftung (RL)“ entspricht, empfohlen wird die Auslegung als „Nennlüftung“. Bei allen Lüftungssystemen ist davon auszugehen, dass Nutzer durch manuelles Öffnen von Fenstern den Außenluftvolumenstrom unterschiedlich stark ergänzen können.

Ventilatorgestützte Lüftung
Bei den ventilatorunterstützten Wohnungslüftungen wird zwischen dezentralen und zentralen System unterschieden. Beide lassen sich um Wärmerückgewinnungseinheiten erweitern. Eine dezentrale Lüftung mit einzelnen Ventilatoren in Räumen wie Küche, Bad und WC hat den Vorteil, dass der Installationsaufwand geringer ist, was sich vor allem bei nachträglichem Einbau bemerkbar macht. Bei der Zentrallüftung fördert dagegen ein einziges Lüftungssystem, installiert zum Beispiel im Dachgeschoss, den gesamten Luftvolumenstrom über Kanäle und Rohrleitungen in die zu belüftenden Räume. Es gibt inzwischen spezielle Nachrüstlösungen am Markt, die sich unauffällig in die Bausubstanz integrieren lassen.
Von der Lüftungsart her unterscheidet die DIN 1946-6 zwischen Abluft-, Zuluft- und Abluft-/Zuluftsystemen. Dabei gelten folgende Definitionen:

  • Bei einem Abluftsystem saugt eine Lüftungsanlage ventilatorgestützt die Raumluft ab. Gleichzeitig strömt über Wanddurchlässe gefilterte Außenluft in die Wohnung ein.
  • Bei einem Zuluftsystem bläst eine Lüftungsanlage ventilatorgestützt Zuluft in Räume ein, gleichzeitig strömt die Abluft als Fortluft aus der Wohnung ins Freie.
  • Bei einem Zuluft/Abluftsystem bläst eine Lüftungsanlage ventilatorgestützt Zuluft in Räume ein, gleichzeitig saugt sie Abluft als Fortluft aus der Wohnung ins Freie. Der Einsatz mit Wärmerückgewinnung ist möglich.


Ein ventilatorgestütztes Lüftungssystem ohne Unterstützung durch den Nutzer muss mindestens die zweithöchste Lüftungsstufe, die Nennlüftung (NL), gewährleisten können, und zwar für die gesamte Nutzungseinheit. Die Nennlüftung (NL) schließt die Lüftung zum Feuchteschutz (FL) und die Reduzierte Lüftung (RL) ein, eine Auslegung ausschließlich für eine dieser beiden Vorstufen ist nicht zulässig. Bei der Intensivlüftung darf man von einer Nutzerunterstützung durch zeitweiliges manuelles Öffnen von Fens­tern ausgehen.

Systeme mit Wärmepumpe für die Warmwasserbereitung
Auch die Einbindung einer Brauchwasserwärmepumpe in eine Wohnungslüftung ist als lüftungstechnische Maßnahme anzusehen. Eine solche Wärmepumpe kann allein mit der Luft des Raumes, in dem sie aufgestellt ist, den Inhalt eines Warmwasserspeichers (typisch: Inhalt bis 300 l für 5-Personen- Haushalt) auf etwa 65 °C aufheizen. Dabei saugt ein Ventilator im oberen Bereich des Wärmepumpengehäuses Raumluft an und bläst sie abgekühlt auf der entgegengesetzten Seite wieder in den Raum hinein. Diese Umluft-Variante ist unter anderem bestens für die Aufstellung in Räumen geeignet, die kühl gehalten werden sollen, wie zum Beispiel Vorratsräume und Weinkeller. Neben der Raumkühlung bringt die Absenkung der Temperatur am Aufstellungsort einen weiteren nützlichen Effekt mit sich: Der Raumluft wird unter Bildung von Kondenswasser, das gesammelt und abgeführt wird, Feuchtigkeit entzogen, der Aufstellraum bleibt trocken. Das ist ein Vorteil, der vor allem in Altbauten zum Tragen kommt.
Es ist aber auch möglich, Abluft aus mehreren Räumen zu nutzen, zum Beispiel Küche, Bad und WC. Jeder Raum, der am Abluftsystem teilhaben soll, erhält einen Rohranschluss mit einem Abluftventil, über das die meist durch Abwärme von Leuchten und elektrischen Haushaltsgeräten angewärmte Raumluft zur Wärmepumpe strömt und dort seine thermische Energie abgibt. Eine solche Abluftwärmepumpenanlage stellt im Prinzip ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung dar.

1) Download unter wohnungslueftung-ev.de

 

Normen für die Wohnungslüftung

  • DIN 1946-6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen; Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung; Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung
  • DIN 18017-3: Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster, fens­terloser Sanitärräume – Teil 3: Lüftung mit Ventilatoren
  • DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz
  • DIN 18379: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Raumlufttechnische Anlagen
  • DIN EN 12599: Lüftung von Gebäuden – Prüf- und Messverfahren für die Übergabe raumlufttechnischer Anlagen
  • VDI 3803 Blatt 4: Raumlufttechnik – Geräteanforderungen – Luftfiltersysteme
  • DIN 4719: Lüftung von Wohnungen
  • DIN 4109: Mindestanforderungen Schallschutz
  • MLüAR: Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen, herausgegeben von der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz.

 


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