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Fellbacher Wohnungsbaugenossenschaft setzt Mieterstrommodell um

Energiemanagement für drei Mehrfamilienhäuser in Fellbach bei Stuttgart

Neubau mit PV-Anlage, Mehrfamilienhaus der FEWOG in Fellbach bei Stuttgart. Bild: U. Pietzsch

Ulf Krech, Geschäftsführer der FEWOG, mit den Plänen seines ersten Mieterstromprojekts. Bild: U. Pietzsch

Blockheizkraftwerk, Pufferspeicher und Heizungsverteiler in der Energiezentrale des Neubaus. Bild: enisyst

Steuerungsmodule mit Webanbindung in der Energiezentrale des Neubaus. Bild: enisyst

 

 „Viele denken, dass Wohnbaugenossenschaften nicht unbedingt Innovationstreiber sind“, sagt Ulf Krech, „doch das stimmt nicht.“ Der geschäftsführende Vorstand der Fellbacher Wohnungsbaugenossenschaft eG (FEWOG) handelt im Interesse seiner Bewohner. Er sieht Vorteile, die Genossen gegenüber normalen Mietern genießen. Da ist vor allem die soziale Komponente, ausgehend vom Grundgedanken der genossenschaftlichen Selbsthilfe, gemeinsam mit anderen für ein eigenes Dach über dem Kopf zu sorgen. Das Bereitstellen von Elektro- und Wärmeenergie gehört mittlerweile dazu. Der Staat unterstützt solche dezentralen Initiativen durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz von 2016 und das Mieterstromgesetz von 2017.

Die FEWOG entstand in der großen Wohnungsnot der Nachkriegszeit im Jahr 1948. Bis heute spielt die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum eine große Rolle. Ebenso wichtig ist die Zufriedenheit der Mieter mit ihrer Wohnsituation und daraus folgend die kontinuierliche Modernisierung der in die Jahre gekommenen 650 Genossenschaftswohnungen.

Microgrid verbindet 3 Häuser
Die Planungen zur Modernisierung der ersten 1950er-Jahre-Mehrfamilienhäuser aus den Anfangszeiten der Genossenschaft begannen im Jahr 2013. KfW-Förderungen für altersgerechtes Umbauen und energetische Optimierungsmaßnahmen konnten beantragt werden. Den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) gemäß war eine energetische Sanierung durch Dämmung der Gebäudehülle nach dem Standard KfW-Effizienzhaus 85 für zwei der Bestandsgebäude ohnehin notwendig. Hinzu kam ein Neubau nach Standard KfW-Effizienzhaus 70.
Doch der Vorstand der Fellbacher Wohnungsbaugenossenschaft ging noch einen Schritt weiter, dazu erklärt Krech: „Wir wollen unseren Mietern auch güns­tige Energie anbieten, denn darauf können wir Einfluss nehmen, auf die übrigen Nebenkosten kaum.“ Er suchte Planer, um seine Überlegungen zu einem technisch vernünftigen, kostengünstigen und nachhaltigen Energiesystem der drei Mehrfamilienhäuser realisieren zu können. Krech wurde fündig bei den Ingenieuren von enisyst, die darauf spezialisiert sind, komplexe Energieerzeugungs- und Verteilanlagen zu konzipieren. Darüber ­hinaus wurde die Projektplanung begleitet von Nicolas Urbach, dem für Nachhaltigkeitsberatung und Energiemanagement Verantwortlichen bei Drees & Sommer, einem europaweit agierenden Unternehmen in der Projektentwicklung und -steuerung. Ergebnis: Die PV-Anlage auf dem Dach und das Blockheizkraftwerk (BHKW) im Keller des Neubaus. Alle Komponenten wurden eingebunden in ein intelligentes Mikronetz – genannt Microgrid – das die drei Häuser verbindet. Den Eigenverbrauch optimiert das Lastmanagement einer von enisyst entwickelten Steuerung, wodurch die Energiekosten für die Endkunden sinken.

Ein System, verschiedene Tarife
Inzwischen haben die Mieter den Neubau mit 13 Wohneinheiten bezogen, die beiden anderen Gebäude mit 14 und 19 Wohnungen sind entkernt. Sie werden in zwei weiteren Bauabschnitten bis Herbst 2017 bzw. Frühjahr 2018 fertiggestellt. Durch die Tiefgarage, entlang der dick gedämmten Wärmeleitungen, die an der Garagendecke verlegt sind, gelangt man in die Energiezentrale: einen Raum im Kellergeschoss des Neubaus, in welchem das Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Gas-Brennwertkessel und zwei große Wärmespeicher stehen. Von hier aus werden die Haushalte mit Wärme versorgt. Das BHKW liefert neben 44 kW thermischer 20 kW elektrische Energie. Diese wird wie der Strom aus der PV-Anlage (72 Module auf dem Dach des Neubaus, 80 auf einem der modernisierten Gebäude) direkt an die Mieter verteilt. Eine Anbindung des Hausnetzes an das öffentliche Stromnetz ermöglicht es, überschüssige elektrische Energie jederzeit darin einzuspeisen, fehlende daraus zu beziehen.
Ziel des Projekts, und aus wirtschaftlicher Sicht am günstigsten, ist es jedoch, einen möglichst großen Teil des Strombedarfs aus der eigenen Produktion zu decken. „Wir wollen den Strom aus der Erzeugung der PV-Anlage und des BHKWs selbst für unsere Mieter nutzen und ihn nicht gegen Vergütung in das Netz einspeisen – somit die Menge des Reststrombezugs zu den Preisen der Versorger eingrenzen. Um die Stromnutzung weiter zu optimieren, haben wir Anschlussmöglichkeiten für Batteriespeicher geschaffen“, sagt Krech. Ein bereits hergestellter Raum im Untergeschoss des Gebäudes bietet zusätzlich Platz für den geplanten Batteriespeicher, der die Eigenstromnutzung noch weiter erhöhen soll. Die Planung sieht vor, den Batteriespeicher ebenfalls in die Steuerung einzubinden, sodass alle Komponenten zu einem Mikronetz verbunden und die einzelnen Anlagen perfekt aufeinander abstimmt werden können. Das System optimiert dabei nicht nur den Eigenverbrauch durch „intelligentes“ Last- und Speichermanagement, sondern generiert gleichzeitig die Verbrauchsdaten für die Wärme-, Wasser- und Stromabrechnungen. „Einzigartig daran ist die Möglichkeit, alle Energie- und Erzeugungsarten zu erfassen und die jeweilige Abnahme durch den Kunden nachzuvollziehen“, sagt Dieter Ebinger, Geschäftsführer der enisyst GmbH. „So kann – wer das als Erzeuger möchte – mit verschiedenen Tarifen das Nutzerverhalten an die Gegebenheiten anpassen.“ Z. B. lässt sich im 15-Minuten-Takt der Strompreis variieren, um den Mietern preiswertes Wäschewaschen dann anzubieten, wenn erfahrungsgemäß Elektro­energie übrig ist.

Akzeptanz der Bewohner
Ulf Krech will jedoch vor allem seinem sozialen Förderauftrag als Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft nachkommen und seinen Mietern langfristig planbare Betriebskosten und stabile Energiepreise bieten. Den Strom kalkuliert er mit etwa 20 ct/kWh, während die Fellbacher Stadtwerke 25,86 ct/kWh verlangen. Natürlich funktioniert ein Mikronetz wie dieses nur dann optimal, wenn möglichst alle Mieter Strom und Wärme auch über die hauseigene Anlage beziehen. Zunächst haben die Bewohner der drei gemeinsam versorgten Mehrfamilien­häuser die freie Wahl des Anbieters. Doch Krech ist zuversichtlich, denn „günstiger als wir liefert regional keiner.“ Aus wirtschaftlicher Sicht rentabel gestaltet sich die Anlage, wenn 70 bis 80 % der daran angeschlossenen Mieter Strom von der ­FEWOG beziehen. Dies zu erreichen dürfte kein Problem darstellen, nachdem im bereits fertiggestellten Neubau alle 13 Mieter das Angebot zum Bezug von Mieterstrom nutzen. Und für das zweite und dritte Gebäude, die als Nächs­tes an das Mikronetz angeschlossen werden, ist nach einer Mieterinformationsveranstaltung die Akzeptanz hoch. Denn seitens der Mitglieder, welche in die beiden sanierten Bestandsgebäude einziehen, besteht großes Vertrauen in das genossenschaftliche Handeln.
Zur Möglichkeit, mit verschiedenen Tarifen das Nutzerverhalten im Hinblick auf das Wärme- und Energiesystem zu optimieren, will sich Krech noch nicht festlegen – zumal es schwierig ist, die Spitzenlasten einzuschätzen, bevor nicht alle Häuser komplett bezogen sind. „Wir werden das zunächst ein Jahr lang beobachten“, meint er, „dann denken wir über unterschiedliche Tarife nochmals nach.“

Bestmögliche Wirtschaftlichkeit
Eines allerdings bedauert Krech: Gleich gegenüber, nur durch die Straße getrennt, liegt ein weiteres FEWOG-Gebäude, das als Bestandsgebäude mit 6 Wohnungen an das Energienetz der Urbanstraße angebunden werden könnte. Doch das wird nach der derzeit gültigen Gesetzeslage zum Mieterstrom nicht gefördert. Die Umsetzung des Mieterstrommodells mit Zuschuss kann ausschließlich auf eigenem Grundstück mit Kundenanlage in einem räumlich zusammengehörenden Gebiet realisiert werden. Für Krech ist das kein Grund zu resignieren. In seinem Kopf gedeiht bereits die nächste Projektidee: Eine Ladestation für ein genossenschaftlich genutztes Elektrofahrzeug, sofern der selbst erzeugte Überschuss das hergibt. „Auch hier ist die Einbindung und optimierte Ladesteuerung durch das intelligente und flexible Steuerungssys­tem der enisyst gewährleistet“, ergänzt Ebinger.
Ein Meilenstein für weitere FEWOG-Projekte und alle interessierten Nachahmer ist das vom Bundestag verabschiedete Mieterstromgesetz. Es trat am 26. Juli 2017 in Kraft und sieht die direkte Förderung von Mieterstromprojekten in Form eines Zuschlags vor, den der Anlagenbetreiber für den aus PV-Anlagen erzeugten und an die Mieter weitergegebenen Strom erhält. Die Höhe der Förderung orientiert sich an der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Einspeisevergütung abzüglich eines Abschlags. Je nach Größe der PV-Anlage beträgt die gewährte Förderung 2,11 bis 3,7 ct/kWh. Für Anlagenbetreiber, Contractoren, Immobilienbesitzer und Wohnungsbaugenossenschaften wie die FEWOG erhöht sich mit einem solchen Zuschuss die Wirtschaftlichkeit von Mieterstromprojekten deutlich. Doch auch die profitieren vom Gesetz. Dieses regelt die Vertragsgestaltung, sieht eine Deckelung des Strompreises in Abhängigkeit des lokalen Grundversorgungstarifs vor und spricht dem Mieter nochmals ausdrücklich das Recht zu, seinen Stromlieferanten unabhängig vom Mietvertrag frei zu wählen. Mietern und Vermietern steht nun nichts mehr im Weg, neue Mieterstromkonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Die gesetzliche Grundlage und das Know-how zum Lastmanagement bzw. Microgrid sind vorhanden.

Autoren: Ursula Pietzsch, M.A., akademische Mitarbeiterin an der Hochschule für Technik in Stuttgart und
Dipl.-Ing. Klaus W. König, Fachjournalist, Überlingen



Das neue Mieterstromgesetz
Das neue Mieterstromgesetz ist nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 26. Juli 2017 in Kraft getreten. Ziel der jüngst vom Bundestag verabschiedeten neuen Förderung ist es, mithilfe eines Zuschlags von 2,11 bis 3,7 ct/kWh solare Mieterstrommodelle für Stadtwerke und Wohnungswirtschaft interessant zu machen. Gelingt dies, könnte die neue Förderung in den nächsten Jahren Tausenden Mietern den Zugang zu preiswertem Solarstrom ermöglichen. Zugleich schafft sie die Basis für neue Geschäftsmodelle der Energiewirtschaft im Rahmen einer umweltfreundlichen Quartiersversorgung sowie interessante Möglichkeiten der Kundenbindung.
Für Strom aus Solaranlagen, die vor Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes in Betrieb genommen worden sind, besteht nach § 100 Absatz 7 Satz 1 EEG 2017 kein Anspruch auf den Mieterstromzuschlag.
Der Bundesverband Solarwirtschaft hat ein Merkblatt zur neuen Bundesförderung für solare Mieterstromangebote herausgegeben. Das mit Unterstützung der Intersolar Europe erstellte Papier erklärt ausführlich wichtige Neuerungen, die das Gesetz mit sich bringt, und kann unter dem Infoportal des Verbandes www.sonneteilen.de kostenfrei heruntergeladen werden.

Quelle: Bundesverband Solarwirtschaft 2017

 


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