Exit vom Engel
Die Pelletkesselbranche verzichtet künftig auf das Gütesiegel Blauer Engel – ein Spiel mit dem Feuer?
Die Holzpelletbranche hat ihren kollektiven Ausstieg aus dem Gütezeichen Blauer Engel für Pelletkessel und -öfen verkündet. Grund ist dem Vernehmen nach die Verärgerung der Branche über schärfere Staubgrenzwerte. Der Schritt ist nachvollziehbar und zugleich gewagt.
„Blauer Engel als Nachweis für saubere Holzfeuerungen hat ausgedient“ – mit dieser harten Überschrift läutete der Branchenverband Deutscher Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV) in seiner Mitteilung das Ende des Engels für Holzpelletkessel und -öfen ein. Anlass für diesen Schritt, den die Branche am 22. Juni öffentlich machte und der von 18 Kessel- und Ofenherstellern1) unterschrieben ist, liegt indes schon etwas länger zurück.
Rückblick: Mitte Dezember vergangenen Jahres beschloss die Jury Umweltzeichen, den Staubgrenzwert bei der Vergabe des Blauen Engels an Holzpelletfeuerungen (Kessel und Öfen) sowie Hackschnitzelkessel von bislang 20 mg/m3 auf 15 mg/m3 zu senken. Dieser Wert wird ab Januar 2017 gelten. Alle Holzpelletkessel und -öfen, die heute den Blauen Engel tragen, werden diesen also nur noch bis Ende 2016 behalten dürfen, da dieser noch nach der alten Vergabegrundlage vergeben wurde. Da sich die Branche nun per kollektivem Paukenschlag vom Engel abwendete, wird er an diesen Feuerungen ab nächstes Jahr verschwunden sein.
Branche ist verärgert
Grund für den Rückzug vom Gütesiegel ist die Verärgerung der Branche über die Jury Umweltzeichen und das Umweltbundesamt (UBA), welches den Blauen Engel vergibt. In der besagten letzten Sitzung der Jury Umweltzeichen zu dieser Produktgruppe Mitte Dezember vergangenen Jahres war die Jury einem Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gefolgt, die Staubwerte auf 15 mg/m3 zu verschärfen. Die Kessel- und Ofenhersteller waren zuvor Teilnehmer einer Expertenanhörung gewesen, die im Vorfeld stattgefunden hatte. Die Jury folgte den Argumenten der Hersteller nicht. Diese argumentieren, dass die Sinnhaftigkeit des Zeichens irgendwann nicht mehr gegeben ist, wenn Werte an die Grenze des technisch Machbaren gelangt sind. Das war so etwas unglücklich argumentiert. Denn das UBA, das den Beschlüssen der Jury folgen muss und dementsprechend die Vergabegrundlagen in den vergangenen Monaten neu fasste, verweist u. a. auf das EU-Umweltzeichen Warmwasser-Heizgeräte, welches ebenfalls einen Staubwert von
15 mg/m3 vorgibt. „Es wäre schwer vermittelbar, wenn der Blaue Engel dahinter zurückbliebe“, sagt Anja Nowack vom Fachgebiet Feuerungsanlagen beim UBA gegenüber der IKZ-HAUSTECHNIK. Eine Staubemission von 20 mg/m3 entspräche überdies den gesetzlichen Vorgaben und wäre folglich keine Auszeichnung für besonders umweltschonende Geräte. Auch zeige die Übersicht der nach dem Marktanreizprogramm (MAP) geförderten Geräte, dass zahlreiche Pelletfeuerungen weniger als 15 mg/m3 Staub emittieren. Die Anforderungen des Blauen Engels seien folglich gerechtfertigt.
Die Branche lässt derartige Argumente nicht gelten: „Wenn der Staat die ordnungspolitischen Schrauben (gemeint ist die 1. BImSchV) so fest anzieht, dass diese mit gutem Gewissen nicht mehr deutlich übertroffen werden können, macht er solche Siegel überflüssig“, hebt DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele gegenüber der IKZ-HAUSTECHNIK hervor.
Mit der Zäsur wollten sich die Hersteller nicht länger der Dynamik von ständig verschärften gesetzlichen Vorgaben (Stichwort 2. Stufe der 1. BImSchV) und verschärfender Engel-Vorgaben aussetzen. „In einer Marktwirtschaft sollten ordnungspolitische Vorgaben für individuelle Entwicklungen Spielraum bieten“, sagt Bentele. „Nach meiner Meinung haben die Kesselhersteller dies mit ihrer Abkehr vom Blauen Engel kundgetan. Das ist ehrlich und ehrenhaft, denn man hat in der Automobilbranche gesehen, was passieren kann, wenn man meint, nicht erreichbare Vorgaben einhalten zu müssen“, sagt er mit Blick auf den weltweiten VW-Abgasskandal.
Engel in den Köpfen
Gut möglich, dass das Verschwinden des Engels von den Endkunden gar nicht wahrgenommen wird. Zwar gibt es den Engel für besonders emissionsarme und effiziente Holzpelletfeuerungen bereits seit mehr als zehn Jahren. Rein vom Zeitraum her müsste das Zeichen also in den Köpfen der Verbraucher angekommen sein. Dagegen spricht aber, dass diese Feuerungsart selbst heute noch ein Nischenprodukt ist und somit ein klassisches Engelbewusstsein, wie man es zum Beispiel für Waschmaschinen oder Kühlschränke kennt, für dieses Produkt noch nicht in der breiten Masse angekommen sein dürfte. Werbung und PR-Arbeit haben außerdem dafür gesorgt, dass Pelletfeuerungen in der Öffentlichkeit als umwelt- und klimafreundlich angesehen werden. Es ist gar nicht abwegig anzunehmen, dass die meisten Verbraucher überrascht wären, wenn man ihnen erzählte, dass die Hersteller dieser Anlagen ab 2017 auf dieses Zeichen verzichten werden – dürften doch die meisten Verbraucher davon ausgegangen sein, dass Pelletfeuerungen dieses Zeichen aufgrund ihrer Umweltfreundlichkeit per se besitzen.
Dennoch könnte der Verzicht auf das Zeichen ein Spiel mit dem Feuer sein und es bedarf der Erklärung sowie der Erläuterung über die Hintergründe und der Beweggründe. Das sollte die Branche in der nächsten Zeit durch offensive Kommunikation leisten und auch alle Installateure, denen an Holzpellets gelegen ist. Denn der Blaue Engel hat in der Bevölkerung einen viel zu guten Ruf, als dass er infrage gestellt würde. Vielmehr dürfte dem Argwohn entgegen gebracht werden, der sich von ihm abwendet: Hat der etwas zu vertuschen oder ist der für den Blauen Engel nicht mehr gut genug?
Die Pelletkesselbranche kämpft seit vielen Jahren mit dem sensiblen Thema Staubemissionen vielerorts gegen Politik und mediale Meinungsmache. Es ist ihr bisher nicht gelungen, sich von diesem zu lösen. Die Abkehr vom Engel genau über dieses Thema dürfte die Sache nicht erleichtern und Pelletgegnern Kanonenfutter liefern. Pellet-Marketing- und -Verkaufsleute sowie Installateure könnten sich jetzt wohlmöglich noch mehr den Mund fusselig reden, dass moderne, vollautomatische Pelletkessel und -öfen saubere Heizungen sind, auch ohne Engel.
Nicht zuletzt muss man auch das UBA bzw. die Jury Umweltzeichen in Schutz nehmen. Denn Unmögliches haben sie mit der Verschärfung nicht gefordert. Ein Blick in die Übersicht des Bundesamts für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) der nach dem MAP geförderten Anlagen zeigt, dass zahlreiche Pelletfeuerungen weniger als 15 mg/m3 Staub emittieren, teilweise sogar deutlich weniger. Für sie wäre also auch der neue, „schärfere“ Engel kein Problem. Und dass der Blaue Engel immer nur die Besten unter den Guten kennzeichnen soll, ist ihm schließlich nicht vorzuwerfen. Aber vielleicht wäre es auch an der Zeit, den Blauen Engel über andere (neue) Kriterien weiter zu entwickeln?
Autor: Dittmar Koop
1) Folgende 18 Hersteller haben den Abschied vom Blauen Engel für Holzfeuerungen unterzeichnet: ETA, Gilles, Hargassner, HDG, Herz, Hoval, Fröling, KWB, Ökofen, Piazzetta, Rennergy, Rika, SHT, Solarfocus, Solvis, Viessmann, Windhager, Wodtke.