Excel-Berechnungsmodul ermöglicht Prognose der operativen Raumtemperatur in Gebäuden
Bereits im Vorfeld von Baumaßnahmen sollten Prognosen der zu erwartenden Innenraumtemperaturen angestrebt werden, um zu überprüfen in welchen Gebäudeteilen Klimatisierung erforderlich ist bzw. welche konstruktiven Maßnahmen Abhilfe vor sommerlicher Überhitzung leisten können. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde am Institut für Technische Gebäudeausrüstung der FH-Köln dazu ein Excel-Programm entwickelt, das eine überschlägige Temperaturprognose in Gebäuden ohne raumlufttechnische Anlagen ermöglicht und die maßgeblichen Einflussparameter hinsichtlich der Temperaturentwicklung aufzeigt.
Das von Prof. Dr.-Ing. Andreas Henne und Dipl.-Ing. Rafael Sonnek an der FH-Köln für den Lehrbetrieb entwickelte MS-Excel-Programm „Climasys“ operiert mit verhältnismäßig einfachen Algorithmen, erreicht aber, wie eine experimentelle Verifizierung ergab, eine hinreichend genaue Abschätzung des zu erwartenden Raumklimas. Der Anwender erhält, ohne lange Einarbeitungszeit, eine vergleichsweise schnelle Antwort auf die zentrale Frage: Benötige ich für mein Bauvorhaben, zur Einhaltung weitestgehend behaglicher Innentemperaturen, eine Klimaanlage oder können bereits konstruktive Maßnahmen dieses realisieren.
Bei „Climasys“ handelt es sich um ein erweitertes Softwareinstrumentarium für die technische Gebäudeausrüstung mit dem Schwerpunkt Klimatechnik. Es ermittelt neben der Gebäudekühllast auch die erforderlichen Anlagengrößen von Klimaanlagen, die Prozessverläufe von Luftzustandsänderungen sowie die Investitions- und Betriebskosten von RLT-Anlagen. Der hier vorgestellte Baustein ermöglicht eine Raumtemperaturprognose.
Bild 1: Tagesverlauf der gemessenen und der mit „climasys“ berechneten Temperaturen.
Einflussparameter auf das Raumklima
Mit der Kenntnis der einzelnen Einflussfaktoren auf das Raumklima lässt sich die Raumtemperatur über den nachfolgend beschriebenen Rechenalgorithmus ermitteln.
Operative Raumtemperatur
Das Innenklima eines Raumes wird gemäß DIN EN 13779 u.a. über die sogenannte operative oder empfundene Temperatur definiert. Diese erfasst das Zusammenwirken der Lufttemperatur und der mittleren Strahlungstemperatur der Umgebungsoberflächen. Mit ihrer Hilfe lassen sich die oft komplizierten, thermischen Verhältnisse eines Raumes sehr einfach beschreiben. So kann die örtliche operative Raumtemperatur aus dem Mittelwert der Raumlufttemperatur und der örtlichen mittleren Strahlungstemperatur ermittelt werden:
Die Ermittlung der raumseitigen Oberflächentemperaturen erfolgt unter Annahme einer homogenen Wand sowie eines eindimensionalen, instationären Wärmedurchgangs mithilfe einer Fourier’schen Differentialgleichung. Dabei werden die an der Gebäudeoberfläche auftretenden Einflüsse der Außenlufttemperatur, als auch der Strahlung mithilfe einer fiktiven Lufttemperatur, der sogenannten Strahlungslufttemperatur, berücksichtigt.
Bild 2: Eingabe- und Ergebnisseite des Berechnungsmodules.
Raumlufttemperatur
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden Innentemperaturmessungen in bestehenden Räumen durchgeführt, die anschließend mit den prognostizierten Ergebnissen des Programms verglichen wurden. Es sei angemerkt, dass es sich bei dem hier vorgestellten Software-Tool lediglich um ein Werkzeug zur überschlägigen Abschätzung der Tagesverläufe der Innentemperaturen handelt. Bild 1 zeigt aber eine gute Übereinstimmung der gemessenen und berechneten Werte, sowohl im Hinblick auf die operative Raumtemperatur als auch die Raumlufttemperatur.
Sensitivitätsanalyse
Mit dem Tool können darüber hinaus Sensitivitätsbetrachtungen durchgeführt werden, um aufzuzeigen, inwiefern sich bauliche Veränderungen sowie Sonnenschutzmaßnahmen oder der Einsatz von Betonkernaktivierung auf die operative Temperatur auswirken.
Dabei wurden folgende Randbedingungen zugrunde gelegt:
Personen: 1
Aufenthaltsdauer: 8-20 Uhr
Aktivitätsgrad: körperlich nicht tätig
Geräte: PC, Bildschirm, Drucker
Anzahl: 1
Belastungszeitraum: 8-20 Uhr
Luftwechsel: 1,00 h-1 (Fenster in Kippstellung)
Bezugsmonat: Juli
Berechnet man für den Büroraum die Kühllast gemäß VDI 2078, so ergibt sich im Raum eine Spitzenlast von etwa 900 W. Demnach kann die operative Raumtemperatur, unter der vorgenannten Konstellation, während der Mittagszeit, nicht im Behaglichkeitsbereich liegen.
Für die nachfolgenden Maßnahmen liefert das Programm die in Bild 3 dargestellten Temperaturverläufe:
- Fall 1: Basisfall, Verschattung durch Flucht- und Rettungsweg,
- Fall 2: wie Fall 1, jedoch ohne Verschattung durch Flucht- und Rettungsweg,
- Fall 3: wie Fall 1, jedoch mit innerem Sonnenschutz durch eine Jalousie,
- Fall 4: wie Fall 1, jedoch mit äußerem Sonnenschutz durch eine Jalousie,
- Fall 5: wie Fall 4, jedoch mit zusätzlicher Betonkernaktivierung.
Wie zuvor erläutert, schwankt der Tagesverlauf der operativen Raumtemperatur für Fall 1 zwischen 25 und 32 °C und liegt somit größtenteils außerhalb des Behaglichkeitsbereiches. Ohne bauliche Verschattung durch den außen liegenden Flucht- und Rettungsweg, wie in Fall 2 dargestellt, würde das Tagesmaximum sogar auf über 34 °C steigen. Der Versuch, über einen inneren Sonnenschutz, in Form einer Jalousie, die solare Einstrahlung in den Raum zu begrenzen (Fall 3), bringt kaum Verbesserung. Im Gegensatz dazu erreicht man mit einer außen liegenden Jalousie eine Absenkung des Temperaturmaximums von etwa 2 K, während die Betonkernaktivierung (Fall 5) die Spitzentemperatur auf akzeptable 27 bis 28 °C verringert, was temperaturseitig weitestgehend behaglichen Bedingungen entspricht. Die Bauschwere, also das Vermögen der Wand Energie zu speichern, hat einen wesentlichen Einfluss auf dieses Ergebnis.
Bild 3: Operative Raumtemperatur als Funktion unterschiedlicher baukonstruktiver Maßnahmen.
Das Software-Tool steht kostenlos zum Download aus unserer Rubrik „Tool des Monats“ bereit. Die FH-Köln übernimmt keine Gewährleistung für die Richtigkeit berechneter Ergebnisse und bietet keinen Software-Support an.
www.ikz.de/tool-des-monats.html
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