Es geht auch anders - Differenziertes Wärmekonzept für ein Mischgebäude
Viele Dekaden war die Wärmebereitstellung für Trinkwasser und Raumwärme untrennbar miteinander verbunden und wurde in der Regel von einer wassergeführten Zentralheizungsanlage bereitgestellt. Dies ändert sich heute, wie das nachstehende Beispiel zeigt.
Das Wärmekonzept des neuen IBN-Gebäudes zeigt sehr deutlich die heutige Notwendigkeit einer Differenzierung der Anforderungen an die Wärmeversorgung von Gebäuden. Diese unterscheidet sich umso eklatanter in Wärmebedarf für Trinkwarmwasser und Wärmebedarf für Raumwärme, je größer die energetische Qualität der thermischen Hülle und je unterschiedlicher die Nutzeranforderungen und Ausstattung an Warmwasser-Entnahmestellen sind.
Raumwärme und Warmwasser
Der geringen Heizlast von insgesamt rund 6 kW für das gesamte Gebäude (alle drei Zonen) konnte über Niedrigtemperatur-Flächentemperierungssysteme mit einer Auslegungstemperatur von max. 35°C genüge getan werden. Dieser Temperaturbereich wird allerdings lediglich in der absoluten Heizperiode von wenigen Tagen im Jahr benötigt. Die meiste Zeit innerhalb der gesamten Heizperiode (gemäßigte/mittlere Heizperiode) wird die witterungsgeführte Vorlauftemperatur kaum mehr als 30°C betragen. Dieses Temperaturspektrum verhält sich analog zum Organismus des menschlichen Körpers, was den Kriterien der baubiologischen Haustechnik entspricht.
Eine für den Menschen natürliche Warmwassertemperatur liegt ebenso im Bereich von 30 – 35°C, wird allerdings ganzjährig unabhängig von der Außentemperatur und der energetischen Qualität der thermischen Hülle benötigt. Überdies fordern die technischen Regeln und Richtlinien der sog. Trinkwasserhygiene Temperaturen von mindestens 55°C an der Entnahmestelle. Dies würde fraglos eine erhebliche Verbrühungsgefahr darstellen, wenn nicht moderne Mischarmaturen eine für den Menschen erträgliche Mischtemperatur (30 – 40°C) ermöglichen könnten.
Die Wärmebereitstellung für Warmwasser wurde in diesem Bauvorhaben konsequent voneinander getrennt. Diese Entscheidung begründet sich zu allererst in den zu erwartenden Nutzerprofilen und den installierten Entnahmestellen, die sich entsprechend der Gebäudestruktur auf Wandwaschbecken reduzierten. Lediglich in der Musterwohnung befindet sich eine Dusche. Dementsprechend wurde die Dusche mit einem elektrischen Durchlauferhitzer ausgestattet. Auf dem Dach dieses Gebäudes wurde eine PV-Anlage mit einer elektrischen Spitzenleistung von 8 kWp installiert, welche den gesamten Sommer über eine solare Trinkwassererwärmung erlaubt.
Die wassergeführte Zentralheizungsanlage stellt demnach im neuen IBN-Gebäude nur die Raumwärme zur Verfügung und wird aufgrund der niedrigen Heizgrenztemperatur weniger als die Hälfte des Jahres in Betrieb bzw. in Bereitschaft sein.
Zonierung und thermische Ordnung
Die Auslegung der Wärmeübertragung an den Raum erfolgte nach den haustechnischen Raumlisten der vorgenommenen Zonierung, wie in nebenstehender Raumliste dargestellt. Auch hier folgt die Zonierung durch die systemische Betrachtung von Bauwerk, Materialien, Ausrichtung und Nutzungsvariabilität analog zu den Lüftungskonzepten nicht nur den unterschiedlichen Nutzungsanforderungen, sondern darüber hinaus auch der thermischen Ordnung im umbauten Raum. Diese Wechselwirkungen sind in der baubiologischen Haustechnik von zentraler Bedeutung und bilden die Grundlage insbesondere zur Wohnwärmegestaltung. Dementsprechend werden auch alle Zonen jeweils mit einem eigenen (gemischten) Heizkreis versehen, um diesen Wechselbeziehungen durch entsprechende Regelstrategien gerecht werden zu können.
Wärmeübertragung an den Raum
Die Musterwohnung (Zone A) wurde mittels Wandflächentemperierung im Wohn- und Esszimmer sowie Fußbodentemperierung im Duschbad mit einer Systemtemperatur von 40°C/30°C über eine Einzelraumregelung (Raumthermostat) auf eine mittlere Raumtemperatur von 20°C (Grundlast) ausgelegt.
Die Regelung erfolgt in der Wohneinheit (Schlaf- und Wohnraum) manuell über Thermostatventile mit manueller Bedieneinheit, inkl. Ventileinstellungen für den hydraulischen Abgleich der jeweiligen Wärmestromkreise. Es wurde in dieser Wohnung bewusst auf zusätzliche Kabelführung für elektrische Raumthermostate verzichtet. Die Kochnische wird wärmetechnisch als Übergangsbereich mit internen Gewinnen betrachtet und erhielt keinen gesonderten Raumthermostaten.
Der Ausstellungsraum (Zone B) wurde mittels Fußbodentemperierung mit einer Systemtemperatur von 35°C/28°C über eine Ein-Zonen-Raumregelung auf eine mittlere Raumtemperatur von 20°C ausgelegt. Der Aufbau der Fußbodentemperierung erfolgte in Lehm-Trockenbauweise in Kombination mit dem Holzboden.
Der Glasanbau für Foyer und Treppenhaus liegt außerhalb der thermischen Hülle und bleibt unter normalen Verhältnissen unbeheizt. Dennoch wurde hier in den Randbereichen zu den verglasten Flächen aus folgenden Gründen ein zusätzlicher, separater Wärmestromkreis in den Heizestrich eingebracht: Frostschutz an sehr kalten Wintertagen und Vermeidung von Tauwasser an der Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung; im ersten Winter wurde diese Möglichkeit lediglich in 3 oder 4 sehr kalten Nächten genutzt.
Die Büroeinheit im OG (Zone C) wird ebenfalls mittels einer Fußbodentemperierung, allerdings mit einer 3-Zonen-Raumregelung, auf eine mittlere Raumtemperatur von 20°C erwärmt. Die Räume OG 2, OG 3 und OG 7 sind zu einer Regelzone zusammengeführt und werden über einen Zonen-Referenzregler gemeinsam betrieben. Insbesondere die beiden Einzelbüros OG 4 und OG 6 werden mittels klassischer Einzelraumregelung betrieben.
Schnittstelle Stockwerksverteiler
Die Wärmestromkreise der jeweiligen Zonen und Bereiche werden in jeder Zone an einem Stockwerksverteiler, in dem sich auch die Regeleinheiten inkl. Ventileinstellungen für den hydraulischen Abgleich der jeweiligen Wärmestromkreise befinden, zusammengeführt. Diese Schnittstelle in den jeweiligen Zonen wird von den jeweiligen Heizkreisen aus der Wärmebereitstellung im Technikraum versorgt. Die Regelung aller drei Heizkreise erfolgt witterungsgeführt über einen gemischten Heizkreis (A, B, C), der vom Heizungspufferspeicher mit dem entsprechenden Heizungswasser-Massenvolumenstrom versorgt wird.
Wärmebereitstellung
Die Wärmebereitstellung gewährleistet eine effiziente und bedarfsorientierte Verteilung der Massen-Volumenströme aus dem Heizungspufferspeicher, der mit einem Nenn-Volumen von 500 Litern im Technikraum eingepasst und bauseits wärmegedämmt wurde (Holzfaser-Einblasdämmung). Der Heizungspufferspeicher erfüllt dabei neben dem Lastausgleich auch die Funktion einer hydraulischen Weiche für die unterschiedlichen Massen-Volumenströme der einzelnen Heizkreise. Der Mindest-Massenvolumenstrom beträgt im Kesselkreis insgesamt 600 kg/h.
Jeder Heizkreis wird über einen integrierten Mischer entsprechend den festgelegten Systemtemperaturen, spezifischen Teil-Volumenstrom und das jeweils zonenabhängige Lastprofil geregelt. Der hydraulische Abgleich erfolgt je Heizkreis über eine Strangreguliereinheit sowie an den einzelnen Wärmeübertragungselementen bzw. Wärmestromkreisen. Die Heizkreise (Baugruppe) sind jeweils mit einer drehzahlgeregelten Effizienz-Umwälzpumpe ausgestattet. In der Pumpengruppe kann bei Bedarf eine Wärmemengenerfassung integriert werden, um die jeweiligen Wärmemengen der einzelnen Heizkreise zu erfassen.
Regelungsstrategie der Wärmeversorgung
Alle drei Heizkreise funktionieren unabhängig voneinander und werden im klassischen Sinne nach einer maximal angenommenen tiefsten Außentemperatur von -18°C betrieben. Die grundlegende Regelungsstrategie erfolgt demnach witterungsgeführt, jedoch mit Unterscheidung in gemäßigte Heizperiode, mittlere Heizperiode und absolute Heizperiode, nach den Kriterien der baubiologischen Haustechnik.
Wärmeerzeugung
Die gesamte Wärmeerzeugung erfolgt in monovalenter Betriebsweise über einen Pellet-Primärofen mit einer Gesamt-Nenn-Wärmeleistung von 10000 W. Der Verbrennungsprozess im Kessel wird raumluftunabhängig über eine externe Verbrennungsluftzuführung realisiert. Die Wärmeleistung des Kessels teilt sich folgendermaßen auf:
- max. 8000 W wasserseitig in Verbindung mit dem Heizungspufferspeicher,
- max. 2000 W luftseitig direkt an die Raumluft des Ausstellraumes.
So gesehen kann das Beratungszentrum allein durch die Wärmeleistung an die Raumluft des Primärofens ausreichend temperiert werden. Auf eine Fußbodentemperierung wurde dennoch nicht verzichtet, um zu einem späteren Zeitpunkt einen Austausch des Wärmeerzeugers zu ermöglichen. Zudem gewährleistet allein die Fußbodentemperierung einen Wärmestrom unabhängig vom Betrieb des Primärofens. Mit einer konstruktiven Änderung am Pelletofen kann die Wärmeabgabe an den Raum reduziert werden, sollte diese in der gemäßigten Heizperiode zu groß werden. Der Pellet-Primärofen wurde hydraulisch mit dem Pufferspeicher und den drei Heizkreisen über eine Last-Ausgleichschaltung verbunden. Die Pelletzuführung erfolgt über Sackware direkt in den Vorratsbehälter des Primärofens. An kalten Wintertagen müssen etwa 2-mal die Woche Pellets nachgefüllt werden.
Alternativ kann der Pufferspeicher über eine elektrisch betriebene Heizpatrone aufgeheizt werden. Diese bislang noch nicht genutzte Option wurde für folgende Fälle vorgesehen:
- Pellets können im Urlaub nicht regelmäßig nachgefüllt werden,
- Pellets werden nicht rechtzeitig geliefert,
- Pelletofen fällt aus.
Die elektrisch betriebene Heizpatrone ist über die Systemsteuerung so programmiert, dass sie sich im Bedarfsfall nur tagsüber einschaltet, dann also, wenn die Photovoltaikanlage auf dem Dach Strom liefert. Der notwendige Anteil von elektrischer Hilfs- und Endenergie soll maximal durch die eigene PV-Anlage abgedeckt werden.
Besonders soll dies im Sinne einer solaren Trinkwassererwärmung erfolgen. Dementsprechend ist eine solare Trinkwassererwärmung mittels PV stets seriös zu betrachten und entsprechend zu unterscheiden, ob nun eine elektrische Leistungsaufnahme von 1,5 kW (Durchlauferhitzer Waschtisch) oder von 18 kW (Durchlauferhitzer Duschbad) benötigt wird.
Fazit
Die Trennung von Raumwärme und Trinkwarmwasser in der Bereitstellung bietet nicht nur energetische Vorteile, sondern auch Vorteile hinsichtlich der Trinkwasserhygiene und der Aufwendungen zur Rohrleitungsverlegung im Kontext der Gebäudenutzung. Dieses Konzept lässt sich allerdings keineswegs auf jedes Gebäude dergestalt übertragen, sondern verlangt eine stetige Differenzierung des zu erwartenden Nutzungsprofils im Kontext der Gebäudestrukturen. In Wohnhäusern mit deutlich höherem Warmwasserbedarf und Warmwassermengen (z.B. Badewannen) kann Komfortanspruch und Energieeffizienz oft nur mehr in der klassischen Form erfüllt werden.
Autor: Frank Hartmann