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Erfordernisse für ein neues Energieversorgungssystem Über die Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Erneuerbaren Energien

Die elementare Voraussetzung für eine Umgestaltung des aktuellen Energiesystems liegt in der Berechenbarkeit der Schwankungen in der Einspeisung von Strom aus den Erneuerbaren Energieanlagen (EEA). Es gilt ein neues Stromversorgungssystem zu schaffen, das ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und natürlich Umweltverträglichkeit garantiert.

Prinzip des virtuellen Kraftwerks.

 

Der Zubau von 4200 Stromkilometern bis 2020 wird, laut Berechnung der dena II Studie, die Versorgungssicherheit nicht garantieren. Stromschwankungen und ein veraltetes Verteilnetz gefährden die Spannungshaltung. So kann es dazu kommen, dass bei Überproduktionen, z.B. Starkwind bei WEE, diese Anlagen deswegen abgeschaltet werden. Lücken in der Bedarfsdeckung werden bis zu diesem Zeitpunkt durch fossile Kraftwerke, die schnell ans Netz gehen können, gedeckt. Es existieren Forschungsvorhaben, in denen geprüft wird, wie der Einsatz moderner Techniken der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) solche positiven Schwankungen durch ein modernes „Peak-Shaving“ kompensiert werden kann. Angedacht sind virtuelle Kraftwerke und eine Langzeitspeicherung der Energie.

Virtuelle Kraftwerke

Intelligente Steuerungsanlagen, sogenannte Smart grids, sind in der Lage einen regionalen Strombedarf zu decken. Dank innovativer Kontrollsoftware und Kommunikationstechniken ist es möglich, aufgrund von Wetterprognosen die Stromproduktion aus EEA, Wind, Photovoltaik, Biogas und Geothermie zu kombinieren und bei viertelstündiger Messung des Bedarfs ein Höchstmaß an der produzierten Energie aus den Quellen zu liefern. Diese Form der dezentralen Anlagen ist anders als bisher in der Lage, einen kurzfristig entstehenden Bedarf zu decken.
Bei Überproduktionen, Wind oder Sonnenenergie, können dezentrale Speicher wie Kühlhäuser, Gefriertruhen und Akkus für Elektroautos eingesetzt werden. Die Energie wird durch Senkung der Temperatur aufgenommen und bei Bedarf durch die Anpassung der Kühltemperatur auf Normalniveau wieder freigesetzt. So meinte Dr. Ulrich Focken vom eTelligenceProjektpartner energy & meteo systems: „Verhält sich die Windeinspeisung anders als vorher gesagt, regelt das virtuelle Kraftwerk den Verbrauch der Kühlhäuser entsprechend nach.“ Auch hauseigene BHKWs kommen als Baustein dieses Smart Grid infrage. Da sie besonders rasch hochgefahren werden können, bieten sie sich zur Deckung kurzfristiger Bedarfslücken an. Der Verbraucher wird zum Erzeuger.
Einen vielversprechenden Ansatz, Biogasanlagen als Minutenreservedienstleister einzusetzen, bietet ein Forschungsprojekt der Fakultät Ressourcenmanagement, Fachgebiet Nachhaltige Energie- und Umwelttechnik (Neutec), der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Universität unter Prof. Loewen. Sie fanden heraus, dass über die Trennung der Hydrolyse und dem Prozess der Methanisierung die Biogasproduktion erheblich verkürzt werden kann.


Erdgasleitung als Stromspeicher.Bild: ASUE e.V.

Erdgasnetz als Langzeitspeicher

Eine andere Möglichkeit der Glättung der Überschüsse würden Langzeitspeicher bieten, die lang anhaltende Lasten aber auch Spitzenlasten decken können.
Das IWES-Fraunhofer Institut in Kassel hat mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) ein Konzept entwickelt, das die Koppelung von Strom und Gas ermöglicht. In Zeiten von Überschüssen bei der Stromerzeugung durch regenerative Energien wird es nach dem Sabatier-Prozess möglich, diese Energie zur Umwandlung von CO2 in Methan zu nutzen und dieses Gas dann in die bestehenden bundesweit stark ausgebauten Erdgasnetze einzuspeisen. Das Erdgasnetz wird so zum Stromspeicher.
Der für den Sabatier-Prozess (siehe separater Infokasten) notwenige Wasserstoff wird mittels Elektrolyse aus dem regenerativ erzeugten Strom (z. B. Windenergieanlage) betrieben. Mithilfe von Polymer-Elektrolytmembranen wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Als Quellen für die anschließende Methanisierung kann eine AbfallBiogasanlage dienen, aber auch die Verwertung des entstehenden CO2 bei industriellen Prozessen ist möglich. Damit werden auch die CO2-Emissionen an Orten der Herstellung und des Verbrauchs gemindert. Ein erheblicher Beitrag zum Klimaschutz.
In diesem Netz lassen sich die Überkapazitäten monatelang speichern. Das Potenzial des Gasnetzes beträgt aktuell bei 217 TWhth und 65 TWth (1 TW = 1000 GW) im Zubau. Pumpspeicher bieten nur eine Kapazität von 0,04 TWhel und 0,02 im Zubau. Zudem liegt seine Transportkapazität um ein Vielfaches, etwa um den Faktor 10, niedriger als jene des Gasnetzes. Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom in Methan ohne Wärmenutzung liegt momentan bei über 55% und stellt somit 120 TWhel elektrische Speicherkapazität dar. Über ein zu bauendes Netz aus KWK-Anlagen, BHKWs und Gas-Turbinen-Kraftwerkanlagen bietet sich die Möglichkeit, eine kurzfristig entstehende Bedarfsdeckung über Rückverstromung zu sichern.
„Strom- und Gasnetz zu koppeln, ist ergänzend zu Netzausbau, Lastmanagement und Kurzzeitspeichern ein Eckpfeiler der Energiewende“, sagt Prof. Dr. Jürgen Schmid, Leiter des IWES. „Es ist absehbar, dass erneuerbarer Strom zur Primärenergie wird, da sich beispielsweise Windstrom mit zur günstigsten Art und Weise der Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien entwickelt“. Die deutsche Gaswirtschaft hat im Jahr das Thema Strom-Gas-Koppelung mit seinem Innovationspreis gewürdigt.
Auch die Bundesregierung forciert endlich dieses Forschungsvorhaben. Die Forschung in neue Speichertechnologien soll deutlich intensiviert werden mit dem Ziel einer baldigen Marktreife. Über die Förderinitiative Energiespeicher stellt die Bundesregierung, wie in der Bekanntmachung des Bundesanzeigers vom 17.5.2011 zu lesen war, in den nächsten Jahren insgesamt bis zu 200 Mio. Euro bereit.

IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft

Das Forschungsvorhaben hat sich zum Ziel gesetzt, die Felder Verbrauch, Erzeugung, Stromnetze und Speicherung mithilfe moderner Techniken der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) so zu vernetzen, dass die Versorgungssicher-
heit, Wirtschaftlichkeit und natürlich
Umweltverträglichkeit optimal genutzt werden können. Die in einer 4-jährigen Laufzeit gewonnen Ergebnisse aus den sechs Modellregionen Cuxhaven, Harz, Rhein-Ruhr, Aachen, Rhein-Neckar, Baden-Württemberg sollen dazu beitragen, in wie weit eine überregionale Anwendung eine Transformation der Strommärkte ermöglicht – und dies auf der Basis der Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit.
In der Modellregion des Landkreises Harz (RegMoHarz) prüft seit dem Jahr 2008 ein Konsortium aus Forschungseinrichtungen, Netzbetreibern, Vertrieben, Industrieunternehmen (u. a. Fraunhofer IWES, Siemens, Universität Kassel, der 50 Transmission GmbH und der CUBE Engineering GmbH), in wie weit der Landkreis auf der Grundlage der Versorgungssicherheit eine Organisation und den Betrieb mit marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismen aufbauen kann. Die Region soll so in die Lage versetzt werden, als Anbieter von Stromreserven auf dem Spotmarkt und im Minutenbereich auf dem Strommarkt tätig zu werden.
Eine von der IWES installierte Software übernimmt in der Leitwarte, als Smart Grid, die Steuerung und Koordination der Energieanlagen, steuerbaren Lasten und Stromspeicher. Das von Siemens entwickelte Tool „Powerbridge“ (ICT-Gateway) bildet das Interface zwischen den EEA und ist mittels plug & play an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen.
Die Grundlage für die Koordination bildet eine intelligente Wetterprognosesoftware. Ständig verbesserte Berechnungen optimierten die Ansteuerung der aktuell verfügbaren Anlagen und ermöglichen über eine viertelstündige Messung des Bedarfs ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit durch die EEA.
Stimmige Prognosen der Erzeugung dienen als wichtiges Element der Vermarktung. Für energiewirtschaftliche Simulationen und Modellrechnungen nutzt die CUBE Engineering GmbH die von der EMD International A/S entwickelte Software „EnergyPro“. Sie führt zeitnahe technisch-ökonomische Simulationsberechnungen durch. Der Benutzer, ob Einzelanlagenbesitzer selbst oder auch ein Verbund dieser Anlagen, kann verschiedene Betriebsstrategien und Vermarktungsoptionen wählen. Die Daten aus der viertelstündigen Messung des Bedarfs und die Daten der Intelligenten Kommunikations Technologie (IKT) bilden das Gerüst eines von der CUBE und der in.power gemeinsam für RegModHarz entwickelten Geschäftmodells, in dem ein sog. Poolkoordinator auf der einen Seite die Erzeuger, Speicher und flexiblen Verbraucher managt und als Dienstleister oder Zwischenhändler auf dem Strommarkt tätig wird. Die Software „energyTRADE“, auch von der EMD International A/S entwickelt, dient als Tool, um während des Betriebs des virtuellen Kraftwerks anlagenoptimierte Fahrpläne zu erstellen. Die Überproduktionen der EEA können so
direkt durch den Anlagenbetreiber oder den Betreiber eines virtuellen Kraftwerkes zu Hochpreiszeiten auf dem Spotmarkt angeboten werden. „’energyPRO’ eignet sich sehr gut, um anwenderfreundlich unterschiedliche Vermarktungsoptionen für konkrete Anlagenverbünde oder Einzelanlagen zu simulieren“, so Dr. Buchholz, Energietechnische Gesellschaft im
VDE.


GPS und Phasor Measurement Units (PMU).


Erforderliche Kommunikationssysteme.

Verteilnetze

In den kommenden Jahren werden immer mehr Gigawatt (GW) Wind- und Solarenergie in die Stromnetze eingespeist. Dafür sind die heutigen Stromnetze nicht ausgelegt. Bei Überproduktionen, z. B. Starkwind bei WEE, werden diese Anlagen wegen der Gefährdung der Netze abgeschaltet. Trotz jetzt schon auftretender Überlastungen und Engpässe im Netz werden nur unzureichende Maßnahmen getroffen, um diese Engpässe zu vermeiden. Daher ist es nötig, eine verlässliche Überwachung der Netze durchzuführen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Innerhalb des RegModHarz-Projektes werden 10 sogenannte Phasor Measurement Units (PMU) im 110 kV–Verteilnetz installiert, sodass eine synchronisierte Überwachung eines Teiles vom virtuellen Kraftwerk möglich wird. Mithilfe von GPS (Global Positioning System) können gefährdete Teile des elektrischen Netzes rechtzeitig erkannt werden, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. „Das RegModHarz-Projekt untersucht den zukünftigen Einsatz dieser Techniken zur Unterstützung des Betriebes von virtuellen Kraftwerken und stellt somit einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung von SmartGrids“, so Dr.-Ing. Przemyslaw Komarnicki, Teilprojekttleiter RegModHarz beim Fraunhofer-Institut IFF Magdeburg.



Zuverlässige Versorgung

Die Einspeisung des Stroms aus EE-Anlagen nach Angebot und Nachfrage macht die Erneuerbaren kostengünstiger und schafft die Basis für eine Liberalisierung des Marktes. Eine regional stabile, zuverlässige und verbrauchernahe Versorgung mit elektrischer Energie aus dezentralen Energieanlagen bietet Möglichkeiten, die ländlichen Gebiete mit einem größeren Potenzial an EE-Anlagen und gleichzeitig einer geringeren Siedlungsdichte zum Stromexporteur für Ballungszentren zu entwickeln. Eine Koordination dieser dezentralen Anlagen zu einem Super-Grid kann dazu beitragen, Engpässe in der Stromversorgung zu mindern. Der berechnete Ausbau der 4200 Stromkilometer zur Versorgung der energieärmeren südlichen Länder in Deutschland könnte reduziert werden. Eine bundesweite Überwachung der Niederstromnetze auf potenzielle Gefährdung über das Tool „GPS Steuerung“ der PMU bietet Chancen, die Spannungssicherheit der überregionalen Netzbetriebes zu garantieren.
„Theoretisch“, sagt IWES-Institutleiter Prof. Jürgen Schmid, „lässt sich ganz Europa mit dezentralem Strom versorgen.“ Die so geschaffenen Strukturen ermöglichen es auch, die Kohlekraftwerke als Klimakiller früher als geplant zu substituieren und damit auch den berechneten Anstieg der CO2-Emissionen nach dem jetzt beschlossenen Atomausstieg zu senken. Die erfolgreiche Einführung kann auch zu einem Umdenken in anderen Staaten beitragen. Die Umwandlung des erzeugten Stroms in das Erdgasnetz – nach dem Sabatier-Prozess – löst zwei Fragen. Wie kann ich die Energie langfristig speichern? Und wie kann diese bundesweit genutzt werden?

Autor: Christian Finck

 


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