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Energischer Ausbau notwendig - Erneuerbare Energien wachsen schneller

Das Wachstum der EE hat die Prognosen der größten Optimisten übertroffen. Doch selbst das bisherige Ausbautempo wird nicht ausreichen, die absehbare Energielücke bei den konventionellen Energieträgern schnell genug zu schließen. Der Umstieg ist langfristig unumgänglich, aber auch insgesamt umso kostengünstiger, je schneller er erfolgt. Die Politik muss deshalb für Investitionen noch bessere Anreize schaffen, denn der wichtigste Rohstoff der Erneuerbaren ist das Geld.

Die reale Entwicklung der Windenergie übertrifft alle IEA-Prognosen bei weitem. Bild: Rudolf Rechsteiner

Ausbauszenario für die neuen EE zur Stromerzeugung im Szenario REO2030. Zu sehen ist die Entwicklung der Kraftwerksleistung (Farbflächen) als installierter Leistung Erneuerbarer Energien in Gigawatt im Vergleich zu den Annahmen der IEA (Strichlinien). Bild: ISUSI/EWG

EE oder Emissionshandel? Der Klimaschutz braucht beides.

 

In den vorangegangenen Teilen dieser Serie wurde die bereits begonnene Verknappung fossiler Energierohstoffe beschrieben. Fasst man die Analysen zu Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran zusammen, stehen wir kurz vor dem Scheitelpunkt der konventionellen Energieversorgung innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre. Erstmals in der modernen Industriegeschichte reichen diese Energieträger nicht mehr aus, ein Wirtschaftswachstum anzutreiben, das unsere Ökonomie stabilisieren könnte.
Gleichzeitig befinden sich die Erneuerbaren erst am Beginn ihres Wachstums. Sie können die Lücke aus steigendem Verbrauch und sinkender Verfügbarkeit fossiler Energieträger nur dann rechtzeitig schließen, wenn ihr Wachstum über alle bisherigen Szenarien hinaus beschleunigt wird. Prinzipiell folgt der Ausbau EE der klassischen Wachstumskurve bei der Einführung neuer Technologien in drei Phasen:

  • Zuerst die Anlaufphase mit einem relativ langsamen Wachstum, in der viel Entwicklung stattfindet, um die Techniken massentauglich zu machen und die Voraussetzungen für schnelles Wachstum zu schaffen.
  • Danach folgt ein sich rasch beschleunigendes exponentielles Wachstum mit Massenproduktion.
  • Mit Erreichen eines hohen Marktanteils, geht die Entwicklung dann in eine Sättigung über.

Der Klimaschutz greift zu kurz
Leider wurde die Erschließung der unbestritten einzigen langfristigen und unerschöpflichen Energiequellen über viele Jahre behindert statt gefördert. Erst der Klimaschutz gab den Erneuerbaren die notwendige Aufmerksamkeit. Dabei greift das Umweltargument zu kurz. Zu befürchten ist, dass die Frage der ausreichenden Verfügbarkeit von Energie schon bald die ökologischen Aspekte in den Hintergrund drängen wird.
Die Verknappung fossiler Energien könnte zu erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Konflikten bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen. So warnt die Internationalen Energieagentur seit Monaten vor einer akuten Ölklemme, die jede wirtschaftliche Erholung in den nächsten Jahren zunichte machen könnte und gibt zu, dass man sich in der Vergangenheit über den Rückgang der Erdölförderung geirrt habe.
Die konventionelle Energiewirtschaft kann kein Interesse an einer realistischen Einschätzung der Ressourcensituation haben, denn wenn klar ist, dass wir vor einer absehbaren Verknappung stehen, findet der Umstieg aus rein ökonomischen Gründen viel schneller statt, als dies aufgrund des Rückgangs von Öl, Gas und Kohle ohnehin notwendig sein wird. Die Folge: Ein schneller Umstieg bedroht Geschäftsmodelle und Einnahmen der alten Ener-gieindustrien. Der Umstieg auf Erneuerbare wird aber insgesamt umso kostengünstiger, je ambitionierter er erfolgt, auch weil die neuen Technologien sich dann umso schneller verbilligen, durch Massenproduktion und technischen Fortschritt.

Wind wächst schneller als erwartet

Dass dies plausibel ist, zeigen zwei Analysen der Energy Watch Group. Zentrale Erkenntnis: Erneuerbare Energien können viel schneller viel mehr zur Energieversorgung beitragen als oft vermutet wird – aber genau das muss gewollt werden. Schon bisher übertraf das Wachstum selbst die Hoffnungen der Optimisten. Rudolf Rechsteiner, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der EWG und Schweizer Parlamentarier, untersuchte das am Beispiel der Windener-gie. In den 80er-Jahren hatte es noch jeweils sechs Jahre gebraucht, bis sich die installierte Gesamtleistung verdoppelte. Seit 1998 sind es im Mittel nur noch drei Jahre. Im Jahr 2008 wurden erstmals 100000 MW installierte Leistung überschritten. Schreibt man das weltweite Wachstum der Windenergie und der Stromnachfrage fort, wird ab dem Jahr 2019 mehr als die Hälfte aller weltweit neu gebauten Kraftwerksleistung in Windkraftanlagen installiert. Schon bis 2037 könnten die Erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind und anderen Quellen sogar die vollständige Stromversorgung weltweit übernehmen, wenn die Entwicklung ungebremst weitergeht.
Bereits heute kann in vielen Regionen eine Kilowattstunde Windstrom für 6 bis 8 Eurocent erzeugt werden, an sehr guten Standorten sogar noch billiger. Damit ist Windenergie unter neuen Kraftwerken häufig die billigste Stromerzeugungstechnik. In den letzten 25 Jahren wuchs die Produktivität von Windturbinen um das Hundertfache und die durchschnittliche Leistung einer einzelnen Turbine um über tausend Prozent. Internationale Konzerne wie General Electric, Siemens, Areva, Alstom und Suzlon sind in die Technologie eingestiegen, ihnen folgt eine wachsende Zahl chinesischer Unternehmen.

Globales Ausbauszenario für Strom und Wärme

Das Institut ISUSI hat für die EWG im „Renewable Energy Outlook REO-2030“ die Ausbaumöglichkeiten in den Bereichen Strom und Wärme im Rahmen eines bislang einzigartigen Szenarios näher untersucht. Dieses Szenario ist keine Prognose. Es zeigt also nicht auf, was eintreten wird, sondern was unter bestimmten Bedingungen möglich wäre: Der Ausbau der EE kann sehr viel schneller und mit deutlich geringeren Investitionen erfolgen, als manche befürchten. Vertreter der untersuchten Energiesparten halten selbst das ambitioniertere der beiden im REO-2030 ausgeführten Szenarien für sehr zurückhaltend und kritisieren, dass viel versprechende Technologien, die gerade in der Entwicklung stecken, noch gar nicht berücksichtigt seien.
Definiert wurden Investitionsbeträge pro Kopf der Bevölkerung, unterschieden nach den Regionen der Welt. Die getroffenen Annahmen führen im Jahr 2030 zu einem Anteil der EE an der Gesamtversorgung mit Elektrizität und Wärme von mindestens 29%. Der Deckungsgrad beim elektrischem Strom ist dabei höher als der bei der Wärme. So liegt der Erneuerbaren-Anteil im Jahr 2030 für den Wärmebereich bei 16% gegenüber 62% für den Strom, von dem die Windkraft knapp die Hälfte liefert.
Das erscheint zunächst wenig, doch wurden für den Energieverbrauch die unrealistischen Annahmen „World Energy Outlook“ der Internationalen Energieagentur (IEA) entnommen, obwohl die EWG nicht davon ausgeht, dass konventionelle Energieträger im dafür erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen werden. Bezieht man deshalb die Anteile auf den derzeitigen Verbrauch weltweit, ergibt sich ein Anteil von über 40% der Erneuerbaren im Jahr 2030.

Hoher Deckungsgrad, moderate Investitionen, geringe Energiekosten

Derartig hohe Deckungsgrade bei vergleichsweise moderaten Investitionssummen wurden selbst von den Wissenschaftlern der Energy Watch Group nicht erwartet. Das heißt: Mit politischem Willen ließe sich mehr erreichen. Und: Sollte der Energieverbrauch nicht steigen, sondern stabilisiert oder gesenkt werden, wäre auch noch schneller mehr erreichbar.
Voraussetzungen für die im EWG-Szenario skizzierte Entwicklung sind eine starke politische Unterstützung und ein freier Marktzugang für Investitionen, die bis 2030 auf gut eine Billion Euro pro Jahr ansteigen. Das sind im Zieljahr 2030 umgerechnet 124,– Euro pro Kopf der Weltbevölkerung. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2030 ist das ein Viertel weniger als die heutigen jährlichen Militärausgaben. Dabei geht dieser Vergleich sogar zu Ungunsten der EE, denn bei den Militärausgaben handelt es sich sozusagen um Konsumausgaben des Staates, die keine neuen Einnahmen generieren, wogegen die Investitionen in Energietechnik aus den Erlösen des Energieverkaufs refinanziert werden.
Somit hält sich der finanzielle Aufwand in Grenzen. Dies unterstreicht ein weiterer Vergleich: Addiert man die laut IEA in den Mitgliedsländern geplanten Investitionen für neue Kraftwerke zu den jährlichen weltweiten Subventionen für fossile Energien, erhält man bereits etwa die Summe an Investitionen des EWG-Szenarios REO-2030.
Auch Technologisch liegen die Anforderungen weit unter unseren Möglichkeiten. Die Industrie produziert heute jährlich Pkw-Motoren mit einer Leistung von insgesamt etwa 6500 GW. Im REO-Szenario wird demgegenüber im Jahr 2030, dem Jahr des höchsten Zubaus, Energietechnik mit einer Leistung von nur 550 GW installiert.
Vergleicht man die beiden unterschiedlichen Szenarien des REO-2030 hinsichtlich ihrer Wirkung, so zeigt sich auch, dass bei dem Szenario mit höheren Investitionen ein überproportional höherer Energieanteil erreicht wird. Höhere Investition führen also nicht nur zu einem beschleunigten Ausbau, sondern auch zu insgesamt niedrigeren Energiekosten. Es würde sich also lohnen, schon heute wesentlich höhere Investitionsanreize zu setzen.

Kein Wettbewerb mit Energieeffizienz

Wer glaubt, Energieeinsparung und deren effiziente Nutzung wären der Schlüssel zur Energiewende und müsste somit Vorrang haben, übersieht die perfekte Synergie beider Ansätze. Energie, die nicht verbraucht wird, muss natürlich nicht bereitgestellt werden. Aber die EE konkurrieren gar nicht mit Einsparinvestitionen, sondern können und müssen gleichzeitig mit diesen umgesetzt werden, nämlich dort, wo heute Energie verschwendet wird. Das sind in erster Linie die Industrieländer mit ihren energiefressenden Industrien und Konsumwirtschaften. Auch deshalb will die Europäische Union im Rahmen ihrer Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 den Energieverbrauch um 20% reduzieren.
Vielfach behindern Subventionen für die alten Energien den Umstieg auf Erneuerbare und mehr Effizienz in der Nutzung und die effiziente Nutzung. Gerade in Schwellenländern wird der Verbrauch von Energie in gut gemeinter „Entwicklungshilfe“ hoch subventioniert. Dabei sind Energiesubventionen das wirkungsvollste Hindernis für Energieeinsparung. Nur wo Energiepreise wenigstens die wahren Kosten widerspiegeln, gehen Verbraucher sparsam damit um.
Langfristig ist Energieeinsparung schlicht eine rechnerische Frage. Fast keine Effizienzmaßnahme ist kostenlos, während die EE immer billiger werden. Im Einzelfall ist also immer zu rechnen: Was ist billiger, die Investition in erneuerbare Energiebereitstellung oder die Investition in Energieeinsparung? Und schließlich verbraucht die Herstellung verbrauchsärmerer neuer Produkte und Einspartechnologien selbst auch Energie. In der Übergangsphase zu den Erneuerbaren Energien sollte der sparsamere Umgang mit Energie immer besonders im Blick bleiben, jedoch nicht alternativ, sondern gleichzeitig mit dem Ausbau der Erneuerbaren.

Der entscheidende Rohstoff ist das Geld

Die entscheidenden Widerstände gegen die EE haben strukturelle Gründe, denn die EE unterscheiden sich von den rohstoffgebundenen Energien auch durch ihre Finanzierungsstruktur. Diese Widerstände müssen durch politische Maßnahmen und andere Rahmenbedingungen aufgelöst werden. Der Ausbau der Energiegewinnung aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme ist nämlich nicht durch den Umfang von Lagerstätten begrenzt wie bei Kohle, Öl, Gas und Uran, sondern hauptsächlich von den Investitionen in die Energiegewinnungs-Anlagen abhängig. Ob die Ausbaumöglichkeiten schnell genug genutzt werden, ist nicht in erster Linie eine Frage der Potenziale oder der Technologien, sondern abhängig vom politischen Willen und von den Investitionsbedingungen. Das deutsche EEG zeigt, wie effektiv der Ausbau beschleunigt werden kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Und es zeigt, dass Prognosen, die sich am augenblicklichen technischen und wirtschaftlichen Potenzial orientieren, viel zu pessimistisch sind, denn: Sie unterschätzen bei weitem die Macht politischer Rahmenbedingungen, die Dynamik der Massenfertigung und den Entwicklungseifer der Ingenieure.

Autor: Thomas Seltmann (www.thomas-seltmann.de) ist seit zwanzig Jahren in der Energiewirtschaft tätig und beschäftigt sich besonders mit Fragen der Nachhaltigkeit. Er ist Referent für Energiefragen, Autor des Fachbuch-Bestsellers „Photovoltaik - Strom ohne Ende“ (4. Auflage, Berlin 2009) und derzeit Projektmanager der „Energy Watch Group“. Der Autor berät die Politik und hält Vorträge.

 


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