Werbung

Energiemanagement in autarken Systemen – Gedanken zur Verknüpfung regenerativer Energien in Inselnetzen – Teil 2

Im Mittelpunkt des ersten Teils dieses Artikel - erschienen in der IKZ-ENERGY 2-2012, Seite 53 ff. – standen die Systembeschreibungen. Nachstehend die Ausführungen des Autors zur Zielstellung und Lösungsstrategie.

Programmstruktur.

 

Die Zielstellung für die Energiesteuerung in dezentralen Systemen ergibt sich aus der geforderten Energieautarkie und bedeutet die dauerhafte Gewährleistung eines Gleichgewichts zwischen dem aktuellen internen Energiebedarf v = v(t) und der Bereitstellung von Energie r = r(t) aus regenerativen Quellen bei allen vorkommenden Prozesszuständen. Damit liegt im Kern ein Regelungsproblem vor.
Bei der Realisierung dieser Zielstellung sind allerdings Nebenbedingungen zu berücksichtigen. Diese bestehen einerseits in der vollständigen Ausnutzung des aktuellen Energieangebots aus den natürlichen Quellen Windkraft und Sonnenstrahlung. Deckt dieser Energieeintrag nicht den aktuellen Bedarf, so ist das Defizit durch Einbindung systemintern vorhandener natürlicher Quellen auszugleichen, wobei nach einer vorgegebenen Reihenfolge zu verfahren ist. Sind alle diesbezüglich bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, dann soll die Möglichkeit gegeben sein, den noch verbleibenden Fehlbetrag durch externe Lieferung zu kompensieren. In extremen Situationen sind auch gestufte Abschaltungen von Verbrauchern vorzusehen.
Umgekehrt werden bei bestehendem Energieüberschuss die internen Energiequellen zurückgefahren und die vorzugsweise in energiereiches Gas umgewandelte Elektroenergie zum Laden von Speichern genutzt. Sind diese Gasspeicher gefüllt, und es besteht weiterhin ein Überschuss an Strom, so kann dieser gewinnbringend in das öffentliche Netz eingespeist werden.

Programmbasierte verbale Funktionsbeschreibung

In den folgenden Ausführungen werden nur die Hauptlinien des Energiemanagements in autarken Systemen nachgezeichnet und somit lediglich die Grundstruktur der Steuerung erfasst. Die gewählte Reihenfolge der von der Steuerung verfügten Maßnahmen ist beispielhaft zu verstehen. Im Einzelfall können durchaus unterschiedliche Prioritäten gesetzt sein, die je nach Ausbau des jeweiligen Systems und der Leistungsfähigkeit seiner Komponente variieren.
Die Behandlung der zielorientierten Steuerung energieautarker Systeme soll unter Bezugnahme auf eine grafische Darstellung vorgenommen werden. Bei der Auswahl dieser Grafik entscheiden wir uns angesichts des Ablaufcharakters der Funktion für die Benutzung eines Programmablaufplanes. Selbst wenn die dort benutzte Symbolik dem einen oder anderen Leser nicht vertraut sein mag, so können Bilder die Vorstellung doch wesentlich unterstützen. Zur Milderung der Anforderungen werden wir hier die einzelnen Programmschritte nicht in der üblichen formalen Darstellung beschreiben. Stattdessen beschränken wir uns auf  eine grobe Funktionserläuterung in verbaler Form.
Die Funktionsstruktur des zu behandelnden Energiemanagements in lokalen Systemen in der gewählten Form eines vereinfachten Programmablaufplanes veranschaulicht Bild 1.
Wie ersichtlich hat die Programmstruktur zyklischen Charakter. Der Programmdurchlauf erfolgt allerdings nicht ständig, sondern mit wählbarer Periodizität, was durch den Zeitgeber Z im Programmrücksprung angedeutet werden soll. In das Programm sind drei Module eingebettet, die unterschiedlichen Teilaufgaben gewidmet sind, und die nachfolgend erläutert werden.

Unterprogramm Energiebilanz
Bei jedem Programmdurchlauf wird zu Beginn eine Energiebilanz durchgeführt. Dazu werden in einem vorangestellten Berechnungsteil zunächst  sämtliche Beiträge an regenerativer Energie zur Gesamterzeugung r = r(t) subsumiert. Die Hauptbeiträge stammen aus der Windkraft w und Sonnenstrahlung s. Bedarfsweise liefern weitere Quellen, wie Biogas b und Wasserstoff h, durch Umwandlung der gespeicherten Gase Elektroenergie. Im Extremfall könnte auch Elektroenergie x aus externer Bereitstellung in Anspruch genommen werden. Auf der Gegenseite wird auch der insgesamt bestehende Verbrauch v = v(t) ermittelt. Dieser ergibt sich summarisch aus dem Energiekonsum der im System vorhandenen Einzelverbraucher sowie den Verbräuchen, die gerade zum Aufladen von Speichern insbesondere mit Wasserstoff eingesetzt sind. Je nach Systemzustand kann die Anzahl der zu berücksichtigenden Energiequellen wie auch die der Energiesenken in weiten Grenzen variieren. Im Minimalfall tragen zur Energiezufuhr nur die Quellen von Wind- und Sonnenkraft bei.
Im nächsten Schritt wird Bilanz gezogen, indem die gesamtheitlich verfügbare regenerative Energie r = r(t) dem Gesamtverbrauch v = v(t) gegenübergestellt wird. Die Differenz

d(t) = r(t) – v(t) (1)

liefert dann eine aussagfähige Größe über den bestehenden Energiezustand im System. Anhand von zwei sich anschließenden Tests T1 und  T2 können verschiedene Betriebsfälle erkannt werden, aus denen unterschiedliche Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Dazu wird mit ? > 0 eine passend gewählte Referenzgröße gewählt. Die Testkriterien lauten dann

T1: d(t) < – ?? (Energiemangel) (2)

und

T2: d(t) > – ?? (Energieüberschuss)
(3)

Wie aus Bild 1 ersichtlich, ergeben sich je nach Ergebnis der Tests T1 bzw. T2 Programmverzweigungen. Die Erfüllung des Tests T1 verweist auf einen bestehenden Energiemangel. Ein positives Ergebnis von Test T2 bedeutet Energieüberschuss. Bei Nichterfüllung von T2 erfolgt ein Sprung zum Programmende. Dies bedeutet, dass das Management in diesem Fall nicht in den Prozess einzugreifen braucht. Dies ist auf die Einführung der Schwelle ? > 0 zurückzuführen, womit eine Toleranzzone abgegrenzt  wird, in der nahezu Energieausgleich herrscht. Liegt der aktuelle Betriebszustand innerhalb dieser Zone, dann sollen unnötige Veränderungen ausgeschlossen und somit ständige Pendelbewegungen verhindert werden.
Bei positivem Ergebnis eines der beiden Tests wird jeweils ein spezielles Unterprogramm aufgerufen. Darin werden der jeweilige Systemzustand analysiert und die jeweils vorgesehenen Maßnahmen aufgerufen und ausgeführt. Die Reihenfolge der zu treffenden Maßnahmen ist durch eine Prioritätenliste festgelegt. Danach erfolgt ein Sprung zum Programmende. Da das System unterschiedliche Zustände annehmen kann, sind auch die vorgesehenen Maßnahmen verschieden. Die Programmpfade in den Unterprogrammen werden in unterschiedlicher Länge durchlaufen. Somit kann, wie in Bild 1 angedeutet, der Sprung zum Programmende an unterschiedlichen Stellen stattfinden.

Unterprogramm Energiemangel

Wurde anhand des Tests T1 ein Energiemangel festgestellt, so wird im diesbezüglich aufgerufenen Programmmodul „Energiemangel“ zunächst die Nutzungsmöglichkeit von gespeichertem Biogas geprüft. Dazu wird mittels eines Speichertests festgestellt, ob sich dieser Anteil weiter steigern lässt. Ist dies der Fall, dann wird die zugehörige Stellgröße erhöht.
Bei negativem Ergebnis wird zum nächsten Programmschritt übergegangen, der sich auf die Erhöhung des Wasserstoffanteils bezieht. Ergibt dort die Überprüfung des Füllungsgrades des Wasserstoffspeichers einen positiven Befund, dann wird entweder eine Steigerung der Leistung der Gasturbine bzw. des Blockheizkraftwerkes veranlasst oder der Anteil des dem Biogas zugemischten Wasserstoffs erhöht.
Ist die den Gasspeichern entnehmbare Energie ausgeschöpft, wird ggf. noch die Lieferfähigkeit von elektrischen Speichern geprüft. Dazu zählen einerseits die in den E-Mobilen in verteilter Form enthaltenen Batterien. Führt die Ausschöpfung auch dieser temporären Quelle nicht zum erwarteten Energieausgleich, sind die internen Möglichkeiten der Selbstversorgung insgesamt ausgereizt. Nun besteht noch die Chance, die fehlende Energiemenge unter vorübergehender Aufgabe der Autarkiebestrebungen extern aus dem öffentlichen Versorgungsnetz zu beziehen. Dazu müssen zuvor die bestehenden Möglichkeiten und finanziellen Konditionen geprüft werden. Schlägt auch diese Möglichkeit fehl, dann verbleiben nur noch Einschränkungen auf der Verbraucherseite. In diesem Fall werden zwangsweise Abschaltungen in einer vorab festgelegten Reihenfolge, beginnend mit den Großverbrauchern, vorgenommen.

Unterprogramm Energieüberschuss

Liefern entsprechend dem Ergebnis von T2 die aktuell in Betrieb befindlichen Energiequellen mehr Energie als aktuell verbraucht wird, so erfolgt ein Sprung zum Programmmodul „Energieüberschuss“. Die Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten erfolgt hier in umgekehrter Reihenfolge wie zuvor beschrieben. Im Sinne der Gewährleistung einer möglichst hohen Versorgungssicherheit wird zuerst geprüft, ob der Energiebedarf sämtlicher Verbraucher momentan befriedigt wird. Bei Fehlanzeige werden dann die vorübergehend abgeschalteten Verbraucher entsprechend der vorbestimmten Rangfolge schrittweise wieder an das Inselnetz angeschlossen.
Die weitere Reihenfolge der Maßnahmen ist dann eine Frage der Prioritätensetzung. Im nächsten Schritt kann beispielsweise geprüft werden, ob der überschüssige Strom gewinnbringend in das öffentliche Netz eingespeist werden kann. Besteht immer noch Energieüberschuss, dann wären als nächstes die Batterien zu laden, solange die Speicherkapazität noch nicht ausgeschöpft ist. Andernfalls ist die Füllung der Wasserstofftanks zu prüfen und ggf. die entsprechende Elektrolyseanlage hochzufahren, um den entsprechenden Gasspeicher aufzutanken.
Besteht immer noch Energieüberschuss, dann ist die Biogasanlage als drittwichtigste natürliche Energiequelle zurückzufahren und ggf. sogar abzuschalten. Reicht selbst dies nicht aus, so lässt sich der Reststrom evt. noch günstig extern vermarkten.

Permanente Angleichung an veränderte Situationen

Beim Programmanlauf (begin) wird davon ausgegangen, dass das System hinreichend mit Energie aus Wind und Sonne versorgt wird. Trifft diese Annahme nicht zu, so werden in den folgenden Programmdurchläufen unter wiederholtem Passieren des Unterprogramms „Energiemangel“ nach und nach weitere Energiequellen in festgelegter Reihenfolge in Betrieb genommen, bzw. deren Leistung bis zur Erreichung der Kapazitätsgrenze gesteigert, bis schließlich Energiegleichgewicht hergestellt ist. Irgendwann wird es bei ordnungsgemäßer Auslegung des Systems auch zu Energieüberschüssen kommen. In diesem Fall wird das Unterprogramm „Energieüberschuss“ aktiv. Die nicht benötigte Energie wird dann vorwiegend zur Auffüllung von Energiespeichern verwendet, um Vorsorge für die Bewältigung späterer Mangelsituationen zu treffen. Die Programmsteuerung funktioniert somit im Sinne einer permanenten Angleichung an die sich verändernden Situationen.
Bei jedem Programmdurchlauf werden immer nur Eingriffe im Sinne von Änderungen vorgenommen.
Die veranlassten Maßnahmen (Stelleingriffe) können sowohl gradueller Art („größer“, „kleiner“) sein als auch strukturellen Charakter („ein“, „aus“) aufweisen. Nach Ausführung der veranlassten Aktion erfolgt jeweils ein Sprung zum Programm-
ende. In den aufeinander folgenden Programmschritten verzweigt sich das Programm bei positivem Testergebnis, wobei eine definierte Aktion ausgegeben und ein Sprung an das Programmende veranlasst wird. Somit werden bei der Programmabarbeitung je nach festgestelltem Systemzustand unterschiedlich lange Pfade durchlaufen.
In dem vorgestellten Programmablaufplan wurde das Verhalten der Energieverbraucher nicht berücksichtigt, obwohl diese einen wichtigen Beitrag zur Minderung von Energieengpässen leisten können. Der Grund dafür ist in der Freiwilligkeit eines energieorientierten Verhaltens beim Energiekunden zu suchen. Das Verbraucherverhalten sollte nach Möglichkeit darauf gerichtet sein, in Zeiten des Energiemangels von den Möglichkeiten der Energieeinsparung bzw. der Verbrauchsverlagerung Gebrauch zu machen. Die Bereitschaft für solche Selbstbeschränkungen resultiert entweder aus Einsicht, kann aber auch durch besondere Tarifgestaltung stimuliert werden. Damit können Energiekunden angeregt werden, besondere „Stromfresser“ nur in Zeiten des Überangebots, also etwa während der Nachtstunden, zu betreiben. Unberücksichtigt blieben auch verschiedene nebenläufige Prozesse, wie etwa das Betanken von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb mit dem benötigten Wasserstoff oder die Verwendung von Biogas zu Heizzwecken.

Herausforderung für Experten

Mit dem Energiemanagement in autarken Systemen wurde ein zwar wichtiges, bisher  jedoch nur ungenügend behandeltes Thema aufgegriffen. Wie sich zeigt, ist dieses Problem von einiger Komplexität und stellt auch den Experten vor eine Herausforderung.
Um Energieautarkie zu ermöglichen, müssen systemintern zunächst  die notwendigen Voraussetzungen vor allem bezüglich der Verfügbarkeit von Energie aus mehreren Quellen sowie deren Speicherung in möglichst vorteilhafter Form geschaffen werden. Dabei handelt es sich im regelungstechnischen Sinne um den Prozess, der zunächst behandelt wird.
Danach befasst sich die Arbeit themengemäß mit dem Management, also der Steuerung, der verschiedenen Ressourcen im Sinne der globalen Zielstellung. Diese besteht darin, ein beständiges Gleichgewicht zwischen der Verwertung regenerativer Energiequellen und dem aktuellen systeminternen Energieverbrauch durch Herbeiführung eines geeigneten Energiemixes zu gewährleisten, was im Kern auf ein Regelungsproblem führt. Die Behandlung erfolgt hier unter Zugrundelegung eines vereinfachten Programmablaufplanes. Die wesentlichen Funktionen sind in drei Unterprogrammen niedergelegt, die die Ermittlung des aktuellen Energiezustandes und das Verhalten bei Energiemangel bzw. -überschuss betreffen. Aus Gründen der besseren Allgemeinverständlichkeit werden die Programmfunktionen in verbaler Form abgehandelt.
Mit den vorliegenden Darlegungen hat der Autor versucht, ein schwieriges Thema aufzubereiten und auch für den allgemein-technisch interessierten Leser zugänglich zu machen. Dementsprechend war er um eine Behandlung auf mittlerer Tiefe bemüht. Selbst wenn dies vielleicht nicht immer hinreichend gelungen sein mag, so hofft er doch, das Wesen des Steuerungsproblems bei der Versorgung mit Regenerativen Energien verdeutlicht und einen Eindruck von der bestehenden Komplexität der Aufgabe vermittelt zu haben.

Literatur:
[1] Weller, W.; M. Will: Create the future – Gesamtheitliches Konzept zur dezentralen Energieversorgung auf der Basis regenerativer Quellen. Teil I u. II, IKZ-Energy,: 2/März 2011 u. 3/April 2011
[2] Wagner, S.: Aus Wind wird Wasserstoff wird Strom. Focus-online, 26. 10. 2011, sowie: www.focus.de/.../hybridkraftwerk-in-prenzlau-aus-wind-wird-wasser, sowie: www.eurosolar/de/de/images/stories/...Enertrag_Hybridkraftwerk.pd...
[3] NEMO Technologiekompetenz Fluss-Strom: www.flussstrom.de
[4] Dohmen, F.; B. Schmid: Tausend Meter in die Tiefe. Der Spiegel 45/2011, S. 148-150, sowie: GEO 03/2011, S. 134
[5] Geothermische Energieerzeugung. in: www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/..., sowie: www.vde.com/de/fg/ETG/…/V1/…

Autor:
Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Weller: 1960-1970 Forschungstätigkeit in der Industie; Lehraufträge am Higher Institute for Electronics in Menouf (Ägypten) und an der Univ. Rostock; 1970-1998 Inhaber des Lehrstuhls für Technische Kybernetik und Direktor des Instituts für Automatisierungstechnik an der Humboldt-Univ. zu  Berlin; 1992-2008 Ingenierubüro für Intelligente Informationstechnologien

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: