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Energieberatung mit Blick über den Tellerrand Erfassung, Prüfung und Messung bei der Vor-Ort-Beratung

Gerade die ganzheitliche Energieberatung für Bestandsbauten erfordert ein fundiertes Fachwissen, das sich aus der Baukonstruktion, der Bauphysik sowie der Haus- bzw. der Anlagentechnik zusammensetzt. Der Energieberater ist vergleichsweise ein "Haus-Pathologe", der die Ursachen von erhöhtem Energiebedarf, die jeweiligen Auswirkungen und vor allem sinnvolle und nachhaltige Lösungen aufzeigen soll. Vor diesem Hintergrund zeigt der nachfolgende Beitrag auf, welche Punkte besonders bei den gewerkeübergreifenden Maßnahmen zu beachten sind und gibt Tipps für die Erfassung, Prüfung und Messung bei der Vor-Ort-Beratung.

 

Die Erstellung einer ausführlichen "Diagnose" am jeweiligen Objekt ist Voraussetzung und Basis für eine gute Energieberatung. Dazu bedarf es in der Regel neben der rechnerischen Erfassung von beispielsweise den U-Werten auch einer genaueren Untersuchung der wärmeübertragenden Umfassungsfläche (Gebäudehülle) sowie der vorhandenen Haustechnik. Das es in der Praxis offensichtlich auch einfacher geht, ist nicht selten zu beobachten. So wird z.B. eine billige Thermografiekamera gekauft und diese einfach "drauf gehalten". Dann gibt es ein buntes Bild, das als Grundlage für die weitere Bearbeitung und "Beratung" herhalten muss.

Zahlreiche Energieeinsparmöglichkeiten lassen sich im Rahmen einer Energieberatung bereits während eines Rundgangs ermitteln, wie fehlende Wärmedämmung an Heizungs- und Warmwasserleitungen.

Eine Thermografieaufnahme von außen, ohne über das Innere des Objektes Bescheid zu wissen, ist jedoch für eine Beratungs- und Berechnungsaufgabe ungeeignet. Außenthermografien sind nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich erstellbar. Zudem ist für eine korrekte Auswertung der Bilder viel Hintergrundwissen notwendig. Allerdings kann eine Thermografieaufnahme auch ein schnelles Hilfsmittel sein, beispielsweise im Innenbereich zur Erfassung der Heizungs- und/oder Warmwasserleitungen mit der Fragestellung, wo sich die Leitungen befinden bzw. ob Handlungsbedarf zur Dämmung besteht.

Ungewollte Lüftung? Hier bietet bereits eine geringinvestive Maßnahme ein nicht unerhebliches Energieeinsparpotenzial: Durch den Einsatz von Fensterdichtungen kann die stündliche Luftwechselrate des Raumluftvolumens von 1,0 auf 0,7 reduziert werden.

 

Konstruktive Wärmebrücke. Oft bieten Laibungen nicht viel Platz für Wärmedämmung. Mittels einer Infrarot-Messpistole bzw. eines Luft- und Oberflächentemperaturmessgerätes kann der Wärmebrückenfaktor für die erforderliche Laibungsdämmung ermittelt werden.

Notwendige Untersuchungen?
Die Frage, was und wie viel geprüft und gemessen werden muss, kann nicht für alle Objekte gleichermaßen beantwortet werden. Daher sind die notwendigen Arbeiten objektspezifisch situativ zu erfassen.

 

Soll beispielsweise eine Altbaufassade mit einem Wärmedämmverbundsystem in 16 cm Dicke ausgestattet werden, so ist die genaue Ermittlung des U-Wertes der vorhandenen Massivwand oft eher unerheblich. Hier ist für die Planung und Ausführung der Maßnahme wichtiger, die Tragfähigkeit des Putzes zu ermitteln oder zu prüfen, wie die Fenster wärmetechnisch mit der Dämmung verbunden werden können, um Wärmebrücken zu vermeiden. Meist reicht hier der "Zollstock" völlig aus. Ein "Zuviel" ist unnötig.
Andererseits ist bei komplexen Gebäuden, die ggf. noch unter Denkmalschutz stehen und in bzw. an denen auch noch Schäden vorhanden sein können, meist eine ausführliche Untersuchung notwendig. Hier wäre ein "Zuwenig" ein Fehler.
Nachfolgend werden einige wichtige Untersuchungen und Messungen für eine Energieberatung im Gebäudebestand aufgeführt und kurz erläutert.

Die Bilder zeigen übliche Leckagen an einer Vorwandinstallation (links) und an einem Fensteranschluss (rechts). Zur Ermittlung wurden im Bereich der Vorwand ein Thermoanemometer und am Fenster eine Thermografiekamera (undichte Stelle im Bild gekennzeichnet) verwendet.

Sichtkontrolle
Die visuelle Untersuchung von Bau- und Anlagenteilen (Zustand, geschätzte Lebensdauer) ist die Hauptaufgabe des Energieberaters. Neben der Betrachtung der wärmeübertragenden Umfassungsfläche gehören in diese Kategorie insbesondere die Heizungsanlage (wie Heizkessel, Rohrleitungen einschließlich Dämmungen, Verteilung, Raumheizeinrichtungen) sowie die Warmwasserbereitung. Dazu müssen vorrangig der Standort bzw. die Lage, der Zustand und die technischen Daten erfasst werden.

Blower-Door-Prüfung. Leckageortung mittels Rauchpistole (links unten) und Volumenstrommessgerät (rechts).

Blower-Door-Prüfung
Eine Blower-Door-Prüfung dient zur Erfassung der Luftdichte des Gebäudes und der eventuell vorhandenen Fehlstellen. Die Prüfung wird ggf. zusammen mit einem Nebelgenerator (zur Visualisierung) und unter Zuhilfenahme eines Thermoanemometers (Luftgeschwindigkeitsmessgerät) durchgeführt. Hier können auch Thermografieaufnahmen zur Visualisierung der Luftdichtheit hilfreich sein.

Messung von Wandfeuchte mittels dielektrischem Verfahren.
Bild: Brandhorst

Feuchte- und Temperaturmessung
Feuchte- und Temperaturmessungen der Innenwandoberflächen und/oder der Wandquerschnitte (im Winterhalbjahr) geben Aufschluss über die Dämmwirkung der Wand und ggf. der Kondensatbildung im Innenbereich (Schimmelpilzproblematik). Diese Messungen geben ebenfalls Aufschluss, ob die Raumbeheizung geändert werden sollte, um "schwache" Bauteile ausreichend vor Auskühlung zu schützen sind. Dies kann z.B. aufgrund einer Schrankwand (die an einer Außenwand platziert ist) oder in einer unbeheizten Speisekammer der Fall sein.
Auch hier helfen im Winterhalbjahr Thermografieaufnahmen von den Innenseiten der Außenwände, um Wärmebrücken zu visualisieren. Dabei ist aber zu beachten, dass mindestens 10 K, besser 15 K Temperaturdifferenz zwischen innen und außen vorliegen.
Hin und wieder ist zur Bestimmung der Feuchtigkeit des Mauerwerks (und der Rohdichte) auch eine gravimetrische Methode erforderlich. Diese Prüfung ist allerdings Bauteil zerstörend.

Prüfung des Luftwechsels
Die Klimaschutzziele der Bundesregierung, die Energieeinsparverordnung, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und nicht zuletzt hohe Energiekosten tragen dazu bei, dass Gebäudehüllen sowohl im Neu- als auch im Bestandsbau immer dichter werden. Im Altbau kann bereits die Kombination von neuen Fenstern und Türen verursachen, dass der hygienische Mindestluftwechsel von 0,5 h-1 nicht mehr erreicht wird. Die Quintessenz lässt sich jährlich im aktuellen Bauschadensbericht von Gebäuden mit Schimmelbefall ablesen. So sind zurzeit etwa 22% aller bundesdeutschen Wohnungen (dies entspricht rund 7 Mio. Wohnungen) mit Schimmelpilzproblemen behaftet - Tendenz stark steigend. Vor diesem Hintergrund fordert auch die im Mai dieses Jahres erschienene DIN 1946 "Raumlufttechnik - Teil 6: Lüftung von Wohnungen" den Einsatz von Lüftungssystemen, wenn die Gebäudehülle so dicht ist, dass die Einhaltung eines nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels nicht mehr erreicht wird.
Im Rahmen der Energieberatung kann es daher auch erforderlich sein, den tatsächlichen Luftwechsel der Wohnung zu ermitteln. Hier hilft eine Blower-Door-Prüfung jedoch nur bedingt weiter, da mit dieser Prüfung (es ist ein technisch hergestellter stationärer Luftwechsel) keine Aussage über den natürlichen Luftwechsel der Wohnung oder des Hauses gemacht werden kann.

Prüfung des Außenputzes auf Wassereindringen mittels "Karstschem Röhrchen". Die Prüfung ist insbesondere für die Planung einer Innendämmung wichtig.
Bild: Brandhorst

Mit den Formelsätzen der neuen DIN 1946-6 können näherungsweise die realen Luftwechselraten der Nutzungseinheiten berechnet werden. Eine genaue Ermittlung des realen Luftwechsels kann hingegen mithilfe eines sogenannten Tracer- oder Indikatorgases durchgeführt werden. Dazu wird das spezielle Gas mithilfe einer Spritze in die Raumluft injiziert. Nach vorgegebenen Zeitintervallen werden Luftproben gezogen, die dann im Labor ausgewertet werden. Je nach Verdünnung des Gases in der Raumluft kann daraus der reale Luftwechsel berechnet werden. Dabei ist zu beachten, dass für die Durchführung der Prüfung die Wetterdaten - vor allem der Winddruck und Sog gemessen und mit bewertet werden müssen, da sich unter anderen Winddruckverhältnissen auch andere Luftwechselraten einstellen.

Frequenzanalyse
Flachdächer können schnell mittels Frequenzanalyse (Horchtechnik) und/oder Mikrowellenmessung bzw. Neutronenradiometrie auf vorhandene Feuchteschäden untersucht werden. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um das Erfassen von Mängeln bzw. Schäden, die ein Energieberater dann ggf. in Auftrag geben sollte. Für den Fall, dass Flachdächer gedämmt werden, sollte aus Vorsorgegründen eine entsprechende Untersuchung standardmäßig erfolgen.

Beispiel eines Messgerätekoffers für die Energieberatung. Darin enthalten sind in der Regel oft benötigte Geräte wie Temperatur-, Holz- und Baufeuchtemesser, Rauchstift, Ultraschallentfernungsmessgerät sowie Hilfsmittel für die Energiepasserstellung.
Bild: Wöhler

Notwendiges Equipment?
Welche Messgeräte sollte man haben, welche sind nicht unbedingt notwendig? Diese Frage kann letztendlich nur der Energieberater selbst beantworten. Ein "Starterpaket", mit dem man die meisten Aufträge abarbeiten kann, sollte aber folgendes beinhalten:

  • ein Thermohygrometer (zur Ermittlung der Lufttemperatur und der Luftfeuchte),
  • ein Oberflächentemperatursensor,
  • ein Anemometer (zur Messung der Luftgeschwindigkeit und der Luftströmung),
  • ein Laserpyrometer (berührungslose Oberflächentemperaturmessung),
  • Holz- und Materialfeuchtemessgerät mit Einstechfühlern und Kugelkopf,
  • Endoskop,
  • Distanzlasermessgerät,
  • Gliedermaßstab (Zollstock), Bandmaß, Winkelmesser, Wasser- oder Laserwaage,
  • Fotoapparat, ggf. mit Adapter für ein Endoskop,
  • Referenzmaßstab (für Fotografie-Nahaufnahmen),
  • evtl. Laborwaage und Messbecher zur Ermittlung von Baustoff-Rohgewichten.


Zusätzlich können hilfreich sein:

  • Datenlogger für Wärme, Feuchte und CO2 (z. B. für Luftwechselraten, instationäre Temperatur- und Feuchteverläufe),
  • Thermomonitor (Folie, die unterschiedliche Oberflächentemperaturen anzeigt).


Für weitergehende Untersuchungen ist unabdingbar:

  • Blower-Door-Ausrüstung (zur Überprüfung der Leckagen an Gebäuden und der Luftwechselraten),
  • Nebelgenerator,
  • Thermoanemometer (Luftgeschwindigkeitsmesser mit gleichzeitiger Anzeige der Lufttemperatur),
  • Tracer- oder Indikatorgase und Messröhrchen.


Darüber hinaus empfiehlt sich auch eine Wärmebildkamera (Thermografiekamera) z.B. für die Leckageortung von Wasserleitungen. An diese sollten jedoch ausreichend hohe Ansprüche an Auflösung, Einstellbarkeit und Genauigkeit gestellt werden. Aus der zuvor aufgeführten Aufstellung wird schnell deutlich, dass die Kosten für Messgeräte in der Regel mind. im vierstelligen Bereich, für eine "Profiausstattung" im fünfstelligen Bereich liegen.
Tipp: Vor der Anschaffung von Messgeräten sollte man prüfen, ob die angefragten Messaufgaben kalibrierbare Geräte voraussetzen oder nicht, da bei Kalibrierungen zusätzliche Kosten entstehen.

Fazit
Ein Energieberater muss situativ entscheiden, welche Messungen an einem Objekt sinnvoll bzw. erforderlich sind. Die meisten Objekte können in der Regel mit "Verstand, Zollstock und vorhandenen Unterlagen" ausreichend genau erfasst werden, wobei die Blower-Door-Prüfung während der Sanierungsarbeiten als Qualitätssicherungsinstrument immer durchgeführt werden sollte. Im Rahmen einer ausführlichen Energieberatung bzw. bei komplexen Gebäuden ist hingegen nicht selten ein umfangreiches Equipment notwendig.

Autor: Jörg Brandhorst, Bauphysiker und Sachverständiger für thermische Bauphysik, Büro für Planung, angewandte Bauphysik und ökologisches Bauen, Bonn

Bilder, soweit nicht anders angegeben:
IKZ-HAUSTECHNIK

 


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