Energie im Boden speichern
Ein Wärmekonzept aus Solarthermie und Betonkernaktivierung – trotz relativ langer Amortisationszeit sind alle zufrieden
In dem neuen Firmengebäude des Solarkollektorherstellers SST Solar erzeugen große Solarthermie- und Photovoltaik-(PV)Anlagen Energie für Wärme und Strom. Eine Besonderheit in dem Heizkonzept ist die Betonkernaktivierung. Der Hallenboden dient als Energiespeicher.
Große PV-Anlagen auf Dächern von Industriehallen sind keine Seltenheit, große Solarthermieanlagen an den Fassaden schon eher. Der österreichische Solarkollektorhersteller SST Solar hat bei seinem neuen Firmengebäude beide Technologien kombiniert. Auf dem Dach produziert eine PV-Anlage mit 120 kWp Leistung Strom für den Eigenverbrauch und zum Einspeisen in das öffentliche Stromnetz. An der Ost- und Südfassade des Gebäudes sind 285 m2 Solarkollektoren installiert. Der Solarertrag ist so hoch, dass im Winter 2017/2018 nur zehn Raummeter Holz für das Nachheizen benötigt wurden – für rund 1800 m2 Fläche. Zum Vergleich: Für einen Wohnraum mit 50 m2 Fläche, der über einen Ofen über die komplette Heizsaison beheizt wird, benötigt man überschlägig etwas mehr als 2 Raummeter Buchenholz.
Vorteile von Fassadenkollektoren
2015 begann die Planung des Gebäudes. Errichtet wurde es 2016 in Nenzing in Vorarlberg in Österreich. Die 1828 m2 Grundfläche teilen sich auf Büros (350 m²), Sozial- und Aufenthaltsräume (246 m²) und die Produktionshalle (1232 m²) auf.
Der Wärmebedarf wurde rechnerisch mit 97 000 kWh im Jahr ermittelt. „Der reale Bedarf der Produktion kann aber nicht genau berechnet werden, da die Tore immer wieder für An- oder Auslieferungen geöffnet werden müssen und dadurch natürlich viel Wärme entweicht“, berichtet SST-Geschäftsführer Renan Sen, der zudem auch Vorstandsmitglied im Sonnenhaus-Institut e.V. ist, einem Kompetenznetzwerk für regenerative Energien im Bauwesen. Die Solarkollektoren platzierte er senkrecht an zwei Fassaden. An der Ostfassade sind 93 m² Solarkollektoren montiert, an der Südfassade 192 m². „Die Montage an der Fassade hat den Vorteil, dass die Kollektoren frei von Schnee bleiben und im Sommer aufgrund der senkrechten Montage nicht überhitzen“, erläutert er. „Im Winter, wenn die Sonne flacher auftrifft, bringt die Anlage die volle Leistung.“
Hallenboden speichert Wärme
Eine Besonderheit im Heizkonzept ist die Betonkernaktivierung. Der Hallenboden speichert die Wärme aus der Solarthermieanlage. In der Produktionshalle wurden die Heizrohre auf dafür montierte Gitter in der Bodenplatte verlegt. Anschließend wurde die Fläche mit Beton verfüllt. Dieser sogenannte Betonkern dient als Langzeitspeicher.
„Je nach Vorlauftemperatur der Kollektoren wird entweder der Wärmespeicher beladen oder direkt in die Fußbodenheizung/Betonkernaktivierung eingespeist“, erläutert Sen das Konzept. „So können auch geringe Temperaturen bei diffuser Strahlung direkt in die Fußbodenheizung und somit in den Betonkern eingespeist werden. Wenn die Kollektoren nur 25 °C warm sind, fahren wir direkt in den Betonkern.“ Die 1232 m² große Bodenplatte ist 25 cm dick und wird komplett aufgeheizt. Der zusätzliche Wärmespeicher konnte entsprechend klein dimensioniert werden. Aufgrund dieser Speichermasse im Boden reichen 5000 l Fassungsvermögen für den Wärmespeicher aus.
Härtetest bestanden
Der zweite Heizkreis ist die Fußbodenheizung in den Büroräumen. „Wenn die Solaranlage nicht genügend Energie erzeugt, heizen wir mit dem Holzkessel nach“, sagt Sen. Der Kessel hat 60 kW Leistung. Der Holzbedarf ist allerdings minimal. Im Winter 2017/18 mit den extrem kalten Monaten Januar und Februar mit Temperaturen bis -18 °C benötigte er nur etwa 10 Raummeter Holz. Bis Weihnachten musste er nicht zuheizen, ab Ende Februar auch nicht mehr. „Somit werden mehr als 80 bis 90 % der Raumwärme durch die Solarthermieanlage erzeugt“, überschlägt er. Die Temperatur in der Halle wird konstant über mindestens 18 °C gehalten. Sen: „Wir haben oftmals Temperaturen, die andere sich wünschen würden, 22 oder 23 Grad. Und wenn die Hallentore immer mal wieder auf- und zugehen, macht das gar nichts, weil die Bodenplatte genügend Wärme gespeichert hat.“
PV-Anlage für Eigenverbrauch und Einspeisung
Auch bei der Stromerzeugung setzt SST Solar auf Solarenergie. Der Strombedarf im Unternehmen ist nicht hoch. „Den höchsten Bedarf hat wahrscheinlich der Druckluft-Kompressor“, so der Firmeninhaber. Die PV-Anlage auf dem Dach hat er trotzdem so groß wie möglich dimensioniert, da er überschüssigen Solarstrom gegen eine Einspeisevergütung in das öffentliche Stromnetz einspeisen kann.
Die PV-Anlage hat eine Leistung von 120 kW. Die kristallinen Module hat SST Solar gekauft und das Montagesystem selbst gebaut. Die Module sind mit einem Neigungswinkel von 10 Grad nach Osten und Westen aufgeständert. Laut Berechnungen soll die PV-Anlage mindestens 120 000 kWh im Jahr erzeugen.
Für den Überschussstrom hat SST einen Einspeisevertrag mit der österreichischen Bundesförderstelle Oemag. Eingespeisten Solarstrom bekommt der Anlagenbetreiber 13 Jahre lang mit 8,25 Ct/kWh vergütet. Zusätzlich hat er einen Einmalzuschuss in Höhe von 375 Euro je kWp Photovoltaik-Leistung von der Oemag erhalten.
„Das Firmengebäude erzeugt für uns mit dem einfachen System überhaupt keine Betriebskosten“, sagt Sen. In der Stromversorgung erzeugt die Photovoltaikanlage etwa fünf Mal so viel Strom, wie im Betrieb verbraucht wird: „Wir speisen bis zu 80 000 kWh Strom ins Netz ein und kommen deshalb mit einem deutlichen Plus raus.“
Fazit: Konzept hält Vergleich stand
Das Fazit des Unternehmers Renan Sen nach zwei Jahren am neuen Firmensitz: „Es ist ein tolles Klima im Gebäude und von den Betriebskosten her perfekt.“ Er habe häufig Gäste im Betrieb, die sich über das Energiekonzept informieren wollen, berichtet Sen. „Viele erwarten ganz viel Technik und sind dann erstaunt, wenn sie unser einfaches System sehen.“
Autorin: Ina Röpcke, Fachjournalistin Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
Kostenvergleich Deutschland
Da SST Solar die Kollektoren selbst produziert hat und die Solarthermie-Anlage – wie die Photovoltaik-Anlage – selbst montiert hat, waren die Kosten niedriger als bei einem Nicht-Hersteller. Für das Unternehmen hat sich die Solarthermie-Anlage durch die sehr gute Förderung in Österreich vom ersten Tag an gerechnet. Um die Wirtschaftlichkeit für Industrie- und Gewerbebetriebe in Deutschland aufzuzeigen, hat das Sonnenhaus-Institut eine Vergleichsrechnung erstellt.
Die gesamte Anlage, wie sie bei SST in Österreich montiert ist, würde in Deutschland für einen Endkunden 133 650 Euro netto kosten. Dabei sind 15 000 Euro BAFA-Innovationsförderung sowie eine Ersparnis von 4200 Euro durch dünnere Solarpaneele in der Fassade bereits berücksichtigt.
Bei der Vergleichsrechnung wurde zugrunde gelegt, dass als Heizerzeuger in der Regel eher eine Gasheizung als ein Holzkessel gewählt würde. Ansonsten bliebe alles gleich. Laut Berechnung ist die Solarthermie-Anlage mit Gasheizung um 30 538 Euro teurer als eine Standardlösung (nur Gas). Durch den Solarertrag von 85 000 kWh entstünde im Betrieb eine jährliche Einsparung von Brennstoffkosten in Höhe von ca. 3100 Euro (gerechnet mit den aktuellen Gaspreisen). Das entspricht einer Amortisationszeit von knapp zehn Jahren (9,85 Jahre) für die Solarthermie-Anlage. Dabei sind Abschreibungen noch nicht berücksichtigt.
Die Amortisationszeit ist zwar länger, als es in der Industrie und im Gewerbe üblicherweise angestrebt wird. Durch Energiepreis-Steigerungen kann sie sich aber verkürzen. Außerdem leistet der Betrieb einen Beitrag zum Klimaschutz und profitiert von dem Image-Gewinn. Außerdem nennt Renan Sen einen weiteren Vorteil. „Die hier genutzte Bauteilaktivierung des Hallenbodens, deren Wirkung ähnlich einer Fußbodenheizung ist, stellt eine höhere Raum- und Arbeitsqualität sicher.“