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Energie aus schmutzigem Wasser

Das von Menschen in die Kanalisation eingespülte Abwasser kann als Energiequelle für Abwasser-Wärmepumpen dienen. Darin steckt ein unterschätztes Potenzial

Abwasserwärmeübertrager „RoWin“ von Huber sind als Edelstahlbehälter konstruiert, in dem horizontale Rohrmodule mit Kühlwasser parallel angeordnet sind. Das grob vorgesiebte Abwasser fließt durch die Wärmeübertrager und gibt seine Wärmeenergie auf das Wasser ab, das die Wärmepumpe versorgt. Die oberirdische Aufstellung der Wärmeübertrager bietet gute Zugänglichkeit für Installation, Betrieb und Wartung. Bild: Huber SE

Beim „ThermWin“-System von Huber fließt Rohabwasser aus dem Kanal (1) über einen Abwasserablauf (2) in einen Schacht. Dort wird es in der Schachtsiebanlage (3 und 4) grob gereinigt und weitergeleitet (5) an den oberirisch installierten Abwasserwärmeübertrager „RoWin“ (6). Die gewonnene Wärme wird an die Wärmepumpe (7) abgegeben und erreicht als Warmwasser (8) die Verbraucher. Der Abwasserrücklauf (9) führt zusammen mit dem gefilterten Siebgut zurück in den Abwasserkanal (10). Bild: Huber SE

Um den Verbrauch von Primärenergie so niedrig wie möglich zu halten, setzt Ikea in der Filiale Berlin-Lichtenberg erstmals auf die Nutzung von Abwasserwärme. Sie wird zum Heizen und Kühlen eingesetzt. Bild: Bundesverband Wärmepumpe

Drei Großwärmepumpen von Ochsner mit einer Leistung von je 500 kW heben im Ikea-Einrichtungshaus Berlin-Lichtenberg die aus dem Abwasser gewonnene Wärme auf rund 35 °C an. Bild: Bundesverband Wärmepumpe

Zur Abwasserwärmenutzung bei Ikea wurde unterirdisch eine 200 m lange Abwasserdruck­leitung verlegt, die an das kommunale Abwassernetz anschließt. Durch sie strömt eine Abwassermenge von 500 000 bis 1,4 Mio. l pro Stunde. Das entspricht dem Inhalt von 12,5 bis 35 Tanklastern. Bild: Bundesverband Wärmepumpe

Für Kanalneubauten und -sanierungen bietet Rabtherm Energy Systems Rinnenwärmeübertrager als vorgefertigte Kanalelemente an. Bereits bei der Herstellung im Werk werden Edelstahlbleche in die Sohle der Betonrohre eingelassen. Die Rohre für den Vor- und Rücklauf inklusive der Anschlüsse sind in die Betonrohrwandung integriert. Bild: Rabtherm Energy System

 

Abwasser aus öffentlichen Kanälen ist eine ergiebige Wärmequelle für den Betrieb von Wärmepumpen. Viele erfolgreich realisierte Projekte belegen, dass technische Lösungen zur Abwasserwärmenutzung längst ausgereift sind. Architekten und Gebäudeplaner sind mit dieser Heizoption aber noch wenig vertraut.

Der diesjährige Weltwassertag am 22. März stand unter dem Motto „Abwasser – die ungenutzte Ressource“. Die Vereinten Nationen lenkten den Blick auf eine nachhaltige Energiequelle, die weltweit viel zu selten genutzt wird: Aus Schmutzwasser von Privathaushalten und Betrieben, das mit einer ganzjährig relativ konstanten Temperatur von 10 °C bis 20 °C durch die öffentlichen Kanäle strömt, lässt sich thermische Energie gewinnen.
Abwasserwärme könnte allein in Deutschland über 2 Mio. Wohnungen mit Raumwärme und Warmwasser versorgen. Das entspricht einem Anteil von rund 5 % des deutschen Wohnungsbestands und wäre ein wertvoller Beitrag zur Klimaschutzstrategie der Bundesregierung. Denn das angestrebte Ziel, ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050, wird sich nur dann erreichen lassen, wenn neben Dämmmaßnahmen und der Installation von Heizsys­temen auf Basis regenerativer Energien verstärkt auch alternative Effizienzpotenziale wie Abwasserwärme und Abwärme nutzbar gemacht werden.

Technik vielfach erprobt
Die Nutzung von Abwasserwärme durch Wärmepumpen ist kein technisches Neuland. Fachplaner und Bauherren können auf eine Reihe von erfolgreich umgesetzten Projekten in vielen europäischen Ländern und die dabei gewonnenen Erfahrungen zurückgreifen. In der Schweiz werden Abwasserwärmepumpen seit rund 30 Jahren betrieben. In Deutschland führt diese Form der Wärmegewinnung jedoch noch ein Nischendasein. Laut der Themenallianz Abwasserwärmenutzung, einem Zusammenschluss von Marktakteuren, die sich mit Abwasserwärme befassen, gab es in den Jahren 2005 bis 2010 schon einmal großes Interesse an Abwasserenergie.
Durch erfolgreiche Abwasserprojekte in der Schweiz, die mit beeindruckenden Daten bei Anlagenzahl, Amortisationszeiten und Wirtschaftlichkeit aufwarteten, entstanden aber überzogene Erwartungen an eine Technologie, die sich noch mitten in der Entwicklung befand. Aufgrund enttäuschender Ergebnisse bei den ersten deutschen Projekten flaute das Interesse deshalb ungerechtfertigt rasch wieder ab. Mittlerweile gibt es jedoch zahlreiche Beispiele, dass die Nutzung von Abwasserwärme auch hierzulande gut funktioniert.

Ikea senkt Primärenergieverbrauch
Ein prominentes Projekt ist die Ikea-Verkaufsniederlassung in Berlin-Lichtenberg. Die Filiale mit einer Bruttogeschossfläche von 43 000 m² wird durch drei Großwärmepumpen „IWWS 520 ER2“ von Ochsner mit einer Heizleistung von je 500 kW beheizt und gekühlt. Als Wärmequelle dient eine von Ikea verlegte 200 m lange Abwasserdruckleitung, die an das Berliner Abwassernetz angeschlossen ist. Pro Stunde wird sie von 500 000 bis
1,4 Mio. l Abwasser durchflossen. Ein Wärmeübertrager entzieht dem Abwasser Wärme, die dann von den drei Wärmepumpen auf eine Vorlauftemperatur von 35 °C angehoben und an die Fußbodenheizungen und Deckenstrahlplatten im Einrichtungshaus abgegeben wird. Spitzenlasten deckt ein Gaskessel. Im Sommer arbeiten die Wärmepumpen im Kühlmodus und führen überschüssige Wärme ins Abwassernetz ab. Ikea, das in Sachen Nachhaltigkeit Maßstäbe setzen will, erzielt dadurch eine Ersparnis von 770 t CO2 im Jahr.
Im Durchschnitt verursacht eine Abwasserwärmepumpe mit Gas-Spitzenkessel 45 % geringere CO2-Emissionen als eine Ölheizung. Die Primärenergieeinsparung bewegt sich ungefähr in der gleichen Größenordnung. Wird der Strom für die Wärmepumpe mit einem Gasmotor-BHWK erzeugt, können die Emissionen sogar um 60 % sinken.

Gute Planung entscheidend
Damit die Abwasserheizung richtig ge­plant, dimensioniert und ausgeführt wird, empfiehlt der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) die frühzeitige Einschaltung eines erfahrenen Planungsbüros. Die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle stellt an planende und ausführende Ingenieure spezielle Anforderungen.
Eine wichtige Rolle für die Planung spielt das Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG). Es schreibt die Einbindung regenerativer Energien bei Neubauten und bei der grundlegenden Renovierung von öffentlichen Gebäuden vor. Nach § 7 gilt die Nutzung von Abwärme aus Abwasserströmen als zulässige Ersatzmaßnahme, wenn damit der Wärme- und Kälteenergiebedarf des Gebäudes zu mindestens 50 % gedeckt wird. Im baden-württembergischen Pendant, dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG), wird Abwärme und damit auch Abwasserwärme sogar als Erneuerbare Energie definiert, unter der Voraussetzung, dass die eingesetzte Elektro-Wärmepumpe eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von mindestens 3,5 erreicht.

Machbarkeitsstudie steht am Anfang
Zu Projektbeginn sollte eine Machbarkeits- oder Grobstudie klären, ob die Nutzung von Abwasserwärme am gewünschten Standort überhaupt infrage kommt. Klarheit bringt eine überschlägige Heizlastberechnung für das Gebäude sowie die Einschätzung der verfügbaren Abwassermenge und des sich daraus ergebenden Wärmepotenzials. Daten über das Kanalsystem liefert i. d. R. die Kommune. Mit den entsprechenden kommunalen Stellen, wie Tiefbauämtern, Stadtwerken und Abwasseranlagenbetreibern, muss besprochen werden, ob sie das Vorhaben generell unterstützen. Ein frühzeitiger Kontakt mit den zuständigen Ämtern ist während allen Projektphasen, von der Planung über den Bau bis zum Betrieb, von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Abwasserprojekts. Dabei müssen auch Haftungs- und Sicherheitsfragen, die sich durch die Kanalbenutzung ergeben, vertraglich geregelt und eine eventuell nötige gewässerschutzrechtliche Genehmigung geklärt werden.
Da öffentliche Bauherren mit den entsprechenden Akteuren aus dem Abwasserbereich bereits bestens vernetzt sind, entstanden die meisten Abwasserwärmeanlagen in Deutschland bisher in öffentlichen Liegenschaften wie Schulen, Sporthallen und Verwaltungsgebäuden sowie im öffentlichen Wohnungsbau. Kommunen verfügen auch über entscheidende Planungskompetenzen und können beispielsweise beim Bebauungsplanverfahren die Nutzung von Abwasserwärme von vorneherein festlegen.

Kriterien für Wirtschaftlichkeit
Für den wirtschaftlichen Betrieb der Abwasserwärmepumpe ist es entscheidend, dass nur größere Gebäude oder Nahwärmenetze ab einem Heizwärmebedarf von 100 kW angeschlossen werden. Sie sollten das ganze Jahr über einen Wärme- bzw. Kältebedarf aufweisen, möglichst geringe Vorlauftemperaturen benötigen und in der Nähe der Wärmequelle liegen. Bei kalten Nahwärmenetzen, die mit geringen Übertragungstemperaturen arbeiten, ist eine Entfernung von der Wärmequelle bis zum Abnehmer von bis zu 2 km möglich. Nicht geeignet für die Wärmeentnahme aus dem öffentlichen Kanalnetz sind Einfamilienhäuser sowie gewerbliche und industrielle Betriebe, die zur Deckung des Prozesswärmebedarfs hohe Vorlauftemperaturen benötigen.
Von zentraler Bedeutung für die Wärmegewinnung sind die Kanalverhältnisse. So muss der Abwasserkanal beispielsweise einen Durchfluss von mindes­tens 15 l/s aufweisen. Wärme darf nur so viel entzogen werden, dass der anschließende Klärprozess nicht gestört wird, denn eine zu hohe Temperaturreduzierung vermindert die Aktivität der Mikroorganismen in der Kläranlage. Nach der Wärmeentnahme sollte die Durchschnitts­temperatur des Abwassers über 10 °C liegen. Von bereits realisierten Abwasserwärmeprojekten wurden bislang keine negativen Auswirkungen auf Kläranlagen bekannt.

Vielfalt bei Wärmeübertragern
Zur Wärmeentnahme im Abwasserkanal gibt es auf dem Markt unterschiedliche Lösungen. Meist werden Wärmeübertrager in bestehende Kanäle eingebaut. Sie übertragen die aus dem Abwasser gewonnene Wärme über einen eigenen Wärmekreislauf auf der Basis von Wasser oder Sole an den Kreislauf der Wärmepumpe.
Der Anbieter Uhrig Kanaltechnik hat dazu beispielsweise das System „Therm-Liner“ entwickelt. Die Wärmeübertragermodule aus Edelstahl werden maßgefertigt auf die jeweilige Kanalsituation ausgelegt, über vorhandene Kanalschächte eingebracht und am Boden des Kanals montiert. Für geringe Abwassermengen ist der „Therm-Liner Form A“ geeignet. Er wird mit ausgebildetem Trockenwettergerinne auch bei geringen Abwassermengen voll überströmt. Der „Therm-Liner Form B“, in Form einer Halbschale, wird in Kanälen mit einem hohen Trockenwetterabfluss eingesetzt. Der zylinderförmige „Therm-Liner Form C“ kommt als Einschubverrohrung in nicht begehbaren Rohrsystemen wie Druckrohren zum Einsatz.
Für Kanalneubauten und -sanierungen bietet Rabtherm Energy Systems Rinnenwärmeübertrager als vorgefertigte Kanalelemente an. Bereits bei der Herstellung im Werk werden Edelstahlbleche in die Sohle der Betonrohre eingelassen. Die Rohre für den Vor- und Rücklauf inklusive der Anschlüsse sind in die Betonrohrwandung integriert.
Durch das Schmutzwasser bildet sich auf der Oberfläche von Wärmeübertragern mit der Zeit ein Biofilm, der die Übertragungsleistung um bis zu 50 % reduziert. Rabtherm verbaut deshalb Kupferstreifen in die Wärmeübertrager, die Ablagerungen größtenteils verhindern.
Ist der Einbau eines Wärmeübertragers in einen bestehenden Abwasserkanal nicht möglich, kann ein Bypass parallel zur Kanalisation erstellt werden. Mit „ThermWin“ hat Huber ein Konzept entwickelt, bei dem die Wärmeübertragung außerhalb des Kanals stattfindet. Hierzu wird ein Teilstrom des im Kanal fließenden Abwassers in einem Schacht gefördert, dort durch eine Siebanlage zunächst grob gereinigt und dann in den oberirdisch installierten Wärmeübertrager „RoWin“ gepumpt. Die gewonnene Wärme wird an die Wärmepumpe abgegeben und erreicht als Warmwasser die Verbraucher. Der Abwasserrücklauf führt zusammen mit dem gefilterten Siebgut zurück in den Abwasserkanal.

Wärmepumpenanlage meist hybrid
Die Wärmepumpe hat die Aufgabe, die gewonnene Abwasserwärme auf ein nutzbares Temperaturniveau zu heben. Je kleiner die Temperaturdifferenz zwischen der Wärmequelle und der Wärmesenke, der sogenannte Temperaturhub, umso wirtschaftlicher arbeitet die Wärmepumpe. Am effizientesten ist der Einsatz einer Flächenheizung mit rund 35 °C Vorlauftemperatur. In der Regel kommt zur Abdeckung von Spitzenlasten ein Gas- oder Ölheizkessel zum Einsatz, was die Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit erhöht. Die beste Energieeffizienz erzielen Abwasserwärmepumpen, die mit einem BHKW kombiniert werden, das Strom für den Antrieb der Wärmepumpe produziert und zusätzliche Wärme für die Heizung.

Fördergelder winken
Abwasserwärmeanlagen weisen zunächst oft höhere Investitionskosten auf, die sich durch den kostengünstigen Betrieb anschließend amortisieren müssen. Der Auftraggeber sollte deshalb überlegen, ob er das Projekt unter Einschaltung eines Contractors verwirklicht. Der Contractor finanziert die Anlage und ist für den Betrieb zuständig. Der Abnehmer bezahlt nur die bezogene Wärme.
Für die Finanzierung sind auch Fördermittel interessant. Gelder gibt es aus unterschiedlichen Fördertöpfen, z. B. Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Wärmepumpen, Wärmerückgewinnung, Nah- oder Fernwärme, Demonstrationsanlagen, Contracting und Wirtschaftsförderung.

Autorin: Almut Bruschke-Reimer, freie Energiejournalistin

 


 DWA-Regelwerk „Energie aus Abwasser“

Das Merkblatt DWA-M 114 „Energie aus Abwasser – Wärme- und Lageenergie“ der Deutschen Vereinigung für Abwasserwirtschaft, Wasser und Abfall (DWA) vom Juni 2009 bildet die Grundlage für die fachgerechte Planung, den Bau und den Unterhalt von Anlagen zur Abwasserwärmenutzung. Bis ca. Mitte 2018 soll eine aktualisierte Fassung des Merkblatts erscheinen.


 


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