Energetische Anforderungen werden verschärft
2. Stufe der EnEV 2014 tritt Anfang 2016 in Kraft
Mit dem Jahreswechsel werden die energetischen Anforderungen für Neubauten weiter verschärft. Um 25 % wird der Primärenergieverbrauch pro Quadratmeter und Jahr laut der 2. Stufe der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014 sinken. Wird das Auswirkungen auf bestimmte Energieträger haben? Ist der Einsatz von Gas-Brennwertheizungen im Neubau weiterhin eine der wirtschaftlichsten und beliebtesten Lösungen? Welche Konsequenzen werden Bauherren, Hersteller, Fachhandwerk und Fachplaner aus den neuen Anforderungen ziehen? Diese und weitere Fragen beantwortet Karl-Heinz Backhaus, Leiter Politik, Verbands- und Normungsmanagement bei Vaillant.
Eine wichtige umweltpolitische Zielvorgabe spiegelt sich in der Energieeinsparverordnung wider: Im Jahr 2050 sollen Gebäude in Deutschland nahezu CO2-neutral mit Energie versorgt werden. Sieht man sich die Entwicklung von der ersten Wärmeschutzverordnung bis heute an, so kommt man diesem Ziel stetig näher, denn mittlerweile ist der Primärenergiebedarf von rund 300 kWh/(m² · a) je nach Gebäudetyp auf rund 50 kWh/(m² · a) gesunken und beträgt damit ca. noch ein Sechstel. Dazu beigetragen hat sowohl der bauliche Wärmeschutz als auch die Energieeffizienz der verwendeten Heiz- bzw. Anlagentechnologie im Neubau. Für Bestandsgebäude sind im Hinblick auf die 2. Stufe der EnEV 2014 keine weiteren Verschärfungen der gesetzlichen Vorgaben vorgesehen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche wesentlichen Vorgaben ändern sich durch die 2. Stufe der EnEV 2014?
Karl-Heinz Backhaus: Der höchste Jahresprimärenergiebedarf zum Heizen, Lüften, Kühlen und zur Trinkwassererwärmung beträgt künftig rund 50 kWh/(m² · a). Er sinkt damit nochmals wie bereits zur 1. Stufe der EnEV 2014 um rund 25 %. Erfüllt werden können diese Vorgaben durch die Verwendung erneuerbarer Energieträger, hoch effiziente Heiztechnik und eine weiter verbesserte Dämmung. Gleichzeitig sinkt der maximal erlaubte, mittlere Wärmeverlust über die Gebäudehülle um ca. 20 %.
Der Primärenergiefaktor für Strom wird auf 1,8 gesenkt. 2009 lag dieser noch bei 2,6. Als Grund für die Reduzierung gilt der immer größer werdende Anteil von Wind- und Solarstrom im Vergleich zu Elektrizität, die aus fossilen Energieträgern gewonnen wird.
Bereits seit dem Inkrafttreten der EnEV 2014 müssen Wärmeerzeuger, die mehr als 30 Jahre alt sind, im Baubestand ausgetauscht werden. Davon ausgenommen sind private Wohngebäude, die bereits vor dem Jahr 2002 vom aktuellen Eigentümer bewohnt wurden und bestehende Niedertemperatur- sowie Brennwert-Heizgeräte.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sind die Verschärfungen der EnEV-Vorgaben technologienoffen umsetzbar?
Karl-Heinz Backhaus: Neben den aufgeführten Hauptforderungen enthält die EnEV sogenannte Nebenforderungen. Dazu zählt auch die Vorgabe zur weiteren Reduzierung der Transmissionswärmeverluste. Hier sehen wir ein Manko in puncto Technologieoffenheit, denn diese Forderung lässt sich nur mit einem noch höheren Dämmstandard erreichen. Bislang bestand in den Vorgaben die Wahlmöglichkeit, den eingesetzten Dämmstandard durch den Einsatz einer besonders effizienten Heiztechnik kompensieren zu können. So hatte der Bauherr nicht nur im Hinblick auf seine architektonischen Wünsche, sondern auch auf die Ausgestaltung der verwendeten technischen Gebäudeausrüstung größere Freiheit.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Konsequenzen wird die Einführung von Gebäude-Effizienzklassen haben?
Karl-Heinz Backhaus: Mit der 2. Stufe der EnEV wird auch die Angabe von Gebäude-Effizienzklassen von A+ bis H für alle Häuser in bestimmten Situationen wie z. B. dem Verkauf der Immobilie verpflichtend. Bereits seit dem 1. Mai 2015 müssen diese in Immobilienanzeigen angegeben werden. Die energetischen Kennwerte basieren auf der Endenergie und spiegeln nicht den realen Energieverbrauch wider. Teilweise stehen sie sogar im krassen Widerspruch zu den politischen Zielen der Energiewende, z. B. im Hinblick auf die Ausbauziele der Kraft-Wärme-Kopplung. Darüber hinaus kollidiert die Klassifizierung basierend auf der Endenergie teils mit bestehenden Förderprogrammen, die ihre Anforderungen am Primärenergiebedarf des Gebäudes ausrichten. Beispielsweise die KfW-Energieeffizienzprogramme, die auf dem Primärenergiebedarf beruhen.
Insbesondere wenn versucht wird, mit relativ geringen Investitionen eine sehr gute Effizienzeinstufung des Gebäudes zu erreichen, um bei Verkauf oder Vermietung eine hohe Rendite erzielen zu können, können schlichtweg energietechnisch falsche Entscheidungen zugrunde liegen. Ebenso lässt sich auch in einem Altbau mit einer benötigten Vorlauftemperatur von z. B. 75 °C durch die Investition in eine einfache Luft/Wasser-Wärmepumpe schnell eine sehr gute Gebäude-Effizienzklasse erreichen. Dass hier andere Anlagentechnologien deutlich effizienter wären und geringere Energiekosten hätten, ist jedoch jedem Fachmann klar. Die Konsequenz: Um hier Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist eine intensive Aufklärung der Endkunden von allen Marktbeteiligten erforderlich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Heiztechnologie kann die Vorgaben der EnEV im nächsten Jahr erfüllen?
Karl-Heinz Backhaus: Zu dieser Frage hat u. a. das Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG) in der Studie „Neubaukompass 2015“ untersucht, unter welchen Bedingungen die verfügbaren Heiztechnologien die anstehenden EnEV-Anforderungen erfüllen.
Grundsätzlich sollten sowohl Investitions- als auch Betriebskosten der gewünschten Heiztechnologie verglichen werden. Hier hat der ITG-Neubaukompass ein klares Ergebnis ergeben: Bei einem geringfügig verbesserten Wärmeschutz gegenüber den EnEV-Vorgaben – z. B. durch den Einsatz einer Drei- statt Zweischeiben-Verglasung – ist eine Erdgas-Brennwertheizung mit solarer Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung das kostengünstigste System. Soll der bauliche Wärmeschutz nicht verbessert werden, bietet sich der Einsatz einer kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als zusätzliche Maßnahme an. Dies ist in nahezu allen Fällen ohnehin aufgrund der dichten Gebäudehülle zwangsläufig erforderlich.
Doch auch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe, eine Erdgas-Hybridheizung, eine Gaswärmepumpe mit solarer Unterstützung, ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das Brennstoffzellen-Heizgerät und ein Pellet-Heizkessel können die Vorgaben der EnEV weiterhin erfüllen – wenn die Vorgaben entsprechend beachtet und teilweise ggf. Zusatzmaßnahmen getroffen werden, die oftmals ohnehin erforderlich sind, ohne vorgeschrieben zu sein. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Auch mit den anstehenden Vorgaben der EnEV ist weiterhin der Einsatz aller Technologien der Wärmeerzeugung möglich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was bedeutet die Reduzierung des Primärenergiefaktors für Strom?
Karl-Heinz Backhaus: Ökodesign-Richtlinie und EnEV haben eine wesentliche Gemeinsamkeit: Der große Gewinner aus beiden Regelwerken ist der Energieträger Strom – nicht aber unbedingt auch die Energieeffizienz. Der Hintergrund: Während der Primärenergiefaktor für Erdgas bei 1,1 liegt, betrug der Primärenergiefaktor für Strom bis Ende 2013 2,6. Mit der aktuellen EnEV-Novelle wird dieser jedoch einseitig zugunsten von Strom verschoben. Mit Inkrafttreten der EnEV 2014 sank der Primärenergiefaktor für Strom von 2,6 auf 2,4. Ab dem 1. Januar 2016 reduziert er sich dann sogar auf 1,8.
Die Begründung dafür erscheint zunächst plausibel: Der Anteil des aus Atom-Kraftwerken erzeugten Stroms geht kontinuierlich weiter zurück. Dieser hat einen vergleichsweise hohen Primärenergiefaktor im Vergleich zu erneuerbaren Energieträgern. Auch der Anteil des Stroms, der aus fossilen Energieträgern gewonnen wird, sinkt weiter. Durch den stetig steigenden Anteil von erneuerbaren Energieträgern in der Stromerzeugung setzt sich der Primärenergiefaktor für Strom dadurch anders zusammen.
Ohne jegliche Verbesserungen hinsichtlich ihrer Effizienz werden zukünftig dadurch jedoch elektrisch betriebene Wärmepumpen gegenüber den Technologien Solarthermie, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Gas-Brennwerttechnik höher bewertet, als dies derzeit der Fall ist. Im Endeffekt wird bei dieser Einstufung eine Prognose über den zukünftigen vermutlichen Anteil von Erneuerbaren Energien im Strommix für den öffentlich rechtlichen Nachweis und Energieberatungen herangezogen, ohne den verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien bei anderen Energiearten zu berücksichtigen. Dadurch verlieren fossil betriebene Heizsystme an Wettbewerbsfähigkeit. Gerade die statische Bewertung des Energieträgers Gas spielt hier eine wesentliche Rolle in der künftigen Bewertung von unbestrittenen Hocheffizienz-Technologien wie der KWK – sei es im BHKW oder der Brennstoffzelle.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Auswirkung hat diese Situation für Technologien, die mit Erneuerbaren Energien arbeiten?
Karl-Heinz Backhaus: Ein Absatzrückgang, der sich in den Marktzahlen des Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) zeigt: Wurden 2008 noch bei über 45 % aller Heizungsanlagen erneuerbare Energieträger eingesetzt, liegt diese Quote sieben Jahre später bei nur noch 21 %. Das hängt u. a. auch damit zusammen, dass Wärmeerzeuger derzeit erst dann getauscht werden, wenn sie ausfallen. Bei der Hälfte aller Gerätewechsel ist das im Winter der Fall, wenn es darauf ankommt, sehr schnell zu reagieren. Dann ist oft keine Zeit mehr, über Alternativen für das bestehende System nachzudenken und zu planen. Vielmehr wird dann einfach schnellstmöglich ein Austauschgerät mit der gleichen Technologie installiert. Mithin steht also tatsächlich nur die Hälfte des Marktpotenzials für höherwertige Anlagentechnik mit erneuerbaren Energieträgern zur Verfügung.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was sollte vor diesem Hintergrund die nächste EnEV-Novelle berücksichtigen?
Karl-Heinz Backhaus: Damit die Energiearten wieder eine faire Bewertung erhalten, besteht eine der zentralen Forderungen aus dem Markt darin, dass im Rahmen der nächsten EnEV-Novelle beispielsweise der steigende Anteil Erneuerbarer Energien im Erdgas über u. a. Bio-, Deponie- und Klärgas berücksichtigt wird.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie hat sich die Austauschpflicht für Heizkessel mit einem Alter von über 30 Jahren bislang bewährt?
Karl-Heinz Backhaus: Nach Schätzungen des BDH sind 1,2 Mio. Wärmeerzeuger in Deutschland älter als 30 Jahre und damit sehr ineffizient. Bedingt durch die Ausnahmeregeln der prinzipiell bestehenden Austauschpflicht von mehr als 30 Jahre alten Wärmeerzeugern, verbleiben nach Schätzungen aus der gleichen Untersuchung noch 400 000 Heizgeräte, die umgehend außer Betrieb genommen werden müssten. Aus mehreren Gründen hat diese Austauschpflicht bislang jedoch keinerlei Auswirkungen auf den Markt gehabt. Zum Beispiel ist es für den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger vor Ort in der Praxis ohne Hilfsmittel quasi unmöglich, zwischen einem Standard- und einem Niedertemperaturkessel zu unterscheiden. Hier hat der BDH aktuell eine Liste aller betroffenen Produkte erstellt, die diese Arbeit erleichtert. Gleichzeitig erhofft sich die Branche durch das kommende Labeling von Bestandsheizkesseln eine bessere Identifikation der entsprechenden Produkte.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Forderungen hat der Markt an die nächste Novellierung der EnEV, die eventuell in 2017 umgesetzt wird?
Karl-Heinz Backhaus: Der wichtigste Aspekt in der Novellierung der zukünftigen EnEV betrifft nach Ansicht von Meinungsträgern im Markt nicht nur die EnEV, sondern auch das EEWärmeG. Weil beide Regelwerke nicht gemeinsam, sondern mit teils erheblichem Zeitabstand erneuert werden, ergeben sich hier fast automatisch Widersprüche. So kann z. B. der Einsatz einer bestimmten Technologie der Wärmeerzeugung zwar das EEWärmeG erfüllen, nicht aber die EnEV. Doch auch in puncto EnEV Berechnungsverfahren herrscht Unklarheit. Neben der DIN V 18599 kann mit der DIN V 4701, Teil 10 – obwohl als schnelle Entscheidungshilfe gut nutzbar – auch eine Vorschrift eingesetzt werden, in der neue Technologien der Wärmeerzeugung nicht enthalten sind und so automatisch nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen werden können.
In jedem Fall überarbeitet werden sollten die Primärenergiefaktoren für alle Energieträger, vor allen Dingen für Gas. Als Hersteller, der sowohl Elektro-Wärmepumpen, die durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen profitieren, als auch z. B. Gas- und Öl-Brennwerttechnik
oder BHKWs, Solartechnik und Brennstoffzellen-Heizgeräte im Portfolio hat, können wir diese Forderung sachlich neutral mit der notwendigen Gleichbehandlung aller Energieträger begründen.
Auch die zeitgemäße und notwendige Verbindung von Photovoltaikanlagen mit Gas-Brennwertgeräten sollte sich gegenrechnen lassen. Dadurch lässt sich zum einen der rechnerisch angesetzte Primärenergieverbrauch realistisch reduzieren und zum anderen zur Verfügung stehender Solarstrom in Form von Wärme zwischenspeichern, statt ihn in das Netz einzuspeisen – eine der zentralen Forderungen der Energiewende. Die zentrale Forderung lautet hier, dass der Einsatz von fossilen Energieträgern plus Photovoltaik laut EnEV anrechenbar ist und im EEWärmeG als Erneuerbare Energie anerkannt wird.
Letztendlich sollte auch der verbrauchsorientierte Energiebedarfsausweis mit seinen Konsequenzen auf den Prüfstand gestellt werden. Denn eine Grundlage für Energieberatung oder gar eine Entscheidungsgrundlage kann dieser Ausweis nicht bieten. Um dennoch die Kosten für Hauseigentümer durch die Ausstellung eines bedarfsorientierten Ausweises nicht steigen zu lassen, wären hier staatliche Fördermaßnahmen für die Energieberatung wünschenswert.
Bilder: Vaillant