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Elektrochemischer Korrosionsschutz in wasserführenden AnlagenTeil I: Grundlagen

Elektrochemischer Korrosionsschutz in wasserführenden Anlagen gründet auf den Erkenntnissen der Elektrochemie und hieraus abgeleiteter technischer Lösungen der Hausgeräteindustrie. Sie finden in privaten Haushalten und im industriellen Umfeld Anwendung. Wo Wasser nicht nur fließt, sondern für den Gebrauch in metallischen Speichern bereitgehalten wird, ist elektrochemischer Korrosionsschutz unumgänglich, ansonsten fände dort unweigerlich Korrosion statt. Deshalb müssen professionelle Vorkehrungen systematisch getroffen werden. Im ersten Teil dieses Artikels gibt der Autor einen Einblick in die Grundlagen des elektrochemischen Korrosionsschutzes. Der zweite Teil des Artikels befasst sich mit der Planung und Ausführung von Korrosionsschutzmaßnahmen und zeigt außerdem typische Problemfälle im Anwendungsalltag auf.

 

Wasserführende Anlagen dienen dem Transport und der Speicherung sowie der Aufbereitung von Wasser, insbesondere der Erwärmung. Das ist in vielen Teilen der Welt zur Selbstverständlichkeit geworden. Die zentrale Einheit wasserführender Anlagen ist der Speicherwassererwärmer. Die technische Lösung, Wasser zu erwärmen und bereitzuhalten, hat zwei wichtige Herausforderungen zu bestehen: erstens den Speicher funktionell und ökonomisch zu erhalten und zweitens den Schutz der Gesundheit der Nutzer zu gewährleisten. Das gilt besonders für die modernen, hochgradig energieeffizienten Speicherkonzepte mit komplexen Funktionen, beispielsweise Solarspeicher oder Schichtenladespeicher.
Die wichtigsten Anforderungen an Speicherwassererwärmer sind:
• Beständigkeit gegen Undichtwerden als Folge von Materialzerstörung (Korrosionsschäden),
• Keine Beeinträchtigung der betrieblichen Funktion durch Ablagerungen oder Wasserverunreinigungen mit festen Korrosionsprodukten,
• Keine Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität durch Korrosionsreaktionen.

Ionenbewegungen und Reaktionen beim kathodischen Korrosionsschutz: Die Magnesiumanode setzt elektrische Ladung (Elektronen e-) frei, die durch den äußeren Stromleiterkreis zum zu schützenden Objekt fließt. Die Veränderung der Ladungsverhältnisse führt zur deutlichen Verringerung der Korrosionsgeschwindigkeit. Die Eisenionen der Behälterwand treten nicht aus.

 

Spannungsreihe der Metalle in Leitungswasser (EH).

 

Die wasserseitigen und betriebsbedingten Einflüsse stellen mitunter hohe Anforderungen an Speicherwassererwärmer, denn die Betriebsfähigkeit ist über 24 Stunden täglich und an 365 Tagen im Jahr gefordert – bei Wassertemperaturen bis nahe 99 °C, die bei Solarspeichern erreicht werden. Die Wasserqualität kann je nach Einsatzregion sehr unterschiedlich sein, insbesondere bezüglich der elektrischen Leitfähigkeit oder den Gehalten an korrosionsfördernden Salzen und weiteren Wasserinhaltsstoffen.

Orientierung durch Regelwerke und Normen
Im Umfeld von Speichern wird in der industriellen und handwerklichen Anwendung meist von kathodischem Korrosionsschutz gesprochen. Ein umfangreiches Normenwerk für den kathodischen Korrosionsschutz ist auf der Grundlage praktischer Anwendungserfahrungen und Laboruntersuchungen entstanden.
Für Trinkwasser geben Regelungen, wie beispielsweise die Trinkwasserverordnung, sowie EG-Richtlinien Orientierung. Diese sind für den Betrieb des Behälters maßgeblich. Die Norm DIN EN 12502 „Korrosionsschutz metallischer Werkstoffe – Hinweise zur Abschätzung der Korrosionswahrscheinlichkeit in Wasserverteilungs- und -speichersystemen“ gibt Erläuterungen zum Korrosionsverhalten metallischer Werkstoffe in Kontakt mit Wässern. Sie umfasst fünf Teile mit Ausführungen zu Kupfer- und Kupferlegierungen, schmelztauchverzinkten Eisenwerkstoffen, nichtrostenden Stählen sowie Gusseisen, unlegierten und niedriglegierten Stählen. Wichtig ist, dass bei salzreicheren, als den in der Norm betrachteten Betriebswässern, mögliche Abweichungen zu beachten sind. Zur weiteren Bewertung und zur Anforderung beim Einsatz kathodischer Korrosionsschutzmaßnahmen können die Angaben nach DIN 50927 „Planung und Anwendung des elektrochemischen Korrosionsschutzes für die Innenflächen von Apparaten, Behältern und Rohren (Innenschutz)“ herangezogen werden. Die Hersteller und Betreiber von Anlagen erarbeiten gemeinsam mit den Spezialisten für den kathodischen Korrosionsschutz beständig neue Lösungen, wo es noch keine Vorgaben gibt.

 

Richtwerte für Schutzpotenziale gegen Standard-Wasserstoffelektrode. Zur Erläuterung: Damit elektrochemischer Korrosionsschutz wirksam werden kann, muss das erforderliche Schutzpotenzial unterschritten werden. Bei einigen Metallen darf zusätzlich das untere kritische Potenzial nicht unterschritten werden, ohne den Schutz aufzugeben. Auf dieser Grundlage dimensionieren die Behältersteller den kathodischen Korrosionsschutz.

 

Das Prinzip des kathodischen Korrosionsschutzes
Das Prinzip beruht auf elektrochemischen Reaktionsabläufen mit Ionenbewegungen im Speicherinnern und elektrischem Stromfluss im Außenkreis. Korrosionsanfällig ist die Behälterwand. Beim kathodischen Korrosionsschutz wird sie zur Kathode „umgepolt“. Dazu wird eine als Anode wirkende Schutzeinheit zusätzlich eingebracht. Diese Schutzeinheit kann beispielsweise eine galvanische Anode sein. Werkstoffe hierfür sind Magnesium, Aluminium oder Zink. Aus physiologischen und elektrochemischen Gründen kommen für Trinkwässer nur Magnesiumanoden infrage. An der wasserberührten, metallischen Oberfläche des Speichers kommt es in der Folge zu elektrochemischer Polarisation. Sie bringt den Korrosionsfortschritt zum Stillstand – eine richtige Einstellung vorausgesetzt. Die Teilreaktionen sind in der Übersicht „Ionenbewegungen“ dargestellt.

Der Speicher wird zur Kathode
Die wasserberührte Speicheroberfläche stellt im Kontakt mit der Magnesiumanode die Kathode dar. Der korrosionauslösende Stoff ist der im Wasser gelöste molekulare Sauerstoff (O2). Er richtet seinen Angriff ohne Schutzmaßnahme auf das Eisen der Speicherwand. In diesem Fall bildeten sich  Eisenoxide, also Rost. Die treibende Kraft für die Korrosion ist die kathodische Teilreaktion der Sauerstoffreduktion („primäre Reaktion“).
Wird die Speicherwand mit einem Metall in Kontakt gebracht, das unedler als Stahl ist, so unterbleibt der Angriff des Sauerstoffs auf den Eisenwerkstoff der Behälterwand. ­Solch unedlere Werkstoffe sind beispielsweise Magnesium, Zink oder Aluminium. Aus ihnen können galvanische Schutzanoden gefertigt werden. Die für die kathodische Sauerstoffreduktion erforderlichen Ladungsträger (Elektronen, e-) werden dann von der Schutzanode, statt von der Speicherwand, zur Verfügung gestellt. Die Korrosionsreaktion wird so auf die Anode umgeleitet, die sich dabei im Zeitverlauf stofflich opfert – und deshalb auch als Opferanode bezeichnet wird. Sie ist so konstruiert, dass sie sich in solch einem Fall leicht ausbauen und ersetzen lässt.
An dem zu schützenden Objekt, der metallischen Speicherwand, kommt es infolge elektrochemischer Vorgänge zu einer Veränderung der elektrischen Ladungsverhältnisse. Das elektrochemische Wandpotenzial sinkt, sodass die Korrosionsgeschwindigkeit um Größenordnungen verlangsamt wird. Die für die Korrosionshemmung letztlich ursächliche elektrochemische Potenzialverschiebung zu negativeren, also kathodischeren, Werten gibt dem Verfahren seinen Namen: kathodischer Korrosionsschutz.
Je nach Kombination von metallischem Werkstoff des Speichers und Wasser (Elektrolyt) sind unterschiedliche Schutzpotenziale erforderlich. Bei der Kombination von Eisen oder niedriglegiertem Stahl und neutralem, kaltem Wasser muss das Schutzpotenzial negativer als EH = - 0,55 V sein; bei nichtrostendem Stahl und heißem Wasser muss es kleiner EH = 0,0 V sein.
Die erforderlichen Schutzpotenziale für andere Kombinationen können aus der Tabelle abgelesen werden. Die Angaben EH beziehen sich auf die international geltende Normalwasserstoffelektrode (NHE) als Referenz.

Anwendungsgrundlagen für den kathodischen Korrosionsschutz
Damit kathodischer Korrosionsschutz in der Praxis funktioniert, sind grundlegende Voraussetzungen zu erfüllen. Für den Bereich kommerzieller Speicherwassererwärmer mit Emaillierung beziehen sie sich vor allem auf die Dauerhaftigkeit der Emaillierung, die Leitfähigkeit von Medium und Schutzobjekt und die Schutzstromverteilung.
Grundsätzlich ist es möglich, auch vollkommen unbeschichtete Behälterkonstruktionen aus unlegiertem Stahl als Basiswerkstoff zu schützen. Dies  erforderte jedoch große Anoden mit hohem Kostenaufwand, wobei die Lebensdauer solcher Anoden relativ kurz wäre. Aus diesem Grund werden in der Praxis emaillierte Speicher verwendet. Emaillierungen sind ein elektrischer Isolator, ähnlich Glas. Jedoch weisen Emailschichten in der Praxis immer Zehr- und Fehlstellen auf. Der Schutz dieser stromziehenden Stellen in der Emailoberfläche ist die wesentliche Aufgabe des kathodischen Schutzes. Die Individuelle Größe sowie die zulässige Flächensumme solcher Emailfehler dürfen festgelegte Grenzwerte nicht überschreiten, damit der kathodische Korrosionsschutz mittels Opferanoden oder Fremdstromsystemen über den Nutzungszyklus des Speichers funktioniert. Das wird durch genormte Produktionsverfahren erreicht. Die aktuelle Orientierung laut DIN 4753 Teil 3 ist ein Qualitätsgrad der Behälteremaillierung mit einem Wert über 99,8 %. Nur der Schutz der verbleibenden Restfläche ist also Aufgabe des kathodischen Korrosionsschutzes. Bei einer angenommenen Emailoberfläche von 1 m² (gleich 10 000 cm²) darf die Flächensumme der Zehr- und Fehlstellen also 20 cm² absolut nicht übersteigen. Aus diesem Grund ist eine Kombination mit kathodischem Schutz erforderlich und in der Praxis durchgängig zu finden.

 

Aufbau einer einschichtigen Emaillierung.

 

Aufbau der isolierten Wärmetauscherdurchführung mit Isolierverschraubung.

 

Metallische Leitfähigkeit
Zwischen den zu schützenden Flächen des Speichers und der oder den schützenden Anode(n) muss eine durchgehende, elektrolytische Verbindung bestehen. Der Elektrolyt sichert den Transport des Schutzstroms. Er muss keine homogene Lösung wie Wasser, sondern kann auch ein Flüssigkeits-Feststoff-Gemisch sein, wie bei einem Filterkessel. Besteht das Medium aber im Wesentlichen aus einer nichtleitenden Flüssigkeit, wie beispielsweise Öl, ist kathodischer Korrosionsschutz nicht erzielbar.
Auch das Schutzobjekt selbst muss durchgehend metallisch leitfähig sein. Bei Verwendung von galvanischen Anoden oder von Fremdstromsystemen mit geringer Stromabgabe dürfen im Wasserraum auch keine weiteren sogenannten Fremdkathoden installiert sein, die aus edleren Metallen gefertigt sind, wie beispielsweise Wärmetauscher, weil diese die Schutzstromverteilung beeinträchtigen. Eine metallisch leitende Verbindung von Fremdkathoden zum Schutzobjekt darf nur in Kauf genommen werden, wenn deren Oberfläche einen vernachlässigbar geringen Schutzstrom aufnimmt.
Ist der Einbau von Fremdkathoden, beispielsweise Kupfer-Wärmetauscher in emaillierten Speicherwassererwärmern, erforderlich, muss die metallisch leitende Verbindung der Wärmetauscher zum Schutzobjekt (Speicher) mithilfe von Isolierstücken unterbunden werden (siehe Grafik). Maßnahmen zur Vermeidung von Stromaustrittskorrosion sind zu berücksichtigen.

Die Schutzstromverteilung
Nur wenn der Strom so verteilt wird, dass das erforderliche Schutzpotenzial an allen Stellen des Schutzobjektes ausreichend vorhanden ist, kann kathodischer Korrosionsschutz an der gesamten Behälterinnenfläche wirken. Dies ist erreichbar durch
• die Erhöhung des Polarisations- bzw. Beschichtungswiderstandes und der elektrolytischen Leitfähigkeit des Mediums,
• die Erhöhung der Anzahl von Schutz­anoden,
• das Vermindern des Ausbreitungswiderstandes,
• die konstruktive Gestaltung des Speichers,
• die Anordnung der Schutzanoden.

Das Maß für die Stromausbreitung ist der Polarisations-Parameter K. Er wird nach der Formel K = rp · k berechnet. Dabei ist rp der spezifische Polarisationswiderstand
(Ω m2) und k die elektrische Leitfähigkeit des Mediums (S cm-1). Nach dieser Gleichung nimmt die Gleichmäßigkeit der Polarisation mit ansteigenden Messwerten für den Polarisations- bzw. Beschichtungswiderstand und mit ansteigender Leitfähigkeit der Elektrolytlösung zu. In der planerischen Praxis zur Anwendung des kathodischen Korrosionsschutzes bedeutet dies, dass die Schutzwirkung emaillierter Speicher durch zunehmende elektrische Leitfähigkeit des Wassers sowie durch steigende Emailqualität verbessert wird.
Fortsetzung folgt.

Bilder: Magontec GmbH

Autor: Dr. Wilfried Bytyn, Leiter Forschung und Entwicklung, Magontec GmbH, Bottrop.
Ausführungen zu einem Vortrag vom 21. Juni 2010 anlässlich des 8. Korrosionum der GfKORR - Gesellschaft für Korrosionsschutz e. V., Frankfurt/Main (Deutschland)


www.magontec.com

 


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