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Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz - Biogas statt Gazprom

Seit Gas aus dem Fermenter veredelt und in das Erdgasnetz eingespeist wird, freut sich die Branche über neue Perspektiven. Aber die Ressourcen für Gas aus der organischen Vergärung sind begrenzt.

Bioerdgasanlage der Schmack Biogas AG. Bild: Schmack

Aufbau einer Biogasanlage. Bild: IKZ-ENERGY Archiv

 

Die Nutzung von Biogas war bislang auf den Ort seiner Herstellung beschränkt. Seit Neuestem aber können selbst Haushalte Biogas zum Kochen und Heizen nutzen. Möglich ist das durch die Einspeisung von Biogas in das Netz. Die funktioniert wie beim Ökostrom virtuell. Beim Verbraucher kommt nicht unbedingt Biogas aus der Leitung. Sein Versorger ist aber verpflichtet, die verkaufte Menge Biogas in das Netz einzuspeisen. Dafür muss Biogas auf Erdgas-Qualität aufbereitet werden. Das geschieht im Wesentlichen durch Entschwefelung und die Abtrennung von Kohlendioxid. Zusätzlich ist eine Druckanpassung nötig.
Einer der Vorreiter bei der Versorgung von Privatkunden mit Biogas ist der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick, der seit Oktober 2007 ein Gemisch aus aufbereitetem Biogas und Erdgas anbietet. Allerdings beträgt der Biogas-Anteil gerade einmal 5%. Für einen höheren Anteil ist Biogas nach Auffassung von Firmensprecher Gero Lücking zu teuer. „Eine hohe Beimischquote nützt nichts, wenn sich kaum einer das Produkt leisten kann.“ Seit Kurzem bieten Versorger aber auch Produkte für Privatkunden mit höheren Beimischquoten an. Bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG etwa beträgt der Anteil 20%. Wie viele Kunden das Angebot wirklich nutzen werden, steht aber noch in den Sternen.

Großes Potenzial

Das Potenzial ist groß. Die Hälfte aller vorhandenen Gebäude wird nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) über Erdgas mit Wärme versorgt. Beim Neubau von Wohnungen setzt zwei Drittel der Bauherren auf eine Gasheizung. Erdgas ist unter den fossilen Energieträgern der klima- und umweltfreundlichste. Doch verursacht auch eine Erdgas-Brennwerttherme noch über 250 g CO2-Äquivalent pro kWh.
Laut einer Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Energie, Umwelt, reduziert Biogas in einer Brennwerttherme den Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber fossilem Erdgas um fast die Hälfte. „Mit aufbereitetem Biogas können die Kunden auf einfache Art und Weise den Anteil Erneuerbarer Energien an ihrer Wärmeversorgung erhöhen“, sagt Jan Ulland vom  BDEW. Branchenziel ist deshalb ab 2030 die Einspeisung von 100 Mrd. kWh pro Jahr. Das entspräche 10% des in Deutschland verbrauchten Erdgases.
Steht der  Biogasbranche also ein riesiger Boom bevor? Zumindest kündigen viele Unternehmen die Inbetriebnahme oder den Bau von Aufbereitungsanlagen an. Im bayrischen Schwandorf wurde erst kürzlich ein Fermenter mit Aufbereitungsanlage eingeweiht, den die Schmack Biogas gemeinsam mit der E.ON gebaut hat. Die Weltec Biopower errichtet zwischen Halle und Magdeburg die nach eigenen Angaben derzeit größte Biogasanlage mit Einspeisung ins Erdgasnetz der Welt. 30 Mio. m³ Rohgas sollen dort aufbereitet werden. Dafür müssen 120000 t Substrat vergären. Ganz in der Nähe läuft bereits seit Dezember eine Biogas-Aufbereitung der agri.capital GmbH. Die Anlage speist pro Jahr 8 Mio. m³ aufbereitetes Biogas ins Netz der Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH (Mitgas). Die agri.capital plant fünf weitere Biogas-Aufbereitungen.

Alternative Substanzen

Doch woher sollen dafür in Zukunft ausreichend organische Substanzen kommen? Häufig wird Gülle, Mais oder Getreide vergoren. Als Alternativen sind aber auch Grasschnitt oder Chinaschilf im Gespräch. Bereits genutzt werden organische Abfälle, etwa aus Schlachtbetrieben. Eine vor allem auch ökologisch sinnvolle Variante ist die Vergärung von Abfallstoffen aus der Viehhaltung, von Gülle über Festmist bis zu Hühnerkot. Aus diesem Grund wurden die EEG-Vergütungen für solche Anlagen deutlich angehoben. „Damit werden nicht nur klimaschädliche Methanemissionen aus der Landwirtschaft eliminiert, sondern auch noch zu Strom und Wärme umgewandelt“, sagt Wolfgang Urban von Fraunhofer Umsicht. Der Experte wird im Dezember auf der Messe „waste to energy“ in Bremen  gemeinsam mit anderen Fachleuten zu den Perspektiven der Biogaserzeugung referieren. Die europäische Leitmesse für Energie aus Abfall und Biomasse findet zum vierten Mal statt.
„Biomasse ist eine limitierte Ressource in Deutschland, zumal der Anbau von Lebensmitteln, Futterpflanzen und der Naturschutz berechtigterweise Vorrang haben.“ Wolfgang Urban sieht die Nutzung von Biogas in Heizungsthermen oder Kraftfahrzeugen eher kritisch. „Nur in der Kraft-Wärme-Kopplung wird Biogas mit der höchsten energetischen und ökologischen Effizienz genutzt.“
Bei den Stadtwerken Aachen hat man das begriffen. In zwei eigenen Anlagen produziert und veredelt der lokale Versorger Biogas. Damit laufen an unterschiedlichen Standorten sieben eigene Block-heizkraftwerke. So gewinnen die Aachener gleichzeitig Strom und Wärme. Und das ganz ohne die Gazprom.

Autor: Klaus Sieg

 


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