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Eine Rechtslage mit vielen Fallstricken Problematik bei Abberufung und außerordentlicher Kündigung des Geschäftsführers

Die auf dem Geschäftsführer lastende Erwartungshaltung der Gesellschafter ist groß. Wird diese nicht erfüllt, werden selbst dann, wenn die Ursachen außerhalb des Einflussbereiches des Geschäftsführers liegen, nicht selten Gründe für die Trennung gesucht und vorgeschoben, die bei wirtschaftlich erfolgreicher Geschäftsführung ohne Relevanz geblieben wären. Dies provoziert geradezu Auseinandersetzungen. Nachfolgend werden einige wichtige Problembereiche am Beispiel des GmbH-Geschäftsführers beleuchtet.

 

Trennung zwischen Organstellung und Geschäftsführervertrag
Bei dem Geschäftsführer ist immer streng zwischen seiner Organstellung als Geschäftsführer und seinem mit der GmbH geschlossenen Geschäftsführervertrag  zu unterscheiden.
Während der Geschäftsführer nach dem Gesetz jederzeit mit sofortiger Wirkung von seinem Geschäftsführeramt abberufen werden kann, ist für die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführervertrages nach § 626 BGB das Vorliegen eines sogenannten wichtigen Grundes erforderlich.
Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag auch die Abberufung des Geschäftsführers davon abhängig machen, dass ein wichtiger Grund vorliegt – und zwar sowohl bei einem Gesellschafter- als auch bei einem Fremdgeschäftsführer.
Der regelmäßig auf einige Jahre befristete Geschäftsführervertrag mit der hohen Beendigungshürde des § 626 BGB dient als Ausgleich für die grundsätzlich freie Widerruflichkeit der Organstellung. Umso kritischer zu beurteilen sind sogenannte Koppelungsklauseln, die im Fall der Abberufung ein gleichzeitiges Recht zur Kündigung des Geschäftsführervertrages geben oder die den Bestand des Anstellungsverhältnisses im Wege einer Bedingung an den Fortbestand des Organverhältnisses knüpfen.
Zulässig sind solche Klauseln, wenn die Abberufung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft ist oder wenn die Koppelung nicht zu einer Unterschreitung von vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsgründen führt.

Abmahnung
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die außerordentliche Kündigung in der Regel keine Abmahnung voraus, da der Geschäftsführer die ihm obliegenden Pflichten kennen und sich über die Tragweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne besondere Hinweise und Ermahnungen im Klaren sein müsse. Eine andere Beurteilung gilt nur ausnahmsweise.
Der Geschäftsführer kann sich daher nicht darauf verlassen, eine zweite Chance zu erhalten.

Wichtiger Grund
Die Begriffe des „wichtigen Grundes“ zur Kündigung des Anstellungsverthältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB und im Sinne des § 38 Abs. 2 GmbHG sind nicht deckungsgleich, wenngleich die für eine Kündigung nach § 626 BGB ausreichenden Gründe grundsätzlich auch eine Abberufung nach § 38 Abs. 2 GmbHG rechtfertigen.
Dies beruht darauf, dass es sich bei der Kündigung um ein vertragliches Gestaltungsrecht handelt, in dessen Rahmen bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes eine umfassende Gesamtwürdigung vorzunehmen ist, während es bei der Abberufung um eine verbandsrechtlich eingebundene Entscheidung geht.
Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinnes des § 626 Abs. 1 BGB sind z.B. ständige und beharrliche Verstöße gegen Gesellschafterweisungen, schwerwiegende Kompetenzüberschreitungen und Unregelmäßigkeiten im finanziellen Bereich.
Letztlich kommt es darauf an, ob unbestrittene oder bewiesene Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach ordentlicher Abwägung der Interessen beider Seiten zu dem Ergebnis führen, dass es unzumutbar ist, das Anstellungsverhältnis bis zu dem ordentlichen Zeitablauf fortzusetzen. Sämtliche Umstände des Einzelfalls sind unter Beachtung des Gewichts, der konkreten Situation für die Gesellschaft und der entstandenen Folgen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien abzuwägen.
Die eröffnet im Einzelfall die erforderlichen Argumentationsspielräume, um im konkreten Fall ein sachgerechtes Ergebnis zu erreichen.

2-Wochen-Frist
Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Da bei der GmbH Kündigungsberechtigter in der Regel ein Gremium ist – gewöhnlich die Gesellschafterversammlung – hat der BGH Kriterien dafür entwickelt, auf wessen Wissensstand es ankommt und ab wann die Frist zu laufen beginnt.
Fristbeginn ist der Zusammentritt des zuständigen Organs, in der Regel also der Gesellschafterversammlung, sodass es auf das Wissen einzelner Gesellschafter oder  Mitgeschäftsführer für den Fristbeginn nicht ankommt. Die Einberufung des zuständigen Gremiums darf jedoch nicht unangemessen verzögert werden, was wiederum einen entsprechenden Wissensstand bei den Einberufungsberechtigten (z. B. Geschäftsführer nach § 49 Abs. 1 GmbHG oder Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 GmbHG) voraussetzt. Der Kreis der relevanten Wissensträger wird auch auf sonstige aufgrund Treuepflichten zum Betreiben einer Gesellschafterversammlung Verpflichtete erstreckt.
Wird entsprechend diesen Grundsätzen mit angemessener Beschleunigung einberufen, läuft die 2-Wochen-Frist ab Kenntniserlangung des Gremiums. Bei unangemessener Verzögerung läuft die  Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem redlicherweise das Gremium hätte einberufen werden können.
Wie lange ein relevanter Wissensträger ab Erlangung des Wissens Zeit zur Einberufung des Gremiums hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Zeitraum sollte in Anlehnung an § 626 Abs. 2 BGB auf keinen Fall länger, sondern eher kürzer als zwei Wochen sein.
Praxistipp für die relevanten Wissensträger und das Entscheidungsgremium: Sorgen Sie für eine minutiöse Dokumentation der Wissenserlangung und weitere Aufklärung!
Bei Nichteinhaltung der Frist ist die Kündigung selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam.

Beschlussfassung und Erklärung
Bei der Beschlussfassung über Abberufung und außerordentliche Kündigung sowie der anschließenden Erklärung gegenüber dem Geschäftsführer sind immer wieder Mängel festzustellen, sodass Folgendes zu beachten ist:
Das zuständige Gremium (in der Regel die Gesellschafterversammlung) hat durch protokollierten und festgestellten Beschluss zu entscheiden, dass es das Organ (eventuell aus wichtigem Grund) abberuft und den Geschäftsführervertrag außerordentlich aus wichtigem Grund kündigt. Um Unklarheiten zwischen Abberufung und Kündigung zu vermeiden, ist auf eine klare Trennung zu achten, da es auch Fälle gibt, in denen der Geschäftsführer zwar abberufen, jedoch keine Kündigung  ausgesprochen werden soll (z. B. mangels wichtigem Grund).
Sofern über eine Abberufung entschieden wird, bei der kein wichtiger Grund erforderlich ist, wird vertreten, dass den Gesellschaftergeschäftsführer kein Stimmverbot trifft. Anderes gilt jedoch dann, wenn es um eine Abberufung oder Kündigung aus wichtigem Grund geht.
Bei der Einhaltung der 2-Wochen-Frist ist zu beachten, dass die Entscheidung der Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer innerhalb dieser Frist auch erklärt wird. Für die Übermittlung kann jede Person bevollmächtigt werden, auch der Mitgeschäftsführer. In dem  schriftlich niederzulegenden Beschluss ist daher vorzusehen, dass die betreffende Person von der Gesellschafterversammlung beauftragt und bevollmächtigt wird, den Inhalt des Beschlusses durch eine entsprechende Erklärung zu vollziehen, was sinnvoller Weise durch Übergabe eines von dem Vertreter für die Gesellschafterversammlung unterzeichneten Schreibens erfolgt, dem der Beschluss mit der entsprechenden Bevollmächtigung anhängen sollte. Wird die Legitimation des Vertreters nicht nachgewiesen, kann der Geschäftsführer die Erklärung nach Maßgabe des § 174 BGB zurückweisen. Kann diese innerhalb der 2-Wochen-Frist nicht mehr nachgeholt werden, wäre die Kündigung unwirksam.
Eine Begründung für die Abberufung/außerordentliche Kündigung ist für deren Wirksamkeit nicht erforderlich. Der Geschäftsführer kann jedoch verlangen, dass ihm die Kündigungsgründe schriftlich mitgeteilt werden.

Vollzug der Trennung
Nach Abberufung und außerordentlicher Kündigung sind bei anschließendem Vollzug in der Regel  folgende Schritte einzuhalten:
Sieht der Geschäftsführervertrag vor, dass der Geschäftführer im Falle der Abberufung und außerordentlichen Kündigung freigestellt werden kann, sollte der Abberufungs- und Kündigungsbeschluss auch eine entsprechende Beschlussfassung über die sofortig Freistellung enthalten und diese dann auch gegenüber dem Geschäftsführer sofort vollzogen werden.
Das Organ ist vor allem bei einer entsprechenden Regelung im Geschäftsführervertrag verpflichtet, sämtliche Geschäftsunterlagen sowie z. B im Laptop gespeicherte geschäftliche Daten auszuhändigen und die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Gegenstände wie Dienstwagen und Handy herauszugeben.

Vergleichslösung?
In vielen Fällen lässt sich nicht genau vorherbestimmen, ob im Rahmen eines Rechtsstreits auch das Gericht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgehen wird. Da sowohl die Gesellschaft als auch der Geschäftsführer ein erhebliches Interesse haben, einen (jahre)langen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang zu vermeiden, empfiehlt es sich in diesen Fällen, mit anwaltlicher Beratung eine Abwicklungsvereinbarung zu treffen.
Anders mag dies zu beurteilen sein in Fällen, in denen es z. B. um strafbare Handlungen des Geschäftsführers geht. In solchen Fallkonstellationen ist in der Regel stringentes Handeln der Gesellschaft angezeigt.

Rechtsschutz
1. Abberufung
Der Gesellschaftergeschäftsführer kann aufgrund seiner Gesellschafterstellung Anfechtungsklage gegen den Beschluss erheben und damit die Wirksamkeit dieses Beschlusses überprüfen lassen.
Dem Fremdgeschäftsführer ist die Anfechtungsklage verwehrt. Dieser kann allenfalls bei Vorliegen schwerster Beschlussmängel Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben.

2. Außerordentliche Kündigung
Der Geschäftsführer kann auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung klagen.
Handelt es sich um einen Gesellschaftergeschäftsführer, wird die Auffassung vertreten, dieser müsse auch den Abberufungsbeschluss anfechten, um nicht Einwendungen gegen die außerordentliche Kündigung zu verlieren. Es sollte daher vorsorglich auch gegen den Beschluss geklagt werden.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes trifft die Gesellschaft.
Parallel sollte der Geschäftsführer ausdrücklich seine Dienste weiter anbieten, um die Fortzahlung seiner Vergütung zu sichern. Anders mag dies zu beurteilen sein, wenn die Gesellschaft bereits einen Nachfolger eingesetzt oder auf sonstige Weise die Unumkehrbarkeit ihrer Entscheidung deutlich gemacht hat.

Fazit
Die vorstehend skizzierte Rechtslage macht deutlich, wie viele Fallstricke es im Bereich der Abberufung und außerordentlichen Kündigung gibt. Andererseits sind nicht selten erhebliche wirtschaftliche Interessen betroffen, sodass sich die Beteiligten zur Vermeidung von Fehlern vor Einleitung solcher Schritte rechtlich beraten lassen sollten.

Autor: Prof. Dr. Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leistungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht.
Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


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