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Ein guter Langzeitstromspeicher - Biomethanisierung durch Power-to-Gas

Die 100%ige Transformation des Energieversorgungssystems bis zu dem Jahr 2050 erfordert neben dem notwendigen Netzausbau – mit möglichst intelligenten Netzen – und einem Demand Side Management seitens des Verbrauchers auch den Einsatz von Speichern. Ohne sie kann eine stabile Stromversorgung nicht sichergestellt werden.

Die P2G-Anlage am ZSW wandelt Ökostrom in Qualitätsgas mit 99% Methan um. Foto: ZSW

Wind-to-SNG-Konzept zur bidirektionalen Kopplung von Strom- und Gasnetz mit Anbindung an den Verbrauchssektor Mobilität.

 

Die Einspeisung von Strom aus Wind- und Sonnenenergieanlagen unterliegt hohen Fluktuationen. Bei einem zurzeit jährlichen Stromverbrauch von 619 Twh/a, können die heute vorhandenen Vorhalteanlagen wie Pumpspeicher und Druckluftspeicher mit einer Stromspeicherkapazität von nur 0,04 TWh rein rechnerisch den kompletten Strombedarf Deutschlands nur für weniger als eine Stunde decken. Braun- und Steinkohlekraftwerke decken – trotz hoher CO2-Emissionen – den Regelenergiebedarf. Den tagesperiodischen bzw. saisonalen Peaks in der Stromproduktion von Windenergieanlagen und der daraus resultierenden potenziellen Gefährdung der Netzspannung begegnet man zurzeit damit, die Rotorblätter aus dem Wind zu drehen. Aufgrund der Drosselung liegen die Verluste bzw. die nicht genutzten Einspeisungspotenziale von Strom aus EE nach Angaben der Bundesnetzagentur für das Jahr 2011 bei 0,42 TWh. Allein die Nutzung der 2011 angefallenen Ausfallarbeit nach dem Power-to-Gas-Konzept ermöglicht eine Einsparung von 42100 t CO2-Emissionen (s. wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, aktualisierte Fassung vom 11. Dezember 2012).
Die parlamentarische Staatssekretärin des BMU, Ursula Heinen-Esser, sagte am 10. Dezember 2012 in einer Rede auf der Jahrestagung Oldenburger Energiecluster: „Aus meiner Sicht kommt der Option ‚Power-to-Gas‘ eine erhebliche strategische Bedeutung zu. Denn neben einer verstärkten Zusammenarbeit mit Ländern, die geeignete Pumpspeicherpotenziale haben, wie z.B. Norwegen, ist Power-to-Gas die einzige Option, um auch Perioden von mehreren Wochen überbrücken zu können, in denen nur wenig Strom aus Wind und PV erzeugt wird. […] In einem Demonstrationsprojekt – im Übrigen in Niedersachsen – geht es um die Optimierung einer geplanten 6-MW-Power-to-Gas-Anlage im Verbund mit einer bestehenden Biogas-Anlage. […] Nicht zuletzt bei großen Anteilen von EE werden wir auf Speicher angewiesen sein. In nennenswertem Umfang wird das aber erst bei deutlich über 40% EE notwendig sein.“  

Herkömmliche Biogasaufbereitung

Gängige Techniken zur notwendigen Aufbereitung für die Einspeisung in das Erdgasnetz sind der Einsatz von Druckwasserwäsche, Aminwäsche, der Einsatz von Kohlefiltern oder das Membranverfahren. In diesem Veredlungsprozess wird das CO2 jedoch zu mehr oder weniger 100% abgetrennt und emittiert. Und je nach Konzentration des Methans aus den Biogasanlagen reicht die Aufkonzentrierung der zurzeit 83 Biogasaufbereitungsanlagen öfter nicht aus, um es in die Erdgasnetze einzuspeisen. Es muss teilweise sogar Erdgas beigemischt werden.

Das FuE Power-to-Gas

Mit dem Power-to-Gas-Verfahren entwickelte das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer IWES, im Jahr 2009 eine Technik, die es ermöglichen würde, Strom aus Erneuerbaren Energieanlagen (EEA) langfristig zu speichern. Der zugrunde liegende Sabatierprozess ist alt, die Einbeziehung der EE zur Biomethanisierung ist neu.
Das Power-to-Gas-Verfahren nutzt den produzierten Strom aus Windenergieanlagen, um das Wasser elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. In einer anschließenden Synthese mit dem emittierten CO2 aus den Biogasanlagen wird Biomethan, mit einem energetischen Wirkungsgrad >65% kWhSNG/kWhel, produziert. Das Konzept wurde am Fraunhofer IWES in Kassel und am ZSW – federführend von Dr. Specht und Dr. Sterner  – entwickelt. Die Firma SolarFuel GmbH baute im Jahr 2009 auf dem Gelände der ZSW die Pilotanlage mit einer Anschlussleistung von 25 kW. In ihr wurde die Synthese des Erdgassubstituts (Substitute Natural Gas, SNG) getestet.   
Über die Einspeisung in das Erdgasnetz mit seiner Länge von 370000 km und einer Aufnahmekapazität von aktuell bei 217 TWhth und 65 TWth (1 TW = c1000 GW)im Zubau entsteht ein enorm großer Langzeitspeicher für regenerativ erzeugten Strom – 217 Terrawattstunden thermischer Energie entsprechen einem Energieverbrauch von mehreren Monaten. Damit könnte das bislang im Energiesystem entkoppelte Transportsystem für elektrische Energie mit der Gasinfrastruktur verknüpft werden. Die Rückverstromung geschieht über KWK-Anlagen, GuD-KWK, BHKW, GuD-Anlagen. Die Anwendungsfelder liegen aber nicht nur auf der Rückverstromung, sondern natürlich auch der Wärmeversorgung, der industriellen Nutzung und der Mobilität.
Das Power-to-Gas-Verfahren löst gleich zwei Kernprobleme der Energiewende. Die Speicherung von EE und die Versorgung mit klimafreundlichem Kraftstoff – besonders für lange Strecken als Ergänzung der Elektromobilität. Damit wird eine stabile Stromversorgung mit Wind- und Solarenergie und eine Option für den Verkehr möglich.

P2G und Bereitstellung von Energie

Grundsätzlich gibt es drei Verfahren der Elektrolyse: Die alkalische Elektrolyse, die Membran-Elektrolyse und die Druck-Elektrolyse.
Das ZSW aus Stuttgart arbeitet mit der Technik der Druck-Alkali-Wäsche. Ihre Forscher wollen in einem Konsortium mit dem Fraunhofer IWES und der SolarFuel die notwendigen marktwirtschaftlichen Parameter, wie z.B. die Wirkungsgrad- und die Kostenoptimierung des Biomethanisierungsverfahrens, für künftige Power-to-Gas-Anlagen im Betrieb testen. Energiewirtschaftlich relevant meint Anlagen in einer Größenordnung von 1 bis 20 MW. Hierfür wurde im Oktober 2012, mit einer  Anschlussleistung von 250 KW und einer möglichen  Methanproduktion von bis zu 300 m³ pro Tag, die weltweit größte Power-to-Gas-Anlage eingeweiht. Mit ihr soll im Betrieb ein innovatives Prozessleitsystem für die Steuerung und Regelung für die Bereitstellung von Regelenergie getestet werden. „Unsere Forschungsanlage arbeitet dynamisch und intermittierend. Im Gegensatz zur ersten Anlage, kann sie flexibel auf das rasch wechselnde Stromangebot aus Wind und Sonne und auf plötzliche Unterbrechungen reagieren“, erklärt Dr. Michael Specht, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. Recht schnell registrierten die Forscher, dass das jetzige Elekrolyseverfahren für die Wirtschaftlichkeit zukünfiger Anlagen einer Nachrüstung bedarf.
Auf dem Forschungsgelände arbeiten seit Anfang Januar 2013 Forscher des ZSW und Mitarbeiter der Firmen SolarFuel und Enertrag an diesem zusätzlichen Projekt. In einem innovativen 300-kW-Druckelektrolyseur bilden seine 70 Zellen einen kompakten Stapel. Die Vergrößerung der Zellenfläche in Verbindung mit einer verbesserten Elektrodenaktivierung soll zur Erhöhung der Gasabgabemenge und des Wirkungsgrades führen. Die geplante Anlage fungiert als Demonstrator einer Wasserelektrolyse im unteren MW-Maßstab  einer Größenordnung, die für Anlagen im 1- bis 20-MW-Bereich notwendig ist. Weitere Inhalte der Forschungsarbeiten bei der Elekrolysetechnik gelten der Elekrodenbeschichtung. Auch eine Analyse potenzieller CO2-Quellen hinsichtlich Verfügbarkeit, Erzeugungspotenzial, Wirtschaftlichkeit und Kosten ist Gegenstand der F&E-Arbeiten. Wie z.B. das CO2 aus der Bioethanolherstellung, CCS oder CO2-Recycling, aus Prozessen der chemischen Industrie oder CO2-Produzenten wie Aluminiumwerke und Müllverbrennungsanlagen. finanziert wird dieses auf drei Jahre limitierte Vorhaben von dem Bundesminis­terium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Eine andere Option stellt das Verfahren mittels des „Protonen Austausch  Membran Elekrolyseur“ (engl. PEM) dar. Die semi-permeable Membran erlaubt die Diffusion von H+-Ionen, nicht aber die von Anionen. Die Vorteile gegenüber der alkalischen genutzten Elekrolysetechnik liegen darin, dass bei der PEM-Technik eine Feststoffmembran vorliegt, die ohne Gefahrenstoffe arbeiten kann. Auch ist mit diesem Verfahren eine Produktion von über 99% reinem Wasserstoff ohne aufwendige Nach-Reinigung möglich. Die aktuell eingesetzten Elektrolyseure haben jedoch ein ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis und werden nur in Bereichen von bis zu 100 kW eingesetzt.
Ein Konsortium aus den Industriepartnern E.on Hanse, Hydrogenics und Solivicore legte im 2. Quartal 2013, in Hamburg-Reitbrook, den Grundstein für eine innovative Power-to-Gas-Anlage, die mit einem PEM-Elektrolyseur ausgestattet ist. Das DLR und das Fraunhofer ISE übernehmen hierfür den wissenschaftlichen Teil in der Enwicklung eines Elektrolyseurs mit einer Leistung von 1 MW. Durch seine höhere Leistungsdichte ist er deutlich kostensparender, als die gängigen Typen.
„Die beim DLR entwickelten PEM-Elektrolyseure sind sehr flexibel und können innerhalb von Minuten in den Volllastbetrieb hochfahren. Vor allem können die PEM-Anlagen mit demselben Energieeinsatz cirka 10% mehr Wasserstoff erzeugen, wie mit der altbewährten AlkaliTechnologie“, so Dr.-Ing. Josef Kallo, Projektleiter im DLR und Leiter des Fachgebiets Electrochemische Systeme beim Institut für Technische Thermodynamik. Die modulare Anwendung, wie sie bei allen elektrochemischen Prozessen in der chemischen Industrie bereits angewandt wird, ermöglicht eine relativ schnelle Leistungssteigerung der Elektrolyseure auf Größenordnungen bis zu 20 MW – eine Grundvoraussetzung für wirtschaftlich arbeitende Power-to-Gas-Anlagen.

Der politische Rahmen

Die Frage der Höhe des Speicherbedarfs ist zurzeit nicht geklärt. Das entscheidende Kriterium hierfür ist zunächst der Anteil der Versorgung durch die EE. Das Energiekonzept 2010 der Bundesregierung sieht vor, bis zum Jahr 2050 den Anteil EE an der Stromerzeugung auf 80% zu steigern. Die VDE Studie aus dem Jahr 2012 „Energiespeicher für die Energiewende – Speicherungsbedarf und Auswirkungen auf das Übertragungsnetz für Szenarien bis 2050“ kommt auf der Grundlage dieses Konzepts zu dem Schluss, dass „bei einem EE-Anteil von 40% die Speicher weniger der Integration von EE-Erzeugung, sondern vorwiegend der Kraftwerkseinsatzoptimierung der thermischen Kraftwerke dienen. Die Investitionskosten der Speicherzubauten übersteigen dabei aber den Vorteil“, so die Autoren. Des Weiteren empfehlen sie bei einem Anteil EE von 80% den Einsatz einer Kombination von Kurz- und Langzeitspeichern. Erst ab einer Versorgung von über 80% nimmt der Bedarf an Langzeitspeichern exponentiell zu. „Im Endszenario (100%ige Stromversorgung – eigene Anmerkung), habe ich einen Überschuss von 30 – 50 TWh an elektrischer Energie. Die kann ich sehr gut mit Power-to-Gas-Anlagen verarbeiten. […] Aber wenn ich von den 80 auf 100% hochgehe, dann ist das wie beim Pareto-Prinzip. Dann steigen die Kosten an, aber weniger als wir erwartet haben. Letztendlich müssen sich Speicher gegen Reserve-Gasturbinen durchsetzen, und das ist nicht einfach“, so Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner, Professor für Energiespeicher an der Technischen Hochschule Regensburg und einer der Leiter der Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES).   
Diesen Fragen einer erfolgreichen Energiewende gingen Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik auf verschiedensten Veranstaltungen nach. So kamen am 4. bis 5. Juni 2013 Experten auf der 3. VDI-Fachkonferenz Energiespeicher für die Energiewende 2013 zusammen und diskutierten Fragen, wie die energiepolitischen Rahmenbedingungen, den tatsächlichen Speicherbedarf, die Vorzüge und Herausforderungen von Power-to-Heat, Batterietechnologien als Systemdienstleister sowie mechanische Speicherinnovationen, Power-to-Gas und Power-to-Mobility. Die Konferenzleitung hatte Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner. Als Vertreter des Bundesumweltminsteriums sprach sich Dr. Bischof, Referatsleiter „Infrastruktur und technische Systemintegration“ der Abteilung Klimaschutz, Energiewende für Speicher als eine der Optionen für die Flexibilisierung der Stromversorgung aus.
Und auf der, von der Dena organisierten Jahreskonferenz Power-to-Gas – eine Systemlösung auf dem Weg zur Marktreife am 18. Juni 2013, diskutierten Experten aus Industrie, Wissenschaft, Verbänden und Politik Fragen über seine Rolle im zukünftigen Energiesystem. Auch wurde ein Überblick über die zurzeit existierenden Pilotprojekte gegeben und internationale Entwicklungen beleuchtet. Prof. Sterner stellte auf dieser Konferenz erstmalig die Weiterentwicklung der TH Regensburg von Power-to-Gas 2.0 vor, bei dem es sich um ein kombiniertes Wind-Wasser-Speicher-System handelt, das deutlich größere Potenziale erschließt, als der bisherige Stand-der-Technik, und die Windenergie konstant nutzt und speichert.

Autor: Christian Finck


Sabatier-Prozess
Paul Sabatier, geboren am 05. November 1854 in Carcassonne, gestorben am 14. August 1941 in Toulouse, war ein französischer Chemiker. Sabatier erhielt 1912 den Nobelpreis für Chemie für seine Methode, organische Verbindungen bei Gegenwart fein verteilter Metalle zu hydrieren, wodurch der Fortschritt der organischen Chemie in den letzten Jahren in hohem Grad gefördert worden ist. Die medizinisch-naturwissenschaftliche Universität von Toulouse trägt seinen Namen. Der Sabatier-Prozess, ein Methangewinnungsverfahren, wurde nach ihm benannt. Reaktionsgleichung: CO2 + 4 H2 ? CH4 + 2 H2O.

 


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