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Ein Duo mit Zukunft

Per Wärmepumpe PV-Strom auch zum Heizen nutzen – Novum: im Mieterstromprojekt

Gebäudeentwurf des im Bau befindlichen ­Münchener ­Mieterstromprojekts von Polarstern. Hier werden eine ­Photovoltaikanlage mit 99,84 kWp Leistung, ein ­Batteriespeicher mit 126 kWp und zwei Wärmepumpen mit 56,1 kW und 117,2 kW Nenn-Wärmeleistung miteinander vernetzt. Sie werden 60 Wohn- und Gewerbeeinheiten mit Energie versorgen. Bild: Hendrik Sokolis

Im Quartier Future Living Berlin werden ergänzend zu einer 250 kWp Photovoltaikanlage und einem knapp 170 kWh Gewerbespeicher gleich mehrere Wärmepumpen installiert: 17 Luft/Was-

ser-Wärmepumpen und 8 Sole/Wasser-Wärmepumpen. Das Projekt soll im Herbst 2019 an den Start gehen. Bild: GSW Sigmaringen

Bild: GSW Sigmaringen

Die Photovoltaik erlebt nun auch einen Schub über Mieterstrom. Leuchtturmprojekte suchen Mieterstrom dann zusätzlich noch mit dem weitergehenden Thema Eigenstromnutzung über eine Sektorkopplung zu verbinden. Bild: SWA

Die vielen unterschiedlichen Größen von Wohneinheiten und Räumen sowie das individuelle Verhalten der Haushalte machen die Steuerung der Energieversorgung im Mieterstrom schwerer planbar als in Bürogebäuden und Einfamilienhäusern. Hierfür kommen Wechselrichter, Smart-Meter und Energiemanagementsysteme zum Einsatz. Bild: SMA

Das Konzept geht nur auf, wenn es ein vernünftiges Verbraucherverhalten gibt, also Energie nicht verschwendet wird. Im Berliner Projekt zeigt ein Wohnungsmanager auf einem festinstallierten Tablet in jeder Wohnung unter anderem den Strom-, Heizungs- und Wasserverbrauch auf einer Skala von 1 bis 5 an. Bild: Pixabay

 

Photovoltaik-(PV)-Anlagen werden nicht mehr nur zur Stromversorgung der Haushalte, sondern zunehmend auch im Wärme- und Mobilitätsbereich genutzt. Vor allem die Kombination mit Wärmepumpen ist vielversprechend, da sie dem stark hinterherhinkenden Wärmemarkt wichtige Impulse gibt. Wie das technisch funktioniert und was es wirtschaftlich bringt, das zeigen zwei Mieterstrombeispiele des Ökoenergieversorgers Polarstern.

Die Sektorenkopplung ist für den Übergang zu Erneuerbaren Energien unverzichtbar: Mit Wärmepumpen, Elektroautos, Power-to-Heat-Lösungen und Co. wird der Austausch und die Nutzung Erneuerbarer Energien effizienter, das Energiesystem flexibler und am Ende nimmt sogar die Energiesicherheit zu. Die Basis dafür ist die intelligente Verknüpfung der Anlagentechnik.

Sektorenkopplung von Strom und Wärme
Elektrische Wärmepumpen gelten als Schlüsseltechnologie für die Integration von erneuerbarem Strom zum Heizen im Niedertemperaturbereich. Schließlich können sie zeitversetzt zu ihrem Bedarf erneuerbaren Strom aus überschüssiger Erzeugung aufnehmen und ihn später, wenn Heizwärme benötigt wird, wieder abgeben. Mit ihrem hohen Grundbedarf steigern Wärmepumpen den im Sinne der Wirtschaftlichkeit solarer Stromerzeugung immer wichtiger werdenden Eigenverbrauch sowie die Stromautarkie und senken so die Stromkosten. Gleichzeitig entlasten sie durch ihre Pufferfunktion die Netze.
Auch hilft die Kombination von PV-Anlage und Wärmepumpe, den Primärenergiefaktor von Gebäuden zu senken und die Kriterien hoher Förderungen zu erfüllen.

Praxisbeispiele im Mieterstrom

Bei den meisten Mieterstromprojekten, bei denen heute Wärmepumpen und PV-Anlagen kombiniert werden, handelt es sich um Leuchtturmprojekte. Das liegt vor allem an der steigenden Komplexität, die sich für das Energiekonzept und die Mieterstromversorgung ergibt, gepaart mit der geringen Erfahrung vieler Partner bei der Umsetzung. Im Einfamilienhausbereich ist eine solche Anlagenkombination deutlich einfacher und weiterverbreitet, weil weniger Einflussfaktoren zu berücksichtigen und die Vernetzung der Anlagentechnik überschaubar sind.

Beispiel Future Living Berlin
Im zukunftsweisenden Quartier Future Living Berlin werden ergänzend zu einer 250 kWp Photovoltaikanlage und einem knapp 170 kWh Gewerbespeicher gleich mehrere Wärmepumpen installiert: 17 Luft/Wasser-Wärmepumpen und 8 Sole/Wasser-Wärmepumpen. Sie versorgen ab Herbst 2019 neun Gebäude mit insgesamt 69 Wohneinheiten, 20 Boarding House-Studios (Wohnungen, die nur auf Zeit genutzt werden, z. B. von Firmenmitarbeitern) und 11 Gewerbeeinheiten sowie einem Café und einem Ausstellungs- und Seminarbereich. Investor und Bauherr des Quartiers ist die GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Geplant wurde das Energiekonzept des Quartiers von der Ruß Ingenieurgesellschaft mbH.

Beispiel München
In einem anderen, kleineren Mieterstromprojekt im Münchner Großraum werden eine Photovoltaikanlage mit 99,84 kWp Leistung, ein Batteriespeicher mit 126 kWp und zwei Wärmepumpen mit 56,1 kW und 117,2 kW Nenn-Wärmeleistung miteinander vernetzt. Sie versorgen 60 Wohn- und Gewerbeeinheiten mit Energie.
Die Mieterstromversorgung ist in beiden Fällen die Schnittstelle zur effizienten Steuerung der Strom- und Wärmeversorgung. Der erzeugte PV-Strom wird automatisch dorthin geleitet, wo er am effizientesten genutzt wird. Überschüssig erzeugter Solarstrom wird bevorzugt zum Puffern in den Stromspeicher sowie in den Wärmespeicher der Wärmepumpe geleitet und erst wenn die Speicherkapazitäten erschöpft sind, ins Netz eingespeist.

Verbesserte Autarkie
Die Gegenläufigkeit von solarer Stromerzeugung und Strombedarf der Wärmepumpen ist eine grundlegende Herausforderung, die durch intelligente Vernetzung der Anlagentechnik und geeignete Energiekonzepte gelöst werden kann.
Die HTW Berlin hat am Beispiel eines Einfamilienhauses errechnet, dass im Idealfall, wenn PV-Anlage, Speicher und Wärmepumpe optimal aufeinander abgestimmt sind, sich der Autarkiegrad spürbar verbessert. Trotz stromintensiver Wärmepumpe können 60 bis 65 % des benötigten Stroms aus eigener Erzeugung gedeckt werden.
In Mieterstromprojekten ist die solare Energieerzeugung pro Wohneinheit naturgemäß geringer. Das heißt, ein Haushalt erzielt zwar verglichen zu einem Einfamilienhaushalt eine geringere Autarkie. Doch auch hier liegt der Strom-Autarkiegrad reiner PV-Mieterstromprojekte typischerweise bei 35 bis 45 %. Durch intelligente, sektorenübergreifende Vernetzung kann insbesondere der Direktverbrauch des erzeugten PV-Stroms erhöht und damit die Wirtschaftlichkeit der deentralen Energieversorgung gesteigert werden. Das unterstreichen die beiden genannten Mieterstrombeispiele von Polarstern in Berlin und München.

Aufbau der Wärme- und Stromversorgung
Im Fall von Future Living Berlin werden die 25 Wärmepumpen in den Gebäuden miteinander vernetzt, sodass, abgestimmt auf das Gesamtsystem, jede Wärmepumpe optimal betrieben wird. Das Wärmeversorgungssystem besteht aus einer Wärmerückgewinnung mittels Sole/Wasser-Wärmepumpen sowie Luft/Wasser-Wärmepumpen für die Heizwärme und Warm-Wassererzeugung. Dabei wird die Abluft aus den Räumen über zentrale Wärmetauscher geführt und mit Sole/Wasser-Wärmepumpen thermische Energie produziert. Die Wärmerückgewinnung dient sowohl der Warmwassererzeugung als auch der Raumheizung. Insgesamt werden so 57,25 % des gesamten Wärmebedarfs erzeugt. Der Stromspeicher ermöglicht es, den PV-Strom unter anderem zur nächtlichen Versorgung der Mieter zu nutzen. Während die Wärmeversorgung mit den Wärmepumpen dezentral für die einzelnen Gebäude funktioniert, wird die Stromversorgung zentral gesteuert. Mit der so vernetzten Anlagentechnik lassen sich voraussichtlich 38 % des Strombedarfs der Gebäude decken.
Das Mieterstromprojekt in München wiederum arbeitet mit einer zentralen Strom- und Wärmeversorgung. Zwei Wärmepumpen, eine für die Erzeugung von Warmwasser und eine für die Erzeugung von Heizenergie, erfüllen die Herausforderung des jahreszeitlich schwankenden Strombedarfs. Würde eine einzige Wärmepumpe installiert, liefe diese stets mit einem schlechteren Wirkungsgrad, was zu einem höheren Stromverbrauch und damit verbundenen höheren Heizkosten für die Mieter führt.

Steuerung über Wechselrichter
Die vielen unterschiedlichen Größen von Wohneinheiten und Räumen sowie das individuelle Verhalten der Haushalte machen die Steuerung der Energieversorgung im Mieterstrom schwerer planbar als in Bürogebäuden und Einfamilienhäusern.
Die einfachste Möglichkeit, PV-Anlage und Wärmepumpe zu vernetzen, ist die Steuerung über den Wechselrichter. Hierbei werden feste Schwellwerte definiert, ab denen der PV-Strom zum Betrieb der Wärmepumpen genutzt wird. Dabei wird ein Aufschlag auf die Anschlussleis­tung der Wärmepumpe berechnet, um zunächst die Grundlast durch die elektrischen Haushaltsgeräte zu stillen und erst danach die Wärmepumpe zu betreiben. Ziel ist es, die Wärmepumpe erst dann zu versorgen, wenn genug Solarstrom vorhanden ist. Denn der Direktverbrauch durch die Stromlieferung an die Mieter rechnet sich aus Sicht des Anlagenbetreibers besser als die Nutzung des Stroms im Eigenverbrauch.

Komplexes, smart gesteuertes Energiekonzept
Werden Smart Meter oder Energie-Management-Systeme zur Steuerung der Anlagentechnik genutzt, ist das Entscheidungskriterium bei der Stromversorgung kein fester Schwellwert des erzeugten Solarstroms. Vielmehr wird der nach Versorgung aller anderen elektrischen Geräte in den Haushalten verfügbare Solarstrom gemessen und gegebenenfalls die Versorgung der Wärmepumpe forciert. Ausschlaggebend ist also der verfügbare und nicht der erzeugte Solarstrom. Das macht gerade bei Energiekonzepten mit mehreren Anlagen Sinn.
Im Münchner Mieterstromprojekt sind PV-Anlage, Wärmepumpen und Speicher über Smart Meter vernetzt. Dies macht die Energieversorgung flexibler, zumal sich im Laufe der Jahre die Wohnstruktur in Mietwohngebäuden verändern kann. Außerdem eröffnet es dem Immobilienbesitzer und Anlagenbetreiber über die Energieversorgung der Bewohner hinaus künftig weitere Tätigkeitsfelder etwa im Bereich der Netzdienstleistungen.
Die Strom- und Wärmeversorgung im Quartier Future Living Berlin erfolgt mithilfe eines Energie-Management-Systems. Das vermeidet beispielsweise, dass durch den gleichzeitigen Betrieb aller Wärmepumpen der maximale Netzanschlusswert des Gebäudes überschritten wird und somit der Grundpreis für Strom aus dem öffentlichen Netz steigt. Ein gleichmäßiger Lastgang durch intelligente Steuerung des lokalen Energienetzes hilft also auch, benötigte Energie günstiger aus dem öffentlichen Netz zu beziehen.

Faktor Verbraucherverhalten
Neben der optimalen Nutzung der verfügbaren Speicherkapazität spielt das Verbraucherverhalten bei der effizienten Energieversorgung eine wichtige Rolle. Um die im Energiekonzept budgetierte Eigenstromversorgung und Autarkie zu erzielen, muss das Extremverhalten der Bewohner, sprich sinnloser Ener­giebedarf, vermieden werden. Nutzer in ihrem Verhalten anzuleiten und die Versorgung an ihren Bedarf anzupassen, sie mit Informationen zu unterstützen, ist ebenfalls eine Funktion, die das Energie-Management-System leisten muss. Dabei unterstützt in Future Living Berlin ein Wohnungsmanager auf einem festinstallierten Tablet in jeder Wohnung. Er zeigt unter anderem den Strom-, Heizungs- und Wasserverbrauch für die einzelne Wohnung auf einer Skala von 1 bis 5 an, sodass sich die Bewohner daran orientieren können. Automatisierungen führen des Weiteren dazu, dass beispielsweise die Wohnung bei Nichtnutzung von Räumen oder Abwesenheit Verbraucher ausschaltet.

Besonderheiten in Messkonzept und Abrechnung
Bei Mieterstromprojekten findet stets eine individuelle Absprache des Messkonzeptes mit dem zuständigen Netzbetreiber statt. Bei vernetzten Energiekonzepten muss in der Regel unterschieden werden, wo der erzeugte PV-Strom genutzt wird, beispielsweise zum Betrieb der Wärmepumpen oder für die Stromversorgung der Mieter. Schließlich wird nur für Letzteres die Mieterstromförderung nach dem EEG gezahlt. Über einen Kaskadenzähler kann die nötige Abgrenzung vorgenommen werden. Allerdings erfordert dies in manchen Quartieren Stromleitungen, die quer über das gesamte Grundstück verlegt sind. Dies sollte entsprechend frühzeitig im Bau berücksichtigt werden. Für eine transparente Abrechnung jedes einzelnen Mieters sind digitale Zähler im Einsatz. Damit kann auch der Anteil am Allgemeinstrom stichtagsgenau ausgewiesen werden.

Ein Fazit

Noch sind Mieterstromprojekte mit solch integrierten Anlagenkombinationen selten. Doch die sektorale Vernetzung in den Gebäuden gewinnt in den nächsten drei Jahren deutlich an Fahrt. Das hat vielerlei Gründe: Eigenverbrauch und Direktverbrauch vor Ort werden zur entscheidenden Größe in der Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Zahl elektrisch betriebener Anlagen und Geräte im Wärme- und Mobilitätsbereich nimmt zu, genauso wie die Nachfrage nach netzdienlichen Serviceleistungen durch flexible Steuerung der dezentralen Versorgungsnetze.

Autor: Florian Henle, Geschäftsführer Polarstern GmbH


Multitalent Installateur
Immer mehr Haushalte, gerade im Neubau, installieren heute eine eigene PV-Anlage, in nahezu jedem zweiten Fall ergänzt durch einen Stromspeicher. Die Verknüpfung von PV-Anlage und Wärmepumpe hat den Vorteil, dass mehr selbst erzeugter Strom zu Hause genutzt wird – was inzwischen deutlich attraktiver ist als die Ein-
speisung des erzeugten Stroms ins öffentliche Netz. Gleichzeitig sinkt der Primärenergiefaktor und erleichtert damit den Zugang zu höheren KfW-Förderungen. Damit diese Verknüpfung funktioniert, muss die Technik aufeinander abgestimmt sind.
„Genügte es noch vor rund fünf Jahren, eine Photovoltaikanlage ans öffentliche Stromnetz anzuschließen, geht es heute auch aus wirtschaftlicher Sicht darum, die Technik so auszuwählen und zu installieren, dass möglichst viel Strom direkt vor Ort genutzt wird – und das eben nicht für klassische Elektrogeräte, sondern auch für die Wärmeversorgung und für E-Tankstellen“, sagt Polarstern-Geschäftsführer Florian Henle. Ein Installateur muss heute entsprechend eine Vielzahl an Gewerken abdecken, selbst oder über Partner.

 


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