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Effizienzhaus Plus im Schulbau

Neubau der Louise-Otto-Peters-Schule in Hockenheim im Plus-Energie-Standard

Bild 1: Ansicht / Rendering LOP. Bild: Architecture2Brain

Bild 2: Beitrag der Bauteilgruppen zum Treibhauspotenzial und Vergleich des gesamten Treibhauspotenzials der Konstruktion zu einem konventionellen Gebäude. Bild: ina

Bild 3: Treibhauspotenzial im gesamten Lebenszyklus im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude. Bild: ina

Bild 4: Vereinfachtes Schema der Energieflüsse in einem Gebäude, angelehnt an die Struktur der DIN V 18599. Bild: BMUB, Leitfaden Monitoring

 

In 2015 wurde das Modellvorhaben „Effizienzhaus Plus“ des Bundes auf Bildungsbauten erweitert. Der Neubau der Louise-Otto-Peters-Berufsschule in Hockenheim verfolgt dabei bewusst einen ganzheitlichen Ansatz. Ein anschließendes Monitoring hilft, die errechneten Werte auch in der Praxis einzuhalten.
Der Rhein-Neckar-Kreis als Träger der beruflichen Schulen führt derzeit den Neubau der Louise-Otto-Peters-Schule (LOP) am Standort Hockenheim für 280 Schüler durch. Der Kreis setzt dabei auf ein nachhaltiges und umweltfreundliches Gebäudekonzept. Seiner Klimaschutzleitlinie folgend werden die gesetzlichen Vorgaben deutlich übererfüllt.
Konkret bedeutet dies die Errichtung der LOP im Passivhausstandard sowie die Teilnahme am Modellprojekt „Bildungsbauten im Effizienzhwaus-Plus-Standard“. Dadurch möchte der Kreis seine selbst gesteckten Ziele ausbauen und neben einem stark reduzierten Energieverbrauch auch eine nachhaltige Form der Energieerzeugung am Gebäude berücksichtigen.
Das Gebäude ist so beschaffen, dass es sowohl aus ökonomischer wie auch aus ökologischer Sicht so effizient wie möglich betrieben werden kann. Damit dient die LOP für künftige Bauten im Kreis wie auch für Bildungsbauten im Allgemeinen als Vorbild.

Das Modellvorhaben Effizienzhaus Plus
Ab dem Jahr 2019 müssen öffentliche Neubauten nach der EU-Gebäuderichtlinie den Niedrigstenergiegebäude-Standard erreichen. Der sehr niedrige Energiebedarf soll hier überwiegend aus lokalen, erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Für das Jahr 2050 wird in Deutschland sogar der „klimaneutrale Gebäudebestand“ angestrebt. Vor diesem Hintergrund ist das Modellvorhaben Effizienzhaus Plus des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu sehen – eine neue Generation von Gebäuden, die im Betrieb und auf Jahressicht einen Energieüberschuss erzeugen. Das aus dem Jahr 2011 stammende Förderprogramm für Wohngebäude wurde daher 2015 auf Bildungsbauten übertragen.
Als Nachweis der Effizienz hat die Ina Planungsgesellschaft mbH (ina) den End­energiebedarf und den Endenergieertrag gegenübergestellt. Die Ermittlung erfolgt dabei nach EnEV 2014 für Nichtwohngebäude unter Anwendung der DIN V 18599:2011. Das bedeutet, dass der gesamte Energiebedarf für das Wärmen, Kühlen, Lüften und Beleuchten in der Bilanz bereits enthalten ist. Dazu kommt noch eine Pauschale von mindestens 10 kWh/m²a rein für Nutzerstrom, anzusetzen bei Ausstattung mit elektrischen Geräten der höchsten Energieeffizienzklasse. Bezogen auf die LOP sind dies immerhin weitere 37 700 kWh/a an Strombedarf.
In Summe erzeugt die LOP einen Überschuss an Endenergie in Höhe von 4,2 kWh/m2a in Form von Strom. Primärenergetisch beläuft sich der Überschuss sogar auf nahezu 40 kWh/m2a, da anteilig „nur“ Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bezogen wird, die Energieerzeugung und damit die Gutschrift aber vollständig über den Energieträger Strom erfolgt. So erwirtschaftet die LOP im Betrieb ein Plus, mit dem beispielsweise der Primärenergiebedarf von etwa 25 (effizienten, aber eben konventionellen) Einfamilienhäusern gedeckt werden könnte.

Organisation und Konstruktion der LOP

Der Z-förmige Baukörper, entworfen von Roth Architekten aus Schwetzingen, ist übersichtlich strukturiert: Von einem zentralen Aufenthalts- und Erschließungsbereich aus mitsamt zuschaltbarer Aula werden pro Geschoss zwei Gebäudeflügel erschlossen. Das EG beinhaltet den gesamten Verwaltungsbereich und alle berufsbezogenen Fachräume, das OG die allgemeinen Unterrichts-, Aufenthalts- und Arbeitsräume. Technik und Lager befinden sich im UG.
Die Gründung erfolgt konventionell. Das Tragwerk besteht aus Stützen und Außenwänden in Stahlbeton. Die Innenwände werden als Trockenbau- und Systemtrennwände errichtet, im UG teilweise auch in Kalksandstein gemauert. Als Dämmung kommt ein Wärmedämm-Verbundsystem mit einer Dämmstärke von 20 cm zum Einsatz – mit Klinkerriemchen verblendet, in Teilbereichen auch mit einer vorgehängten, hinterlüfteten Metallfassade. Die Dämmung der Dachfläche beträgt im Mittel 30 cm. Raumhohe Verglasungen werden als Pfosten-Riegel-Fassade konstruiert, die Einzelfenster in Holz-Aluminium. Generell wird Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung ausgeführt, in Teilbereichen als Sonnenschutzverglasung als Ergänzung zu sonst außen liegenden Raffstores. Aus Reinigungsgründen sind alle Fensterflügel zu öffnen, zur Verbesserung von Tageslichtversorgung und Ausblick wurden die Leibungen abgeschrägt.

Energiestandard und Anlagentechnik
Ausgangspunkt, nicht Endpunkt, für das Energiekonzept war 2014 der bekannte Passivhausstandard. Neben dem hohen Wärmeschutz der Gebäudehülle sorgt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für die notwendige Senkung der Heizlast. Abgesehen von Treppenhäusern mit Heizkörpern übernimmt die Lüftung auch die Wärmeübergabe. Ausgeführt als Zweikanalsystem (System „Bauer Optimierungstechnik“) können in Abhängigkeit von den Außenbedingungen verschiedene Temperaturen gefahren werden. Unterstützt von der zentralen Gebäudeleittechnik regeln raumseitige Volumenstromklappen und Thermostate den Wärmeeintrag in den Raum durch individuelle Verteilung des hygienisch notwendigen Luftwechsels auf die beiden unterschiedlich temperierten Kanäle.
Die Heizwärmeversorgung erfolgt über eine Sole-Wasser-Wärmepumpe. Diese nutzt einen Eisspeicher als Umweltwärmequelle, der im Sommer über Wärmeeinträge regeneriert wird. Zur Spitzenlastabdeckung dient das anliegende Fernwärmenetz der Stadtwerke Hockenheim mit einem Primärenergiefaktor von 0,64. Die Warmwasserbereitung erfolgt aus hygienischen und ökonomischen Gründen wiederum dezentral elektrisch.
Stromseitig wird die LOP in den Campus integriert. Dieser nimmt große Teile der im Sommer generierten Überschüsse der PV-Anlage auf, die nicht im Gebäude selbst genutzt werden können. LED-Leuchten, überwiegend in Akustik-Raster-Decken integriert, sowie Präsenz- und Konstantlichtregelungen minimieren den Beleuchtungsstrombedarf. Auch sonst werden alle elektrischen Verbraucher in der höchsten Energieeffizienzklasse ausgeführt.

Das Monitoringkonzept
Das Konzept für die Positionierung der Sensoren und Zähler wurde von ina im Zuge der Fachplanung und des Förderantrags erstellt. Es ergibt sich aus den Vorgaben des Leitfadens Monitoring des Bundesumweltministeriums zum Modellvorhaben. Dieser sieht eine Unterteilung in Verbrauchsdaten, Klimadaten und Nutzerverhalten vor. Ziele des Monitorings sind die Ermittlung spezifischer Kennwerte für den Endenergieverbrauch, getrennt nach Prozess bzw. Anlagenkomponente, als auch des spezifischen Nutzenergieverbrauchs im Raum.
Aus diesen Werten sollen von 2017 bis 2019 Aufwandszahlen für alle Erzeuger abgeleitet, die Verbrauchsstruktur des Gebäudes und seiner elf Zonen analysiert und den während der Planungsphase berechneten Bedarfen nach DIN V 18599:2011 gegenübergestellt werden. Die Erfassung aller Werte erfolgt auf 15-Minuten-Basis. Aus diesen werden Stunden-, Tages-, Monats- und Jahreswerte gebildet. Neben dem Verständnis des Gebäudeverhaltens und der Betriebs­optimierung nach dem ersten und zweiten Jahr des Intensivmonitorings dient die Datenerfassung natürlich auch der Überprüfung der berechneten Plus-Energie-Bilanz in der Praxis.
Unter Effizienzgesichtspunkten bei der Forschung ist hervorhebenswert, dass sich der technische Aufwand für das Monitoring trotz größerem Bilanzumfang, weiterer Anlagenkomponenten und knapp 25-facher Größe im Vergleich zu Wohngebäude-Modellprojekten in etwa nur verdoppelt hat. Zum Einsatz kommen 13 Wärmemengen- und 48 Stromzähler, Letztere erlauben teilweise auch raumweise Analysen. Daneben werden Temperaturfühler für alle Speicher und Lüftungszentralen eingebaut.
Die ohnehin vorhandene Gebäudeleittechnik erlaubt eine automatisierte Erfassung, Zusammenführung und Auslesung der Messdaten. Zudem stehen hier bei Bedarf die Werte der Volumenstromregler und Thermostate aller Räume zur Verfügung. Auch ist die Überführung des Intensivmonitorings in ein Langzeitmonitoring durch den Betreiber leichter möglich. So sollen Parameter und Messgrößen, die im Rahmen des Modellvorhabens als relevant herausgearbeitet wurden, auch danach beobachtet und zur Optimierung herangezogen werden.

Nachhaltigkeit des Modellvorhabens
Im Rahmen des Modellvorhabens wird eine Zertifizierung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes (BNB) finanziert. Hintergrund ist, dass der Hocheffizienzstandard kein Ergebnis einer einseitigen Optimierung sein soll, sondern auch unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit einen modellhaften Charakter hat. Als ein beispielhafter Auszug der von ina für die Zertifizierung erstellten Ökobilanz wird hier das Treibhauspotenzial (in kg CO2-Äquivalent) gezeigt.
Bild 2 stellt den Beitrag der verschiedenen Bauteilgruppen dar und vergleicht das gesamte Treibhauspotenzial der Konstruktion mit der eines konventionellen Gebäudes. Ersichtlich wird, dass der höhere Baustandard zu keiner Erhöhung der Umweltwirkung führt. Im Vergleich zur sonstigen Konstruktion, insbesondere Gründung und Tragwerk, sind höhere Dämmstärken, Lüftungsanlagen und effizientere technische Komponenten unauffällig. Zu beachten ist allerdings, dass die PV-Anlage nicht enthalten ist, da noch kein Fabrikat ausgewählt wurde. Die PV wird das Treibhauspotenzial des Gebäudes um etwa 10 % erhöhen. Damit nähert es sich einem konventionellen Gebäude an.
Bild 3 zeigt die Wirkung des erzeugten Endenergieüberschusses über einen Lebenszyklus von 50 Jahren. Während der Betrieb und die Nutzung des konventionellen Gebäudes das Treibhauspotenzial nahezu vervierfachen, kompensiert demgegenüber der Betrieb der LOP sukzessive die Umweltwirkung der Errichtung, der Instandhaltung und der zukünftigen Entsorgung aller Bauteile.
Auch insgesamt konnte die Nachhaltigkeit des Modellvorhabens im Zuge der Bewertung nach BNB nachgewiesen werden. Der vollständige Bericht zur Ökobilanz der LOP wird 2017 unter www.
ina-darmstadt.de
veröffentlicht. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für den Sommer geplant. Alle Gewerke liegen erfreulicherweise im Zeitplan. Mit den ersten Kurzberichten zum Monitoring ist nach der Inbetriebnahme und Einregulierung des Gebäudes im Herbst 2017 zu rechnen.

Auror: Dipl.-Ing. Michael Keller, Geschäftsführer der ina Planungsgesellschaft mbH, Darmstadt

 


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