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Effizienzhaus Plus als Ziel

Nachhaltigkeit in Planung und Betrieb erreichen

Außenansicht Haus Klawitter in Bad Homburg. Bild: Steffen Klawitter

Lageplan und Grundriss. Bild: bb22 architekten+stadtplaner

Grundrisse der Geschosse EG, OG und DG (v.l.n.r.). Bild: bb22 architekten+stadtplaner

Energiekonzeption des Hauses.

Ergebnis des zweijährigen Monitorings, kumulierte Endenergie.

Lebenszykluskosten.

Kurzcharakteristik

 

Warum nicht schon heute ein Effizienzhaus fertig stellen, das über das gesamte Kalenderjahr betrachtet ein energetisches Plus erzeugt? Genau das war Ziel des Bauherrn Steffen Klawitter und seiner Familie in Bad Homburg. Denn seiner Meinung nach gehört die Zukunft den hocheffizienten Neu- und Altbauten: „Egal, ob Wohn- oder Nichtwohngebäude, die Entwicklung im Baubereich geht klar in Richtung Passivhaus und Niedrigstenergiegebäude.“ So sollen mit der EU-Gebäuderichtlinie und der daraus resultierenden Energieeinsparverordnung (EnEV) in Deutschland ab 2021 ausschließlich Immobilien errichtet werden, die ihren sehr geringen Energiebedarf überwiegend selbst decken. Ein wichtiger Grund, weshalb der Bauherr in Bad Homburg 2013 zukunftsweisend vorangehen wollte.

Das zweieinhalbstöckige Wohnhaus mit einer beheizten Nettogrundfläche von 169 m² ist im KfW-Effizienzhaus-55-Standard errichtet. Die Wärmeverluste über Transmission und Ventilation sind minimiert. Die Hülle verfügt über geringe U-Werte und eine wärmebrückenreduzierte Konstruktion. So besteht beispielsweise die Außenwand aus 42,5 cm starkem Ziegelmauerwerk. Trotz des Verzichts auf ein konventionelles Wärmedämmverbundsystem wurde so ein U-Wert von 0,18 W/(m²K) erreicht. Die Fenster sind mit Dreifachverglasung ausgeführt. Ihr U-Wert beträgt überwiegend 0,88 W/(m²K). Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Erdwärmetauscher sorgt im Winter wie im Sommer für angenehme Zulufttemperaturen und spart gleichzeitig Wärme. Der Heizwärmebedarf wurde nach DIN V 18599 auf 21 kWh/(m² · a) berechnet.
Auf diesem Konzept aufbauend wird durch drei aktive Maßnahmen ein energetisches Plus erzeugt:

  • Eine Photovoltaik (PV)-Anlage auf dem Süd-West-Dach generiert Strom.
  • Mit diesem wird vorrangig eine Außenluft/Wasser-Wärmepumpe betrieben. Sie wandelt tagsüber den PV-Strom in Wärme um, anstelle von Batterien werden Heiz- und Warmwasserspeicher durchgeladen.
  • Dabei wird die Wärmepumpe (WP) von einem wasserführenden Scheitholzkaminofen in der strahlungsarmen und kalten Jahreszeit unterstützt.


Möglichst viel des selbst erzeugten Stroms soll selbst verbraucht werden, überschüssiger Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist. Stellen die hausinternen Quellen nicht ausreichend Energie zur Verfügung, so wird die Energiedifferenz durch den Bezug von Ökostrom aus dem allgemeinen Stromnetz abgedeckt.
Darüber hinaus ist das Effizienzhaus Plus durch die Wahl der Baustoffe unter ökologischen und bauphysikalischen Gesichtspunkten optimiert. So wurde beispielsweise für die bessere Recyclingfähigkeit ein monolithisches Ziegelmauerwerk ausgeführt. Denn es gilt heutzutage, ganzheitliche Lösungen für Gebäude zu finden. Diese bringen passive sowie aktive Strategien für die fünf grundlegenden Energiethemen – Wärme, Kälte, Luft, Licht und Strom – für die jeweilige Bauaufgabe individuell passend in Einklang. Passive Strategien minimieren dabei den Energiebedarf des Gebäudes, z. B. indem die Wärme innerhalb des Gebäudes erhalten oder der Strom effizient genutzt wird. Der restliche Energiebedarf soll über aktive Maßnahmen, das heißt, eine möglichst effiziente und regenerative Wärme- und Strom­erzeugung gedeckt werden. Von Beginn der Planung an war es das erklärte Ziel des Bauherrn, das Eigenheim in Bad Homburg als zukunftsfähiges Gebäude zu errichten, möglichst frei von Energiepreisentwicklungen zu sein und somit einen dauerhaften Immobilienwert zu schaffen.

Eine durchdachte Architektur schaffen und eine energieeffiziente Technik wählen
Durch seine geradlinige und freundliche Architektur fügt sich das Haus in die vorhandene Bebauung ein und ergänzt sie. Dafür musste die Konzeption auf das kleine, asymmetrische Eckgrundstück sowie die Nachbarschaft Rücksicht nehmen. Beides gelang durch die Wahl einer klassischen Bauform mit Satteldach. Dabei erlaubt die Ausrichtung des Hauses den Bewohnern trotz der vorhandenen, engen Bebauung einen „Blick ins Grüne“: Große Fensterflächen lassen das Haus hell und großzügig wirken und stellen gleichzeitig den Bezug zum Außenraum her. Das Gebäude ist von Bäumen umgeben und in Süd-West- und Nord-Ost-Richtung orientiert.
Die Innenräume erstrecken sich über vier Ebenen: Im Keller sind ein Gästezimmer, der Hobbykeller, ein Kellerraum sowie die Haustechnik untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich der Wohn-/Essbereich. Im 1. OG sind zwei Kinderzimmer, ein Studio und ein Badezimmer angeordnet. Das Dachgeschoss besitzt einen offenen Wohn-/Arbeitsbereich und das Elternschlafzimmer. Alle Stockwerke sind mittels einer durchgesteckten, einläufigen Treppe verbunden.
Neben der guten Dämmung der Außenbauteile verfügt das Haus über einen hohen Einstrahlungsgewinn durch Weißglasfenster. Zudem sind die schwarzen PV-Module gestalterisch in das Satteldach integriert. Zu einem späteren Zeitpunkt können weitere PV-Module auf den Außengebäuden (Schuppen, Doppelgarage) montiert werden und zusätzlich für regenerativen Strom sorgen. Dieser wäre beispielsweise für elektrische Mobilität nutzbar.
Die in das Dach integrierte PV-Anlage (Nennleistung 9,38 kWp bei einer Fläche von 45,7 m²) setzt sich aus monokris­tallinen Hochleistungsmodulen mit Rückseitenkontakt in schwarzer Optik zusammen. Sie haben einen Wirkungsgrad von 21 %. Der jährliche Stromertrag der PV-Anlage wurde vom Hersteller mit
9427 kWh ermittelt. Er deckt damit bilanziell den kompletten Strombedarf des Hauses. Anhand der Monatsbilanz ergibt sich ein Eigennutzungsgrad des vor Ort generierten Stroms von 50 %. Dieser Wert darf allerdings nicht mit einer realen Eigennutzung verwechselt werden, da er beispielsweise keine Tag-Nacht-Effekte beachtet. Realistisch sind Werte um 30 %.
Die mit dem PV-Strom betriebene Luft/Wasser-Wärmepumpe verfügt über eine Heizleistung von 6,4 kW. Sie nutzt die Außenluft als Wärmequelle für die Erwärmung eines Heizungspufferspeichers (1000 l) und eines bivalenten Warmwasserspeichers (500 l). So wird der gesamte Nutzwärmebedarf des Hauses von rund 33 kWh/(m² · a) in der Netto-Jahresbilanz vollständig gedeckt. In den Wintermonaten kann das Heizsystem von einem wasserführenden Scheitholzkamin unterstützt werden. Er besitzt eine Netto-Wärme-Leis­tung von 14,4 kW. Sämtliche Räume sind mit einer Niedertemperatur-Fußbodenheizung, mit effizienten Geräten (Label A+ bis A+++) sowie einer LED-Beleuchtung ausgestattet.
Die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung kann der Abluft 86 % Wärme entziehen und sie so den Räumen über die Zuluft wieder zuführen. Ein Solewärmeübertrager bindet das Erdreich als Wärme-/Kältequelle mit ein. So kann die Außenluft im Winter vorerwärmt und im Sommer vorgekühlt werden.

Praxistest – Planung versus Betrieb
Die hier gewählte Lösung von PV in Kombination mit einer WP sehen die Planer als ein vielversprechendes Anlagenkonzept – insbesondere im Hinblick auf den bald geforderten Niedrigstenergiestandard. Um zu überprüfen, ob die bilanzierten Werte von Bedarf und Erzeugung auch in der Praxis eingehalten werden, wurde das Gebäude während der ersten beiden Betriebsjahre, von Mai 2014 bis April 2016, überprüft. Die dazugehörige Konzeption und das Monitoring übernahm die Ina Planungsgesellschaft mbH (ina). Sie ist eine Ausgründung aus dem Fachgebiet „Entwerfen und Energieeffizientes Bauen“ der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Neben des Verifizierens der Plus-Energie-Bilanz waren die Kontrolle des Betriebs, das Identifizieren von Optimierungspotenzialen sowie das Weiterentwickeln des Standards „Effizienzhaus Plus“ Ziele des Monitorings. Dabei zeigte sich zunächst, dass auch ein Monitoringsystem einer Einregulierungsphase und der Korrektur von Zählern bedarf, um relevante Daten liefern zu können.
Weitere Erkenntnis war, dass der Verbrauch im ersten Jahr den Ertrag deutlich überstieg. Grund hierfür ist zum einen die häufige Nutzung des Kamins. Über das Jahr deckte er 28 % des gesam­ten Wärmebedarfs. Der vom Bauherrn vorgenommene Einsatz von Biomasse ist aber hinsichtlich des Plus-Energie-Standards kritisch. Während dieser primärenergetisch von Vorteil ist, ergibt sich daraus end­energetisch ein Nachteil für die Bilanz: Für eine kWh Wärme muss mehr als eine kWh des Brennstoffs Holz eingesetzt werden. Wärmepumpen-Konzepte ohne Biomasse sind demgegenüber in der Bilanzierungsmethode des Effizienzhaus Plus im Vorteil. Hier werden aus einer kWh Strom drei bis vier kWh Wärme bereitet. Weiterhin wurde die Planung 2012 nach der damals geltenden EnEV 2009 erstellt. Der Primärenergiefaktor für den fossilen Anteil des Strombezugs aus dem öffentlichen Netz lag hier noch bei 2,4. Heute beträgt er nach EnEV 2014 nur noch 1,8. Somit würde das Ergebnis nun primärenergetisch deutlich besser ausfallen.
Zum anderen blieb die PV hinter der Prognose zurück, obwohl im zweiten Monitoringjahr eine größere Ausbeute zu verzeichnen war. Dazu trug u. a. eine höhere Globalstrahlung bei. Der Ertrag blieb dennoch unterhalb der Voraussage. Dies ist in einem zu optimistischen Ansatz des Herstellers und in einer Teilverschattung durch den Baumbestand begründet. So wurde auch im zweiten Jahr das Plus knapp verfehlt, trotz eines nahezu vollständigen Verzichts auf den Einsatz des Kamins. Ein PV-Eigennutzungsgrad am Gesamtstromertrag von 30 % unter Realbedingungen deckt sich mit dem Erfahrungswert, den ein Gebäude mit einem WP-Betrieb haben sollte. Das Ergebnis im zweiten Monitoringjahr bedingt sich u. a. aus dem nahezu vollständigen WP-Betrieb. Zudem wurde Mitte des ersten Monitoringjahrs eine Optimierung zur Verbrauchsdeckung aus PV-Strom durchgeführt. Die Summe aller Maßnahmen hat zu einer Erhöhung des Eigenverbrauchs um vier Prozentpunkte geführt – ausgehend von 26 %.
Den Strom vor Ort zu nutzen, ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern bringt auch Kostenvorteile mit sich: Während dieser Zeit muss kein Strom aus dem Netz bezogen werden, zu Kosten von 28,5 ct/kWh, jährlich steigend. Wenn ein Stromüberschuss erzeugt wird, kann er in das Netz eingespeist werden. Der Betreiber einer kleinen PV-Anlage erhält dafür eine über 20 Jahre konstante Einspeisevergütung von damals etwa 13 ct/kWh. Um den PV-Eigengebrauch zu erhöhen, müssen große Verbraucher dann genutzt werden, wenn die PV-Ertrag liefert. Eine WP ist solch ein großer Verbraucher. Bei dem Pro-Klima-Haus in Bad Homburg zeigte sich in den Lastgängen aber, dass die frühmorgendliche und allabendliche Trinkwarmwasser (TWW)-Bereitung und damit der WP-Betrieb kaum mit dem PV-Ertrag zusammenfielen. Deshalb lag der Anteil der WP am PV-Eigengebrauch zunächst nur bei 25 %.
In der Folge hat der Bauherr hier eine Optimierung durchgeführt. Da das WP-Fabrikat noch nicht automatisch anhand des PV-Ertrags geregelt wird, baute er eine Zeitschaltuhr ein. Über die Steuerung der Speicherladepumpe konnte die TWW-Bereitung stärker in den Tag verlegt werden. Der Speicher wird dabei vollständig durchgeladen, damit die nächsten 24 Std. Trinkwarmwasser zur Verfügung steht. Der Effekt ließ sich in den Folgemonaten anhand des gestiegenen Anteils der WP am PV-Eigengebrauch dokumentieren (um 20 auf 45 %). Den größten Teil am Stromverbrauch machen die WP inkl. Heizstab und die Hilfsenergie aus, insgesamt 62 %. 36 % entfallen auf den Haushaltstrom, der auch einen gleichbleibenden Sockel beim Verbrauch darstellt. 2 % benötigt die Monitoringtechnik.
Wie bei den Bilanzierungsmethoden spielen die jeweils gültigen Rahmenbedingungen auch bei der Amortisation eine Rolle. Förderungen helfen, die Realisierung von nachhaltigen und ökologischen Gebäuden voranzutreiben. Mit einer Diskontierung von 1,5 % und einer Energiepreissteigerung von 2 % rechnet sich das Effizienzhaus Plus (mit Bilanzbezug) nämlich noch nicht eigenständig gegenüber einem EnEV-Referenzgebäude. Wenn hingegen eine KfW-Förderung (KfW-Effizienzhaus 40 Plus, Tilgungszuschuss von 15 000 Euro brutto je Wohneinheit) hinzugezogen wird, so amortisiert sich das Effizienzhaus Plus nach etwa 26,5 Jahren. Allerdings konnte der Bauherr diese Förderung so nicht erhalten, da sie erst in 2016 eingeführt wurde und seine Gebäudehülle nicht allen Anforderungen eines KfW-Effizienzhauses 40 genügt. Dennoch beweist eine Ökobilanzbetrachtung den Mehrwert dieses Gebäudes. So zeigt sich, dass es gegenüber einem EnEV-Neubaustandard – auch ohne das Erzielen eines energetischen „Plus“ – mit einer CO2-Einsparung von 7,5 bis 7,9 t CO2/a, bei 50 Betriebsjahren und einer Ener­giebezugsfläche von rund 300 m², einen wesentlichen Beitrag zur Erlangung der klimapolitischen Ziele des Bundes leis­tet.

Fazit: Aus den Erfahrungen lernen
In einem modernen Haus müssen Gebäudekonstruktion, Anlagentechnik und Ausstattung optimal aufeinander abgestimmt sein. Für ein reibungsloses Funktionieren energetisch anspruchsvoller Gebäude sollten deshalb die Technologien von Anfang an miteinander vernetzt werden. Ein nachhaltiger Betrieb von Immobilien und damit ein adäquater Umgang mit Energie kann aber nur gelingen, wenn Gebäude nicht nur rechnerisch einem bestimmten Standard genügen, sondern ihn auch bei der realen Nutzung erfüllen.
Dafür ist ein gutes Team der verschiedenen Gewerke erforderlich, die den neuen Standard umsetzen. Während des Betriebs muss wiederum der Nutzer die Auswirkungen seines Verhaltens richtig beurteilen können. Wetterbedingt kann es immer vorkommen, dass der gemessene PV-Ertrag mitunter stark von der Prognose abweicht. Aber im vorliegenden Fall war auch die häufige Nutzung des Kamins mit ausschlaggebend dafür, dass das Gebäude kein Plus erzielte. Für das Pro-Klima-Haus in Bad Homburg spricht aber eine deutlich bessere Ökobilanz im Vergleich zu einem EnEV-Neubaustandard. In puncto Wirtschaftlichkeit benötigen die zukunftsweisenden Standards wie „Effizienzhaus Plus“ oder „AktivPlus“ derzeit noch eine finanzielle Förderung, um in die Breite der Anwendung getragen werden zu können.

Bilder, sofern nicht anders angegeben:
ina Planungsgesellschaft mbH

www.ina-darmstadt.de
www.energieberater-ausbildung.de

 

Zum Projekt

Das Projekt in Bad Homburg war Teil des Modellvorhabens „Effizienzhaus Plus“ der Forschungsinitiative „ZukunftBau“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Ergebnisse des Monitorings wurden auf der Kongress-Messe „CEB Clean Energy Building“ erstmals am 29. Juni in Karlsruhe vorgestellt – beim „3. AktivPlus Symposium“, das der Aktivplus e.V. durchführte. Er ist eine gemeinnützige Initiative von Planern und Wissenschaftlern. Dessen Ziel ist es, einen zukunftsfähigen Standard für Gebäude und Quartiere zu entwickeln und diesen in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu etablieren. Dementsprechend war das Projekt auch Teil der Pilotphase des Vereins für Aktivplus-Gebäude.

 


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