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Effektive Altbausanierung mit Solar - Die Lindenbergsiedlung in Siegen

Jürgen Brück

Am östlichen Stadtrand von Siegen, etwa 2,5 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, liegt der Stadtteil Lindenberg. Seit dem Jahr 2007 findet sich hier ein ganz besonderes Mietobjekt. Innerhalb von zwei Jahren wandelte sich die typische 1950er-Jahresiedlung zu einer hochmodernen Solarsiedlung.

 

Die Lindenbergsiedlung in Siegen.

Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem Objekt Wetzlarer Straße 29 - 45 um eine ganze normale Siedlung zu handeln, wie man sie in größeren Städten für gewöhnlich vorfindet. Allenfalls ein wenig schmucken erscheinen die vier dreigeschossigen Häuserblocks mit insgesamt 54 Wohneinheiten. Ursprünglich waren sie, wie unzählige andere, Mitte der 1950er-Jahre fertiggestellt worden, um den Wohnungsbedarf nach dem Zweiten Weltkrieg zu decken. Doch, wenn man sich die Bauten ein wenig näher betrachtet bemerkt man schnell, dass es ich um eine ganz besondere Siedlung handelt. In rund zweijähriger Arbeit verwandelte man dieses Wohngebiet nämlich in eine hochmoderne Solarsiedlung.

Für viele Jahre kein Sanierungsbedarf
Die Idee, hier nicht, wie an vielen anderen Orten üblich, nur die nötigsten Instandhaltungsarbeiten, sondern eine grundlegende Sanierung vorzunehmen, stammt maßgeblich von Hans-Georg Haut, dem geschäftsführenden Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Siegen eG (WGS), der u. a. die Siedlung in der Wetzlarer Straße gehört. "Das Dach war undicht, und wir haben uns gesagt, es bringt überhaupt nichts, nur das Dach zu machen. Damit hätten wir nichts für die Zukunft getan, sondern nur den Bestand erhalten, und das wollten wir nicht", erklärt Haut das besondere Engagement der WGS und fährt fort: "Wir haben natürlich auch gesehen, dass die fossile Energie endlich ist und haben uns vor diesem Hintergrund überlegt: Wie sollen wir hier weiter vorgehen?"  Nachdem er dann eine Solarsiedlung in Bonn Tannenbusch besichtigen konnte, war für Haut die Entscheidung gefallen, ein ähnliches Konzept auch in Siegen Lindenberg auszuprobieren.

Ein wichtiger Leitgedanke bei der Planung und Realisierung der Sanierungsmaßnahmen war es - auch für die Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts -, von Anfang an "Nägel mit Köpfen zu machen" und so innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre keinen Sanierungsbedarf bei diesem Objekt mehr zu haben. Und so schnürte man ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das der Siedlung in der Wetzlarer Straße innerhalb von zwei Jahren ihr ganz neues Gesicht verlieh.

Haut betont, dass die Investitionskosten natürlich recht hoch waren, aber dass sich aufwendige Umbaumaßnahmen auch aus kaufmännischer Sicht durchaus lohnen werden. Eine energieeffiziente Sanierung ist also lange nicht nur ein schöner Spleen von Umweltromantikern, sondern auch für Wirtschaftsunternehmen eine gute Sache.

Zunächst einmal ging es bei der Sanierung um die Dämmung der Gebäudehülle.

Eine weitere wichtige bauliche Maßnahme war es, die auskragenden Balkone zu entfernen. Derartige Bauteile stellen Wärmebrücken dar, über die erhebliche Anteile der Heizenergie ungenutzt an die Außenwelt abgegeben werden. Sie wurden durch moderne aufgeständerte Alubalkone ersetzt, die nun nicht nur der Vermeidung von Wärmebrücken, sondern auch als Blickfang dienen.

Zum Heizen wurden blockweise zentrale Gasbrennwerttherme mit Pufferspeichern installiert, die durch Solaranlagen mit einer Kollektorfläche von insgesamt 142 m² unterstützt werden. Da die Dächer eine günstige Ausrichtung aufweisen, montierte man auf deren Südseite PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 66  kWp. Den besonderen Clou der Sanierungsmaßnahmen stellt die Installation einer zentralen Belüftungsanlage pro Block dar. Derartige Installationen werden derzeit in Mietshäusern nur sehr selten durchgeführt, Hans-Georg Haut ist aber dennoch davon 100%ig überzeugt: "Jede Wohnung ist an eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung angeschlossen, sodass wir 90 % der Energie nicht mehr zum Fenster rauslassen, sondern wieder zurückgewinnen können." Außerdem weist er darauf hin, dass durch diese spezielle Maßnahme auch gewährleistet wird, dass keine baulichen Schäden wie massive Schimmelbildung mehr durch falsches Lüften entstehen können.

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Blick auf eine Installation in einer Wohnung.

Ansicht eines Pufferspeichers.

* Der U-Wert gibt an, wie viel Wärme (in Watt [W]) pro Quadratmeter Fläche [m²] je Grad Temperaturdifferenz (Kelvin [K]) durch ein Bauteil fließen.

85 % weniger Energiebedarf
All diese Maßnahmen haben nach dem derzeitigen Wissensstand dazu geführt, dass in der Wetzlarer Straße 29 - 45 jährlich ca. 320 t CO2 eingespart werden können und der Energiebedarf von früher ca. 250 kWh/m² auf 39 kWh/m² gesenkt wurde. Das ist immerhin eine Reduzierung um ca. 85 %.

Um die Sanierungen zu finanzieren, waren erhebliche Mittel nötig. Die WGS beziffert sie auf etwa 3,5 Mio. Euro. Den Bärenanteil dieses Betrages, nämlich 50 000 Euro pro Wohnung (insgesamt also 2,7 Mio. Euro), konnte die Genossenschaft mithilfe des KfW-"CO2-Gebäudesanierungsprogramms" aufbringen. Das Programm hat die Besonderheit, dass bei Einhaltung bzw. Unterschreitung der Neubau-Werte für den Jahres-Primärenergiebedarf und den Transmissionswärmeverlust nach § 3 EnEV (Energieeinsparverordnung) ein Teilerlass der Schulden möglich ist. Der WGS ist es so gelungen, 10 % der Kreditsumme als Zuschuss zu erhalten.

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144 000 Euro gab es vom Land NRW als Zuschuss für die Siedlung aus dem Programm "50 Solarsiedlungen". NRW Wirtschaftsministerin Christa Thoben zeigte sich bei der Einweihung der fertiggestellten Siedlung begeistert: "Dieses Renovierungsprojekt der Wohnstättengenossenschaft Siegen verbindet vorbildlich den Klimaschutz mit der Wirtschaftlichkeit. Die energetische Sanierung sorgt in Kombination mit der Nutzung der Solarenergie für eine deutliche Verringerung der Wohnnebenkosten. Die fertiggestellte Solarsiedlung trägt dazu bei, diesen innovativen Baustandard noch breiter in den Markt einzuführen."

Die restlichen Mittel brachte die Siegener Wohnungsbaugenossenschaft aus eigener Kraft auf. Hans-Georg Haut ist mit dem Verlauf der Arbeiten und natürlich auch dem Ergebnis sehr zufrieden. Das werde auf keinen Fall die letzte derartige Sanierung sein, betont er. Der Geschäftsführer der WGS hat noch ein paar gute Tipps für andere Bauherren parat: "Schalten Sie auf jeden Fall einen Energieberater bei der Planung ein, und sprechen Sie auch schon in einem so frühen Stadium mit einer Bank über die Finanzierung. Und dann sollten Sie nicht kleckern, sondern klotzen. Es ist nämlich nur wenig hilfreich, eine Heizung zu sanieren und die Fassade nicht zu dämmen."

Anordnung der Wechselrichter.

Den besonderen Clou der Sanierungsmaßnahmen stellt die Installation einer zentralen Belüftungsanlage pro Block dar.

Hans-Georg Haut, geschäftsführender Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Siegen.

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Neue Konzepte zur Wohnungslüftung
Eine gute Belüftung von Wohnungen und Häusern ist für das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Bewohner unbedingt erforderlich. Die Vorteile einer richtigen Lüftung liegen auf der Hand: eine hohe Luftqualität, die Vermeidung von Schimmelpilzbefall, ein gesundes Wohnklima, der Erhalt der Bausubstanz und - das mag für den ein oder anderen neu sein - auch die Einsparung von Heizkosten. Alleine bei der Heizung können bei richtiger Planung und richtigem Verhalten nämlich bis zu 40% eingespart werden. Dabei zählt in der modernen Haustechnik das Lüften über die Fenster nicht mehr unbedingt zur ersten Wahl, wenn es darum geht, ein gesundes Raumklima zu erhalten.

Insbesondere der unkontrollierte Luftaustausch über undichte Fugen und Ritzen, der häufig zudem von Winddruck, Windrichtung und der Temperaturdifferenz zwischen Außen und innen abhängig ist, macht eine kontrollierte Lufterneuerung so gut wie unmöglich. Zudem führt er häufig zur Bildung von Schimmelpilz. Wenn nämlich z. B. warme und feuchte Raumluft durch eine Undichtigkeit in der Dachkonstruktion entweicht, kondensiert sie an der kühleren Dämmschicht und durchfeuchtet diese schließlich. Das Ergebnis: Schimmelpilz.

Der Schlüsselbegriff beim modernen Lüften ist die sogenannte Luftwechselrate. Sie ist das Maß für die Lüftung und gibt den kompletten Luftaustausch eines Raumes pro Stunde an. Die optimale Luftwechselrate wird durch die "Pettenkofer-Grenze" definiert: Sie liegt für einen 4-Personen-Haushalt in einer 75-m²-Etagenwohnung bei zwei Stunden, in einem größeren Einfamilienhaus sollte die Luft alle drei Stunden komplett ausgetauscht sein.

Erreichen lassen sich solche optimalen Daten nur mit modernster Lüftungstechnik. Im Zusammenspiel mit Lüftungsanlagen können Wärmepumpen eine wichtige Rolle spielen, da sie durch eine Wärmerückgewinnung maßgeblich zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen. Dabei wird die aus der Abluft gewonnene Energie eingesetzt, um die Frischluft zu erwärmen und/oder für Warmwasser zu sorgen. Es gibt auch Systeme, die auf diese Weise die bestehende Heizung unterstützen.

Die moderne Lüftungstechnik basiert auf zwei grundlegenden Systemen. Die "Zu-/Ablufttechnik" sorgt durch ein kompaktes Zentralgerät für den erforderlichen Luftaustausch. Dabei entlüftet ein Ventilator über ein Rohrnetz die belasteten Räume. Ein zweiter Ventilator saugt Außenluft an und führt sie durch ein weiteres Rohrsystem den bewohnten Räumen wieder zu. Außerdem ist in das Gerät eine Wärmepumpe integriert, die die Außenluft temperiert (und im Sommer auch für angenehme Kühlung sorgt).

Die "Ablufttechnik" ist durch eine zentrale Abluft- und eine dezentrale Zuluftführung gekennzeichnet. Bei diesem Konzept werden die belasteten Räume wieder zentral durch einen Ventilator entlüftet. Die Wärmepumpe befindet sich auch in diesem System und entzieht der Abluft die Wärme. Die Außenluft wird aber nicht über eine zentrale Stelle, sondern über verschiedene Außenwandventile den bewohnten Räumen wieder zugeführt. Das Funktionsprinzip hier ist ebenso einfach, wie verblüffend. Durch das Entlüften der belasteten Räume entsteht im Haus ein leichter Unterdruck. Die Ventile sind nun so ausgelegt, dass dieser Unterdruck bereits ausreicht, damit über sie genug Luft wieder in die Räume gelangt, um den Druck auszugleichen. Damit ist der hygienisch erforderliche Luftaustausch im ganzen Haus energiesparend sichergestellt.

Wohnungs- und Hauslüftung nach dem alten Prinzip "Fenster aufreißen und warten, bis es sich gut anfühlt" ist also nicht nur unzeitgemäß, sondern kann unter Umständen das Raumklima sogar negativ beeinflussen. Eine moderne Lüftungsanlage nach den oben beschriebenen Prinzipien hingegen ist weit mehr als eine modische Spielerei, sie ist unbedingt notwendig für Ihre Gesundheit.

Autor
Jürgen Brück ist ­freier Journalist in Bonn und hat sich auf die ­Gebiete ­Erneuerbare ­Energien, Physik, ­Astronomie und Nanotechnologie spezia­lisiert.

Bilder: Autor

 


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