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Digitale Transformation im Handwerk

Welche Möglichkeiten hat der Unternehmer?

Alle Unternehmens­prozesse werden zukünftig digitalisiert, Ausnahmen gibt es keine. Bild: HwK Koblenz

Kunden, ob privat oder geschäftlich, wollen digital auf Augenhöhe abgeholt werden. Hier gewinnt, wer die Schnittstellen schließt. Bild: M3B Service GmbH

Bei den sogenannten BarCamps steht neben dem Wissenstransfer durch den Akteur der Austausch untereinander im Fokus. Bild: IKZ-HAUSTECHNIK

Neue digitale Werkzeuge und Plattformen bieten neue Möglichkeiten, Wissen am Ort der Tat zur Verfügung zu halten. Bild: Hummel AG

Kompetenzzentrum Digitales Handwerk, Schaufenster West. Bild: HwK Koblenz

 

Kein anderes Thema wird derzeit mehr durch die Lande getrieben als das der Digitalisierung. Ob Industrie, Handwerk oder Sanitär-Heizung-Klima 4.0 – fast täglich wird diese Zahl hinter neue Begrifflichkeit geschrieben. Da gilt es genau hinzuschauen, wie das eine Unternehmen hier und heute die Weichen stellen muss. Daher gilt: Genau hinzuschauen ist Pflicht.

Vier Themen gelten als Treiber der ­digitalen Transformation im Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerk. Die Grundlage liegt in der Digitalisierung der Unternehmensprozesse. Hier wird zukünftig jeder Schritt digitalisiert. Ausnahmen? Keine. Auch Thema zwei ­betrifft jedes Handwerksunternehmen der Branche – die Umsetzung einer digitalen Kundenschnittstelle. Kunden, ob privat oder geschäftlich, wollen digital auf Augenhöhe abgeholt werden. Auch hier gewinnt wer die Schnittstellen schließt. Thema drei liegt dem deutschen Handwerk und Mittelstand aufgrund der guten Partnerschaft zur Industrie. Die Digitalisierung der Produkte und Services. Thema vier hingegen bietet zusammengefasst enorme wirtschaftliche Chancen – das Planen und die Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle aus dem Handwerk heraus. Doch alle vier Themen werden nur dann gelingen, wenn es gelingt eine digitale Handwerkskultur in den Unternehmen zu etablieren. Vom Chef, den Meistern bis hin zum Lehrling oder altgedienten Mitarbeiter. Nur gemeinsam kann eine umfassende Digitalisierung der Unternehmensbereiche gelingen.

Vordenker treffen – BarCamps aufsuchen
BarCamps sind der Treffpunkt der digitalen Vordenker und Macher: Lernorte zu digitalen Zukunftsthemen, bei denen erst vor Ort Inhalte und Ablauf entstehen. Hierbei werden die „Digitalen“ gebeten, ihre Themenvorschläge den anderen Gäs­ten kurz vorzustellen. Je nach Nachfrage verteilt man sich in kleinen oder größeren Gruppen, um gemeinsam intensiv zu arbeiten. Neben dem Wissenstransfer durch den Akteur steht der Austausch untereinander im Fokus. So werden genau die Fragen beantwortet, die einen im Unternehmen weiterbringen. Durch das kreative Umfeld entstehen oft schon vor Ort detaillierte Umsetzungsprojekte, die in Partnerschaft begonnen werden können.
Eine Übersicht aller deutschen BarCamps und deren Themen findet sich unter www.barcamp-liste.de.

Mit den digitalen Machern arbeiten
Um digitale Prozesse auf neue Geschäftsmodelle hin zu untersuchen, braucht es Kreativität, disruptives Denken und freie Denkräume. Dies kann nicht jedes Unternehmen vorweisen. Ein gutes Werkzeug, um trotzdem am Ideenreichtum und Wissen des digitalen Nachwuchses zu partizipieren, ist es, zu einem Hackathon zu laden. Die Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“ meint das gemeinsame Lösen von gestellten Herausforderungen. Hierbei arbeiten verschiedene Teams in wechselnder Zusammenstellung an je einer Fragestellung. Wie lassen sich meine Produkte mit einem digitalen Kundenservice erweitern? Wie kann ich Teile meiner Geschäftsprozesse durch das Messen von Daten intelligenter machen? Wie sieht die Zukunft meiner Branche aus und welche digitalen Lösungen werden meine Kunden lieben? Das sind Fragen, auf die ein Hackathon Antwort geben kann. Die Ideen bleiben hierbei Eigentum der Ideengeber. Über eine Kooperation mit den Teams lassen sich die Ideen schnell in die Realität holen.
Einen Einblick in eine erfolgreiche Serie von Hackathons bietet beispielsweise der „Digitallife Campus“ der Daimler AG, zu finden unter www.digitallife-campus.com.

Wie Designer denken – mit Design Thinking lernen
Die digitalen Top Player wie Apple, Google oder Amazon nutzen das Werkzeug Design Thinking schon seit Langem sehr erfolgreich. Die Besonderheit an diesem Ansatz ist das Entwickeln von Produkten und Services, die Kunden sich wirklich wünschen. Hier spielt heute die digitale Schnittstelle zum Kunden die größte Rolle. Design Thinking lässt sich gut für Innovationsvorhaben in den Bereichen Unternehmensstrategie, Geschäftsmodellgestaltung, Änderungen bestehender Organisationsstrukturen, Auslegung von Geschäftsprozessen, Softwaregestaltung oder zur Optimierung von Logistik­funktionen einsetzen. Design Thinking funktioniert in sechs Phasen und wird als Workshop-Format durchgeführt. Phase 1 gilt dem Verstehen – der Aufgabenstellung, des Marktes, der Kunden und Optimierungskriterien. Phase 2 gilt dem Beob­achten, Phase 3 der Analyse des Kundenverhaltens in realen Situationen. Erst in Phase 4 werden Ideen entwickelt und visualisiert. Phase 5 gilt der Weiterentwicklung der Idee und dem Prototyping. Den Abschluss bildet das ausgiebige Testen zur Optimierung der Lösung. Drei Regeln gibt es zu beachten. Die Gruppe sollte aus unterschiedlichen Wissensträgern und branchenübergreifend aufgestellt sein. Nur so ist für neue Impulse gesorgt. Die Arbeitsräume sollten ein freies und agiles Arbeiten ermöglichen. Material für Modelle und Prototypen sollte reichhaltig vorhanden sein.
Weitere Informationen und Möglichkeiten zur Durchführung von Design Thinking-Workshops bieten einige der Kompetenzzentren Mittelstand 4.0 der Initiative www.mittelstand-digital.de.

Digitale Eingreiftruppe etablieren
Eine weitere Möglichkeit, die Chancen der Digitalisierung im Unternehmen zu beleuchten, ist
die Gründung einer digitalen Eingreiftruppe. Jeder kennt sie: die digitalen Wilden – ob Auszubildende oder Werkstudenten. Im Unternehmen selbst schlummern oft die Querdenker und Treiber. Machen Sie diese ausfindig. Gründen Sie eine über die Abteilungen oder Unternehmensbereiche übergreifende Truppe. Deren Aufgaben:

  • Entwicklung und Aufbereitung von möglichen Potenzialen durch die Digitalisierung der Prozesse im Unternehmen – zum Kunden und zum Lieferanten.
  • Identifikation disruptiver Marktveränderungen.
  • Vorbereitung neuer digitaler Geschäftsmodelle und Services.


Hierbei gilt es, die Gruppe mit Personal aus allen Bereichen anzureichern. Auch die IT-Techniker selbst müssen für die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden.

Start-ups gründen oder kollaborieren
Der Begriff vom „Golden Start-up“ ist in aller Munde. Was aber bitte macht diese Definition eines jungen Unternehmens aus? Start-ups kennzeichnet eine extrem agile Arbeitsweise in der Entwicklung und Umsetzung neuer, oft digitaler Geschäftsmodelle. Hierbei spielt die Zusammensetzung unterschiedlicher Akteure aus verschiedenen Wissensbereichen eine große Rolle. Das Denken aus Kundenperspektive schafft vollkommen neue Lösungen für Produkte und Dienstleistungen. Oft kommen die Herausforderer der etablierten Branchen aus völlig anderen Feldern. Und genau hier liegt ihre Chance für den Erfolg. Sie lassen sich nicht von eintrainierten Abläufen und Denkweisen aufhalten. Diese Methodik gilt es sich anzueignen. Wie? Selbst im Unternehmen neu gründen oder mit bestehenden Start-ups eine Partnerschaft schließen. Beide Wege können sehr erfolgreich sein. Wer eine erste Annäherung an potenzielle Start-ups sucht, kann als Wissensgeber unterstützend an einem Accelerator-Programm teilnehmen. Hierbei werden etablierte Unternehmen mit Start-ups zusammengebracht, um das Geschäftsmodell auszubauen und zu verfeinern. Gleichzeitig lernen die Etablierten so die zukünftigen Denk- und Handlungsweisen von Start-ups kennen und schätzen. Gemeinsam können neue Ideen zum Erfolg gebracht werden.

Lernplattform für Mitarbeiter zum Wachstum verhelfen
Die Schulung von Mitarbeitern zu den unterschiedlichsten Themen wird für viele Unternehmen gerade im Klein- und Mittelstand zur Herausforderung. Hängen hinter den Themen noch gesetzliche Vorgaben und Zeitstrukturen, braucht es neue Lösungen. Hier kann die Einführung einer digitalen Lernplattform im Unternehmen eine gute Lösung darstellen. Sind die Themen erst einmal aufbereitet und digital verfügbar, lässt sich schnell und zielgenau schulen. Auswertung und gesetzlicher Nachweis sind inklusive.
Oft lässt sich für die Produktion der Inhalte auf bereits produzierte digitale Inhalte aus der Branche zurückgreifen. Zudem können die Mitarbeiter mit einfachen Werkzeugen selbst zu Produzenten von Schulungen werden. Die technischen Möglichkeiten sind heute in allen Unternehmen mehr als vorhanden. Einmal aufgebaut, ließe sich auch ein weiteres Geschäftsfeld für das Unternehmen aufbauen. Die Lerninhalte ließen sich hervorragend anderen Unternehmen aus der Branche anbieten.

Das Wissen an Ort und Stelle bringen
Die Digitalisierung zwingt uns zu neuen Strategien in der Bereitstellung von Wissen. Wann wollen wir wissen wie etwas geht? Am Ort des Geschehens: an der Maschinensteuerung, in der RP-Eingabemaske oder der Reparatur beim Kunden vor Ort. Aber auch hier bieten neue digitale Werkzeuge und Plattformen neue Möglichkeiten, Wissen am Ort der Tat zur Verfügung zu halten. Schon heute sind überlagernde Lernprogramme in der Lage, ein Stocken im Prozess zu bemerken und ohne Zutun des Nutzers die nächsten Lösungsschritte anzubieten. Eine weitere, in Zukunft enorm wachsende Möglichkeit ist der Einsatz von digitalen Helfern, die Mitarbeiter in ihrer Arbeit unterstützen. Vom digitalen Endgerät, welches schon heute jeder Mitarbeiter bei sich führt, bis hin zu Augmented-Reality-Lösungen warten hier viele neue Einsatzbereiche.

Mitarbeiter auf Entdeckungsreise schicken
Wie lässt sich die nötige Bereitschaft zur Digitalisierung steigern? Wie können wir nötige weiche Kompetenzen wie Sozial- und Kommunikationskompetenz, interdisziplinäres Denken und Handeln oder Prozess-Know-how fördern? Mitarbeiter müssen die Vorzüge der Digitalisierung erleben können, der digitale Wandel findet schließlich in den Köpfen statt. Was liegt hier näher als Entdeckungsreisen zu ermöglichen. Ob online im Intranet der Unternehmen mit aufbereiteten Schwerpunktthemen zur Digitalisierung oder aber vor Ort bei einem Besuch in einem Digital-Labor – einer offenen Werkstatt für Ihre Produkte aus der Branche. Möglichkeiten gibt es viele.

Prozessmacher im Handwerk etablieren
Prozessmanagement gilt durch die technologischen Möglichkeiten der Automatisierung, der kollaborativen Einbindung der Prozessbeteiligten sowie der Umsetzung neuer digitaler Geschäftsmodelle als Treiber der Digitalisierung. Hier muss auf allen Ebenen der Anschluss erfolgen, um die oft vorhandenen Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Softwarelösungen zu beseitigen. Hier sollte der Fokus darauf liegen, Werkzeuge einzusetzen, die sich automatisiert den Prozessen anpassen und nicht die Prozesse der Softwarelösung. Ein großes Potenzial liegt hierbei zudem in der Anbindung von Sensordaten aus dem Umfeld der Kunden. Hier muss die Frage beantwortet werden, welcher Mehrwert dem Kunden auf Grundlage der neuen Informationen angeboten werden kann. Die Themen Gesundheit, Energie- und Ressourcensparen sowie Infotainment stehen im Fokus der Branche. Auch im Bereich der Prozesse gilt es Verantwortlichkeiten im Unternehmen zu definieren. Ein „Prozessmanager“, der nach der Aufnahme und Modellierung der Unternehmensprozesse einen immer wieder kehrenden Kreislauf der Verbesserung in Gang hält, ist hier ein richtiger Anfang.
Wer eine schnelle Möglichkeit der Prozessaufnahme und Modellierung sucht, ist auf der Seite www.bpmn.io gut aufgehoben.

Fazit
Die Chancen der Digitalisierung sind gerade für das Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerk
enorm. Die Risiken allerdings auch. Aktuell in bester Verfassung müssen spätestens jetzt die Weichen gestellt werden, um neue tragfähige digitale Geschäftsmodelle und Kundenschnittstellen zu besetzen. Dies geht nur mit einem „Ja“ zum branchenübergreifenden Denken, gelebter Kollaboration, der Schaffung von digitalen Standards und offenen Schnittstellen sowie einem radikalen Umdenken in den Unternehmen.

Autor: Christoph Krause, Leiter Kompetenzzentrum Digitales Handwerk

www.handwerkdigital.de

 

 

Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk

Mit mehr als einer Million Betrieben ist das Handwerk zentraler Teil der deutschen Wirtschaft. Die ausgeprägte Kundenorientierung hat sich in der Vergangenheit als besonderes Qualitätsmerkmal erwiesen. Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, diesen Vorteil weiter auszubauen. Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk informiert Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte aus dem Handwerk über die konkreten Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien und gibt nützliche Hilfestellung zur praktischen Umsetzung in den einzelnen Handwerksbetrieben.
Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Ener­gie (BMWi) gefördert wird. Es bietet für jeden Handwerksbetrieb praktische Informations-, Qualifikations- und Unterstützungsangebote:

  • Broschüren, Checklisten, Online-Ratgeber,
  • Demonstration digitaler Anwendungen,
  • Workshops und Fachveranstaltungen,
  • Webinare und Präsenzschulungen,
  • Entwicklung von praxisnahen Implementierungsstrategien,
  • Betriebsübergreifender Erfahrungsaustausch,
  • Begleitung von Betrieben bei der konkreten Umsetzung von digitalen Projekten.

 


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