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„Die Bundesregierung bremst die Energiewende“ - IKZ-ENERGY im Gespräch mit Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus

Mitte Juli verabschiedete die Bundesregierung das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz. Was folgte, waren überwiegend negative Reaktionen seitens der beteiligten Unternehmen und der Fachpresse: Der großen Koalition wird vorgeworfen, dass sie ihre eigenen Klimaziele längst aus den Augen verloren hätte. Das sieht auch Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus so.

Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus.

 

IKZ-ENERGY: Herr Neuhaus, was halten Sie von der EEG-Novelle 2017?
Detlef Neuhaus: Die Bundesregierung bremst mit dem neuen EEG leider die Energiewende weiter aus. Dabei sollte die große Koalition durch das Gesetz eigentlich die passenden Rahmenbedingungen schaffen, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter zu forcieren – auch im Hinblick auf die eigenen und die europäischen Klimaziele. Stattdessen macht sie den Marktteilnehmern mit jeder EEG-Novelle zunehmend das Leben schwerer. Das sieht man ganz deutlich an den gesunkenen Photovoltaik-Ausbauzahlen der vergangenen Jahre. Auch die Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren sind in den vergangenen Jahren drastisch gesunken.

IKZ-ENERGY: Können Sie bitte näher erläutern?
Detlef Neuhaus: Man muss nur mal auf den Solar-Ausbau vor und nach der EEG-Novelle 2014 schauen. 2013 wurden in Deutschland PV-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von etwa 3,3 GW installiert; 2015 waren es nach Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen nur noch knapp 1,5 GW. Die Entscheidung der Bundesregierung, Betreiber einer PV-Anlage ab 10 kWp mit einem Prozentsatz der EEG-Umlage zu belegen, ist absurd. Das wäre in etwa so, als würde man eine Privatperson, die Karotten im eigenen Garten anpflanzt, mit einer Abgabe belasten, weil sie den Einzelhändlern den Umsatz wegnimmt. Die ungerechtfertigte Steuer hat den Solarmarkt ins Stocken gebracht. Für viele Unternehmen wurde dadurch der geplante Bau einer Anlage unrentabel; und auch viele Privathaushalte, die mit ihren potenziellen Kleinanlagen meistens unter der 10 kWp-Grenze liegen, hat die Diskussion stark verunsichert. Das Ergebnis ist, es wird weniger zugebaut und weiterhin grauer Strom aus dem Netz bezogen.

IKZ-ENERGY:
Der von ihnen angesprochene Passus ist auch in der aktuellen Version des EEGs enthalten.  
Detlef Neuhaus: Ja. Die Bundesregierung hätte mit dem aktuellen Gesetz die Gelegenheit gehabt, aus diesem Fehler zu lernen und den umstrittenen Paragraphen wieder zu entfernen. Leider wurde diese Chance verpasst. Stattdessen wurde ein weiteres Hindernis eingeführt: die im neuen EEG verankerten Obergrenzen für die erneuerbaren Energieerzeuger. Dies zeigt leider deutlich, dass die Bundesregierung eher die Energiewende bremsen will, statt sie mit aller Macht voranzutreiben. Der Anteil Erneuerbarer Energien darf laut der Novelle bis zum Jahr 2025 auf maximal 45%, bis zum Jahr 2035 auf bis zu 55% ansteigen. Der Rest des bundesdeutschen Strombedarfs wird dann vorerst weiter durch fossile Energieträger gedeckt, deren Bestand dadurch weiter gesichert wird. Und seien wir mal ehrlich: Die konventionellen Energiequellen werden doch schon seit Generationen durch den Staat gefördert – und das hat sich anscheinend bis heute nicht geändert.

IKZ-ENERGY: Das EEG 2017 enthält aber auch positive Aspekte: Beispielsweise sollen Mieter von der Umlage befreit werden, wenn der Ökostrom im eigenen Haus erzeugt wird.
Detlef Neuhaus: Das ist eine wirkliche Erleichterung für die Anwohner eines Hauses, in dem Ökostrom beispielsweise per Solaranlage selbst erzeugt wird. Allerdings muss man bedenken, dass es sich dabei vorerst nur um eine Verordnungsermächtigung handelt. Wie das endgültige Gesetz der Bundesregierung dahingehend aussieht, ist wohl erst im Herbst abschließend geklärt.

IKZ-ENERGY: Die größte Neuerung des EEGs ist die Umstellung der bereits bei PV-Großprojekten erprobten Ausschreibungen auch auf große Windkraft- und Biomasse-Anlagen. Ab 2017 werden auch hier nur diejenigen Betreiber den Zuschlag erhalten, die einen möglichst geringen Strompreis benötigen. Ist das der richtige Weg?
Detlef Neuhaus: Es ist sicher sinnvoll, die Kosten weiter zu senken. Ob der Ausschreibungsmechanismus allerdings der richtige Weg ist, wird sich erst noch herausstellen. Im Solar-Bereich sind ja erst wenige Ausschreibungs-Runden durchgeführt worden. Zudem könnte der verschärfte Wettbewerb besonders zulasten kleinerer Teilnehmer gehen, die auf längere Sicht aus dem Markt gedrängt werden. Dabei waren diese immer die eigentlichen Treiber der Energiewende. Eine Bürgerinitiative kann es sich beispielsweise nicht leisten, ein solches Großprojekt zu entwickeln, ohne dass es dafür auch den Zuschlag erhält. Besonders bei Bürgerwindparks spürt man diese Auswirkungen jetzt schon ganz deutlich. Dadurch wird dieses Geschäftsfeld förmlich für die größeren Energieversorger reserviert.

IKZ-ENERGY:
Der neue Entwurf des EEGs zeigt deutlich, dass sich die Bundesregierung schnell von den Förderungen verabschieden will. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Detlef Neuhaus: Es ist definitiv richtig, dass die Förderung aus dem Markt verschwindet. Denn die Erneuerbaren stehen heute schon längst auf eigenen Beinen. Gerade die deutsche Solarindustrie hatte in den letzten Jahren mit immer neuen Rahmenbedingungen zu kämpfen: von einem massiv überförderten Markt, wie wir ihn vor wenigen Jahren noch hatten, bis zu einer Phase der abrupten Konsolidierung, als die Regierung den „Förderstecker“ quasi über Nacht gezogen hat. Gleichzeitig wurden Großprojekte noch zusätzlich stark eingeschränkt, was zu einer weiteren Verkleinerung des Marktes führte. Viele deutsche Unternehmen konnten in diesem Umfeld, gekoppelt mit einem Preisdruck durch die noch stärker geförderte asiatische Konkurrenz, nicht mehr überleben. Doch die Branche hat auch das weggesteckt. Sie hat sich selbst neu erfunden – trotz Gegenwind aus der Politik. Die Erneuerbaren sind noch immer ein wichtiger Industriezweig, der Arbeitsplätze beispielsweise in strukturschwächere Regionen gebracht hat. Das wird gerne übersehen. Es wäre daher wünschenswert, wenn Herr Gabriel den Erneuerbaren Energieerzeugern nicht weiter Steine in den Weg legen würde: wie beispielsweise durch das Bremsen von Windkraftwerken an Land oder das Besteuern des Eigenverbrauchs bei Solaranlagen ab 10 kWp.

IKZ-ENERGY:
Sie setzen mit Solarwatt konsequent auf dezentrale Energiesysteme für Privathaushalte und das Kleingewerbe und den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms. Warum spielt die Einspeisevergütung keine Rolle mehr?
Detlef Neuhaus: Weil die dezentralen Energiesysteme heute schon deutlich billiger Strom produzieren, als man ihn vom Versorger kaufen kann – und das ganz ohne staatliche Zuschüsse! Eine PV-Anlage erzeugt heute schon Strom für einen Preis von etwa 8 Cent pro Kilowattstunde. Das ist deutlich günstiger als die 30 Cent, die sie für grauen Strom aus dem Netz bezahlen. Deshalb lohnt es sich auch nicht mehr, den Strom wie bisher einzuspeisen. Der Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms wird so immer wichtiger.

IKZ-ENERGY:
Wie wichtig sind Speichersysteme im Hinblick auf den zunehmenden Eigenverbrauch?
Detlef Neuhaus: Speichersysteme spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils geht. Denn Batteriespeicher ermöglichen die Nutzung des selbst erzeugten Stroms, selbst wenn die Sonne nicht scheint. Die in den Sonnenstunden erzeugte Energie, die nicht direkt verbraucht werden kann, muss also so nicht für wenig Geld in das Stromnetz eingespeist werden. Sie wird einfach zwischengespeichert und dann verwendet, wenn wieder Bedarf besteht. Aber auch intelligente Energiemanagement-Systeme tragen bedeutend dazu bei, dass der Eigenverbrauch erhöht werden kann.

IKZ-ENERGY: Inwiefern?
Detlef Neuhaus: Der Energiemanager fungiert im Haushalt als intelligentes Navigationssystem der Energieflüsse. Indem er bei anstehender Solarstromspannung Verbraucher wie beispielsweise eine Wärmepumpe oder ein smartes Haushaltsgerät intelligent an- und wieder ausschaltet, sorgt er dafür, dass der Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms maximiert wird und die Energiekosten gesenkt werden. Der Solarstrom wird in erster Linie  so weit wie möglich sofort verbraucht, dann erst wird gespeichert und erst zuletzt, quasi als Notmaßnahme, ins Netz eingespeist. So wird dafür gesorgt, dass möglichst wenig Strom vom Netzbetreiber dazugekauft werden muss.

IKZ-ENERGY: Ist eine Energiewende nur durch smarte Technologien wie beispielsweise Energiemanagement-Systeme möglich?
Detlef Neuhaus: Das kann man so sagen. Smarte Technologien spielen für die Energiewende eine zentrale Rolle. Nur mithilfe intelligenter Techniken ist gewährleistet, dass die Energiewirtschaft die Herausforderungen der kommenden Jahre bewältigen kann. Wenn wir uns wirklich bis 2050 nahezu komplett von den fossilen Energieträgern verabschieden wollen, müssen wir in der Lage sein, möglichst bald verschiedene dezentrale Energiesysteme in Smart Grids zusammenzufassen. Auch die Schwarmstrom-Technik bei Speichersystemen setzt smarte Technologien voraus. Wichtig ist allerdings, dass die intelligente Technik nie den Anwender aus den Augen verlieren darf. Die Systeme müssen sich nahtlos in den Alltag der Nutzer integrieren und ihnen klare Vorteile bieten. Nur dann werden sie sich auch wirklich auf allen Ebenen durchsetzen. Von der Politik erwarte ich, dass sie die Revolution, die nicht aufzuhalten ist, unterstützt statt sie zu bremsen. Wir brauchen Energiemarktgesetze, die so etwas wie Schwarmstrom oder Microgrids  überhaupt erst möglich machen. Zudem benötigen wir stabile Rahmenbedingungen, die Investments in Forschung und neue Produktionstechniken ermöglichen. Hier kann man nicht alle paar Jahre die Grundregeln ändern. Das wäre in etwa so, als würde man beim Tennis ständig die Netzhöhe verändern.

IKZ-ENERGY: Herr Neuhaus, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Solarwatt: Dezentrale Energiesysteme statt Massenmarkt
Die Solarwatt GmbH gehört zu den Pionieren der Solarbranche und richtete sich im Zuge einer erfolgreichen Umstrukturierung im Jahr 2012 unter neuer Führung strategisch neu aus: Als Folge der neuen Rahmenbedingungen am Solarmarkt hat sich das Dresdner Unternehmen aus dem Solarmodul-Massenmarkt vollständig zurückgezogen und bietet heute PV-Gesamtsysteme an – bestehend aus Solargenerator, Energiemanagement-System und Stromspeicher.
Als Hauptanteilseigner der Gesellschaft fungiert seit Anfang 2013 Stefan Quandt, der sich bereits seit 1998 im Unternehmen engagiert. Die Geschäftsführer Detlef Neuhaus (CEO) und Carsten Bovenschen (CFO) sind ebenfalls Gesellschafter des Unternehmens. Im April dieses Jahres übernahm Solarwatt den Frechener Batteriespeicher-Anbieter e-Wolf und entwickelte vor Ort das Technologiezentrum Solarwatt Innovation. Dort werden die Batteriemodule des Batteriespeichers „MyReserve“ produziert.

 


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