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Der Mensch im umbauten Raum Die physiologischen Anforderungen des Menschen in Wohn- und Arbeitsbereichen

Der Begriff „Luftdichtheit“ lässt viele Bauherren und Entscheider von Sanierungsmaßnahmen oder auch Neubauten einen Konflikt im Gegensatz zu den physiologischen Anforderungen des Menschen an seine Umgebung empfinden. Andererseits wird immer mehr eine energetisch hochwertige Maßnahme verlangt, die einen hohen Grad an Luftdichtigkeit impliziert. So elementar der substanzielle Schutz des Bauwerks auch ist, sollte der Mensch dennoch im Mittelpunkt stehen.

Der Atmungsprozess des Menschen.

 

Die internen Belastungen eines umbauten Raumes schlagen heute weitaus mehr zu Buche, als es bislang der Fall war und verlangen in der Planung schon die entsprechende Berücksichtigung von lüftungstechnischen Maßnahmen, wie sie allein durch den Nutzer mittels Fensterlüftung keineswegs mehr zu realisieren ist. Neben einem möglichst energieeffizienten Schutz vor Wind und Wetter, ist es aber auch gerade das gesundheitliche Wohlergeben des Menschen im umbauten Raum, dem nicht zuletzt der Baumeister und Planer Rechnung zu tragen hat. Die Basis der menschlichen Physiologie ist die Atmung, die weitaus mehr bedeutet als Sauerstoffaufnahme.


Der Mensch als Wärmekörper im umbauten Raum.

Lebensnotwendiger Luftwechsel

Die Atmung führt zur stufenweisen Verbrennung von Kohlenstoff und Wasserstoff mithilfe von Sauerstoff. Es handelt sich um einen energieliefernden, zum Leben notwendigen Vorgang. Die Atemluft enthält etwa 20% Sauerstoff (O2), der Rest besteht im idealen Fall aus Stickstoff, wobei die Edelgase mit etwa 1% vernachlässigt werden können. Dies ist wohlgemerkt bei annähernd reiner, regenerierter Luft, also im Freien, der Fall. Je nach Umweltbelastung variieren die Anteile an belastenden oder gar toxischen Stoffen in der Atemluft, was natürlich auch durch den Feuchtegehalt der Luft beeinflusst wird.
Bei jungen Menschen ist der Stoffwechsel ausgeprägter als bei älteren Menschen. Bei Anstrengung steigt die Stoffwechsel-aktivität und damit auch der Sauerstoffverbrauch an. Nicht selten ist der Mensch gerade bei Anstrengung (Arbeit) besonderen Belastungen in der Atemluft ausgesetzt. Aus dem Atmungsprozess heraus emittiert der Mensch CO2 und trägt somit selbst zur Belastung der Raumluft bei; umso mehr im luftdichten Raum.
Der Atem treibt die Funktion menschlicher Organismus an, der O2 verbraucht sowie CO2 und Feuchte emittiert. Ein hermetisch abgedichteter Raum würde zur Selbstvergiftung des Menschen führen. Weitere Belastungen durch den Menschen sind Ausdünstungen und Gerüche, die er selbst verursacht oder durch eingebrachte Materialien, Baustoffe oder Möbel zu verantworten hat. Somit sind die Belastungen in primäre einzuteilen, die direkt durch den Menschen verursacht werden, und sekundäre, die durch den Bau und die Einrichtung des Raumes geschaffen wurden.
Je geringer der Ausgleich mit dem Außenklima ist, desto unnatürlicher ist die Lebensgrundlage für den Menschen. Zusammen mit der Raumluftqualität ist es die thermische Behaglichkeit, die einen Raum für den Menschen nutzbar macht. Wie unter freiem Himmel, so ist es umso mehr auch im umbauten Raum der Fall, dass der Mensch von der Luft und deren Qualität abhängig ist. Der Mensch braucht die Luft zum Atmen und ist allzeit von ihr umgeben, als zentrales Medium, lebensspendend. Luft regeneriert nur in der Natur auf natürliche Weise und ohne Energieaufwand, also ist ein notwendiger Luftwechsel lebensnotwendig für den Menschen und das Bauwerk. Wohnungslüftungssysteme sichern nicht nur eine sauerstoffhaltige Frischluftversorgung, sondern entsorgen auch Belastungen aus der Raumluft. Durch Wärmerückgewinnung werden die Lüftungswärmeverluste auf ein Minimum reduziert und tragen nachhaltig nicht nur zum Wohlergehen des Menschen bei, sondern auch zur Energieeffizienz.

Belastungen im umbauten Raum

Die Raumluftqualität definiert sich aber nicht nur über den Sauerstoffgehalt und diverse Belastungen, sondern auch über die Temperatur. Bei der Verbrennung durch Atmung entstehen Kohlensäure (CO2), Wasserdampf, Wärme und freie Energie, die für Muskel- oder chemische Arbeit benötigt wird. Dank der entstehenden Wärme haben wir eine Körpertemperatur zwischen 36,5 und 37°C. Diese physiologische Tatsache entpuppt also den Menschen als Wärmekörper. Des Weiteren ergibt sich aus dieser Tatsache das Wärmeüberschuss-, oder  Wärmedefizitempfinden des Menschen: die thermische Behaglichkeit.
Die Oberflächentemperatur des Menschen ist aufgrund seines individuellen physiologischen Zustandes doch sehr schwankend und liegt im Mittel etwa bei 25°C bis immerhin annähernd 30°C. Die angenehmste mittlere Umgebungstemperatur richtet sich für den Menschen nach seinem individuellen Wärmeempfinden aufgrund seiner Physiologie und kann zwischen 18°C und 24°C betragen. Dabei sind 18°C bei entsprechender Oberflächentemperatur und Strahlungswärme durchaus ausreichend, wie zahlreiche Untersuchungen ergeben haben, und in vielerlei Hinsicht gesünder als Temperaturen von 22 – 26°C, die zu Flachatmung führen und den Menschen verweichlichen.
Die Temperatur, oder vielmehr der Wärmeinhalt der Luft, ist aber mitnichten alleine entscheidend für das thermische Wohlbefinden. Luftgeschwindigkeit und Luftbewegungen beeinflussen diese Empfindung ebenso wie der Feuchtegehalt der Luft (die Notwendigkeit von Sauerstoff ist wie oben beschrieben Grundvoraussetzung). Luftbewegungen von mehr als 0,10 m/s sind zu vermeiden. Aus diesem Grund ist Luftdichtheit und die Vermeidung von Wärmebrücken nicht nur für die Energieeffizienz, sondern auch für das Behaglichkeitsgefühl des Menschen wichtig und sicher auch der richtige Weg.


Thermischer Komfort durch Konvektion und Strahlung nach Dr. Ledwina.

Wärmeempfinden des Menschen im umbauten Raum

Wichtig ist dennoch eine entsprechende Wärmesenke, um sicherstellen zu können, dass der Mensch seine interne Körperwärme in einem entsprechenden Behaglichkeitsverhältnis  abgeben kann. Ist die Temperaturdifferenz zu groß, wird der überproportionale Wärmeentzug über die Wärmesenke Umgebung als Wärmedefizit (Kälte) und ergo als „Frieren“ empfunden und wahrgenommen. Kalte Oberflächen von Umschließungsflächen innerhalb des umbauten Raumes und erhöhte Luftbewegungen bekräftigen dieses „Auskühlen“ des Körpers über seine Oberfläche zusätzlich.
Ein Wärmeüberschuss durch 30°C Umgebungstemperatur und mehr in seinem Umfeld verringert die notwendige Temperaturdifferenz dergestalt, dass es dem Körper schwer fällt, seine Wärme zu reduzieren, und er beginnt zu kondensieren (Schwitzen). Denn nicht nur durch Oberflächenstrahlung gibt der Mensch Wärme an seine Umgebung ab, sondern auch durch Konvektion und Atmung. Für den menschlichen Organismus ist die Strahlungswärme die natürlichste. Infrarote Strahlen werden vom Körper absorbiert, soweit Haut und Kleidung eine niedrigere Temperatur aufweisen als die strahlende Fläche.
Der absolute Feuchtegehalt der Atemluft des Menschen ist durch die Luftmenge und die innere Körpertemperatur definiert und beträgt etwa 46g/m³. Für die Entgiftungsprozesse der Stoffwechselaktivitäten ist daher auch der Feuchtegehalt der eingeatmeten Luft wichtig. Je trockener die eingeatmete Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit können die Lungen an die Atemluft übertragen und somit toxische Stoffwechselprodukte aus dem Körper entsorgen, was eine ebenso notwendige physiologische Anforderung darstellt. Hingegen darf die Luft aber nicht zu trocken sein, um Austrocknungen der Atmungsorgane und Unwohlbefinden zu vermeiden.
Zu feuchte Luft erschwert hingegen ebenso unsere Atmung, birgt Defizite im Stoffwechselhaushalt und führt zu Ermüdungserscheinungen. Unserem rein körperlichen Wohlbefinden tut aus diesem Grund ein Winterurlaub in der Regel viel besser, als ein Sommerurlaub. Ungeachtet dessen, dass zu feuchte oder zu trockene Luft noch andere Folgen, wie mikrobakterielle Entwicklungen, Pilze, Schimmel und zahlreiche andere Belastungen, die noch gar nicht alle erforscht sind, mit sich bringt, gilt es eine ausgeglichene Luftfeuchte von etwa 40 – 50 Vol.-% einzuhalten.

Raumtemperatur vs. Raumlufttemperatur

Für das Wärmeempfinden ist nicht nur die Raumlufttemperatur entscheidend, sondern insbesondere auch die Oberflächentemperatur der Umschließungsflächen des Raumes. All diese Fakten ergeben, dass es derart viele Schwankungen bezüglich der sogenannten „idealen“ Raumlufttemperatur gibt, wenn sie eben nur über den Wärmegehalt der Raumluft definiert wird. Vielmehr gilt es eine umfassende Raumtemperatur zu definieren, die sämtliche Umstände und Einflüsse mit einbezieht und daraus einen Mittelwert bildet, der sich keineswegs dergestalt schwankend ausdrückt.
Innerhalb eines umbauten Raumes sind diese physiologischen Tatsachen umso wichtiger, je höher der energetische Standard des Gebäudes, besonders hinsichtlich der Luftdichtheit, ist. Der Mensch befindet sich zu etwa 90 % seines Lebens innerhalb eines umbauten Raumes; ergo nicht an der Außenluft im Freien. In diesem unnatürlichen Umfeld können Belastungen herrschen, vor denen der Mensch zu schützen ist. Defizite im Vergleich zum Außenklima gilt es nach Möglichkeit auszugleichen und die positiven Eigenschaften des Lebens im umbauten Raum (Wohnen) zu kultivieren.
Dies gilt für jeden Raum, ob Wohnen oder Arbeiten, Warten oder Lernen. Für unterschiedliche Aktivitäten werden unterschiedliche Räume verlangt/genutzt. Diese Entwicklung ist sicherlich nicht neu und spätestens seit der Industrialisierung unumkehrbarer Mainstream. Jedoch haben sich die Gebäude in den letzten Jahren erst erheblich verändert, besonders durch die heute sehr hohen Anforderungen an energetische Standards, wie beispielsweise hohen winterlichen Wärmeschutz und vor allem durch  die Luftdichtheit von Gebäuden.
Der Begriff „Luftdichtheit“ zeigt im Kontext von energieeffizientem Bauen ein Dilemma im Gegensatz zu den physiologischen Anforderungen des Menschen (und das hat nichts mit Luxus zu tun!), das auch viele Bauherren abschreckt. Nachvollziehbare Argumentationen schon in der Beratung sind daher notwendig, um die umgangssprachliche Assoziation von der „Käseglocke“ zu eliminieren und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Die Erfahrungen des Forums Wohnenergie, dass jeder zweite zu Beratende bei der Konfrontation mit dem Begriff „Wohnungslüftungsanlage“ spontan die Frage stellte: „… ja darf ich denn da noch die Fenster aufmachen?“ zeigt zum einen die Vorurteile, welche in diesem Zusammenhang kursieren, aber auch, dass der moderne Mensch noch nicht vollkommen degeneriert ist und sich das schier urzeitliche Bedürfnis nach frischer Luft (oder gar Vogelgezwitscher und Blumendüften) immer noch regt.

Lüftungskonzepte notwendig

Um den physiologischen Anforderungen des Menschen gleichermaßen zu entsprechen, wie den heutigen Anforderungen an die Energieeffizienz eines Gebäudes, ist ein  Wohnungslüftungskonzept unentbehrlich, das sowohl auf die Anforderungen des Gebäudes als auch auf die des Menschen abzustimmen ist.

 


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