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Der Boiler denkt mit - In der Schweiz wird Lastmanagement mithilfe künstlicher Intelligenz erprobt

Strom aus PV-Anlagen wird in immer größeren Mengen ungenutzt in die Verteilungsnetze geleitet. Netzbetreiber müssen deshalb Millionen in den Ausbau der Infrastruktur investieren, um Spannungsschwankungen zu verhindern. Eine neue Technologie des Schweizer Energieunternehmens Alpiq soll es nun ermöglichen, das Netz wesentlich einfacher und kostengünstiger zu stabilisieren: Boiler, Wärmepumpen und Co. lernen, wann zu viel Strom vorhanden und wie er am besten nutzbar ist.

Eine neue Technologie des Schweizer Energieunternehmens Alpiq soll das Netz einfacher und kostengünstiger stabilisieren. Bild: Alpiq

Die „GridSense“-App im Einsatz.

„GridSense“ kann als Plug-On-Lösung an bestehende Geräte montiert werden. Es werden aber auch vom Hersteller vorkonfigurierte Lösungen angeboten, z. B. für die Wärmepumpe, die Ladestation der Elektrofahrzeuge, die Hausbatterie und den Elektroboiler.

 

Dezentral produzierter Strom kostet die Verteilungsnetzbetreiber viel Geld. Denn immer mehr Eigenheimbesitzer setzen zwar auf PV-Strom, doch die meiste erzeugte Energie fließt ungenutzt in die Verteilungsnetze. Das hat einen einfachen Grund: Tagsüber, wenn viel Sonnenenergie produziert wird, sind nur wenige Menschen zu Hause. Dies führt zu Spannungsproblemen und einer Überlastung der Leitungen. Verteilungsnetzbetreiber müssen deshalb vor allem in ländlichen Regionen Maßnahmen zur Stabilisierung der Netze ergreifen.
Ein Weg, dies zu erreichen, ist der Ausbau von Leitungen und Transformatoren. Das ist aber teuer und aufwendig. Alternativ können Anlagen für Erneuerbare Energien abgeregelt werden; dies ist bei Spannungsproblemen auch gesetzlich gefordert. Doch auch dieses Mittel kostet die Netzbetreiber viel Geld: Die Verteilungsnetzbetreiber mussten allein im Jahr 2014 den Betreibern von PV-Anlagen Entschädigungen von insgesamt 83 Mio. Euro zahlen.
Deutlich günstiger wäre es, wenn die Haushalte größere Mengen des lokal erzeugten Solarstroms selber verbrauchten. Das Verbrauchsverhalten lässt sich aber kaum steuern: Geduscht, gekocht und geheizt wird dann, wenn es nötig ist – oft am Abend und am Morgen, wenn die Sonne gar nicht oder kaum scheint.

Den Mittags-Peak abfangen

Doch es gibt noch einen anderen Weg, die lokal erzeugte Energie ohne ein Abregeln zu verbrauchen: Elektrische Großverbraucher im Haushalt werden dabei so gesteuert, dass sie die Energie aus der PV-Anlage auf dem eigenen Hausdach oder dem der Nachbarhäuser dann aufnehmen, wenn sie vorhanden ist. Im Schweizer Kanton Solothurn wird ein solches Lastmanagement mithilfe künstlicher Intelligenz in den kommenden 18 Monaten erprobt. 49 Boiler, 30 Wärmepumpen, vier Ladestationen, drei Hausbatterien sowie fünf PV-Anlagen eines Quartiernetzes wurden dazu mit der Technologie „GridSense“ von Alpiq ausgestattet. 40 Einfamilienhäuser und Wohnungen der Gemeinde Riedholz sind an dem Projekt beteiligt.
„GridSense“ sammelt Informationen über den Netzzustand, den Stromverbrauch, das Benutzerverhalten sowie die Stromerzeugung der PV-Anlage. Auf Basis dieser und weiterer Informationen berechnet die Technologie den idealen Zeitpunkt, um die elektrischen Großverbraucher, wie Wärmpumpen, Warmwasserboiler, Hausbatterien und Elektrofahrzeuge, je nach vorhandener Strommenge, zu- oder abzuschalten. Die Geräte werden so gesteuert, dass sie nicht zu früh vollständig geladen sind und der Mittags-Peak auf diese Weise möglichst umfassend abgefangen werden kann. Idealerweise wird der PV-Strom direkt im Haus des Besitzers verbraucht oder aber in den anderen Haushalten des Quartiernetzes.  

Völlig dezentral

Im Unterschied zu anderen intelligenten Netzlösungen, arbeitet „GridSense“ völlig dezentral. Anstatt Informationen von mehreren Messpunkten im Netz an eine Leitstelle zu senden, die dann den Netzbetreiber über die Netzprobleme informiert, der daraus notwendige Schaltbefehle ableitet, erhebt „GridSense“ die notwendigen Informationen direkt am Endgerät. Das Versenden riesiger Datenmengen wird dadurch unnötig. Der Netzbetreiber ist zudem von der Aufgabe befreit, regelmäßige zentrale Schaltbefehle auszulösen.
„GridSense“ arbeitet selbstständig, weil es aus den Informationen, die es erhält, eigenständige Schlüsse ziehen kann. Gemeinsam mit der „Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana“ (SUPSI) hat Alpiq verschiedene Algorithmen entwickelt, die den Kern der Technologie bilden.
Auf Basis von Informationen über die Netzbelastung, den Stromverbrauch und das Benutzerverhalten, Wetterprognosen und Stromtarife berechnen die Algorithmen den optimalen Zeitpunkt für das Laden der Geräte. Um vorausschauend planen zu können, versucht der Algorithmus zudem beim Energieverbrauch einen typischen Wochentag und ein typisches Wochenende über die letzten drei Monate zu erkennen. Ausgehend von diesem Rhythmus kann dann vorhergesagt werden, wann der Hausbesitzer Warmwasser benötigt oder sein Elektrofahrzeug auflädt.
Je mehr Haushalte in einem Wohnquartier mit „GridSense“ ausgestattet werden, desto mehr dezentrale Energie lässt sich abfangen. Haushalte, die selber nicht über eine PV-Anlage verfügen, nutzen dann den überschüssigen PV-Strom aus den Nachbarhäusern einfach mit.
Einfach zu installieren
„GridSense“ kann als Plug-On-Lösung an bestehende Geräte montiert werden. Es gibt aber auch vom Hersteller vorkonfigurierte Hausgeräte. Bereits heute wird die Lösung für die Wärmepumpe, die Ladestation der Elektrofahrzeuge, die Hausbatterie und den Elektroboiler angeboten. Gegenüber anderen Eigenverbrauchslösungen weist „GridSense“ nach Aussagen des Herstellers einen entscheidenden Vorteil auf: Da die Spannung direkt am Endgerät gemessen wird, sei keine aufwendige Kommunikations- oder Steuerungsinfrastruktur notwendig. Das mache „GridSense“ besonders einfach zu installieren und kostengünstig.
Innerhalb eines Hauses kommunizieren die Geräte über Powerline-Communication (PLC). Das befähigt sie, sich untereinander abzustimmen und das Maximum der Sonnenenergie zu nutzen.
„GridSense“ arbeitet zwar autonom und dezentral, der Algorithmus kann aber auch Daten empfangen: Wetterdaten oder Tarifinformationen lassen sich über eine zentrale IT-Plattform der Firma Alpiq übermitteln. Die Plattform ermöglicht auch eine Visualisierung von Ladestatus und Geräteverbrauch für den Verbraucher via App auf dem Smartphone oder Tablet. Über die Plattform können Netzbetreiber ihren Endkunden auch Preisanreize zukommen lassen.
Und wenn der Verbraucher zustimmt, kann der Verteilungsnetzbetreiber die von „GridSense“ erhobenen Verbrauchs­informationen einsehen. Diese Daten sind enorm wertvoll, insbesondere da derzeit nicht klar ist, ob die Verteilungsnetzbetreiber zukünftig Zugriff auf die vom Smart Meter gewonnenen Kundendaten haben werden.
Auch Energieversorger profitieren von „GridSense“: In Städten, in denen die Netze stabil sind, hilft „GridSense“ ihnen dabei, ihre Bilanzkreise zu optimieren. Über Preissignale, die sie über die Plattform an den Algorithmus senden, können Stadtwerke den Verbrauch der eingekauften Energie steuern und ihren Absatz optimieren.
Das Thema Datenschutz ist bei dieser Technologie geklärt. Denn zum einen muss der Endkunde einwilligen, wenn seine Daten weitergegeben werden. Außerdem misst und erfasst „GridSense“ die Daten ohne eine zentrale Kommunikationseinrichtung. Bei einer Kommunikation über die Plattform orientiert sich „GridSense“ an den Vorgaben des BSI-Schutzprofils für den Smart Meter: Die Geräte fragen die Befehle und Informationen ab und werden nicht direkt angesteuert.

Fazit

Der Druck auf die Netzbetreiber, Erneuerbare Energien in ihre Netze zu integrieren, steigt weiter an. Laut aktuellen Studien wird sich die installierte Leistung an EE-Anlagen bis zum Jahr 2032 gegenüber heute mehr als verdoppeln (Szenario „EEG 2014“ der Verteilnetzstudie des BMWi) oder sogar verdreifachen (Szenario „Bundesländer der Verteilnetzstudie des BMWi). IT-Instrumente sind ein wichtiges Hilfsmittel bei dieser Mammutaufgabe. „Intelligenz statt Kupfer“ sollte daher die Strategie der Netzbetreiber lauten. Doch auch bei den IT-Lösungen gibt es große Unterschiede, was den Aufwand und die Kosten angeht.

Bilder: Alpiq


Über Alpiq
Alpiq ist eine führende Schweizer Stromanbieterin und Energiedienstleisterin mit europäischer Ausrichtung. Die Unternehmung ist in der Stromproduktion sowie im Energiehandel und -vertrieb tätig. Sie bietet ihren Kunden umfassende und effiziente Energiedienstleistungen für Gebäude und Anlagen, für die Verkehrstechnik, sowie für Kraftwerks- und Industrieanlagen an. Alpiq erzielte 2015 mit rund 8300 Mitarbeitenden einen Nettoumsatz von 6,7 Mrd. CHF. www.alpiq.ch

 


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