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Das Gebäude als Energiespeicher

Bauteile der tragenden Gebäudestruktur können Speichermedium für Wärme sein

Bauteilaktiviertes Einfamilienhaus in Niederösterreich. Bild: Z+B/Herfert

Montage des Verteilerkastens und Druckprüfung der einzelnen Heizkreise. Bild: Aichinger Hoch- und Tiefbau GmbH

Verlegen der Rohrleitungen für die Bauteilaktivierung auf der unteren Bewehrungslage einer Fundamentplatte. Bild: Aichinger Hoch- und Tiefbau GmbH

Betonieren der Fundamentplatte mit den bereits verlegten Rohr-leitungen für die Bauteilaktivierung. Bild: Thomas Schönbichler/CL

Prinzipskizze zur Systemvariante Energieversorgung über Solarthermie. Grafik: Simon Handler

Prinzipskizze zur Systemvariante PV-Wärmepumpe-Bauteilaktivierung. Grafik: Simon Handler

Prinzipskizze zur Systemvariante netzseitige Umweltenergie-Wärmepumpe-Bauteilaktivierung. Grafik: Simon Handler

 

Energie aus Sonne und Wind deckt sich zeitlich oftmals nicht mit dem Energiebedarf von Menschen bzw. Gebäuden. Erst durch die Speicherung dieser Energie lässt sich ein erheblicher Anteil nutzen. Ein Instrument hierfür ist die Bauteilaktivierung.

Soll ein Gebäude aktiv als Speicher genutzt werden, muss – ähnlich wie bei einem Heizungspuffer – eine Temperaturveränderung herbeigeführt werden. Geschieht dies über in den Beton eingelegte Rohrleitungen, spricht man von thermischer Bauteilaktivierung (TBA).
Doch während die Bauteilaktivierung im modernen Bürobau oftmals als Wärmeabgabe- bzw. Wärmeentzugssystem eingesetzt wird, ist die Anzahl an umgesetzten Projekten im Wohnbau noch relativ gering.

Grundprinzip der Bauteilaktivierung
Wie bei anderen Flächenheizungssystemen liegt einer der Vorteile der Bauteilaktivierung in den niedrigen Vor- und Rücklauftemperaturen und der dadurch optimalen Nutzbarkeit von Umweltenergien. So können beispielsweise Wärmepumpen oder Solarkollektoren effizient betrieben werden.
Während die Vorteile von Flächenheizungen als Folge der beschriebenen niedrigen Systemtemperaturen wohl bekannt und auch Grund für deren häufige Umsetzung sind, bleibt das Potenzial der Bauteilaktivierung im Hinblick auf die Nutzung der Gebäudemasse als Energiespeicher zumeist unbeachtet, da ohne Änderung in der Regelstrategie die TBA als Speicher nicht genutzt wird.
Das Grundprinzip der aktiven Speichermassenbewirtschaftung besteht darin, die Temperatur im Gebäude zeitweilig bewusst anzuheben und dadurch Ener­gie zu speichern, welche in weiterer Folge zur Abdeckung der Wärmeverluste des Gebäudes genutzt werden kann. Die Speichermasse eines Gebäudes kann daher nur dann genutzt werden, wenn Temperaturschwankungen in einem gewissen Rahmen zugelassen werden. Das Temperaturband für die energetische Bewirtschaftung des Speichers muss im Zuge der Planung mit den Nutzern festgelegt werden. Die Möglichkeiten, den Energiespeicher Beton sinnvoll in ein Gebäudekonzept einzubinden, sind umfangreich. Nachfolgend werden drei unterschiedliche Systemvarianten herausgegriffen.

Variante 1: Bauteilaktivierung und Solarthermie
Bei der solarthermischen Bauteilaktivierung stellen die massiven Bauteile der tragenden Gebäudestruktur das Speichermedium dar. Das Funktionsprinzip ist einfach zu erklären: Bei solarem Strahlungsangebot wird die von den Kollektoren abgegebene Wärme über das eingebaute Rohrregister in die aktivierten Bauteile eingespeichert, wodurch die Temperatur nicht nur in diesen Bauteilen, sondern in Folge in der gesamten Gebäudestruktur ansteigt. Sinkt die Temperatur im Raum unter die Temperatur der Umschließungsflächen ab, wird die in den Bauteilen gespeicherte Wärme in den Raum abgegeben.
Je niedriger die Wärmeverluste des Gebäudes sind, umso länger ist der überbrückbare Zeitraum bis zum nächsten Beladevorgang des Speichers. Bei Gebäuden mit einer hochwertigen Gebäudehülle und einer wirksamen Wärmerückgewinnung sind in der Regel Zeiträume von mehreren Tagen überbrückbar.
Dieses Anlagenkonzept ist darauf ausgerichtet, einen möglichst großen Anteil des Wärmebedarfs für die Raumheizung abzudecken. Da die Sonne in den Wintermonaten tief steht, können mit Anstellwinkeln zwischen 70 ° – 90 ° – wie dies z. B. bei fassadenintegrierten Kollektoren der Fall ist – im Winter hohe Erträge erwirtschaftet werden. Neben dem erhöhten Energieertrag in der Heizsaison führt der steile Anstellwinkel zu einer reduzierten Anlagenbelastung zufolge von Stagnation im Sommer.

Variante 2: Energieversorgung mittels Photovoltaik und Wärmepumpe
Eine andere Möglichkeit, Sonnenenergie zur Konditionierung von Gebäuden nutzen zu können, stellt die Kombination Photovoltaikanlage-Wärmepumpe-Bauteilaktivierung dar. Der Einsatz von Wärmepumpen stellt im kleinvolumigen Wohnbau eine häufig ausgeführte Variante dar. Die Kombination von Wärmepumpen mit Photovoltaikanlagen stellt die potenzielle Möglichkeit einer PV-Eigenverbrauchsoptimierung dar. Mittels intelligenter Regelstrategien wird versucht, einen möglichst großen Anteil des Stromverbrauchs der Wärmepumpe mit vor Ort produziertem PV-Strom abzudecken. Dieses Konzept lässt sich durch die Nutzung des Energiespeichers Beton optimieren.
Ein Vorteil dieser Variante besteht darin, dass die hohen sommerlichen Energieerträge durch den Einsatz (reversibler) Wärmepumpen sowohl zur Warmwasserbereitung als auch zur Kühlung des Gebäudes genutzt werden können. Werden Grundwasser- oder Erdwärmepumpen eingesetzt, besteht natürlich ebenso die Möglichkeit der passiven Kühlung.
Auch in dieser Systemvariante wird versucht, einen möglichst großen Anteil des Wärmebedarfs eines Gebäudes über Sonnenenergie abzudecken. Im Gegensatz zur Systemvariante Energieversorgung über Solarthermie wird die auf die PV-Paneele auftreffende Sonnenenergie nicht in Wärme, sondern in elektrischen Strom umgewandelt. In weiterer Folge wird der so gewonnene Strom mithilfe einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt und damit das Gebäude versorgt. Um einen möglichst hohen Anteil des gesamten Wärmebedarfs mit PV-Strom abdecken zu können, wird die Wärmepumpe möglichst nur dann in Betrieb genommen, wenn ausreichend Solarstrom zur Verfügung steht. Um längere Zeiträume ohne ausreichende PV-Stromproduktion überbrücken zu können, wird der Energiespeicher Beton genutzt.
Um die Leistungsaufnahme der Wärmepumpe möglichst gut an die PV-Stromproduktion anpassen zu können, ist der Einsatz von modulierenden (d. h. leistungsvariablen) Wärmepumpen sinnvoll. Durch diese Maßnahme kann die Eigenverbrauchsquote deutlich erhöht werden.
Im Gegensatz zu solarthermischen Kollektoren werden die PV-Paneele weniger steil aufgeständert. Da der überschüssige PV-Strom von anderen Verbrauchern genutzt und eventuell auch verkauft werden kann, ist ein zu steil gewählter Anstellwinkel zur Optimierung der Energieproduktion während der Heizsaison nicht zielführend. Für den gegebenen Anwendungsfall ist ein Kollektoranstellwinkel von 60° angemessen.

Variante 3: Energieversorgung mittels netzseitiger Umweltenergie und Wärmepumpe
Die bislang vorgestellten Systemvarianten stützen sich auf eine Nutzbarmachung von Umweltenergien direkt vor Ort. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, abseits vom jeweiligen Bauplatz erzeugte Umweltenergie wie Wind- oder Sonnenenergie für die TBA und auch für die Warmwasserbereitstellung zu nutzen.
Die elektrische Erzeugungsleistung aus Umweltenergien wird netzseitig seit Jahren stetig ausgebaut. Während die Stromproduktion über z. B. fossile Brennstoffe relativ gut an den Bedarf anzupassen ist, kann Sonnen- oder Windstrom nur zu jenen Zeiten erzeugt werden, zu denen die entsprechende Energiequelle nutzbar ist. Aufgrund des schwankenden Energiedargebots ergeben sich Erzeugungsspitzen und Erzeugungsengpässe. Die Schwankung zwischen Strombedarf und Stromerzeugung spiegelt sich auch in den Strompreisen wider. Zu Zeiten hoher Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien sinkt der Strompreis an der Börse.
Ein Resultat dieser Tatsache ist, dass aus wirtschaftlichen Gründen beispielsweise einzelne Windräder vom Netz getrennt werden und dadurch die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien reduziert wird.
Die Speichermasse von Gebäuden kann zum Ausgleich von Netzspitzen herangezogen werden. Der erzeugte Windstrom wird zu Zeiten von Netzspitzen mittels einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt und über die Bauteilaktivierung im Gebäude gespeichert bzw. zur Abdeckung der Wärmeverluste genutzt. Das Gebäude fungiert als wirkungsvoller und kostengünstiger Energiespeicher für das öffentliche Stromnetz. Diese Art der Nutzung von Energieüberschüssen kann für Energieversorgungsunternehmen zukünftig einen erheblichen Vorteil darstellen.
Die Funktionsweise der Systemvariante Energieversorgung der TBA mit netzseitiger Umweltenergie und Wärmepumpe kann wie folgt beschrieben werden: Der Energieversorger generiert bei hohen Umweltenergie-Erzeugungsleistungen Freigabesignal und leitet dieses an die Gebäuderegelung des Energieverbrauchers mit einem Fernsignal weiter. Während der Freigabezeiten kann so Wärme in den Betonspeicher eingelagert werden. Einer der wesentlichen Vorteile dieser Systemvariante ist, dass Umweltenergie aus Windkraft beispielsweise auch während der Heizsaison zur Verfügung steht.

Fazit: Bauteilaktivierung mehr nutzen
Bei der Entwicklung von energieoptimierten Gebäuden spielt der effiziente Einsatz von Erneuerbaren Energien zunehmend eine wesentliche Rolle. Im Hinblick auf die vielbesagte Energiewende stellt die Speicherung von Umweltenergien eine der größten Herausforderungen dar. Einen Beitrag in diese Richtung kann der Energiespeicher Gebäude liefern. Durch die thermische Aktivierung von massiven Bauteilen lassen sich Niedrigst­energiegebäude nicht nur heizen und kühlen, sie können auch als kostengünstiger Wärmespeicher für vor Ort oder netzseitig erzeugte Umweltenergie fungieren. Um die Speichermasse des Gebäudes zur Verbesserung der Energieeffizienz nutzen zu können, ist ein optimiertes Zusammenspiel von der Wärmeerzeugung über die Regelung bis hin zum Gebäude selbst erforderlich. Die Berücksichtigung der Zusammenhänge zwischen Bautechnik und Haustechnik stellt bei der Planung und der Ausführung eine der wesentlichen Herausforderungen dar.

Autor: DI DI Dr. techn. Simon Handler, Leiter des Geschäftsfeldes Energie Design bei der Allplan GmbH.

 

Hinweis
Der vorliegende Artikel stellt einen exklusiven Beitrag für die IKZ aus dem Planungsleitfaden für Einfamilien- und Reihenhäuser „Energiespeicher Beton – Thermische Bauteilaktivierung“ dar, welcher 2016 im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“ im Auftrag des Österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und den Autoren Felix Friembichler, Simon Handler, Klaus Krec und Harald Kuster erschienen ist.

 


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