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Besser auf „Nummer sicher“ gehen - Wie kann der Zugang einer Willenserklärung bewiesen werden?

Erfahrungsgemäß besteht immer noch erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Frage, wie der Zugang wichtiger Willenserklärungen, wie z.B. der Kündigungs-, Widerrufs-, Anfechtungs-, Rücktritts- und Aufrechnungserklärung, im Streitfall nachgewiesen werden kann, da der Zugang Voraussetzung für die Auslösung von Rechtsfolgen ist. Dies ist umso brisanter, als es gerade bei solchen Erklärungen immer wieder vorkommt, dass der Empfänger deren Zugang wegen der damit verbundenen Nachteile im Rahmen eines Prozesses bestreitet.

 

Sofern keine besondere Form vorgeschrieben ist (z.B. Schriftform für arbeitsrechtliche Kündigungen), können Willenserklärungen mündlich, per Post(als einfacher Brief, Einwurf-Einschreiben, Übergabe-Einschreiben und Einschreiben mit Rückschein), durch Fax, durch E-Mail oder durch einen Gerichtsvollzieher/Boten übermittelt werden. Es stellen jedoch nicht alle dieser Übermittlungsarten einen beweisbaren Zugangsnachweis dar.
Für den Nachweis des Zugangs der Willenserklärung reicht nicht aus, dass diese abgegeben worden ist. Vielmehr muss der Erklärende den Zugang der Nachricht beweisen können, wenn er eine für ihn güns­tige Rechtsfolge herbeiführen will.

1. Mündliche Erklärung

Mündlich abgegebene Erklärungen können zu einer Beweisnot führen, wenn deren Zugang von der Gegenseite bestritten wird. Inwiefern dieser im Prozess durch Zeugen bewiesen werden kann, ist fraglich, sodass sich der Absender darauf nicht verlassen sollte.

2. Brief

Bei Briefen ist zwischen einem einfachen Brief, dem Einwurf-Einschreiben, dem Übergabe-Einschreiben und dem Einschreiben mit Rückschein zu unterscheiden.

a) Einfacher Brief

Die Absendung eines einfachen Briefs begründet noch keinen Nachweis für dessen Zugang. Auch nach den Grundsätzen des sog. Anscheinsbeweises kann nicht von dem Zugang des Briefs ausgegangen werden. Nach diesen Grundsätzen gilt eine Tatsache, der ein typischer Geschehensablauf zugrunde liegt, zugunsten der beweisbelasteten Partei als bewiesen, sofern nicht die andere Partei die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt aber nur vor, wenn nach der Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann. Gerade diese Erfahrung lehrt jedoch, dass Postsendungen immer wieder einmal verloren gehen und daher den Empfänger nicht erreichen. Auch wenn die Zahl gering ist, ist weder der Verlust noch der Zugang einer Sendung typisch. Erschwerend kommt hinzu, dass der Empfänger kaum beweisen kann, ein Schreiben nicht erhalten zu haben, da es sich um eine negative Tatsache handelt. Es verbleibt daher dabei, dass der Absender die Beweislast, also die Folgen der Nichtbeweisbarkeit des Zugangs der Sendung, trägt.

b) Einwurf-Einschreiben

Bei dieser Form wird dem Erklärenden ein Einlieferungsbeleg ausgestellt. Bei Einwurf der Sendung in den Briekasten oder in das Postfach des Emfpängers erfolgt eine Dokumentation dieses Vorgangs in der Form, dass Ort, Datum und Zeit vermerkt werden. Ob dies den Anschein eines Zugangs begründet, ist in der Rechtsprechung jedoch äußerst umstritten.
Bei den Zivilgerichten wird dies vielfach für nicht ausreichend erachtet, da das Einwurf-Einschreiben nicht persönlich ausgehändigt, sondern in einen Briefkasten geworfen und nur dieser Vorgang dokumentiert werde. Der Nachweis, dass das Schreiben auch den richtigen Adressaten erreicht hat, werde nicht erbracht und einen typischen Geschehensablauf, dass jede dokumentierte Sendung den Empfänger erreiche, gebe es nicht.
Andere Gerichte hingegen sind der Auffassung, dass bei nachgewiesener Absendung und Dokumentation des Einwurfs eines Einwurf-Einschreibens durch den jeweiligen Zusteller, eine starke zusätzliche Indizwirkung für den tatsächlich erfolgten Zugang der Sendung gegeben sei. Mit dokumentiertem Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers sei die Willenserklärung derart in dessen Empfangsbereich gelangt, dass er die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe.

c) Übergabe-Einschreiben

Das Übergabe-Einschreiben wird von der Deutschen Post AG in einer einfachen Form angeboten, wonach der Empfänger oder ein anderer Empfangsberechtigter den Erhalt der Sendung quittiert. Zusätzlich wird das Übergabe-Einschreiben als „Eigenhändiges Übergabe-Einschreiben“ angeboten, bei dem das Schreiben nur an den Empfänger oder einen besonders Bevollmächtigten übergeben wird, die den Erhalt quittieren. Die Qittung kann auf dem Internetportal der Deustchen Post AG eingesehen werden. Dies ist geeignet, den vollen Beweis des Zugangs zu führen.
Dies gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen der Empfänger nicht anwesend ist und daher in seinem Briefkasten lediglich eine Mitteilung hinterlassen wird, dass für ihn ein Einschreiben zur Abholung bei der Post bereit liege.
Dadurch gelangt die eigentliche Erklärung noch nicht in den Machtbereich des Empfängers, sodass er noch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, was für den Zugang erforderlich ist.
Ungeachtet dessen schützt auch das Übergabe-Einschreiben den Absender nicht vor der (Schutz)behauptung, dass die beabsichtigte Erklärung nicht Inhalt des Briefes gewesen sei, da der Nachweis der Zustellung lediglich den Empfang einer Briefsendung belegt, nicht aber, welches Schriftstück sich in der Sendung befand.

d) Einschreiben mit Rückschein

Bei dieser Form erhält der Absender zusätzlich zum Einlieferungsnachweis am Postschalter eine Empfangsbestätigung des Empfängers/Empfangsberechtigten mit dessen Originalunterschrift zurückgesandt, wodurch der Zugang der Sendung dokumentiert wird.
Dies nützt jedoch wiederum nichts, wenn der Empfänger bzw. ein Empfangsberechtigter nicht an der Versandadresse anwesend ist und daher lediglich eine Benachrichtigung im Briekasten hinterlegt wird, dass ein Einschreiben zur Abholung bei der Post bereit liegt.
Darüber hinaus wird auch beim Einschreiben mit Rückschein nicht der Inhalt als solches nachgewiesen.

3. Faxnachricht

Das Sendeprotokoll bei Versenden einer Willenserklärung per Fax begründet keinen Zugansgnachweis.
Auch ein Anscheinsbeweis scheidet aus, da insoweit erforderlich wäre, dass eine Übertragung bis zum Empfangsgerät immer typischerweise erfolgt und das Sendeprotokoll dies zutreffend wiedergibt. Nach der BGH-Rechtsprechung gibt es gerade keinen solchen typischen Geschehensablauf, wonach ein gesendetes Fax stets im Machtbereich des Empfängers eingeht, wenn der Empfang durch einen „OK“-Vermerk beim Versender bestätigt wurde. Das Sendeprotokoll belegt lediglich, dass die Absendung erfolgt ist. Auch ohne entsprechenden Ausweis im Sendeprotokoll könne ein Übermittlungsfehler auf Defekte im Empfangsgerät oder auf Leitungsstörungen beruhen. Der „OK“-Vermerk belege nicht die erfolgreiche Übermittlung, sondern nur das Zustandekommen der Verbindung. Anderweitige gesicherte Erkenntnisse lägen noch nicht vor.

4. E-Mail

Die Übersendung einer Willenserklärung per E-Mail liefert ebenfalls keinen Zugangsnachweis.
Mit dem Absendenachweis ist noch kein Eingang in der Mailbox des Empfängers bewiesen. Vielmehr kann die Nachricht z.B. durch Fehler in der Datenleitung tatsächlich nicht in die Mailbox des Empfängers gelangt sein. Anders ist dies nur bei Erhalt einer konkreten Lesebestätigung.

5. Gerichtsvollzieher bzw. Boten

Gemäß § 132 Abs 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach Maßgabe der ZPO zugestellt worden ist.
Der Gerichtsvollzieher fertigt eine Urkunde an, die in einem Gerichtsprozess als Beweismittel eingeführt werden kann. Darüber hinaus kann der Gerichtsvollzieher als Zeuge benannt werden.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass diese Form der Zustellung teurer ist.
Sofern möglich, ist eine Zustellung durch einen Boten zu empfehlen, wobei darauf zu achten ist, dass der Bote den Inhalt der Erklärung vorab zur Kenntnis nimmt, damit er auch den Zugang dieser Erklärung im Streitfall bezeugen kann.

6. Fazit

Bei jeder Verwendungsart sind Besonderheiten zu beachten, sodass die Vor- und Nachteile vor Übermittlung einer Willenserklärung sorgsam abgewogen werden sollten. Letztlich sollte dies vor allem von der Bedeutung der Willenserklärung und deren Fristgebundenheit abhängig gemacht werden.

Autor: Prof. Dr. Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leistungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht.
Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


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