Werbung

Bauüberwachung ohne Haftung Die fünf schwerwiegendsten Fehler vermeiden

Ein finanzielles Haftungsvolumen von mehreren Milliarden Euro jährlich im Bereich der Planerhaftung spricht Bände. Es gibt kaum einen Berufszweig in Deutschland, bei dem die Haftungsrisiken für Fehler im Rahmen der Berufsausübung derart gravierend sind wie bei den Architekten und Ingenieuren der Baubranche. Ein wesentlicher Teilbereich dieser beruflichen Fehlleistungen entfällt auf den Bereich der Objektüberwachung, der wichtigsten Grundleistung, die im Rahmen der Leistungsphase 8 in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben ist.

 

Aus langjähriger anwaltlicher Erfahrung im Baurecht und dem Abgleich mit der einschlägigen Rechtsprechung lassen sich sehr häufig die folgenden fünf gravierenden Fehler bei Abwicklung der Bau­überwachungstätigkeit feststellen:

  • Unzureichende Organisation der Kontrolltätigkeit.
  • Unzureichende Dokumentation der eigenen Überwachungstätigkeit.
  • Ergreifen falscher rechtlicher Maßnahmen bei Störungen.
  • Fehlende vertragliche Grundlagen.
  • Fehlende Abnahme der Planerleistung.

Was sich hinter diesen Punkten verbirgt und wie sich diese Fehler vermeiden lassen, wird nachfolgend in kurzen Auszügen erläutert.


Unzureichende Organisation der Kontrolltätigkeit
Mängel, die während der Bauausführung sichtbar und feststellbar sind, stellen in der Regel kein Problem dar. Sie werden erkannt, beanstandet und auch beseitigt. Schwerwiegender sind die Fälle, in denen Leistungen und Teilleistungen durch den weiteren Baufortschritt verdeckt, verschlossen und verkleidet werden, was aber tagtäglich auf jeder Baustelle geschieht. Analysiert man die obergerichtliche Rechtsprechung im Hinblick auf die Fälle, in denen Bauüberwachungsfehler regelmäßig bejaht werden, so fällt auf, dass genau hier das Kernproblem liegt. Werden solche Teilleistungen vor Weiterführung der Arbeiten nicht wenigsten stichprobenartig kontrolliert, so sind spätere Mängel als Überwachungsfehler einzuordnen. Dazu ein Beispiel aus der Rechtsprechung:
„Installationsarbeiten sind jedenfalls dann vom bauleitenden Fachplaner besonders zu kontrollieren, wenn sie durch den weiteren Baufortschritt verdeckt werden.“ (OLG Schleswig, 6. Juli 1999, AZ: 6 U 69/97)
Der rechtliche Hebel für den Bauüberwacher, mit dem er die gravierendsten Risiken durch entsprechende Organisation vermeiden kann, ist das rechtzeitige Verlangen nach der sogenannten technischen Abnahme gemäß § 4 Abs. 10 VOB/B:
„Der Zustand von Teilen der Leistung ist auf Verlangen gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer festzustellen, wenn diese Teile der Leistung durch die weitere Ausführung der Prüfung und Feststellung entzogen werden. Das Ergebnis ist schriftlich niederzulegen.“
Diese „technische Abnahme“ stellt keine rechtsgeschäftliche Abnahme oder Teilabnahme dar, sie ist vielmehr ein vertraglicher Beweissicherungsanspruch für Leis­tungsbereiche, die bei der Endabnahme nicht mehr kontrollierbar sind. Sie kann daher von beiden Parteien geltend gemacht werden. Für den Bauüberwacher besteht hier aber die Möglichkeit, die Kontrolltätigkeit in sensiblen Teilbereichen zu organisieren und rechtlich einzufordern. Verstößt der Auftragnehmer gegen die Verpflichtung zur technischen Abnahme, kann der Auftraggeber die Endabnahme verweigern und ggf. sogar auf Kosten des Auftragnehmers eine nachträgliche Überprüfung verlangen.
Zwischenfazit: Erfolgreiche Bauüberwachung ist kein Zufall, sondern eine Organisationsaufgabe. Es gilt, rechtzeitig technische Abnahmen zu verlangen und durchzuführen, solange Leistungen noch kontrollierbar sind.

Unzureichende Dokumentation der eigenen Überwachungstätigkeit
Im Rahmen der Überwachungshaftung leitet die Rechtsprechung schon allein aus dem Vorhandensein eines Mangels die Vermutung einer Pflichtverletzung des Bau­überwachers ab (sogenannter Anscheinsbeweis). Diese Haftungsvermutung muss der Planer dadurch entkräften, dass er konkret darlegt, was er überhaupt an Überwachungsmaßnahmen geleistet hat. Erst dann kann gerichtlich in die Überprüfung eingetreten werden, ob die Darlegungen zutreffend sowie angemessen und ausreichend waren. Das bedeutet im Umkehrschluss: Ohne konkrete und substanziierte Darlegung der eigenen Überwachungsmaßnahmen (wer?, wann?, was?, wie?) wird jeder Baumangel automatisch zu einem Überwachungsmangel. Der Planer muss also zwingend im Bautagebuch oder begleitenden detaillierten Dokumentationen seine Bauüberwachungstätigkeit belegen können. Dazu folgende Beispiele aus der Rechtsprechung:
„Der Bauherr hat nicht anzugeben, inwieweit es der Fachplaner im Einzelnen an der erforderlichen Überwachung hat fehlen lassen. Vielmehr muss der Planer den Beweis des ers­ten Anscheins [ergibt sich allein aus dem vorhandenen Mangel] dadurch ausräumen, dass er darlegt, was er an Überwachungsmaßnahmen geleis­tet hat.“ (OLG Ros­tock, 29. August 2002, AZ: 7 U 261/00)
„Die Behauptungen des Planers, er habe die Abdichtungsarbeiten „selbstverständlich regelmäßig und stichprobenartig vor Ort in Augenschein genommen“, genügt den Anforderungen an substanziiertem Vortrag zur Entkräftung des Anscheinsbeweises einer ungenügenden Bau­überwachung nicht. Vielmehr muss er im Einzelnen darlegen, wann er auf der Baustelle war und welche konkreten Arbeiten dabei von ihm in Augenschein genommen worden sind.“ (Kammergericht Berlin, 9. April 2010, AZ: 7 U 144/09)
Zwischenfazit: Eine fehlende Detaildokumentation der eigenen Überwachungstätigkeit führt zu einem Überwachungsfehler auch dann, wenn keine Pflichtverletzung des Planers belegbar ist.

 

Ergreifen falscher rechtlicher Maßnahmen bei Störungen
Weitergehende Folge der Überwachungstätigkeit ist nicht nur das reine Feststellen von Unzulänglichkeiten und Störungen im Bauablauf (Mängel, Verzug, Behinderung), sondern auch die Einleitung notwendiger rechtlicher Maßnahmen. Mängelrügen, Inverzugsetzungen und Weisungen müssen zum rechtssicheren Standardrepertoire des Bauüberwachers gehören.
Werden falsche rechtliche Maßnahmen ergriffen und erleidet der Bauherr hierdurch Nachteile, löst dies wiederum Haftungsrisiken aus. Klassisch sind dabei die Fälle, dass bei Mängeln und Verzugssituationen Ersatzvornahmen veranlasst werden, ohne vorher nach fruchtloser Fristsetzung an den Auftragnehmer diesem den Auftrag zu entziehen. Die §§ 4 Abs. 7 und 5 Abs. 4 VOB/B geben hier unter Hinweis auf § 8 Abs. 3 VOB/B einen klaren rechtlichen Fahrplan vor, der kaum Ausnahmen zulässt.
Zur Vermeidung von Fehlern em­pfiehlt sich hier der Einsatz geprüfter Checklis­ten- und Musterbriefsysteme (z. B. die Checklis­te „Der Bauablauf im Bild“ – kos­tenlos abrufbar unter www.bauplaner-recht.de).

Fehlende vertragliche Grundlagen
Eine Haftung lässt sich in vertraglichen allgemeinen Geschäftsbedingungen nie generell ausschließen. Es gibt aber durchaus zulässige Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung, etwa im Bereich leichter Fahrlässigkeit begrenzt auf die Berufshaftpflichtversicherungssumme, soweit diese in angemessener Höhe vereinbart ist.
Auch die vereinbarten Leistungsinhalte und die Höhe der Vergütung sollten klar definiert werden, um nicht mit unkalkulierbaren Risiken konfrontiert zu werden. Dies lässt sich einigermaßen rechtssicher nur mit einer schriftlichen Vereinbarung bewerkstelligen. Viele Planer sorgen aber nicht für klare und eindeutige vertragliche Grundlagen, was oft daran liegt, dass schriftliche Verträge zwar ausgefertigt, aber vom Bauherrn selten unterschrieben werden. Die Vertragsmuster sind dabei meist viel zu umfangreich und landen dann ohne Unterschrift irgendwo in den Akten. Praxistipp: Planerverträge sollten so kurz wie möglich gestaltet werden (maximal 2 bis 3 Seiten). Damit besteht für den Bauherrn kaum noch die Argumentation, er müsse den Vertrag erst noch in Ruhe durchlesen oder überprüfen.

Fehlende Abnahme der Planerleistung
Die Gewährleistungspflichten und -fristen des Planers richten sich nach den Vorgaben des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Folglich besteht für Planungs- und Überwachungsleistungen bei Bauwerken eine 5-jährige Gewährleistungspflicht (vgl. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Bei der Frage, wann die gesetzliche Gewährleistungspflicht beginnt, lautet die Antwort: mit der Abnahme (vgl. § 634a Abs. 2 BGB). Das Problem: Das gesetzliche Schuldrecht des BGB (vgl. § 266 BGB) geht davon aus, dass die Leistung erst als erfüllt gilt, wenn diese vollständig erbracht wurde. Hat aber ein Planer nun das komplette Leistungsbild einschließlich der Leis­tungsphase 9 (Objektbetreuung während der Gewährleistungszeiten) übernommen, so kann seine Leistung frühestens beendet sein, wenn die Gewährleistungsfristen der an der Bauerrichtung beteilig­ten Unternehmen abgelaufen sind. Erst dann kann er seine eigene Werkleistung dem Auftraggeber zur Abnahme anbieten mit der Folge, dass auch erst dann seine 5-jährige Gewährleistungspflicht zu laufen beginnt. Dazu der BGH:
„Die Verjährungsfrist gegen einen Planer beginnt erst mit Abnahme bzw. mit der abnahmereifen Herstellung sämtlicher geschuldeter Leistungen, bei Vereinbarung der Leistungsphase 9 also regelmäßig erst 5 Jahre nach Fertigstellung des Bauwerks.“ (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000, AZ: VII ZR 82/98)
Faktisch läuft diese Rechtsprechung darauf hinaus, dass der Planer mindestens 10 Jahre haftet, wenn er keine hinreichende rechtliche Vorsorge trifft. Er sollte daher entweder die Leistungsphase 9 nicht übernehmen oder eine Teilabnahme seiner Leistungen nach der Leistungsphase 8 vereinbaren. In jedem Fall ist auch anzuraten, sich vom Bauherrn eine schriftliche Abnahmeerklärung unterzeichnen zu lassen. Nur so lässt sich die erklärte Abnahme und der Gewährleistungsbeginn im Streitfall auch sicher nachweisen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Rainer Koch, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Wiesbaden


 

Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Herr Dr. Koch, wie Sie im Artikel beschrieben haben, ist die unzureichende Dokumentation der Bau­überwachung einer der gravierendsten Fehler. Wie umfangreich, in welchen Zeitabständen und mit welchem Mindest­inhalt sollten vor diesem Hintergrund Bauprotokolle angefertigt werden?

Dr. Koch: Es geht nicht nur um Bauprotokolle, sondern auch um das Bautagebuch und die Bauablaufkorrespondenz. Die wesentlichen Feststellungen aller Baustellenbesuche und Kontrollen sind festzuhalten, ebenso der Baufortschritt und Störungen im Bauablauf sowie die Maßnahmen, die zur Störungsbeseitigung ergriffen worden sind. Die Zeitabstände der Kontrolltätigkeiten hängen von den Maßnahmen ab. Bei schwierigen, wichtigen und gefährlichen Arbeiten ist sehr intensiv und häufig zu kontrollieren.

IKZ-FACHPLANER: Wie wichtig sind Fotoaufnahmen? Und wann sollte dieses Hilfsmittel zur Dokumentation eingesetzt werden?

Dr. Koch: Fotoaufnahmen sind als begleitende Dokumentations- und Beweismittel sehr wichtig, da man hierdurch bei später auftretenden Streitfragen Situationen noch nachvollziehbar veranschaulichen kann. Es sollten begleitend zu Fotos auch regelmäßig noch textliche Erläuterungen mit erfasst werden, damit man die Fakten später noch zuordnen und erklären kann. Sinnvoll ist es, bei den Baustellenbesuchen neben Fotos auch Details per Diktiergerät zu erfassen, da das Schreiben auf der Baustelle häufig schwierig zu bewerkstelligen ist.

IKZ-FACHPLANER: Um eine Haftung zu umgehen, versuchen einige Planer, baubegleitende Kontrolltätigkeiten als „Dienstvertrag“ abzuwickeln. Kann so etwas funktionieren?

Dr. Koch: Nein, es kommt nicht auf das Etikett an, sondern entscheidend ist, was tatsächlich geleistet werden soll. Die Rechtsprechung hat immer wieder entschieden, dass Kontroll- und Überwachungstätigkeiten am Bau werkvertragliche Leistungen mit entsprechendem Haftungsrisiko sind. Auch die schönen Bezeichnungen, wie baubegleitende Qualitätskontrolle usw. helfen hier nicht weiter.

 

Die IKZ-FACHPLANER-Redaktion sprach mit Rechtsanwalt Dr. Rainer Koch über notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Bauüberwachung.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: