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Back to Blei?

Interview mit Mike Heger, Geschäftsführer der Powertrust GmbH

Provokantes Logo der Initiative „No-Lithium-Inside“. Sie will auf die Recycling-Problematik von Stromspeichern aufmerksam machen, die auf Lithium-Ionen-Akkus setzen. Bild: Powertrust

Powertrust verkauft derzeit ausschließlich Blei-Kristall-Speicher. Einige Pro-Argumente sind Sicherheit, Temperaturtoleranz, Recycling und das Thema, dass Blei-Akkus kein Gefahrgut sind. Die Blei-Kristall-Zellen können nicht explodieren, nicht brennen und arbeiten von -20° C bis +50° C. Bild: Powertrust

Mike Heger: „Der Einsatz von Blei-Kristall-Batterien ist nach unserer Auffassung klar auf den stationären Bereich beschränkt. Und hier im Bereich der Landwirtschaft, sowie der Haus- und kleinen Gewerbelösungen.“ Bild: Powertrust

Die Forschung arbeitet schon seit Längerem am Post-Lithium-Zeitalter, z.B. wie hier im ­Forschungsprojekt „E-Magic“, das derzeit Magnesium-Batterien mit dem Ziel untersucht, in Konkurrenz zu Lithium-Ionen-Batterien zu treten und diese ggf. als Stand der Technik a­bzulösen. Bild: Laila Tkotz, KIT

Geschäftsführer Mike Heger hat mit ­ungewöhnlichen Aktionen immer wieder auf das Thema Blei-Speicherung aufmerksam gemacht. So stellte Powertrust beispielsweise auf der Intersolar 2018 einen Akku mit Nagel im Gehäuse aus und ließ ihn während der gesamten Messe laufen. Damit wollte das ­Unternehmen verdeutlichen, dass selbst wenn die Akkus von einem Fremdkörper durchdrungen werden, nichts passieren würde, kein Auslaufen, kein Feuer, keine Explosion – nur etwas weniger Leistung. Bild: Powertrust

Bleibatterien sind noch lange nicht out. Im Großspeicher M5Bat in Aachen wird das Zusammen­spiel von fünf unterschiedlichen Batteriesystemen auf Basis von Lithium-Ionen oder Blei ­untersucht. Der Großspeicher verfügt über sechs Stränge, in denen verschiedene Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt sind, und vier Stränge mit Bleibatterien. Mit diesem modularen Aufbau erproben die Wissenschaftler das Zusammenspiel der verschiedenen Batteriesysteme. Bild: BINE Informationsdienst, Franz Meyer

Bild: privat

 

Bereits 2015 hat der Bremer Stromspeicherhersteller Powertrust gegen den allgemeinen Trend beschlossen, in seinen stationären Stromspeichern keine Lithium-Ionen-Akkus einzusetzen. Stattdessen werden Blei-Kristall-Speicher verkauft. Ist eine Rückbesinnung nötig? Wir sprachen darüber mit Powertrust-Geschäftsführer Mike Heger.

IKZ-Energy:
Herr Heger, was haben Sie gegen Lithium?
Mike Heger: Prinzipiell habe ich nichts gegen Lithium. Das wäre auch lächerlich, denn ich nutze selbst Lithium-Ionen-Zellen, in meinem Smart-Phone, Laptop und wir fahren in der Familie Elektro- und Elektro-Hybrid-Auto. Nichts von dem wäre sinnvoll möglich ohne Lithium-Ionen Batterien. Erst ihre hohe Energiedichte bei geringem Gewicht ermög­licht es uns, im mobilen Bereich Technik zu nutzen, die mit anderen Batterien in dieser Form nicht möglich wäre. Im stationären Einsatz ist das anders. Dort spielt Gewicht und Platz eine untergeordnete Rolle.

IKZ-Energy:
Lithium-Batterien haben gegenüber Blei-Batterien einige Vorteile, z.B. eine höhere Energiedichte oder eine besser nutzbare Kapazität, Stichwort Tiefenentladung – wo alle Welt auf Lithium fokussiert und das Postzeitalter Blei eingeläutet ist, was spricht denn jetzt aus Ihrer Sicht wieder oder weiter für Bleibatterien?
Mike Heger: Kurz gesagt, Sicherheit, Temperaturtoleranz, Recycling und das Thema, dass Blei-Akkus kein Gefahrgut sind. Die Blei-Kristall-Zellen können nicht explodieren, nicht brennen und arbeiten von -20°C bis +50°C. Laut Hersteller sogar in noch extremeren Temperaturen. Unsere Batterien können problemlos transportiert werden, gerade auch nach Gebrauch. Hier stelle ich mir die Frage, wie all die vielen Container mit Lithium-Ionen-Akkus sicher transportiert werden und an einem Recycling teilnehmen sollen. Oder werden die einfach „vergessen“? Nachhaltig ist anders. In unserem Fall nimmt jede Batterie an einem etablierten Recyclingprozess teil, wird zu fast 100% dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt und das immer wieder. Damit ist der Blei-Akku ein sehr nachhaltiges Produkt. Blei-Akkus werden weltweit recycelt. Dass man die Aufbereitung in einigen Ländern verbessern kann, steht außer Frage. Aber die Rohstoffe bleiben auch dort erhalten. Das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus ist von diesen Zahlen weit entfernt.

IKZ-Energy:
Blei-Batterien sind auch nicht ohne, was die Sicherheit betrifft, z.B. Blei-Säure-Batterien. Was halten Sie Lithium an Neuentwicklungen im Bereich Blei entgegen und können Sie die Erfolge auch mit Zahlen belegen?
Mike Heger:
Wenn Sie das Thema Sicherheit und Bleibatterien ansprechen, müssen wir genau betrachten, über welche Bleibatterie wir sprechen. Blei-Säure-Batterien bilden Gase. Diese Gase können brennen und auch explodieren. AGM-basierte Blei-Kristall-Batterien arbeiten mit einem festen Elektrolyt. Selbst wenn Sie den Akku unter „Beschuss“ nehmen wird er nicht brennen, explodieren und auch nur minimal ausgasen. Blei-Kristall-Akkus werden deshalb in sensiblen Bereichen eingesetzt. Für uns ist ein Wohnhaus, ein Stall, ein Gewerbegebäude ein sensibler Bereich, in dem Sicherheit ­oberste Priorität hat. Was in der Vergangenheit sicherlich deutlich zu leicht genommen wurde, war das Verständnis für die Batteriezelle, Reinigungs- und Wartungsladungen, Temperaturkompensation und so weiter. Dafür haben wir ein spezielles Batteriemanagementsystem/Energie Management System entwickelt (BMS/EMS). Das macht uns unabhängig, hat offene Schnittstellen und kann für praktisch alle Akku-Zelltypen eingesetzt werden. Und davon werden in Zukunft noch viele am Markt erscheinen: BiPolar Batterien, Aluminium-Ionen-Zellen und vieles mehr.

IKZ-Energy: Wie steht es um die Wartungsfreiheit beim Blei im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien?  Mike Heger: Wieder antworte ich nur für die Blei-Kristall-Batterie. Jedes Speichersystem, jedes technische Gerät braucht eine gewisse Aufmerksamkeit. Als Hersteller tun wir alles, um den Betrieb so einfach wie möglich zu gestalten. Ein intelligentes Batteriemanagement kontrolliert im CrystalTower jeden Akku einzeln, bis auf die Zellebene. Angepasste Lade- und Entladekurven sorgen für möglichst schonenden Umgang mit den Akkus. Das verlängert die Lebensdauer und ist Pflicht bei jedem Stromspeicher. Darin unterscheidet sich eine Blei-Kristall-Batterie praktisch nicht von einer Lithium-Ionen-Batterie. Fehler können immer passieren, wir arbeiten mit Technik. Entscheidend ist, dass wir als Hersteller das maximal Mögliche tun, um den Betrieb für Betreiber so einfach und sicher wie möglich zu gestalten.

IKZ-Energy: Die Batterie-Forschung arbeitet schon seit Längerem am Post-Lithium-Zeitalter. Welche Ansätze halten Sie für am Erfolg versprechendsten und warum?
Mike Heger: Forschung ist das eine, eine praxistaugliche Anwendung das andere. Es gibt viele interessante Ansätze wie Salzwasserspeicher, Redox-Flow, die übrigens ebenfalls sehr umweltverträglich sein sollen. Das ist sehr interessant. Wir sind als Hersteller für neue Techniken gerüstet, unsere Stromspeicher können auch mit anderen Batterien betrieben werden. Aktuell ist es aber so, dass wir mit der Blei-Kristall-Akkutechnik unsere Philosophie aus Klimaschutz, Autarkie und Wiederverwertbarkeit optimal fahren. Wenn das eine andere Batterietechnik schafft, wird es in Zukunft kein Problem sein, einen CrystalTower mit einer neuen, besseren Batterietechnik zu fahren, auch die Bestandsgeräte. Wir halten den Kunden so auch bei einem Repowering auf dem aktuellen Stand der Technik.

IKZ-Energy: Ihr Unternehmen hat die Initiative „No-Lithium-Inside“ gestartet. Marktführer Sonnen etwa zeitgleich seine Initiative für kobaltfreie Lithium-­Ionen-Akkus und dafür – genauso wie Power­trust – ein Logo entwickelt. Was halten Sie von dieser Initiative? Sind bspw. Lithium-Eisenphosphat-Batterien als Alternative zu Kobalt ein akzeptabler Weg?
Mike Heger: Es ist gut, wenn kein Kobalt in den Lithium-Akkus mehr verwendet wird. Es bleiben aber noch viele Fragen offen. Was ist mit all den anderen seltenen Rohstoffen, die in Lithium-Akkus eingesetzt werden und das fehlende Recycling? Zeitgleich steigt die Nachfrage nach mobiler Energie und damit auch die Nachfrage nach leichten Akkus mit hoher Ener­giedichte. Auch ein Grund, warum wir im stationären Bereich auf Blei-Akkutechnik setzen, weil Gewicht dort selten eine Rolle spielt. Hohe Autarkie und Effizienz, Sicherheit und Temperaturtoleranz aber schon. Ich bin der Meinung, dass wir als Hersteller Verantwortung für den ganzen Prozess der Wertschöpfung übernehmen müssen. Dazu gehört jenseits von Leistungsdaten eben auch das Davor und Danach. Wie werden unsere Produkte hergestellt und was passiert, wenn sie kaputt sind.

IKZ-Energy: Blei ist auch ein Umweltgift – weshalb sollte das Recycling solcher Batterien unproblematischer sein als das von Lithium-Batterien, wenn ausrangierte Akkus im großen Maßstab in naher Zukunft anfallen werden?
Mike Heger: Keine Batterie ist zum direkten Verzehr geeignet und ja, Blei ist giftig. Und bei Lithium legen wir ganze Landstriche trocken. Entscheidend ist, dass beim Recycling keine Stoffe in die Umwelt gelangen. Das ist in Deutschland durch Vorschriften, Kontrollen und Auflagen sichergestellt. Der Marktführer für Blei-Akku-Recycling Berzelius GmbH verwendet 98% eines Blei-Akkus wieder. Die restlichen 2% sind Kunststoffe, die nicht wiederverwertet werden können und für die Bleischmelze eingesetzt werden. Diese ist mit einer Energierückgewinnung gekoppelt, die auch Strom für den ganzen Recyclingprozess generiert. Damit können wir von nahezu 100% Wiederverwertung sprechen. Blei-Akkus lassen sich sehr gut in ihre Bestandteile zerlegen, was das Recycling enorm erleichtert. Das funktioniert bei Lithium-Batterien weniger gut.

IKZ-Energy: Für welche Einsatzzwecke eignen sich Blei-Kristall-Batterien, wo haben sie ihre Grenzen?
Mike Heger: Der Einsatz ist nach unserer Auffassung klar auf den stationären Bereich beschränkt. Und hier im Bereich der Landwirtschaft sowie der Haus- und kleinen Gewerbelösungen. Für Regelenergielösungen, Peak-Shaving im großen Stil und so weiter ist der Einsatz von anderen Zelltechnologien notwendig. Entscheidend ist für uns die Möglichkeit unterschiedliche Technologien mit einem einzigen BMS/EMS betreiben zu können. Und das können wir. Deshalb beobachten wir sehr genau die Entwicklung im Bereich der Lithium-Eisen-Akkutechnologie. Wir sehen, dass diese Speichertechnologie beim sicheren Betrieb und beim Recycling gute Ergebnisse liefern könnte. Voraussetzung ist allerdings auch eine Herstellung der Akkus, die einen hohen Grad an Recycling garantiert. Ist das der Fall, so der Stand heute, können bis zu 80?% des Akkus in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Sollte sich dieser Wert bestätigen, könnten wir über einen zusätzlichen Batterietyp nachdenken. Um die Rückführung der Akkus in den Wertstoffkreislauf sicherzustellen, denken wir über eine Art Akkupfand für CrystalTower-Betreiber nach. So lange unsere Blei-Kristall-Systemspeicher in Summe aber mehr an Flexibilität, Sicherheit, Autarkie und Nachhaltigkeit bieten als vergleichbare Lithium-Ionen Systeme, sehen wir keine Veranlassung, die Akkutechnologie zu wechseln.

IKZ-Energy: Rücknahme und Recycling von Lithiumspeichern sind vom Batteriegesetz vorgeschrieben. Die Solarbranche betreibt bspw. eine AG „Batterien“ und arbeitet mit der Stiftung GRS (Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien) zusammen, um Recyclingverfahren für Lithium­Ionen-Akkus im großen Maßstab zu entwickeln sowie die Recycling-Effizienz und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Damit könnte die Recyclingproblematik entschärft werden und auch die Ressourcenproblematik, weil recyceltes Lithium wieder in den Stoffkreislauf flösse. Was halten Sie davon?
Mike Heger: Klingt gut, aber Rücknahme ist kein Recycling und Lithium-Ionen-Akkus sind eben auch Gefahrgut und werden als Sondermüll behandelt. Da steckt noch viel Grundlagenforschung drin. Aber in ein paar Jahren wird auch dieses Thema gelöst sein. Menschen haben sich selten am Anfang einer Technik über deren Zeit nach Ablauf des Nutzens Gedanken gemacht. Das war schon bei der Atomenergie so. Blei-Akkus sind nach Ablauf ihrer Lebenszeit Rohstoff mit einem Kilopreis. Und Recycling bedeutet für uns Rohstoffe zu generieren und nicht wertvolle Substanzen in Wärme zu verwandeln.

IKZ-Energy:
Eine aktuelle Studie der HTW Berlin im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW kommt zu dem Ergebnis, dass aus Rendite-Sicht die Kombination einer PV-Anlage mit einem Solarstromspeicher derzeit nicht zu empfehlen ist, da dieser in der EEG-Laufzeit der PV-Anlage sehr wahrscheinlich einmal ausgetauscht werden muss. Sind Blei-Batterien länger haltbar als Lithium-Batterien? Wie stellen Sie für Blei im Vergleich zu Lithium Ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung beim Thema Eigenstromversorgung auf?
Mike Heger: Das mit der Wirtschaftlichkeit von Stromspeicher-Photovoltaikkombinationen ist ein wichtiger Punkt. Wir rechnen im Schnitt 6 bis 10 Jahre für den monetären Break-Even in der Landwirtschaft oder im Gewerbe. Aber die PV- Stromspeicher-Kombination hat weitere, nicht monetäre Komponenten, die Kaufentscheidungen oft viel stärker beeinflussen, als Wirtschaftlichkeit. Und da sind zu nennen, Klimaschutz, Umweltschutz, Unabhängigkeit vom Stromversorger und Notstromversorgung. Für mich waren damals Autarkie, Klima- und Umweltschutz Antrieb für die Installation. Und machen wir uns eines klar: Nicht Zyklen entscheiden, sondern die ein- und ausgespeicherte Menge der Energie in einer relevanten Zeit. Entladeleistungen, die auf 1500 W 3-phasig sinken, sind für den Hausgebrauch ungeeignet, da wird zu viel Energie aus dem Stromnetz bezogen, aber wenig in Sachen Energiewende bewegt. Da hat die HTW Recht. Für den Eigenstromverbrauch ist nicht nur die Lebensdauer der Batterie ausschlaggebend, sondern auch die Anschlussart, AC oder DC, ob es ein Hochvolt- oder Niedervoltsystem ist. Jedes Detail hat Einfluss auf die Autarkie des Betreibers. Wir legen Wert auf hohe Lade- und Entladeleistung, um auch kurze Sonnenstunden optimal auszunutzen und hohe Lasten abdecken zu können. So stellen wir sicher, dass viel Sonnenstrom in kurzer Zeit geerntet und nur wenig Netzstrom bezogen werden muss. Und dann haben wir ja noch das EMS, das Energie Management System. Das sorgt dafür, dass die Sonne Strom für Verbraucher bereitstellt, die erst viel später relevant werden, nämlich nach Sonnenuntergang. Es wird also möglicher Überschuss errechnet und eingelagert, wenn die Sonne die Energie zur Verfügung stellt für einen zukünftigen Verbrauch.
Die Fragen stellte Dittmar Koop.


Zur Person
Mike Heger war der vierte Powertrust Kunde, dann Teilhaber des Unternehmens und seit September 2018 ist er 100%iger Inhaber der Powertrust GmbH mit Sitz in Bremen. Unter seiner Leitung entwickelt Powertrust ganzheitliche, bedarfsgerechte Energie­lösungen, bietet Beratung und Realisierung für maximale Autarkie, Klimaschutz und Energiewende.

 


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