Werbung

Autark vom Stromnetz dank PV In Lehrte wurde das „erste energieautarke Haus“ eingeweiht

Ein Haus, das sich selbst versorgt und keinen Energieversorger mehr benötigt, das ist ein schon lang gehegter Traum vieler Bauherren. Die Idee der Energieautonomie wird schon lange verfolgt, bereits 1992 gab es ein erstes Solarhaus, das sich selbst mit Energie versorgte.

Das „energieautarke Haus“: Kein Prototyp, sondern Serienfertigung.

 

Das energieautarke Solarhaus in Freiburg, als Nullenergiehaus konzipiert, war allerdings noch ein Forschungsobjekt. Der Bauherr, das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE), kein gewöhnlicher Erbauer, bewies allerdings schon damals, dass es möglich ist, ein Haus zu errichten, das gänzlich ohne konventionelle Energieträger auskommt. Das Freiburger Solarhaus deckte 100% seines Energiebedarfs (Wärme und Strom) durch thermische und photovoltaische Nutzung der Sonnenenergie.

Hin zur Serienreife

Heute, fast 20 Jahre später, präsentiert die Helma Eigenheimbau AG das „energieautarke Haus“ von der Stange. Ein Haus, bei denen die Bauherren, um bei der Begrifflichkeit zu bleiben, ausgesorgt haben. Das ist auch der größte Unterschied zu den bislang bekannten Solar-Aktiv-Häusern wie dem von Sonnenkraft („Haus der Zukunft“ und „ECO Plus“), Schüco („Nullenergiehaus“) und Velux (Model „Home 2020“). Diese waren allesamt Prototypen, möglicherweise auch nahe an der Serienreife. Letztendlich blieben sie alle Konzept- oder Versuchsmodell eines geplanten Produktes. Es kam zu keiner Serienproduktion, sondern es blieb bei einem Einzelstück.

Kaum Nebenkosten

Egal, wie sich auch die Strompreise entwickeln mögen, die Betriebskosten des Eigenheims tangiert das nicht. Helma hat mit dem „energieautarken Haus“ das postfossile Bauen vorgedacht, wie Projektleiter Prof. Timo Leukefeld, der geistige Vater des Projekts, formuliert. Zwar bezieht sich die Energieautarkie vor allem auf den nicht mehr notwendigen Stromanschluss, dank der großzügig ausgelegten Solarthermieanlage benötigt es jedoch auch keinen Gas- oder Fernwärmeanschluss, sondern lediglich ein bis zwei Festmeter Stückholz pro Jahr.


Das 45°-geneigte Solardach sorgt für Strom und Wärme. Bild: Leukefeld

Stromverbrauch entscheidend

Die eigentliche Autarkie bezieht sich jedoch auf die elektrische Anbindung. Mit einer PV-Leistung von 8,4 kWp und einer Speicherkapazität von 48 kWh stehen den Bewohnern im Schnitt 2000 kWh elektrische Energie pro Jahr zur Verfügung. Es kann sogar deutlich mehr verbraucht werden, solange dies nicht in den kritischen Wintermonaten oder nachts passiert. Dies liegt vor allem daran, dass der Elektroenergiespeicher die photovoltaisch erzeugte Energie nicht endlos speichern kann und im Winterhalbjahr deutlich weniger Solarenergie produziert wird als im Sommer. Jedoch benötigt das Haus seinen Strom nahezu ausschließlich für Haushaltsgeräte. Das Haus besitzt neben der PV-Anlage noch einen Elektroenergiespeicher. Mit der Kombination Solarstromanlage und Akkublock kommt man stromseitig  über das ganze Jahr und kann auch abends Strom für das E-Auto tanken. Es ist natürlich möglich, das Haus an das öffentliche Stromnetz anzuschließen. So kann man die Energieüberschüsse ins Netz einspeisen, wenn man beispielsweise noch kein Elektrofahrzeug sein Eigen nennt oder noch unter den veranschlagten 2000 kWh liegt.
Da 2000 kWh deutlich unter dem bundesdeutschen Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie liegen, musste genau nachgerechnet werden. Das Projektteam um Prof. Leukefeld hat aus diesem Grund einen exemplarischen Haushalt genauer untersucht. Dabei wurde messtechnisch nachgewiesen, dass bereits 1500 kWh genügen würden, um den Strombedarf eines Einfamilienhauses, inklusive einer „normal verschwenderischen“ Familie mit zwei Kindern, zu decken.
Um dies zu erreichen galt vor allem das Credo, soweit möglich auf die Erzeugung von Wärme durch Strom zu verzichten. Zudem wurde sehr darauf geachtet, Stand-by-Verbräuche zu reduzieren. Ein nicht unwichtiger Aspekt: Die Stromverbräuche der Umwälzpumpen konnten nur mittels eines hydraulischen Konzeptes, das auf geringste Widerstände beruht, begrenzt werden. Um jedoch ganz sicher zu gehen, wurde auf die Simulationsergebnisse noch ein deutlicher Mehrverbrauch aufgeschlagen, aus 1500 kWh wurden somit 2000 kWh.


Das Thema Stromverbrauch im Haushalt ist ein durchaus heikles Thema, denn nach wie vor steigt der private Energieverbrauch in Deutschland. Unter dem Strich wird in privaten Haushalten heute mehr Strom und Heizenergie benötigt als Mitte der 1990erJahre. Das geht aus den Zahlen des Umweltbundesamts hervor. So hat der Stromverbrauch von 1995 bis 2005 um 17,3% zugenommen.
2006 betrug der durchschnittliche elektrische Verbrauch eines Privathaushalts nach Berechnungen der Energieagentur NRW mit vier Personen 4503 kWh. Nach Erhebungen des Vergleichsportals check24.de im Zeitraum Juni 2007 bis März 2009 wurde ein Verbrauch von 5149 kWh festgestellt (siehe hierzu auch Kasten „Rebound-Effekte“).



Das Sonnenhaus
Mit 46 m² Kollektorfläche versorgt sich das Haus zu 65 % mit Wärmeenergie, die restlichen 35 % kommen von einem Kaminofen, der mit beschickt werden muss. Ein 9 m³ großer, ins Gebäude integrierter, Langzeitwärmespeicher sorgt dafür, dass die Sonnenwärme über einen längeren Zeitraum eingelagert werden kann. Wärmeseitig ist das energieautarke Haus somit nicht ganz unabhängig.

Energiekosten hoch – Baukosten runter

Zwischen dem Freiburger Solarhaus und dem Musterhaus in Lehrte liegen mittlerweile fast 20 Jahre. Vieles hat sich geändert, die Faszination, in einem autarken Gebäude zu leben, ist geblieben. Auch haben sich die Energiekosten inzwischen deutlich nach oben bewegt. So gab es einen Liter Heizöl 1992 noch für umgerechnet 0,30 Euro. Dass die Kosten für Heizung, Strom und Mobilität gestiegen sind und weiter steigen werden, ist eine Binsenweisheit. Der Autarkiegedanke ist deshalb ein nach wie vor gehegter Wunsch. Aufgrund der sinkenden Investitionskosten für Erneuerbare Energien kann dieser Traum mittlerweile auch kostengünstiger realisiert werden. Waren die Baukosten in Freiburg mit 1,7 Mio. Euro noch sehr hoch, liegen sie bei dem Helma-Haus mit schlüsselfertigen 363000 Euro bei nur noch knapp 20 %. Allerdings sind die beiden Konzepte auch nicht direkt vergleichbar.
Während das energieautarke Haus der Fa. Helma bereits Realität ist, startet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Rahmen der Bau- und der Elektromobilitätsforschung ein Forschungsprojekt, mit dem Augenmerk Bauen und Verkehr zu kombinieren. Der „bewohnbare Prototyp“ soll seine Energie in Hochleistungsbatterien speichern und einem Elektrofahrzeug zur Verfügung stellen. Es soll demonstriert werden, dass es für eine Familie möglich ist, die vom Haus produzierte Energie auch für Mobilität zu nutzen, so Bundesminister Dr. Peter Ramsauer. Laut Bild-Zeitung hat der „schlüsselfertige Neubau einen Wert von 2,5 Mio. Euro“.


Das „energieautarke Haus“ wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit errichtet. Bild: Hüttmann


Die Enthüllung: Das Solardach zeigte sich noch leicht staubig. Bild: Hüttmann

Das Konzept

Im Gegensatz zu Passivhäusern oder auch Plusenergiehäusern wird Strom nicht zu Heizzwecken eingesetzt. „Konzepte, die Strom zum Heizen verwenden, beispielsweise mit einer Wärmepumpe, benötigen im Schnitt deutlich mehr als 6000 kWh pro Jahr Heiz- und Haushaltsstrom“, erläutert Prof. Leukefeld. Zwar wird bei diesen Häusern mittels einer großen PV-Anlage eine große Menge Strom erzeugt, jedoch naturgemäß vorwiegend im Sommer hauptsächlich, um ihn ins Netz einzuspeisen. In der sonnenärmeren Jahreszeit sind und bleiben sie auf die Versorgung durch das öffentliche Stromnetz angewiesen. Energieautarkie oder gar Plus-Energie bei auf Strom basierenden Heizsystemen sind reine Rechenexempel.“ (Siehe hierzu auch Kasten „PV-Strom zum Heizen?“)



Der Primärenergiebedarf des „energieautarken Hauses“ liegt bei 1500 kWh pro Jahr. In diesen Wert fließt der komplette Energiebedarf des Gebäudes ein, neben der Raumheizung ist auch die Warmwasserbereitung darin berücksichtigt. Der Primärenergiebedarf berücksichtigt auch die vorgelagerten Prozessketten, somit auch die Stromproduktion selbst: die Gewinnung, Umwandlung und Verteilung der elektrischen Energie hin zur Steckdose im Gebäude. In dem konkreten Fall ergibt sich ein spezifischer Wert von 9 kWh pro Jahr und m², ein exemplarisches Passivhaus hat einen spezifischen Primärenergiebedarf von 35 bis 40 kWh/m² und Jahr. Ein Neubau nach EnEV-Standard mit Wärmepumpe hat dagegen einen deutlich höheren Bedarf, je nach verwendeten Komponenten liegt dieser etwa zwischen 10 000 und 15 000 kWh pro Jahr.


Der Elektrospeicher wird durch die Anbringung außerhalb des Gebäudes natürlich gekühlt und belüftet. Bild: Sunstrom GmbH



Zum Hintergrund

Das energieautarke Haus wurde von den Projektpartnern Helma Eigenheimbau AG und Sunstrom GmbH unter der Leitung von Prof. Timo Leukefeld entwickelt. Eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt seitens der Technischen Universität Berg-
akademie Freiberg durch eine Begleitung mit Diplom- und Studienarbeiten. Mit dem Projekt „energieautarkes Haus“ wurde bereits vor zwei Jahren begonnen, aus der Idee entstand vor etwa einem Jahr die Projektgruppe. Die Projektgruppe hat sich nach einem halben Jahr Vorlauf ein weiteres halbes Jahr konkret mit der Umsetzung beschäftigt.

Autor: Matthias Hüttmann

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: