Aus- und Einbaukosten bei mangelhaften Materiallieferungen: Unsicherheiten nach EuGH-Urteil
Wer trägt die Kosten für den Aus- und Einbau, wenn sich Materialmängel herausgestellt haben? Diese Frage beschäftigt Handwerker regelmäßig. Die Antworten, die der BGH im Jahre 2008 gegeben hatte, dass ein Werkunternehmer diese Kosten vom Lieferanten grundsätzlich nicht erstattet bekommt, passten natürlich vielen Handwerkern nicht ins Verständnis. Nachdem sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Kostentragungspflicht im Sommer letzten Jahres geäußert hat, ist wieder Bewegung in die Diskussion gekommen. Aber hat der Richterspruch auch für das SHK-Handwerk Auswirkungen? Können Werkunternehmer nun leichter Aus- und Einbaukosten im Zusammenhang mit Materialmängeln beim Lieferanten geltend machen?
Wichtiger Ausgangspunkt für die Antwort ist die Klärung der jeweils vorliegenden vertragsrechtlichen Beziehung. Wenn ein Handwerker beim Kunden Einbauleistungen erbringt, handelt es sich regelmäßig um einen Werkvertrag, aus dem grundsätzlich andere Gewährleistungsverpflichtungen erwachsen, als z.B. aus einem Kaufvertrag. Dem EuGH-Urteil liegt ein kaufvertragliches Verhältnis zugrunde. Weiterhin geht es um die entscheidende Frage der jeweiligen Vertragspartner, ob es sich um ein Verbrauchergeschäft oder einen Vertrag zwischen Unternehmern handelt. Die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Aus- und Einbaukosten bei mangelhaften Materialien aus einem Werkvertragsverhältnis war nicht Gegenstand des EuGH-Urteils. Ebenso wenig hat sich der EuGH zu einem Geschäft zwischen Unternehmern geäußert, sondern zu den Ansprüchen eines Verbrauchers entschieden. Diese feinen aber bedeutsamen Differenzierungen werden in der öffentlichen Diskussion zu diesem Urteil häufig nicht beachtet.
Rechtsbeziehung: Auftraggeber – Handwerker (Werkvertrag)
Schauen wir uns zunächst die Situation an, wenn Ansprüche hinsichtlich der Aus- und Einbaukosten auf der Basis eines Werkvertragsverhältnisses entstehen: Hinsichtlich einer Werkleistung, die ein Handwerker z.B. beim Einbau einer Heizungsanlage erbringt, haftet er für den Erfolg seiner Werkleistung, die aus der Sachmängelfreiheit seiner Einbauleistungen und der Sachmängelfreiheit der verbauten Materialien besteht. Gegenüber dem Auftraggeber, egal ob Verbraucher oder Unternehmer, haftet er also für etwaige Mangel (Abnahmezeitpunkt zur Beurteilung der Sachmängelfreiheit wichtig) innerhalb der entsprechenden gesetzlichen oder vertraglichen Gewährleistungsfristen.
Der Auftraggeber realisiert seine Gewährleistungsansprüche aus dem Werkvertragsverhältnis – und zwar umfassend – gegenüber dem Handwerker. Dafür steht ihm im Fall einer Heizungsinstallation (großer Werkvertrag) eine 5-jährige Gewährleistungsfrist zur Verfügung. Er verlangt die Beseitigung des Mangels, unabhängig davon, ob sie auf Einbauleistungen oder Materialfehler zurückzuführen sind, und macht Schadenersatzansprüche geltend. Der Handwerker hat den Mangel zu beseitigen und für den eingetretenen Schaden aufzukommen. Während er für die Mangelbeseitigung selbst zu sorgen hat, kann er Mangelfolgeschäden regelmäßig über seine Betriebshaftpflichtversicherung realisieren. Die Aufwendungen, die entstehen, um an die mangelhafte Stelle zu gelangen, sind aber keine Mangelfolgeschäden im haftpflichtversicherungsrechtlichen Sinne. Um Mangelfolgeschäden handelt es sich beispielsweise, wenn durch den Wasseraustritt aus den mangelbehafteten Rohren ein Teppich oder andere Gegenstände in Mitleidenschaft gezogen worden sind.
Rechtsbeziehung: Handwerker – Lieferant (Kaufvertrag)
Zur Erbringung der Werkleistung hat der Handwerker vorher bei einem Lieferanten Materialien bezogen. Hier liegt regelmäßig ein Kaufvertrag unter Geschäftsleuten zugrunde. Der Lieferant hat, wenn er im 3-stufigen Vertriebsweg agiert, dieses Material von einem Hersteller bezogen, demnach ebenfalls eine Kaufrechtsbeziehung unter Geschäftsleuten. Der Handwerker als Käufer kann seine Ansprüche nur auf das Kaufrecht gründen. Da ein Händler regelmäßig aus einem Verkauf von Materialien nicht verpflichtet ist, diese auch einzubauen, hat er auch später nichts mit derartigen Kosten zu tun. Der BGH hat mit folgenschwerem Urteil vom 15.07.2008 (Az. VIII ZR 211/07) klargestellt, dass derartige, nach §439 Abs. 2 BGB entstehende Einbaukosten im Zuge einer Mangelbeseitigung vom Verkäufer nur dann zu tragen wären, wenn der Verkäufer auch ursprünglich für den Einbau verantwortlich gewesen wäre.
Nun könnte man daran denken, dass ein Handwerker vom Verkäufer mangelhafter Materialien Schadenersatz statt Leistung verlangt und hier etwaige Ein- und Ausbaukosten mit unterbringt. Auch dies würde nach der deutschen BGH-Rechtsprechung nicht aufgehen. Einerseits hat ein Verkäufer die Pflicht, mangelfreie Produkte zu liefern (§437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB in Verbindung mit §433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aber, wenn ein Händler den Mangel an vom Hersteller gelieferten Produkten beim Verkauf an den Kläger nicht erkennen kann und sich ein etwaiges Verschulden des Herstellers im Produktionsprozess nicht zurechnen lassen muss, haftet er eben auch nicht für die Ein- und Ausbaukosten.
Diese relativ komfortable Position des Verkäufers könnte einige SHK-Unternehmer vor dem Hintergrund der neuen BGH-Rechtsprechung zur Freistellung des Lieferanten von den mangelbedingten Ein- und Ausbaukosten auf die Idee bringen, ihre Rechtsgeschäfte auf den Handel mit Materialien zu verlagern und anschließend in einem separaten Vertragsverhältnis ausschließlich die Montage mit dem Kunden zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass dies weder dem Anspruch, noch den Intentionen des SHK-Handwerks entsprechen kann, sieht der BGH derartige „Vertragstricks“ sehr kritisch. Die rechtliche Bewertung durch ein Gericht würde immer von einer Gesamtbetrachtung ausgehen und dabei wohl eine Werkvertragsbeziehung konstatieren. Auch ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung hilft hier nicht, weil hier ja die ursprünglich geschuldeten Montageleistungen bei Mängeln eben wieder zur Haftung auch für die Ein- und Ausbaukosten führen würden.
Der BGH erteilt den Hinweis an die Handwerker, dass sie in ihrer Position als Käufer im Falle mangelhaft gelieferter Produkte zwar Nacherfüllung beanspruchen können, sie aber nicht vor Vermögensnachteilen bewahrt bleiben, die der Käufer einer mangelhaften Sache im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag erleidet. Für die Praxis bedeutet das zunächst: Was das Recht nicht regeln kann, muss die Betriebswirtschaft richten. Betriebe sind gut beraten, das Risiko, das sich jetzt auftut, kalkulatorisch zu berücksichtigen. Ob die damit einhergehende Verteuerung der Handwerksleistungen am Markt durchgesetzt werden kann, ist eine ganz andere Frage – übrigens eine Frage, die der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) – zwar ursprünglich in einem anderen Zusammenhang, nun aber gleichermaßen aktuell – längst aufgegriffen hat und seine Mitglieder durch Haftungsübernahmevereinbarungen mit der Industrie schützt.
An der Situation, dass ein Handwerker vom Lieferanten mangelhafter Materialien eben nur mangelfreie Materialien, nicht aber etwaige Zusatzkosten für Aus- und Einbauleistungen, realisieren kann (außer es liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Haftungsübernahmevereinbarung des ZVSHK vor), ändert die neue Rechtsprechung des EuGH zunächst nichts.
Rechtsbeziehung: Lieferant – Verbraucher (Verbraucherkaufvertrag)
Der EuGH hat sich mit seinem Urteil zu den Aus- und Einbaukosten bei mangelhaften Materialien vom 16.06.2011 zu einem Sachverhalt des Verbrauchsgüterkaufes geäußert. Das ist ein Gegenstand, mit dem SHK-Handwerker aufgrund seiner werkvertraglichen Ausrichtung relativ wenig zu tun hat und der Lieferanten nur dann tangiert, wenn an Verbraucher direkt verkauft wird. Das Urteil ist demzufolge für die auf der Basis des dreistufigen Vertriebsweges operierende Branche nur von marginaler Bedeutung.
Bemerkenswert ist allerdings die Begründung des Urteils, weil hier auf Tatsachen reflektiert wird, die auch im Unternehmerverkehr eine Rolle spielen und demzufolge zukünftig durchaus zu Änderungen in der Rechtsprechung führen können. Das Gericht ist nämlich der Meinung, dass die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher stattzufinden habe und so durchgeführt werden müsse, als sei dem Verbraucher eine mangelfreie Sache geliefert worden. Was dem Verbraucher Recht ist, könnte zukünftig dem kommerziellen Käufer ebenso billig sein…
Die dem Urteil zugrunde liegende Ausgangssituation war folgende: Ein Verbraucher hatte von einem Baustoffhandel Bodenfliesen bezogen. Nachdem der Verbraucher die Fliesen in seinem Wohnhaus durch einen Handwerker hatte verlegen lassen, zeigten sich Mängel, deren Beseitigung nicht möglich war. Der Verbraucher verlangte vom Baustofflieferanten die Lieferung neuer Fliesen sowie die Zahlung der Kosten für den Ausbau der mangelhaften Fliesen und den Einbau neuer Fliesen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dem zugestimmt. „Wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsgutes aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.“
Wenn im § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen zu lesen ist: „Lieferung einer mangelfreien Sache“, bedeutet das nun, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst.
Pyrrhussieg für Verbraucher
Was sich für den Verbraucher beim ersten Hinsehen als Segen darstellt, ist für Lieferanten, die im Verbraucherverkehr Geschäfte abschließen, ein „Erdrutsch“. Die etwaigen Kosten, die den Lieferanten im Zusammenhang mit notwendigen Aus- und Einbauleistungen bei mangelhaften Materialien als Risikopotenzial entstehen, wird der Händler natürlich auf seine Preise aufschlagen müssen. Beim zweiten Hinsehen ist das Urteil für den Verbraucher deshalb ein Pyrrhussieg. „Verbraucherschutz“ kostet etwas – und bezahlen wird es letztlich der Verbraucher selbst. Es ist auch ein schwacher Trost für die Lieferanten, dass sie im Falle der besprochenen Kostentragungspflicht Regressmöglichkeiten gegenüber ihren möglichen Lieferanten nach den §§ 478, 479 BGB haben. In der Konsequenz bedeutet das Urteil: Wenn am Ende der Verkaufskette ein Verbraucher steht, ein Mangel an der Liefersache vorliegt, kein Verschulden des Letztverkäufers vorliegt, der Verbraucher den Letztverkäufer wirksam in Anspruch nimmt, dann wird der Rückgriff in der Lieferantenkette bis hin zum Hersteller möglich sein, und zwar ohne Ausschluss oder Einschränkung des Rückgriffs in AGB. Für die SHK-Branche ist das EuGH-Urteil von informatorischer Bedeutung. Es hat (bislang) keine Auswirkungen auf Unternehmergeschäfte und tangiert auch nicht die werkvertraglichen Selbstverständlichkeiten, mit denen SHK-Betriebe seit Anbeginn in ihrer Kundenbeziehung zum Thema „Gewährleistung“ leben.
http://curia.europa.eu
Autor: RA Dr. Hans-Michael Dimanski, Hauptgeschäftführer der SHK-Landesverbände Sachsen-Anhalt und Thüringen.