„Anerkannte Regeln der Technik“ gestärktNeue TrinkwV 2011:Was ist wichtig? Was ändert sich?
Im November 2010 hat der Bundesrat der Ersten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) zugestimmt, am
1. November wird sie in Kraft treten – fast genau zehn Jahre nach Veröffentlichung der TrinkwV 2001. In vielen Bereichen ist die überarbeitete TrinkwV eindeutiger geworden: Wichtige Begriffe wurden klarer definiert, Rechte und Pflichten vor allem für die Betreiber von Trinkwasser-Installationen präziser zugeordnet. Hinzu kommen erstmalig in einer TrinkwV klare Untersuchungs- und Anzeigepflichten hinsichtlich Legionellen, sodass ein weiterer Schritt zum Erhalt der Trinkwassergüte getan ist. Nachfolgend ein erster Überblick über einige der wichtigsten Veränderungen und Ergänzungen.
Erneut stärken und verankern die Autoren der überarbeiteten TrinkwV das in Deutschland geltende Regelwerk für Trinkwasser-Installationen und den Versorgerbereich. So beziehen sie sich beispielsweise immer wieder auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ als übergreifenden Maßstab für die gesamte Trinkwasserverordnung. Das hiervon ausgehende Signal ist deutlich und aus Sicht des Handwerks begrüßenswert: Wer die anerkannten Regeln der Technik einhält, kann vom Erhalt der Wassergüte in der Installation ausgehen.
Was ist „Trinkwasser“ - § 2?
Genauso klar ist ab sofort die zentralste Frage der Trinkwasserverordnung überhaupt – nämlich: wo findet sich eigentlich „Trinkwasser“? Denn umfangreiche Ausnahmen folgen schon direkt im Anschluss an die allgemeine Formulierung „Wasser für den menschlichen Gebrauch“ und sorgen so für Klarstellung: Ausdrücklich ausgenommen vom „Trinkwasser“ gemäß TrinkwV ist beispielsweise jenes Wasser, das „sich in … Apparaten befindet, die … mit einer den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Sicherungseinrichtung ausgerüstet sein müssen“. Typisch dafür sind die mit einer Sicherungskombination ausgestattete Wannenarmatur oder ein Rohrunterbrecher zur Absicherung einer Ab- und Überlaufgarnitur mit Einlauf unterhalb des Wannenrandes – selbst das frische Badewasser fällt also nicht in den Geltungsbereich der TrinkwV.
Auch die TrinkwV 2011 bestätigt erneut die Bedeutung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ und gibt erstmalig einen Hinweis auf „zertifizierte Verfahren und Produkte“ (§ 17).
Begriffe zum Verständnis - § 3
Von besonderer Bedeutung für das gesamte Verständnis der TrinkwV 2011 ist außerdem der Paragraf 3, denn er behandelt nach dem Anwendungsbereich ausführlich einzelne Begrifflichkeiten. Hier wird zum Beispiel beschrieben, was Trinkwasser im Sinne dieser Verordnung ist oder worum es sich bei „Trinkwasser-Installationen“ handelt – sie fallen unter Wasserversorgungsanlagen nach § 3, Nummer 2, Absatz e.
Weiterhin finden sich hier Definitionen, was zu diesen Trinkwasser-Installationen gehört und was ein öffentlich bzw. gewerblich genutztes Gebäude überhaupt ist (§ 3 Nummer 10 und 11). Als Trinkwasser-Installation gilt beispielsweise „die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer Wasserversorgungsanlage an den Nutzer und dem Punkt der Entnahme von Trinkwasser befinden. Also verkürzt: vom Wasserzähler bis zur Zapfstelle bzw. Sicherungsarmatur.
Nur mit diesen Definitionen und Zuordnungen nach § 3 kann man herausfinden, ob die im Weiteren aufgeführten Paragrafen ganz oder teilweise für die Trinkwasser-Installation gelten oder nur für die Trinkwasser-Installation in öffentlichen und/oder gewerblich genutzten Gebäuden – oder auch nicht!
Anforderungen an das Trinkwasser - § 4
Dass das abgegebene Trinkwasser „rein und genusstauglich“ sein muss, zudem nicht krank machen darf – das stand schon vor zehn Jahren in der Trinkwasserverordnung. Genauso wie beispielsweise die chemischen Anforderungen, die das Wasser aus eben diesem Grund erfüllen muss. Nichts geändert hat sich auch an der Reduzierung des Bleigrenzwertes. Er wird gemäß einer 15 Jahre alten EU-Vereinbarung von 1998 ab dem 1. Dezember 2013 von derzeit 0,025 mg/l auf nur noch 0,010 mg/l reduziert. Politisches Ziel der EU war es schon damals, in allen Mitgliedstaaten Bleiinstallationen durch geeignete Materialien zu ersetzen. Dazu wurde ein so niedriger Grenzwert gewählt, dass er auch unter Verwendung von Korrosionsinhibitoren nicht eingehalten werden kann.
Begleitend dazu wird im Paragrafen 21 (1) gefordert: Ab dem 1. Dezember 2013 sind die Verbraucher zu informieren, wenn Blei-Leitungen in „ihrer“ Trinkwasser-Installation sind. Und „die zuständigen Behörden stellen sicher, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um die Bleikonzentration in Trinkwasser so weit wie möglich zu reduzieren“ (Anlage 2, Teil II) – und das geht nur über den Austausch der Bleileitungen.
Minimierungsgebot - § 6
Vertiefende Klarheit bringt die neue Trinkwasserverordnung auch im nächsten Paragrafen - § 6, denn hier findet sich, wenn auch ohne Nennung des Begriffes, das sogenannte und viel zitierte „Minimierungsgebot“. Es fordert, „Konzentrationen von chemischen Stoffen … so niedrig“ zu halten, „wie dies … unter Berücksichtigung von Einzelfällen möglich ist“.
„Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ im öffentlichen und gewerblichen Bereich (z. B. auch im Wohnungsbau!) mit „Verneblung des Trinkwassers“, müssen dem Gesundheitsamt „unverzüglich“ angezeigt werden – und sind systemisch zu untersuchen (§ 13 und § 14).
Aufbereitung und Desinfektion - § 11
Das beschriebene Minimierungsgebot greift ebenfalls beim häufig diskutierten Thema der Aufbereitung und Desinfektion von Trinkwasser. Nach Paragraf 11 ist eine solche Aufbereitung oder Desinfektion zwar „nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik“ zulässig, aber nur „unter Beachtung von Paragraf 6 Absatz 3“ (s. o.). Die Desinfektion einer Trinkwasserversorgungsanlage zur Beseitigung einer Kontaminierung ist also möglich, die kontinuierliche „Impfung“ als Vorbeugemaßnahme oder zur Absenkung der Temperaturen ist jedoch auch weiterhin nicht vorgesehen. Die Trinkwasserverordnung nimmt hier also ebenfalls bereits bekannte Regelwerke – zum Vergleich: DVGW twin 05/2009 (www.dvgw.de „twin“) – inhaltlich auf.
Informations- und Anzeigepflichten - § 13
Die noch immer weitgehend unbekannten Informations- und Anzeigepflichten für Planer, Installateure und Betreiber von Trinkwasser-Installationen (§ 13) wurden weitgehend aus der alten TrinkwV übernommen und im Detail weiter präzisiert. Zum Beispiel: Wer ist wann zu informieren, wenn bauliche Änderungen an Installationen in öffentlichen und/oder gewerblichen Objekten vorgenommen werden – oftmals innerhalb einer 4-Wochen-Frist? Denn genau diese Frist gilt unter anderem bei der Errichtung einer Wasserversorgungsanlage, der Erstinbetriebnahme, der Wiederinbetriebnahme oder dem Eigentumsübergang – all das muss schriftlich innerhalb dieses Zeitraumes angezeigt werden. Wird eine Anlage stillgelegt, ist das Gesundheitsamt sogar binnen drei Tagen zu informieren. Weiterhin müssen alle Großanlagen zur Trinkwassererwärmung in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden – auch im Bestand – dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden. Welche Untersuchungspflichten für diese Anlagen bestehen und wie zum Beispiel die Fristen geregelt sind, beschreibt in der neuen TrinkwV § 14 ausführlich. Auch Regenwasseranlagen sind weiterhin dem Gesundheitsamt zu melden.
Untersuchungspflichten - § 14
Von besonderem Interesse für die Betreiber von Großanlagen zur Trinkwassererwärmung in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden ist die erstmals in § 14 (3) aufgeführte Pflicht zur Untersuchung auf Legionellen – soweit dort Wasser vernebelt wird (z. B. Duschen). Damit betrifft diese systematische Untersuchung auf Legionellen auch Wohnungsbaugesellschaften. Überdies sind geeignete Probenahmestellen einzuplanen.
Zumindest in Anlagen, zu denen „eine Großanlage zur Trinkwasser-erwärmung“ gehört, reicht eine Probenahmestelle zur Untersuchung auf Legionellen dabei nicht aus. Stattdessen ist „an mehreren repräsentativen Probenahmestellen“ die Trinkwassergüte zu prüfen und zwar systemisch.
Wie aus informierten Kreisen zu erfahren war, haben sich die Ministerien inzwischen darauf verständigt, Legionellen in der Wohnungswirtschaft nicht jährlich, sondern alle drei Jahre zu untersuchen. D. h.: Man arbeitet schon jetzt an der 2. Änderung der TrinkwV 2011 – auch diese soll noch in diesem Jahr erscheinen. Es ist sogar denkbar, dass die 2. Änderung erscheint, bevor die erste in Kraft getreten ist.
Untersuchungen auf Legionellen – Anlage 4, Teil II, b)
Wie wichtig Legionellen als „Leitbakterium“ für den Erhalt der Trinkwassergüte geworden sind, wird in diesem Kontext nochmals an einem Textzusatz deutlich: „Sind bei den jährlichen Untersuchungen auf Legionella spec. in drei aufeinanderfolgenden Jahren keine Beanstandungen festgestellt worden, so kann das Gesundheitsamt auch längere Untersuchungsintervalle festlegen … . Diese Verlängerung ist nicht möglich … z.B. für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, … Dialyseeinrichtungen und Entbindungseinrichtungen.“
Anzeige- und Handlungspflichten - § 16
Deutlich ausführlicher als bisher sind in der überarbeiteten TrinkwV die Anzeige- und Handlungspflichten für Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Trinkwasserversorgungsanlage gegenüber dem Gesundheitsamt gefasst, und zwar in § 16. Diese Pflichten werden wie immer unterschiedlich definiert, je nachdem, um welche Art der Wasserversorgungsanlage es sich handelt (vergl. § 3 Nummer 2 e – Trinkwasser-Installationen). Beispielsweise ist für Abhilfe zu sorgen und das Gesundheitsamt zu informieren, wenn dem Betreiber einer
Trinkwasser-Installation
Grenzwertüberschreitungen bekannt werden (3). Weiterhin sind unter anderem Aufbereitungsstoffe und damit auch Desinfektionsmittel gegebenenfalls „…mindestens wöchentlich aufzuzeichnen…“ und „6 Monate lang …zugänglich zu halten…“(4) und die Ergebnisse mindestens einmal jährlich“ … den betroffenen Verbrauchern unmittelbar schriftlich bekannt zu geben“.
Qualitätssicherung bei Produkten und Verfahren - § 17
Die bekannten Ausführungen zu Verfahren und Produkten wurden noch einmal weiter präzisiert: „Bei der Planung, dem Bau und Betrieb … sind mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Dies kann …. insbesondere sichergestellt werden, indem durch einen akkreditierten Branchenzertifizierer (Anm. des Autors: z. B. DVGW) zertifizierte Verfahren und Produkte eingesetzt werden – klarer geht es nicht.
Überwachung durch das Gesundheitsamt - § 18 / § 19
Das Gesundheitsamt überwacht auch künftig die Trinkwasserbereitstellung in öffentlichen Gebäuden – weitere Gebäude aus dem gewerblichen Bereich „können in die Überwachung einbezogen werden“. Dabei wird unter besonderen Umständen sogar das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt (§ 18). Weiterhin überwacht das Gesundheitsamt auch „die Erfüllung der Pflichten … die dem Unternehmer … aufgrund dieser Verordnung obliegen.“ Diese sind unter anderem in § 21 der TrinkwV aufgeführt.
Information der Verbraucher und Berichtspflichten - § 21
Aus Sicht der SHK-Branche ist dieser Paragraf von untergeordnetem Interesse, da es um die Information der Verbraucher zum Beispiel durch den Vermieter geht. Andererseits kann hier der Fachplaner oder Fachhandwerker seine Beratungskompetenz unter Beweis stellen, da ein Auftraggeber wohl kaum freiwillig die Paragrafen der TrinkwV lesen wird. In § 21 wird beispielsweise in öffentlichen oder gewerblichen Gebäuden die Information der Verbraucher über die Qualität des Trinkwassers, der Art der Aufbereitungsstoffe (inkl. Desinfektionsmittel) und ausdrücklich über „Leitungen aus Blei“ gefordert.
Folge von Grenzwertüberschreitungen - § 24 / § 25
Grenzwertüberschreitungen werden weiterhin als Straftat gewertet – sofern die Wasserabgabe im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit geschieht. Ordnungswidrigkeiten werden im § 25 benannt.
Zusammenfassung
Die neue Trinkwasserverordnung ist eine praxisgerechte Weiterentwicklung der bestehenden TrinkwV 2001 – leider im schwer verständlichen Beamtenstil mit vielen Querverweisen geschrieben. Dennoch ist sie begrüßenswert! Vor allem durch den wiederkehrenden Bezug auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ erhalten Fachplaner und Fachhandwerker, aber auch die verantwortungsbewussten Betreiber von Trinkwasseranlagen deutlich mehr Ausführungssicherheit. Dazu tragen nicht zuletzt auch die vorgenommenen Ergänzungen, wie die Aufnahme von Legionellen in den Untersuchungskatalog oder die erweiterten Informations- und Anzeigepflichten, bei. Einige ausgewählte Aspekte aus dieser Verordnung sind hier dargestellt: Dabei dient dieser Artikel eher der Navigation durch die TrinkwV 2011, als der vollständigen und detaillierten Information.
Tipp der Redaktion:
Organisierte Mitgliedsbetriebe erhalten den 80-seitigen Kommentar zur Trinkwasserverordnung kostenlos bei ihren SHK-Fachverbänden. Darüber hinaus bieten die Landesverbände Schulungen zur neuen Trinkwasserverordnung und den relevanten Normen an.
Autor: Dr. Peter Arens, Leiter Produktmanagement „Trinkwasser-Installationssysteme“ bei Viega, Attendorn