1:0 für den FC Augsburg - Fussballbundesligist leistet sich ein Fußballstadion mit Großwärmepumpe
Fußballbundesligist FC Augsburg spielt seit einigen Jahren in einem Stadion, das mit einer Wärmepumpenanlage beheizt und klimatisiert wird. Da außerdem der elektrische Strom aus Wasserkraft stammt und als weitere Energieträger Bioerdgas und Rapsöl zum Einsatz kommen, gilt die moderne Spielstätte bei vielen als das erste CO²-neutrale Stadion der Welt, zumindest soweit es die Energietechnik betrifft.
Augsburg bezeichnet sich als Umweltstadt. Was lag da näher, als in der neuen Fußball-Arena, in der die Mannschaft des Bundesligisten FC Augsburg zukünftig seine Heimspiele austragen sollte, statt einer Ölheizung eine WP-Anlage zu installieren. Seit der Inbetriebnahme sind fünf Jahre vergangen, die innovative Technik hat sich bewährt und versorgt störungsfrei die Gebäude- und Rasenheizung mit Wärme und das Lüftungssystem mit Kälte. Greenpeace habe der Arena sogar attestiert, das weltweit erste Sportstadion mit CO2-neutraler Energiebilanz zu sein, berichtet Dipl.-Ing. Paul Waning, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Wärmepumpe e.V. Das liege darin begründet, so Waning weiter, dass der Strom für Gebäudetechnik und WP aus Wasserkraft stamme, für den Spitzenlastkessel verwende man Bioerdgas und für das Notstromaggregat Rapsöl. So ließen sich jährlich etwa 700 t CO2-Emission vermeiden. Das Projekt habe in der Vergangenheit mehrere Auszeichnungen erhalten, aus aller Welt seien Delegationen von Fachleuten und Interessenten zur Besichtigung nach Augsburg gekommen.
Für die Stadt Augsburg und ihren Fußballclub, aber auch für die Energieversorger, Planer und Installateure ist das ganze Energiekonzept und die WP-Anlage eine willkommene Referenz. Wie es zu dieser Idee kam, wie das Energiekonzept aussieht und wie das Konzept umgesetzt wurde, soll der folgende Bericht zeigen.
Weg vom Öl – hin zu Umweltenergie
Wie eine zündende Idee zur rechten Zeit zu einer großen Tat werden kann, zeigt die Entwicklungsgeschichte der WP-Anlage für die SGL-Arena, wie sich das neue Stadion heute nennt. Als das alte Rosenau-Stadion des FC Augsburg durch eine moderne Fußballarena ersetzt werden sollte, legten die Lechwerke AG (LEW), deren Vorstandsmitglied Waning damals war, zusammen mit den Stadtwerken Augsburg dem Fußballclub im Frühjahr 2009 ein innovatives Energiekonzept vor – mit einer WP als zentralem Wärmeerzeuger. „Im alten Rosenau-Stadion war bis dahin mit Öl geheizt worden“, erinnert sich Dipl.-Ing. Arno Pöhlmann, bei den Lechwerken zuständig für Sonderprojekte. „Allein die Rasenheizung benötigte im Winter pro Spiel 10000 Liter Heizöl. Das ist der Heizenergiebedarf von acht neuen Einfamilienhäusern.“ Man habe sich die Chance, in der Umweltstadt Augsburg ein umweltfreundliches Großprojekt zu realisieren, einfach nicht nehmen lassen wollen, ergänzt Waning. „Ein neues Stadion zu bauen mit einer nicht mehr zeitgemäßen Heiztechnik, das schien uns ein Anachronismus ohnegleichen zu sein.“ Der FC Augsburg ließ sich überzeugen und verwarf die bereits erstellten Pläne für eine konventionelle Heizungsanlage. Nach einer erfolgreichen Probebohrung für die Gewinnung von Grundwasser als Wärmequelle bekamen die Lechwerke AG beziehungsweise ihre Tochter BEW (Bayerischen Elektrizitätswerke) und die Stadtwerke Augsburg gemeinsam den Auftrag zum Bau und Betrieb (!) der Anlage.
Das Energiekonzept
Die ersten Überlegungen zum Energiekonzept setzten bei der Wärmequelle an, wie Pöhlmann erläutert. „Grundwasser hat ganzjährig eine Temperatur von 8 bis 12°C. Würden wir nun dieses Grundwasser, mit Glykol vermischt, durch die Rasenheizung pumpen, bliebe der Rasen frostfrei. Gleichzeitig würde der immense Ölverbrauch für die bisher vorgesehene Ölheizung entfallen.“ Eine ähnliche Rechnung habe man für die Gebäudekühlung aufgemacht, so Pöhlmann weiter. Der Einsatz von Grundwasser für die Kühlregister der Klimaanlage würde mehr als 90% der sonst üblichen Kosten einsparen.
Mit der Grundwassertemperatur von durchschnittlich 10 °C ist das erste nutzbare Temperaturniveau der Anlage definiert. Bei Bedarf lässt sich dieses Niveau über die geplante WP jederzeit so erhöhen, dass der Rasen auch bei den schlechtesten äußeren Bedingungen bespielbar bleibt und die für die Kühlung erforderliche Vorlauftemperatur immer zur Verfügung steht. Die WP kann darüber hinaus – im Kühlbetrieb – die natürliche Kühlung unterstützen.
Ein zweites Temperaturniveau sieht das Heizkonzept für die Gebäudeheizung vor, die den VIP-, Logen- und Bewirtungstrakt, den Sportlerbereich mit Trainings-, Dusch-, Massage- und Umkleideräumen sowie den Bürotrakt über ein Niedertemperatursystem (50/30°C) mit Wärme versorgt. Wärmeverbraucher wie beispielsweise Warmwasserspeicher beziehen ihre Energie aus einem Hochtemperatursystem (75/55°C), das damit im Heizkonzept dem dritten Temperaturniveau zuzuordnen ist. Bei der Anforderung von Wärme aus diesem System schaltet sich automatisch ein Gas-Brennwertkessel mit einer Leistung von 700 kW zu, der übrigens auch dann einspringt, wenn die Wärmepumpen einmal ausfallen sollten.
Energie aus dem Grundwasser
Als Wärmequelle dienen den WP zwei Förderbrunnen, die unmittelbar westlich des Stadions niedergebracht wurden. Sie haben einen Durchmesser von 83 cm und reichen in eine Tiefe von 45 m. Bei einer WP-Nennleistung von 640 kW und einer angenommenen Jahresarbeitszahl von 4 muss jeder Brunnen eine Wärmeleistung von 480 kW bringen. Das bedeutet bei einer Abkühlung des Wassers in der Wärmepumpe um 4°C, dass jeder Brunnen rund 106 m3 Wasser liefern muss. „Dank der günstigen geologischen Verhältnisse im Umfeld des Stadions, also zwischen Lech- und Wertachtal, ist das kein Problem“, versichert Arno Pöhlmann. Um die notwendige Energie- und Förderleistung gewährleisten zu können, waren zuvor eine Probebohrung sowie umfangreiche Gutachten und Simulationen erforderlich. Die Schluckbrunnen, die das abgekühlte Wasser aus der Wärmepumpe wieder aufnehmen und in die wasserführende Bodenschicht einleiten müssen, liegen nördlich und nordöstlich des Stadions und damit außerhalb der Fließrichtung des Grundwassers in der Umgebung der Förderbrunnen.
WP vom Spezialisten
Bei den WP fiel die Wahl auf den Typ „RTWB 218“ der Firma Trane mit einer Heizleistung von 645 kW und einer Kälteleistung von 380 kW. Das Aggregat in Kompaktbauweise hat laut Produktkatalog zwei halbhermetische Schraubenverdichter. Sowohl Verdampfer als auch Verflüssiger sind als Rohrbündelwärmetauscher ausgeführt. In zwei Kältemittelkreisläufen zirkuliert das Kältemittel R134a. Zum Zubehör zählen u.a. eine werkseitig ausgeführte Stern-Dreieck-Schaltung für den Elektroantrieb der WP, ein Strömungswächter und eine schwingungsdämpfende Neopren-Unterlage; optional sind auch Schwingungsdämpfer und eine schalldämmende Verdichterabdeckung lieferbar. Eine Mikroprozessorsteuerung namens Adaptive Control reguliert stufenlos die Leistung des Aggregats, steuert die Kaltwasserpumpe und hält Kontakte für eine Alarmanzeige bereit. Ergänzen lässt sich das Ganze optional durch eine Karte für Eisherstellung, eine Karte für die Einstellung des Kaltwasser- und des Strombegrenzungssollwerts sowie die Tracer-Kommunikationskarte Comm 3.
Contracting – Energielieferung zum Festpreis
Die Entscheidung des FC Augsburg für eine umweltfreundliche Technologie erhöhte die Investitionskosten gegenüber der ursprünglichen Planung um etwa eine halbe Mio. Euro. Diese Mehrkosten haben die Bayerischen Elektrizitätswerke (BEW) als Tochter der Lechwerke AG und die Stadtwerke Augsburg gemeinsam übernommen. Als Gegenleistung verkaufen sie dem FC Augsburg jetzt Wärme, Kälte und Wasser zur Rasenberegnung. Außerdem sind sie für die Betriebsführung einschließlich Störungsbeseitigung und Wartung verantwortlich. Dieses Contracting genannte Verfahren bringt dem Fußballclub einige Vorteile wie beispielsweise den Fortfall von Investitionskosten und Zinsbelastungen, eine effiziente Energielieferung zum Festpreis und ein dauerhaftes Anlagen-Monitoring.
Ausblick
Der FC Augsburg und die beteiligten Energieversorger demonstrieren mit dem Energiekonzept für die SGL-Arena, dass der Betrieb von Groß-Wärmepumpen lukrativ und für die Energiebranche auch werbewirksam sein kann. Vor allem Energieversorgern eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten. „Sie können und sollten die Treiber in Sachen Wärmepumpen sein“, wünscht sich Paul Waning als Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Wärmepumpe e.V.
Autor: Wilhelm Wilming
Bilder: Lechwerke AG
Das Energiekonzept in aller Kürze
Die Rasenheizung wird so lange wie möglich mit Grundwasser betrieben; erst wenn das nicht mehr reicht, werden die WP zugeschaltet. Das Gebäude wird so lange wie möglich mit den WP beheizt; erst bei höherem Bedarf wird der Brennwertkessel zugeschaltet. Das Gebäude wird so lange wie möglich aus dem Grundwasser gekühlt; wenn dies nicht mehr reicht, wird die WP im Kühlbetrieb zugeschaltet.