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Rettungswege frei halten: Entrauchung in Treppenräumen

Brände gefährden Menschenleben meist nicht durch das Feuer an sich, sondern durch Rauch. Bei jedem Brand entstehen giftige und gefährliche Rauchgase, die sich sehr schnell ausbreiten – Rauchvergiftungen fordern jedes Jahr in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Hundert Menschenleben. Rauchgase breiten sich im Brandfall äußerst schnell auch in Räume aus, die nicht vom Brandgeschehen betroffen sind. Kritisch wird es dann, wenn auch die Flucht- und Rettungswege mit Rauch gefüllt sind.

Mithilfe von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) wird das entstehende Rauchgas mittels des thermischen Auftriebsprinzips mit Zuluft­öffnungen und Abluftöffnungen bereits in der Entstehungsphase des Brandes direkt ins Freie abtransportiert. Bild: STG-BEIKIRCH

Die VDS-Richtlinie 2221 liefert u.a. Anforderung und Größe der Entrauchungsöffnung bei Planung und Errichtung von Entrauchungsanlagen in Treppenräumen (EAT).

Hier zu sehen: Eine Entrauchungsklappe (Lichtkuppel) in einem Fahrstuhlschacht, welche mittels Zahnstangenantrieb vollständig geöffnet und geschlossen wird. Bild: D+H

 

Wenn es in einer Wohnung, die in einen Treppenraum führt brennt, kann sich der gesamte Treppenraum in kurzer Zeit mit giftigem Rauch füllen – insbesondere dann, wenn die flüchtenden Bewohner die Wohnungstür offenstehen lassen. Der ungehindert austretende Brandrauch ist insbesondere dann gefährlich, wenn der Treppenraum als primärer Fluchtweg für Bewohner des Hauses dient. Diese massive potenzielle Gefährdung von Menschenleben im Falle eines Brandes hat der Gesetzgeber erkannt. In den einzelnen Landesbauordnungen der Länder ist geregelt, dass Treppenräume als „erster Rettungsweg“ im Brandfall vor den Gefahren des Rauches geschützt werden müssen. In der Musterbauordnung findet sich der folgende Absatz:
§14 Brandschutz: „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Insbesondere den Treppenräumen weist der Gesetzgeber diesbezüglich eine bedeutende Rolle zu und stellt besondere Anforderungen an deren Entrauchung. Sogar Mindestgrößen für deren Auslegung sind in der MBO zu finden.
§35 Notwendige Treppenräume, Ausgänge: (8) „Notwendige Treppenräume müssen belüftet werden können. Sie müssen in jedem oberirdischen Geschoss unmittelbar ins Freie führende Fenster mit einem freien Querschnitt von mindestens 0,50 m² haben, die geöffnet werden können. Für innenliegende notwendige Treppenräume und notwendige Treppenräume in Gebäuden mit einer Höhe nach §?2 Abs. 3 Satz 2 von mehr als 13 m ist an der obersten Stelle eine Öffnung zur Rauchableitung mit einem freien Querschnitt von mindestens 1 m² erforderlich; sie muss vom Erdgeschoss sowie vom obersten Treppenabsatz aus geöffnet werden können.“
Sollte nun dieser „erste Rettungsweg“ beispielsweise durch Rauch oder auch andere Gegebenheiten wie umgestürzte Bauteile, widerrechtlich abgestellte Möbelstücke usw. behindert oder in seiner Nutzung eingeschränkt sein, muss immer ein zweiter Rettungsweg vorhanden sein. ­Solch ein Rettungsweg ist im Normalfall die Leiter der zur Rettung geeilten Feuerwehr.

Natürliche Entrauchung von Treppenräumen
Bei einem Brand entstehen heiße Brandgase, die je nach Intensität des Feuers mehrere Hundert Grad erreichen können. Aufgrund der Thermik steigen die Gase nach oben. Es bietet sich daher an, Dachöffnungen zu schaffen, die solche giftigen Brandgase gezielt ableiten. Bei der natürlichen Entrauchung wird daher an der obersten Stelle des Treppenraumes eine Öffnung oder auch mehrere Öffnungen im oberen Wandbereich oder im Dach freigegeben. Die Öffnung erfolgt dabei manuell über einen meist orangenen Handtaster. Eine andere Möglichkeit ist die Auslösung über einen Rauchmelder. Dieser erkennt einen Brand frühzeitig und öffnet die Entrauchungsanlagen automatisch. Zur ordnungsgemäßen Funktion einer natürlichen Entrauchungsanlage muss parallel zur Öffnung des Abzugs auch für die Zufuhr von kalter Umgebungsluft gesorgt werden. Hierfür muss sichergestellt sein, dass möglichst frühzeitig, spätestens allerdings bei Eintreffen der Feuerwehr, eine ausreichend große Öffnung im unteren Gebäudebereich entsteht. Im Regelfall liefert die offene Haustür eine ideale Zuluft-Quelle. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn sie feststellbar und mit dem Treppenraum räumlich verbunden ist. Etwaige Schleusentüren müssen ebenfalls geöffnet und festgestellt werden, um die dauerhafte Zufuhr von Frischluft gewährleisten zu können. Die natürliche Entrauchung als die einfachste Form der Rauchabführung hatte auch der Gesetzgeber im Auge, als er die o.a. Forderungen aufstellte. Allerdings kann eine solche Entrauchungsanlage die Verrauchung oberhalb des vom Brand betroffenen Gebäudeabschnitts nicht verhindern. Für die Masse der Mehrfamilienhäuser ist diese Art der Entrauchung aber ausreichend, da alle Bereiche der Häuser aufgrund ihrer Höhe und Anordnung anleiterbar sind. In Sonderfällen, wie z.B. Hinterhofbebauungen oder älteren Gebäuden, bei denen die Feuerwehr das Gebäude nicht direkt erreichen kann, wird zu anderen Maßnahmen wie fest installierten Feuerleitern gegriffen.
Seit Jahren gibt es für Errichter solcher natürlicher Entrauchungsanlagen in Treppenräumen ein Anerkennungsverfahren von der VdS Schadenverhütung GmbH. Doch wie sieht eine solche Anlage in Treppenräumen ordnungsgemäß aus? In den deutschen und europäischen Normen wurde die Entrauchung von Treppenräumen bisher kaum behandelt. Die geltenden Normen für Rauchabzüge wie beispielsweise die DIN 18232 behandeln hauptsächlich die Entrauchung von Industriebauten. Und bei den VdS-Planungs- und Einbaurichtlinien für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen werden Treppenräume ausdrücklich von der Geltung ausgeschlossen. Daher erfolgte bisher die Bemessung der Entrauchungsöffnungen in Treppenräumen nach den jeweiligen Landesbauordnungen. Die Mindestgröße dieser Rauchabzüge ist darin vorgeschrieben und wird mit 5% der Grundfläche, mindestens jedoch 1 m² festgelegt. Bezüglich der Bedienbarkeit der Entrauchungsanlagen ist festgesetzt, dass der Rauchabzug vom Erdgeschoss und vom obersten Treppenabsatz aus bedient werden können muss. Abweichungen können zugelassen werden, wenn der Rauch auf andere Weise abgeführt werden kann.
Die Musterbauordnung enthält also Anforderungen zur Mindestgröße und Bedien­barkeit, jedoch keine weiteren Angaben über den technischen Mindeststandard der Rauchabzugsvorrichtungen. Die VdS-Richtlinien 2221, „Entrauchungsanlagen in Treppenräumen – Richtlinien für Planung und Einbau“ übernehmen die Mindestgröße der Rauchabzüge aus den Landesbauordnungen. Dies gilt allerdings nur für Entrauchungsöffnungen im Dach des Treppenraumes. Öffnungen in Wänden können ebenfalls zur Entrauchung genutzt werden. Dabei gilt allerdings, dass deren Unterkante mindestens 80 cm und die Oberkante mindestens 1,80 m über dem obersten Treppenpodest liegen muss. Bodennahe und niedrige Fenster werden also nicht als Entrauchungsöffnung anerkannt. Die Mindestgröße des geometrisch freien Querschnitts beträgt in diesem Falle 7,5 % der Grundfläche des zugehörigen Treppenraumes, mindestens jedoch 1,5 m². Grundsätzlich muss immer sichergestellt sein, dass auch die höchstliegende Nutzungseinheit bzw. Wohnung im Brandfall gefahrlos verlassen werden kann.*
Die Planungs- und Einbaurichtlinien VdS 2221 geben Auskunft über die notwendigen Zuluftflächen, die Öffnungszeiten, die korrekte Anordnung der Handansteuereinrichtung und bieten für den Planer die wichtigsten Hinweise für den korrekten Einbau von Entrauchungsanlagen in Treppenräumen. Doch nicht jedes Treppenhaus eignet sich aufgrund seiner Größe für diese in der MBO (Musterbauordnung) geforderte Art der Entrauchung. In bestimmten Fällen sind zudem gesonderte Maßnahmen erforderlich.

Spülanlagen ohne geregelte Druckhaltung
Neben natürlichen Entrauchungsanlagen wurden in den Richtlinien „Spülanlagen ohne geregelte Druckhaltung“ betrachtet. Diese Art von Treppenraumentrauchungsanlagen bietet sich in innen liegenden Treppenräumen an. Mittels Ventilatoren wird eine Durchströmung des Treppenraumes sichergestellt, die der Feuerwehr bei ihrem Einsatz helfen kann, da auch „kalter Rauch“ sozusagen ausgespült wird. Doch auch bei diesen Anlagen gilt, dass ein zweiter Rettungsweg zwingend erforderlich ist. Zudem ist bei der Anlagentechnik zu berücksichtigen, dass der entstehende Überdruck nicht zu hoch wird (max. 100 N sind erlaubt). Dies wird durch dauerhaft offene Flächen erreicht.

Spülanlagen mit geregelter Druckhaltung ohne gesicherte Abströmung im Geschoss
Diese Art der Treppenraumentrauchung ähnelt der zuvor beschriebenen Anlage und unterscheidet sich durch eine Druckregelvorrichtung, die abhängig vom jeweiligen Überdruck öffnet oder schließt. Obwohl ähnlich wie bei Rauchschutzdruckanlagen (RDA) ein minimaler und maximaler Überdruck von 15 Pa bzw. 100 N nicht unter- bzw. überschritten werden darf, kann diese Anlage keine sichere Rauchfreihaltung garantieren. Sie eignet sich daher vornehmlich für Gebäude, in denen mit wenigen Öffnungsvorgängen in die Nutzungseinheiten hinein gerechnet wird. Die VdS empfiehlt solche Anlagen dort, wo aus baulichen Gründen keine „höherwertigen“ Anlagen zur Anwendung kommen können, beispielsweise bei der Nachrüstung älterer Bauwerke.

Rauchschutzdruckanlagen mit gesicherter Abströmung im Geschoss
Im Gegensatz dazu können Rauchschutzdruckanlagen mit gesicherter Abströmung (RDA) im Geschoss die Rauchfreihaltung im Treppenraum sicherstellen, auch wenn flüchtende Personen Türen in den Treppenraum öffnen und schließen. Rauchschutzdruckanlagen erzeugen in einem definierten Raum, z.B. einem Treppenraum, einen kontrollierten Überdruck, der bestimmte Mindestmaße über- und bestimmte Maximalwerte unterschreitet. Um diese Schutzmöglichkeit sicherzustellen, sind beispielsweise über Schächte Abströmöffnungen in den potenziellen Brandgeschossen vorzusehen. Auch Vorräume sind im Regelfall notwendig. RDA weisen automatische Auslöseeinrichtungen auf und verfügen über Steuereinrichtungen nach prEN 12101-9. Sie werden insbesondere in Gebäuden besonderer Art und Nutzung eingesetzt sowie als Ersatz für Sicherheitstreppenräume. Ist bei Sicherheitstreppenräumen in z.?B. Hochhäusern kein zweiter Rettungsweg in Form von einem Treppenraum o.?ä. vorhanden, müssen RDA mit einer Sicherheitsstromversorgung ausgestattet werden und in redundanter Betriebsweise, also zweifach gesichert, ausgeführt sein. Die VdS empfiehlt, RDA grundsätzlich mit einer gesicherten Energieversorgung wie einem Dieselmotor auszustatten. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass nur verhältnismäßig wenige Öffnungsvorgänge in den Treppenraum erfolgen. So bietet es sich an, z.B. nur das Brandgeschoss und das Geschoss darüber zu räumen, während die anderen Nutzungseinheiten nicht alarmiert werden. Hierzu ist mit der jeweiligen Feuerwehr eine Abstimmung zu erzielen.

Welche Anlage ist die richtige für den Treppenraum?
Die genannten Arten von Treppen­raument­rauchungs- bzw. -rauchfreihaltungsanlagen dienen  unterschiedlichen Schutzzielen wie der Unterstützung des Löschangriffs der Feuerwehr oder einer Rauchfreihaltung für die Selbstrettung. Die geeignete Anlage muss abhängig davon, ob ein zweiter Rettungsweg vorhanden ist oder nicht, und auch abhängig von der Gebäudehöhe und der Lage des Treppenraumes (innenliegend/außen liegend) sowie der Gebäudenutzung (herkömmliches Wohnhaus oder Sondernutzung) gewählt werden.

Autorin: Dipl.-Ing. Alwine Hartwig, Produktbeauftragte für Rauch- und Wärme-Abzugsanlagen bei der VdS Schadenverhütung GmbH

www.vds.de

* Siehe auch: Entrauchung kleiner Nutzungseinheiten - Ein Lösungsansatz für die Praxis, IKZ-Fachplaner Juni 2011, S.12 ff.

 


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