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Gut abgeschottet

Vorbeugende Brandschutzmaßnahmen bei haustechnischen Installationen

Vorbeugender Brandschutz verhindert, dass sich Feuer und Rauch über bzw. entlang von Leitungen verbreiten, die zwischen Brandabschnitten hindurchgeführt sind. Bild: Armacell

Um Platz zu sparen, können einige Systeme auch mit einem Null-Abstand zwischen Kabel- und Rohrabschottungen verlegt werden. Bild: Rockwool

Dipl.-Ing. Manfred Lippe, spezialisierter Brandschutzsachverständiger. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen des vorbeugenden gebäudetechnischen Brandschutzes für Leitungs- und Lüftungsanlagen.

 

Die Planung und Installation von Leitungsanlagen ist mit Sicht auf den vorbeugenden Brandschutz eine komplexe Aufgabe. Die Anforderungen hierzu sind in den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer definiert. Für die technische Ausführung gelten die baurechtlich eingeführten Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder. Die Anwender sind hierbei angehalten, eine projektspezifische Schutzzielbetrachtung vorzunehmen. Dazu gehört auch der Einsatz von Rohrabschottungen, der zwingend nach den Angaben im Verwendungsnachweis erfolgen muss.

Gebäude sind in der Musterbauordnung (MBO) entsprechend ihrer Höhe klassifiziert. Neben fünf Gebäudeklassen sind hier noch Sonderbauten sowie Gebäude unterschiedlicher Nutzung aufgeführt. Bei haustechnischen Installationen lässt sich vereinfacht sagen, dass mit der Höhe der Gebäude auch die Anforderungen an den vorbeugenden Brandschutz steigen. Hintergrund ist die vermutete Zeitspanne, welche die Bewohner im Falle eines Brandes zur Selbstrettung benötigen. Das größere Gefahrenpotenzial geht jedoch nicht vom Feuer, sondern von den Rauchgasen aus. Feuer wird naturgemäß von den meisten Nutzern frühzeitig wahrgenommen, hiervon ausgenommen sind jedoch Menschen, die aufgrund ihres Alters oder durch Behinderungen beeinträchtigt sind. Rauchgase sind eine schleichende Gefahr und Hauptverursacher von Personenschäden, respektive von Todesfällen. Dementsprechend stehen beim vorbeugenden Brandschutz sowohl die Vermeidung von Feuer als auch von Rauch im Fokus. Bezogen auf die Installationstechnik lautet die Aufgabenstellung: Feuer und Rauch dürfen sich nicht über bzw. entlang von Leitungen verbreiten, die zwischen Brandabschnitten hindurchgeführt sind.
Die Regelwerke zur technischen Ausführung sind jedoch sehr komplex. Maßgebend sind an erster Stelle die leider unterschiedlichen Bauordnungen der einzelnen Bundesländer. Sie wurden auf Grundlage der MBO formuliert und sind die gesetzliche Grundlage für die Praxis. Analog zur MBO beschreiben sie jedoch lediglich die entsprechenden Risiken und enthalten keine Angaben zur technischen Umsetzung. Zitat aus der MBO (§14): „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren, sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Angaben dazu, welche Richtlinien zur Umsetzung in die Praxis anzuwenden sind, finden sich in den Listen der technischen Baubestimmungen sowie den Bauregellisten der Länder. Die im Grundsatz von den Bundesländern übernommene Musterliste enthält Angaben zu den technischen Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile. Für die Planung und Installation von Leitungsanlagen sind hier die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (Muster-Lüftungsanlagen-Richtlinie M-LüAR) sowie die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie – MLAR) explizit vorgeschrieben.

Gefährdungspotenziale durch haustechnische Installationen
Bei der Beurteilung der Gefährdungspotenziale sind mit Bezug auf die Installationstechnik zwei Betrachtungen besonders relevant: Ist die Installation selbst ein wesentlicher Teil der Brandlast und besteht eine zusätzliche Gefährdung durch thermische Reaktionen der verwendeten Werkstoffe oder der transportierten Medien?

Brennbare Rohrwerkstoffe und Kabel
Brennbare Rohre oder Kabel können einen wesentlichen Anteil am Brandrisiko haben und primär die Brandausbreitung erst ermöglichen. Hier ist speziell die Entwicklung und Ausbreitung toxischer Rauchgase sowie die Rauchentwicklung in Fluchtwegen in die Überlegungen einzubeziehen. Wie relevant dieser Punkt ist, lässt an einem Versuch erkennen, der kürzlich im Fernsehen gezeigt wurde. Hier wurde u.a. ein Spielzeug in Brand gesetzt, das auf das Risiko betrachtet sicher in jedem Kinderzimmer zu finden ist. Im Versuch ließ sich ein etwa 30 cm langes Kunststoff-Schiffsmodell problemlos mit einem Feuerzeug entzünden. Signifikant ist das Volumen der Rauchgase: Binnen weniger Minuten war der Versuchsraum mit toxischen Gasen erfüllt. Vollständig verbrannt hätte sich ein Rauchvolumen eingestellt, das 50 Einfamilienhäuser füllen würde. Dies lässt erahnen, welche Auswirkungen mangelhafter Brandschutz in einem Mehrfamilienhaus haben könnte.

Nicht brennbare Rohrleitungen
Auch der Einsatz nicht brennbarer Werkstoffe birgt Risiken. Ohne Abschottung können aufgrund der Längenausdehnung der Rohrleitung bei thermischer Belastung Bauteile beschädigt werden. Überdies besteht die Gefahr der Brandweiterleitung durch Wärmeübertragung oder ausströmendes Gas aus beschädigten Leitungen sowie durch in Brand gesetztes Fett in Entwässerungsleitungen.

Einhaltung der brandschutztechnischen Vorgaben
Allgemein ist der Bauherr für die Einhaltung der brandschutztechnischen Vorgaben verantwortlich. Abhängig von der Gebäudeklasse muss der Bauherr eventuell auch die Einhaltung seiner Pflichten dokumentieren und nach einem Brandschaden offenlegen. In aller Regel sind Planer und Fachhandwerker jedoch zumindest Erfüllungsgehilfen des Bauherrn. Dazu steht in der MBO, § 55:
(1) „Jeder Unternehmer ist für die mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmende Ausführung, der von ihm übernommenen Arbeiten und insoweit für die ordnungsgemäße Errichtung und den sicheren Betrieb der Baustelle verantwortlich. Er hat die erforderlichen Nachweise über die Verwendbarkeit der Bauprodukte und Bauarten zu erbringen und auf der Baustelle bereitzuhalten.“
(2) „Jeder Unternehmer hat auf Verlangen der Bauaufsichtsbehörde für Arbeiten, bei denen die Sicherheit der Anlage in außergewöhnlichem Maße von der besonderen Sachkenntnis und Erfahrung des Unternehmers … nachzuweisen, dass er für diese Arbeiten geeignet ist…“
Dementsprechend wird ein Teil der Bauherrenpflicht auf die planenden und ausführenden Unternehmer übertragen, weshalb sie dahingehend ihre Haftungsrisiken minimieren sollten. Mindeststandard ist hier die Einhaltung der Gesetze, Normen oder Richtlinien.

Lösungen für praktisch jeden Anwendungsfall
Zum Standard planerischer und handwerklicher Leistung gehört die fachgerechte Verwendung industrieller Produkte, die für praktisch jede Verarbeitungssituation angeboten werden. Für die Auswahl der passenden Produkte ist entsprechend der Vorgabe der MLAR der Verwendbarkeitsnachweis ausschlaggebend. Anerkannte Verwendungsnachweise sind:

  • Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis „abP“ (ausgestellt von einem anerkannten Prüfinstitut).
  • Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, „abZ“ (ausgestellt vom Institut für Bautechnik, DIBt).
  • EU-weit gültiger Verwendungsnachweis, ETA (ausgestellt vom DIBt oder einem akkreditierten Institut aus den EU-Ländern).

Die Europäisch Technische Zulassung (ETA) ist eine Neuerung und für den europaweiten Vertrieb der Produkte notwendig. Im Unterschied zu den in Deutschland gebräuchlichen Bezeichnungen sind die Feuerwiderstandsklassen bei einer ETA mit „EI“ gekennzeichnet. „E“ steht hierbei für das Bauteil und „I“ für sein Wärmedämmvermögen. Der Terminus der Ziffern ist derselbe, also beispielsweise steht für „S90“ (feuerbeständig) „EI 90“. Ein wichtiger Aspekt bei der Verwendung eines ETA-zertifizierten Produktes sind die nationalen Vorgaben, die in der ETA nicht berücksichtigt sind. Beispielsweise ist bei einer Kombiabschottung kein Qualifizierungsnachweis des Verarbeiters erforderlich. Nach deutschem Recht sind jedoch die Listen der technischen Baubestimmungen maßgebend, die Pflicht zum Qualifizierungsnachweis bleibt demnach bestehen. Dies trifft auch auf die Übereinstimmungserklärung zu. Auch hier wird die fehlende Vorgabe durch die technischen Baubestimmungen aufgehoben. ETA-zertifizierte Produkte sind mit einem CE- und einem Ü-Zeichen gekennzeichnet.Grundsätzlich gilt für alle Verwendbarkeitsnachweise: Die Verwendung der Produkte ist ausschließlich im geprüften Rahmen zulässig. Daher ist ein genaues Studium der Produktunterlagen unerlässlich. Neben den eher augenscheinlichen Merkmalen, z.B. der Eignung nach dem Mauerwerk, sind insbesondere das zulässige Medium sowie die Eignung der Rohrwerkstoffe relevant.Von intumeszierenden Materialien bis hin zu ablativen BeschichtungenDie Vielzahl der Hersteller sowie der angebotenen Problemlösungen lässt sich nicht komplett in einer Marktübersicht darstellen. In der Regel basiert die Funktion der Brandschutzlösungen auf intumeszierenden Materialien, die bei thermischer Beanspruchung auf ein Vielfaches ihres Volumens aufschäumen. Zu den jüngeren Innovationen zählen elastomere Dämmstoffe, in die aufschäumende Bestandteile integriert sind. In Kombination mit einer für den Verschluss des Ringspaltes im Durchbruch entwickelten Brandschutzpaste entsteht ein vollwertiges Rohrabschottungssys­tem ohne zusätzliche mechanische Bauteile. Bemerkenswert flexibel ist eine Abschottung mit ablativer Beschichtung. Hierbei werden endotherme Materialien verwendet, welche große Mengen an Energie absorbieren, indem sie Wasser freisetzen und dadurch ihre eigene Oberfläche kühlen.


Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Herr Lippe, wo sehen Sie als spezialisierter Brandschutzsachverständiger Ihre Aufgaben?

Manfred Lippe: Der größte Schwerpunkt liegt bei der Beratung, Begutachtung und Lösungsfindung von brandschutztechnischen Sonderfragestellungen im Schnittstellenbereich des Gebäudes und der Gebäudetechnik. Aber auch die praktische Anwendung bestimmt einen großen Teil meiner Arbeit. Hier geht es z.B. immer wiederkehrend um Fragestellungen von falsch ausgeführten Abschottungen an raumabschließenden sowie feuerwiderstandsfähigen Bauteilen und bei der Verlegung von Leitungs- und Lüftungsanlagen in Flucht- und Rettungswegen.

IKZ-FACHPLANER: Gibt es in der Praxis Defizite bei der Umsetzung der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR)?

Manfred Lippe: Im Rahmen meiner Tätigkeit spreche ich mit vielen Praktikern über Ursachen und Hintergründe von brandschutztechnischen Mängeln. Analysiert man die Aussagen, bekommt man schnell einen Überblick über die Defizite bei der Umsetzung der MLAR. Im Focus stehen beispielsweise nicht ausreichend qualifizierte Planungen und Ausschreibungen. Das Ergebnis sind pauschale Aussagen aus der eigenen Unsicherheit heraus. Aber auch fehlendes und falsch angewendetes schutzzielorientiertes Denken der Fachplaner und Ausführenden fällt mir auf. Ebenso wie unzureichende Baubegleitung und Erkennung von Mängeln im Bauprozess. Oft besteht immer noch der Glaube, dass im Rahmen der sicherheitstechnischen Prüfungen auch Abschottungen von Leitungsanlagen abgenommen werden. Dem ist aber nicht so.

IKZ-FACHPLANER: Sondern?

Manfred Lippe: Im Rahmen der sicherheitstechnischen Prüfungen wird der anlagentechnische Brandschutz, z.B. Lüftungs-, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen, Sprinkleranlagen, Sicherheitsbeleuchtung und Elektroanlagen abgenommen. Die Leitungsverlegung in Flucht- und Rettungswegen und die Abschottung von Leitungsanlagen fällt jedoch in den baulichen Brandschutz. Für den sind die Prüfsachverständigen der sicherheitstechnischen Anlagen nicht zuständig. Eine solche Prüfung müsste vom Bauherrn getrennt beauftragt werden.

IKZ-FACHPLANER: Um nochmal auf die Problematik der Umsetzung zurückzukommen. Liegt das nicht auch in den eingeführten starren Bestimmungen des Bauordnungsrechts?

Manfred Lippe: Das sehe ich nicht so. Wir haben auf Grundlage der aktuellen Verordnungen und Richtlinien eine ausreichende Flexibilität zur Verfügung, um mit Abweichungen von Eingeführten Technischen Baubestimmungen, z.B. der Leitungs- und Lüftungsanlagen-Richtlinie, anwendungsorientiert umgehen zu können. Als weiteres flexibles Handlungsinstrument steht die nicht wesentliche Abweichung von den Verwendbarkeitsnachweisen zur Verfügung. Voraussetzung ist natürlich, dass die am Bau Beteiligten sich mit dem baurechtlichen Abweichungsmanagement wirklich auskennen.

IKZ-FACHPLANER: Können Sie den Punkt konkretisieren?

Manfred Lippe: In der Praxis gibt es immer wieder „nicht wesentliche Abweichungen“ von den Verwendbarkeitsnachweisen „allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis“ und der „allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung“. In diesen Fällen ist es möglich, die nicht wesentliche Abweichung durch den Ersteller der Übereinstimmungserklärung, also dem ausführenden Installateur, zu bestätigen. Sollte der Ersteller unsicher sein oder ihm nicht geglaubt werden, kann er diese Frage mit dem Inhaber des Verwendbarkeitsnachweises, in der Regel ist das der Hersteller/Lieferant, besprechen und abstimmen.

IKZ-FACHPLANER: Es scheint so, als gäbe es beim Thema Brandschutz einen durchaus erhöhten Qualifizierungsbedarf?

Manfred Lippe: In der Tat. In unserer gutachterlichen Tätigkeit für den gebäudetechnischen Brandschutz sehen wir täglich die Problemstellen und den teils umfangreichen Zeit-/Kostenaufwand für die Beseitigung von Mängeln. Auch der Umgang mit den baurechtlich zulässigen Abweichungen ist eine Herausforderung. Deshalb rate ich dazu, dass sich Sachverständige, Fachplaner und Ausführende ausreichend mit den Schnittstellen des gebäudetechnischen Brandschutzes beschäftigen. Hilfestellung geben dabei beispielsweise die Eipos-Lehrgänge* zum gebäudetechnischen Brandschutz, die Sachverständigenausbildung für den vorbeugenden Brandschutz und der Masterstudiengang.

*) Infos unter www.eipos.de

 

PDF "022_Tabellen.pdf" hier herunterladen.

 


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