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Safety first - Normgerechte Montageanleitungen für Solarmodule

Montage- und Installationsanleitungen lassen sich nicht „einfach so nebenher“ verfassen; dafür sind die Anforderungen, die Gesetzgeber und Normengremien an sie stellen, viel zu hoch. Die verantwortlichen Redakteure tragen wegen der Pflicht zur fehlerfreien Instruktion ihrer Kunden eine hohe Verantwortung und sollten die juristische Bedeutung ihrer Anleitungen nicht unterschätzen.

Solarmodule brauchen eine Montageanleitung. Bild: Wagner Solar

In der Anleitung sollte auch die Konformitätserklärung enthalten sein (DIN EN 62079, Punkt 5.7).

Haftung bei mangelhaftem Produkt und mangelhafter Instruktion.

Unvollständiger Sicherheitshinweis: Es fehlt die Warnung vor den Folgen bei Nichtbeachtung des Hinweises.

Sicherheitshinweis mit Piktogramm nach ANSI Z535.6.

 

Wie eine Studie des Verbraucherrats des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN) zeigt, weist jede zehnte Anleitung schwere Mängel auf. Auch Zertifizierer von PV-Modulen wissen davon ein Lied zu singen. Eine erfolgreiche Zertifizierung im TÜV-Labor bezeuge zwar, so Jörg Althaus vom TÜV Rheinland in Köln, auf eine entsprechende Anfrage, dass die zugehörige Anleitung die Mindestanforderungen erfülle. Es sei allerdings so, dass manche Hersteller hier gerade mal das Minimum erfüllten. Von einer guten Anleitung könne in diesen Fällen dann nicht die Rede sein.
Vom Autor dieses Beitrags durchgeführte Stichproben bei Montageanleitungen für Solarmodule stützen diesen negativen Befund: Einmal fehlt die exakte Identifizierung des Produkts, ein andermal die Konformitätserklärung. Auch die vorgeschriebene Erklärung zur bestimmungsgemäßen Verwendung sucht man schon mal vergebens. Oder die Sicherheitshinweise sind unverständlich oder unvollständig; chaotisch angeordnet und zu einer Bleiwüste verwandelt führen sie dazu, dass der Nutzer sie nicht versteht oder erst gar nicht liest. Sehr häufig ist zu beobachten, dass nur die Forderungen aus der produktbezogenen DIN EN 61730-1 erfüllt werden, während die Vorgaben der DIN EN 62079 „Erstellen von Anleitungen“ völlig unbeachtet bleiben. Ganz schlimm sieht es mitunter bei Übersetzungen aus: Sie sind in manchen Fällen offensichtlich nur ein völlig unzureichender Ausfluss aus einer ungeeigneten Software.
Mangelhafte Anleitungen verstoßen gegen geltende gesetzliche Regelungen und Normen. Hinzu kommt, was nicht zu unterschätzen ist: Sie schädigen gleichzeitig das Image des Produkts. Das sollte für alle Hersteller Grund genug sein, in Zukunft nur noch solche Dokumente auszuliefern, die gesetzeskonform und normgerecht sind. Wenn sie darüber hinaus dank einer ansprechenden Gestaltung und guten Lesbarkeit beim Kunden einen positiven Eindruck hinterlassen – umso besser.
Die folgenden Ausführungen sollen in einem kurzen Überblick zunächst die juristische Bedeutung und Einordnung von Anleitungen verdeutlichen; dann einige wichtige Anforderungen beschreiben, die an sie zu stellen sind; und zuletzt einen möglichen normgerechten Aufbau einer Montageanleitung für Solarmodule vorstellen. Dazu zunächst noch ein Hinweis: Ob von Wartungs-, Bedienungs- oder Montageanleitung die Rede ist, von Kunden-, Benutzer- oder Produktinformation, von Instruktion oder Anweisung – alle Begriffe bezeichnen in der technischen Dokumentation in den meisten Fällen dasselbe, nämlich schriftliche oder visuelle Informationen zu einem Produkt und seiner Verwendung. Im Folgenden sollen vorrangig die allgemeinen Begriffe „Anleitung“ (vgl. IEC 62079/EN 62079) und „Instruktion“ Verwendung finden, es sei denn, der Sachverhalt verlangt eine eindeutigere Bezeichnung.

Juristische Bedeutung

Anleitungen haben eine nicht zu unterschätzende juristische Bedeutung, allein schon angesichts der Tatsache, dass Produkte Personen- und Sachschäden verursachen können. Der deutsche Gesetzgeber, aber auch die Gesetzgeber der meisten Industrieländer, haben deshalb Hersteller dazu verpflichtet, Nutzern den korrekten Umgang mit dem erworbenen Produkt unmissverständlich zu erklären (Gebrauchs­instruktion) und sie eindeutig vor eventuell gefährlichen Produkteigenschaften zu warnen (Gefahreninstruktion). Dass die juristische Bedeutung von Anleitungen kaum zu unterschätzen ist, zeigt eine gängige Beurteilung, nach der etwa die Hälfte aller Produkthaftungsfälle in Deutschland ausschließlich oder zusammen mit anderen Produktmängeln auf mängelbehaftete und unzureichende Instruktionen zurückgeht. Solche Mängel können mitunter zu hohen Schadensersatzforderungen führen, die den Hersteller dann teuer zu stehen kommen oder ihn gar die Existenz kosten können.

Vertragliche und außervertragliche Haftpflicht

In Deutschland ist die Pflicht zum Schadensersatz u.a. im Kaufvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geregelt. Wohl die meisten Industrieländer kennen ähnliche Gesetzgebungen. Aus einem Kaufvertrag nach BGB §433 ff. beispielsweise ergibt sich u.a. die Pflicht des Herstellers, ein mängelfreies Produkt einschließlich einer mängelfreien Instruktion zu liefern. Hat nun das Produkt einen Sachmangel – der laut BGB §434 auch dann vorliegt, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist (!) – und verursacht einen Schaden, muss der Hersteller dem Kunden in der Regel diesen Schaden ersetzen. Man spricht dann von einer vertraglichen Haftung (Gewährleistungshaftung). Daneben kann es aber – in Deutschland und anderswo – auch zu einer außervertraglichen Haftpflicht (allgemeine Schadenshaftung) kommen, die im §823 BGB geregelt ist und generell denjenigen zu Schadensersatz verpflichtet, der „vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt.“

Produkthaftung

Ein entscheidender Punkt beim §823 BGB ist, dass ein Geschädigter dem Hersteller eine schuldhafte Pflichtverletzung nachweisen muss, um einen Anspruch auf Schadensersatz durchsetzen zu können. Man spricht deshalb von einer deliktischen Haftung. Um nun aber die in vielen Fällen schwächere Position des Geschädigten zu verbessern, haben die europäischen Gesetzgeber Produkthaftungsgesetze  geschaffen. Sie gehen zurück auf die EU-Richtlinie 85/374/EWG (Produkthaftungsrichtlinie) aus dem Jahr 1985 (mit Änderung 99/34/EG) und regeln Schadensersatzansprüche, die geltend gemacht werden können, wenn das Produkt einen Mangel hat und deshalb „nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung … , berechtigterweise erwartet werden kann.“ Der Vorteil für den Geschädigten liegt jetzt darin, dass er dem Hersteller keine schuldhafte Pflichtverletzung nachweisen muss. Es genügt allein die Tatsache, dass das Produkt (oder die Instruktion!) wegen eines Mangels einen Schaden verursacht hat.

Fallbeispiel Instruktionsmangel

Beim Probelauf einer Kühlmaschine, die längere Zeit still gestanden hatte, zersprang das Schauglas am Kurbelgehäuse. Das hatte zur Folge, dass Ammoniak aus dem Gehäuse ins Gesicht des mit dem Probelauf befassten Technikers spritzte, der dann erblindete. Ein Gericht stellte daraufhin zwei Konstruktionsmängel an der Maschine fest und verurteilte den Hersteller auf Schadensersatz. Der BGH bestätigte das Urteil auch wegen eines Instruktionsmangels: Der Hinweis in der Bedienungsanleitung, demzufolge die Ventile beim Stillstand der Maschine zu schließen seien, stellte nach Ansicht der Richter nicht deutlich genug dar, welche Gefahr drohte, wenn die Ventile geöffnet blieben. Im Urteil nahmen die Richter auch ausführlich zu den Anforderungen an Warnhinweise Stellung (Urteil vom 18.10.1960, VersR 1960, 1095).
Ein zweites Beispiel zeigt, wie genau es Gerichte mit Gefahrenhinweisen nehmen: Ein Arzt hatte ein Narkosemittel aus Versehen intraarteriell gespritzt, woraufhin der Patient einen Arm verlor. Zwar war auf der Verpackung folgender Hinweis in Fettschrift aufgedruckt: „Eine intraarterielle Injektion muss mit Sicherheit vermieden werden.“ Doch das genügte dem Gericht nicht! Seinem Urteil nach muss der Gefahrenhinweis so eindeutig und klar sein, dass der Benutzer „in Zweifelsfällen ganz auf dieses Mittel überhaupt“ verzichten würde (Urteil vom 11.7.1972, NJW 1972, 221).  

Anforderungen an gesetzeskonforme Montageanleitungen

Es gibt mehrere EU-Richtlinien, die Bezug auf die Erstellung von Anleitungen nehmen, z.?B. die Richtlinie 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie), die Richtlinie 2004/108/EG (EMV-Richtlinie) und die Richtlinie 2006/95/EG  (Niederspannungsrichtlinie). Sie wurden in nationales Recht umgesetzt und finden sich jetzt also auch in deutschen Gesetzen wieder, beispielsweise im Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) oder in Verordnungen dazu. Für die praktische Arbeit in den Technikredaktionen sind vor allem die einschlägigen Normen von Bedeutung, denn sie geben Hinweise darauf, was als „anerkannte Regeln der Technik“ anzusehen ist, deren Einhaltung das GPSG fordert. Die wichtigsten für die Erstellung von Anleitungen sind

  • die internationale IEC 62079 beziehungsweise die europäische EN 62079 (sollen im Herbst 2012 beziehungsweise Anfang 2013 durch neue Fassungen ersetzt werden);
  • in Deutschland außerdem die DIN V 66055
  • und die VDI-Richtlinie 4500 Blatt 1.
  • Heranzuziehen sind auch produktbezogene Normen, für Solarmodule beispielsweise die IEC 61730/EN 61730-1, die spezielle Angaben zur „Kennzeichnung“ und zu „Anforderungen an die bereitgestellten Dokumente“ fordert.

Grundsätzliche Anforderungen
Da sich dieser Beitrag nicht mit allen Punkten der gerade genannten Normen auseinandersetzen kann, müssen hier einige wichtige Hinweise genügen. Für den Redaktionsalltag wird sich der verantwortliche Redakteur ohnehin alle verbindlichen Gesetzes- und Normentexte besorgen und seiner Arbeit zugrunde legen müssen. Grundsätzlich wichtig ist, dass alle Vorgaben aus alle infrage kommenden Gesetzen, Normen und anderen Vorschriften erfüllt werden. Dazu gehört z.B. die Forderung, dass Anleitungen sachlich richtig und frei von inhaltlichen Widersprüchen und Unklarheiten sein müssen. Sie müssen ferner vollständig sein, d.h. alle Informationen enthalten, die die Zielgruppe für eine gefahrlose Nutzung des Produkts benötigt. Der Inhalt muss aktuell sein und mit dem gelieferten Produkt übereinstimmen. Die Wahl der Instruktionsform bleibt dem Hersteller beziehungsweise dem Technischen Redakteur überlassen; er wird sich am Produkt orientieren: Eine Maschine erfordert häufig eine umfangreiche Anleitung oder sogar ein umfangreiches Handbuch, ein Arzneimittel nur einen Aufkleber oder einen Beipackzettel.

Sicherheit zuerst

Wie bei Anleitungen zum sicheren Gebrauch von Produkten nicht anders zu erwarten, kommt Sicherheitshinweisen eine hohe Bedeutung zu. Sie müssen deutlich hervorgehoben werden, sei es in der Anleitung oder auf dem Aufkleber am Produkt. Grundlegende Sicherheitshinweise sind jeweils an den Anfang einer Anleitung oder eines Kapitels zu platzieren, handlungsbezogene vor der Handlungsanweisung. Sie müssen eine klare Struktur aufweisen, die sich durch folgende Gliederung erreichen lässt:

  1. Schwere der Gefahr klassifizieren, dabei Symbole und Signalwörter verwenden;
  2. Art der Gefahr und Gefahrenquelle angeben; Gefahren und Gefahrenquellen möglichst konkret benennen;
  3. Mögliche Folgen angeben; auf unmittelbare Auswirkungen und Verletzungen hinweisen;
  4. Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr angeben; der Betroffene muss erfahren, was er tun muss, um die Gefahr abzuwenden.

Es empfiehlt sich, für die Gestaltung und Strukturierung von Sicherheitshinweisen dem Standard ANSI Z535.6 des American National Standards Institute zu folgen.

Verständlichkeit ist entscheidend

Um den Leser nicht zu verwirren, muss eine Montageanleitung gewissen Kommunikationsprinzipien folgen und treu bleiben. Das bedeutet beispielsweise, dass der Text die wahrscheinliche Reihenfolge der Ereignisse beim Gebrauch des Produkts wiedergeben muss, und dass unmittelbar auf die Beschreibung eines Funktionsschrittes eine eindeutige Handlungsanweisung zu folgen hat. Der Kunde soll also „erst lesen, dann handeln“. Weitere Prinzipien: Informationen müssen so einfach und kurz wie möglich sein. Ein Satz sollte möglichst nicht mehr als eine Handlungsanweisung enthalten. Eine Handlungsanweisung für eine Gefahrensituation muss kurz und prägnant formuliert sein, sodass nur ein minimaler Denkprozess notwendig ist. Der Technische Redakteur soll möglichst standardisierte Sätze, Symbole und Sicherheitshinweise verwenden.
Eine gute Anleitung zeichnet sich aus durch verständliche Texte, Grafiken und Bilder. Verständlichkeit erfordert nicht nur eine nüchterne unkomplizierte Sprache, sondern auch eine klare Gliederung des gesamten Dokuments. Dazu beitragen können praktische Orientierungshilfen wie Inhalts- und Stichwortverzeichnisse, aussagekräftige Überschriften, übersichtliche Grafiken und Tabellen sowie ein klares Layout. Sie alle können den Text in entscheidender Weise stützen und optimieren. Den wahren Sachverhalt verschleiernde Aussagen, wie sie in der Werbung üblich sind, haben hier nichts zu suchen, denn mangelnde Verständlichkeit macht eine Anleitung mangelhaft – und mit ihr das Produkt.
Eine gute Anleitung hat – zumindest aus Sicht des professionell kalkulierenden Herstellers – aber auch wirtschaftlich zu sein. Für „kleines Geld“ ist sie selten zu bekommen, denn es entstehen mitunter erhebliche Kosten. Sie belaufen sich nach einem gängigen Erfahrungswert aus dem Maschinen- und Anlagenbau auf durchschnittlich etwa 10% der Entwicklungskosten des Produkts. Mit erfahrenem Personal und mit der Möglichkeit, Synergieeffekte zu nutzen, lässt sich dieser Wert vielleicht nach unten drücken. Doch Achtung: Die Nutzung von Einsparmöglichkeiten darf keine Qualitätsminderung nach sich ziehen. In einem Rechtsstreit würde man damit dem Richter einen Grund liefern, die Dokumentation als mangelhaft einzustufen, mit den bereits geschilderten negativen Folgen.

Anforderungen an Montageanleitungen für Solarmodule

Eine normgerechte Erstellung einer Montage- und Installationsanleitung für Solarmodule hat u.a. der IEC 61730-1/EN 61730-1 „Photovoltaik (PV)-Module – Sicherheitsqualifikation“ zu folgen. Sie stellt beispielsweise einige Anforderungen an die Kennzeichnung von Modulen und an die bereitzustellenden Dokumente. So verlangt sie unter Punkt 11, dass jedes Modul dauerhaft gekennzeichnet werden muss, wobei die EN 50380 „Datenblatt und Typenschildangaben von Photovoltaik-Modulen“ gelten soll. Letztere legt fest, was ein Moduldatenblatt enthalten muss, nämlich u.a. Angaben zu Zertifikaten, zu verwendeten Materialien sowie zu elektrischen und modulspezifischen Kenngrößen; ferner Leistungsangaben. Auf dem Typschild sind neben dem Namen des Herstellers oder Lieferers die Typbezeichnung, Schutzklasse, zulässige maximale Systemspannung und Leistungsdaten anzugeben.
Unter Punkt 12 „Anforderungen an die bereitgestellten Dokumente“ verlangt die Norm IEC 61730-1/EN 61730-1 eine Anweisung für die elektrische Installation und eine solche für den mechanischen Aufbau eines Moduls und listet die jeweiligen Anforderungen auf, die darin enthalten sein müssen. Sie laufen alle darauf hinaus, Mensch und Modul während der Montage und Inbetriebnahme sowie während des Betriebs und bei Wartungsarbeiten so weit wie möglich vor Schädigungen zu schützen.

Mögliche Gliederung einer Montageanleitung für PV-Module

Wie eine normgerechte Montageanleitung aufgebaut sein könnte, demonstriert die zurzeit noch gültige „Anleitungsnorm“ DIN EN 62079 in ihrem informativen Anhang D. Dort ist das Beispiel eines Inhaltsverzeichnisses für ein Benutzerhandbuch abgedruckt, das sich, zumindest teilweise, als Basis für den Aufbau einer Montageanleitung für PV-Module verwenden ließe. Es müsste lediglich modifiziert und um spezielle Anforderungen aus der DIN EN 61370-1 ergänzt werden. Die DIN EN 62079 enthält im Anhang außerdem Checklisten, mit denen sich Anleitungen bewerten lassen. Sie sind aber nicht als umfassend anzusehen, sondern müssen je nach Produkt geändert oder vervollständigt werden.

Autor: Wilhelm Wilming

 


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