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Daten-Katheter im Netz - Um den Ausbau des Telekommunikationsnetzes voranzubringen, will die EU-Kommission vorhandene Ver- und Entsorgungsleitungen als Trassen nutzen lassen

Die Europäische Kommission hat ein Papier für eine Verordnung1 vorgelegt, das den Ausbau des Breitbandnetzes für die digitale Kommunikation über Rohrleitungen und Kanäle zulassen soll. Kommt das Internet also künftig über die Wasser- oder Abwasserleitung ins Haus, wie Branchenverbände befürchten? Zwei Pilotprojekte zeigen, dass die Verlegung von Glasfaserkabeln in Wasserversorgungsleitungen technisch möglich ist. Indes rudert die EU-Kommission zurück.

Baumaßnahmen an der Infrastruktur – hier Kanalverlegungsarbeiten – werden künftig wohl vermehrt in Absprache mit den Telekommunikationsnetzbetreibern realisiert werden, wenn die EU-Kommission ihre Plane umsetzt. Bild: Oliver Schreiber

Pilotprojekt St. Koloman, Ausführungsdetail: In das Steigrohr im Hochbehälter wurde ein Kabelausführungsflansch verbaut, das Kabel im Schutzschlauch bis zur Muffe geführt. Bild: Salzburg AG

Ausführungsdetail: Flanschausführung für das Pumpwerk. Bild: Salzburg AG

Aufwendig aber notwendig: die Umgehung eines Schiebers mit dem Datenkabel. Bild: Salzburg AG

WFS-Projekt Adenau: Den Wasseranschluss mit Glasfaserleitung präsentierten 2011 in Ahrweiler Wirtschaftsförderer Tino Hackenbruch, Landrat Dr. Jürgen Pföhler, Hermann-Josef Romes und Theo Waerder. Bild: Stadtwerke Bonn

 

Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastrukturen sind heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden. Sie bilden das Rückgrat des digitalen Binnenmarkts und sind Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit, u. a. im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs. Schätzungen zufolge kann eine 10-prozentige Zunahme der Breitbandversorgung jährlich zu einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1 bis 1,5 % führen. Der Breitband-Ausbau schreitet deshalb weiter voran: Im vergangenen Jahr kamen allein in Deutschland rund 700 000 neue Zugänge hinzu. Insgesamt gab es Anfang 2013 rund 28 Mio. schnelle Internet-Anschlüsse, wie der Hightech-Verband Bitkom mitteilt.
Längst nicht überall schreitet der Ausbau zügig voran. In eher ländlich geprägten Regionen, aber auch in Ballungsgebieten stockt der Ausbau vielfach – in Deutschland wie auch in anderen Ländern Europas. „Vielerorts beeinträchtigen die heute geltenden Vorschriften die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, sagt die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes. Die EU-Kommission will diese bürokratischen Hürden abbauen und Breitbandanschlüsse schneller und zu geringeren Kosten verfügbar machen. Ein Großteil der Kosten entfällt auf Baumaßnahmen wie etwa Straßenbauarbeiten. Vor diesem Hintergrund will die EU-Kommission vier Hauptproblemfelder angehen:

  • Es soll sichergestellt werden, dass neue und renovierte Gebäude über eine hochgeschwindigkeitsfähige Breitbandinfrastruktur verfügen.
  • Der Zugang zur Infrastruktur, d. h. zu Leitungsrohren, Leerrohren, Einstiegsschächten, Verteilerkästen, Pfählen, Masten, Antennenanlagen, Türmen und anderen Trägerstrukturen, soll zu angemessenen Bedingungen und Preisen gewährt werden.
  • Der bisher unzureichenden Koordinierung von Bauarbeiten soll ein Ende gesetzt werden, indem alle Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, Vereinbarungen mit anderen Infrastrukturbetreibern auszuhandeln.
  • Die komplexen und zeitaufwendigen Genehmigungsverfahren, insbesondere für die Nutzung von Masten und Antennen, sollen durch standardmäßige Bearbeitungsfristen von sechs Monaten und die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle vereinfacht werden.

Internet per Wasserleitung: keine neue Idee

Besonderes Augenmerk aus Sicht der TGA-Branche verdient wohl der zweite Punkt „Zugang zur Infrastruktur“. Können und sollen Versorgungsleitungen künftig tatsächlich als Trassen für Telekommunikationskabel dienen? Die Idee dazu ist nicht neu. Schon im Jahr 2004 wurde in der Salzburger Gemeinde St. Koloman ein entsprechendes Projekt gestartet2. Die kleine Ortschaft sollte seinerzeit mit Kabel-TV und Internet versorgt werden. Um die Kos­ten möglichst gering zu halten, wurde ein mit PE ummanteltes Glasfaserkabel mit einem Durchmesser von rund 13 mm in die Trinkwasser-Zuleitung von einem Schieberschacht im Nachbarort über ein Pumpwerk bis in den Hochbehälter St. Koloman eingebracht. Für die Durchführung der Leitungen in die Rohre wurden spezielle Flansche mit speziellen Dichtmuffen entwickelt, zudem wurde das Glasfaserkabel desinfiziert. Nach inzwischen 9-jähriger Betriebszeit sind die Erfahrungen durchaus positiv. Störungen oder Beeinträchtigungen habe es nach Angaben der Salzburger AG, Projektträger und Infrastrukturanbieter für Energie, Verkehr und Telekommunikation, bislang nicht gegeben. Gleichwohl blieb es bei dem einen Projekt, weil sich laut Unternehmenssprecher Sigi Kämmerer „bislang immer eine preiswertere Alternative gefunden hat, die Kabel ins Haus zu bekommen.“

Pilotanwendung in Adenau

Ein anderes Projekt wurde im Oktober 2011 von der SWB Regional GmbH und dem Zweckverband Wasserversorgung Eifel-Ahr realisiert. Eingebunden ist die in der Branche bekannte Friatec AG und die egeplast pro cable GmbH, ein Hersteller von Kabelschutzrohren. Bei dem Verfahren wird ein Glasfaserkabel durch einen Hausanschluss in das Gebäude geführt. Die Technik ist dabei vergleichbar mit einem Katheter: Ein Leerrohr aus Kunststoff (Microductrohr) wird durch den bestehenden Hausanschluss von der Straße bis in das Haus geschoben. Das Microduct­rohr wird dann mit speziell entwickelten Formstücken mit der Trinkwasserleitung druckdicht verschweißt. Nach der Inbetriebnahme des Trinkwasseranschlusses kann anschließend über das Microductrohr eine Glasfaserleitung in das Haus geführt werden.
Das Wasser-Faser-System (WFS) genannte Verfahren wurde in Adenau bei zwei 40 Jahre alten Hausanschlüssen als Pilotanwendung realisiert. Um mögliche Auswirkungen auf das Trinkwasser zu untersuchen, wurde gemeinsam mit dem Leiter des Hygiene­institutes der Universität Bonn und Vorsitzendem der Trinkwasserkommission, Prof. Dr. Martin Exner, ein Untersuchungsprogramm festgelegt. In einer Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg3, datiert vom 19. Juni dieses Jahres, heißt es dazu: „Nach über einjähriger Betriebszeit wurden keine negativen Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität festgestellt.“ Schlussfolgerungen für andere Vorhaben seien aber nur eingeschränkt möglich, da es sich um ein Projekt im Labormaßstab handele.

Umweltbundesamt sieht inakzeptable Risiken

Ungeachtet erster positiver Ergebnisse warnt die Trinkwasserkommission (TWK) im Umweltbundesamt (UBA) davor, Breitbandkabel durch vorhandene Energie- und Wasser-Trassen zu legen. Für Trinkwasserleitungen berge der Vorschlag Risiken, die nicht akzeptabel seien. An den zahlreichen Kabel-Ein- und -Austrittsstellen und bei Wartungsarbeiten könnten Mikroorganismen in die Trinkwasserleitung eindringen. „Selbst wenn die Daten-Kabelsysteme sterilisiert sind, besteht durch die zusätzlichen Bauarbeiten am Trinkwassernetz immer die Gefahr, dass Schmutz, Mikroorganismen und Krankheitserreger ins Trinkwasser gelangen,“ so UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann. Zusätzliche Systeme innerhalb der Wasserleitungen führten zudem zu einer größeren Oberfläche in der Leitung und zu schlechter durchströmten Bereichen. In diesen könnten Biofilme gedeihen, die in geringen Mengen kein Problem sind. In stärker ausgeprägten Biofilmen siedelten sich jedoch neben Bakterien und anderen Mikroorganismen gerne Wasserasseln und andere Kleintiere an, die dort Nahrung fänden.
Holzmann sieht aber noch ein weiteres schwerwiegendes Problem: „Wenn in den Trinkwasserleitungen lokale Verunreinigungen auftreten, und es dann noch Datenkabel gibt, lassen sich die Ursachen viel schwerer finden. Denn durch die zusätzlichen Kabelsysteme und Anschlussstellen entstehen zahlreiche neue Quellen für Schmutz, Krankheitserreger und Schadstoffe, die dann alle überprüft werden müssen.“

EU-Kommission weist Medienberichte zurück

Ob die neue Technologie angesichts dieser Vorbehalte eine Chance hat, bleibt abzuwarten. Ohnehin scheint die EU-Kommission zumindest Trinkwasserleitungen nicht als Trasse für Datenkabel vorzusehen. Wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, hat der Sprecher der EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes diverse Medienberichte dazu zurückgewiesen. „Dies war niemals ein Kommissionsvorschlag und wird es niemals sein“, wird der Sprecher zitiert. „Das macht keinen Sinn, es wäre zu gefährlich.“ Die Kommission habe zwar angeregt, verschiedene Leitungen durch gemeinsame Rohre zu verlegen, zum Beispiel für Strom, Wärme oder Gas, erklärte der Sprecher. Datenkabel könnten auch neben bestehenden Leitungen verlegt werden – aber keinesfalls innerhalb von Wasserleitungen, heißt es in der Meldung.

Alternative Abwassersystem?

Bleiben die Abwasserkanäle als potenzielle Trassen für Glasfaserkabel. Große Querschnitte, kaum Absperreinrichtungen, die es zu umgehen gilt, und vielfach gerade Verläufe. Doch auch hier zeigen sich Nachteile. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) spricht sich in einem Statement deutlich gegen eine Verpflichtung aus, Datenkabel in vorhandenen Abwasserkanälen zu verlegen4. Neben der Verringerung des freien Querschnitts wird vor allem auf die Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten von Geräten zur Kanalinspektion und -sanierung insbesondere bei kleinen Nennweiten hingewiesen. Auch ließen sich die Kanäle nicht mehr mittels Hochdruckverfahren reinigen, da Reinigungsdüsen, Spül- und Saugschläuche zu einer mechanischen Beschädigung der Kabel führen könnten. Reinigungsverfahren mit Kanalfräsen und Wurzelschneidgeräten, die den gesamten Rohrquerschnitt erfassen, schieden ebenso aus. Gleiches gelte für die Dichtheitsprüfung von Abwasserkanälen mit Muffenprüfgeräten. Nicht zuletzt sei die Wechselwirkung zwischen den Abwasserinhaltsstoffen und den Materialien der Kabelsysteme ebenso ungeklärt wie juristische Fragen, etwa zu Kosten und Eigentümerverhältnissen.

Schlussbetrachtung

In Sachen Rohr- und Kanalnutzung muss sich die Europäische Kommission offensichtlich auf Gegenwind aus der Branche einstellen, sollten die Pläne tatsächlich umgesetzt werden. Ohnehin gibt es eine Reihe von Alternativen für die Breitband-Versorgung: Etwa die gezielte Koordination von Baumaßnahmen im Infrastrukturbereich, die heute vielfach noch unzureichend ist. Warum nicht gleich ein Leerrohr für das Datenkabel einbringen, wenn die Straße ohnehin aufgerissen wird, um Instandsetzungs- oder Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. Auch zusätzliche Frequenzen und moderne Antennentechniken könnten speziell in dünn besiedelten Gebiete eine Alternative zum festnetzbasierten Ausbau sein. Die beiden vorgestellten Pilotversuche zeigen aber auch, dass das futuristisch anmutende Verfahren
„W-LAN durch die Wasserleitung“ längst keine Utopie mehr ist.


1 Link zur Verordnung (in Deutsch und Englisch): ec.europa.eu/digital-agenda/en/news/proposal-regulation-european-parliament-and-council-measures-reduce-cost-deploying-high-speed

2 Bericht siehe: www.x-media.at/Heft32004/34%20InternetWasser.pdf

3 Stellungnahme siehe: www2.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/3000/15_3650_d.pdf

4 Stellungnahme der DWA unter: www.gfa-news.de/gfa/webcode/20130802_002

 


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