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Obacht bei der Produktauswahl

Vor genau 20 Jahren trat der Vertrag über die Europäische Union (EU) in Kraft. In der inzwischen aus 27 Mitgliedstaaten bestehenden Wirtschaftsgemeinschaft leben heute zusammen etwa 500 Mio. Menschen – der größte Binnenmarkt der Welt.

 

Um europaweit einen freien Handel zu gewährleisten, gelten für grenzüberschreitende Güter nur noch grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Gemäß dem Leitsatz: Kein Produkt, das die gemeinschaftlich festgelegten Mindestanforderungen erfüllt und in einem EU-Land als unbedenklich eingestuft ist, darf von den Behörden eines anderen EU-Staates zurückgewiesen werden.
Ein Dogma mit Licht und Schatten: Zum einen führt die Wirtschaftsverkehrsfreiheit zu einer größeren Produktvielfalt – auch in der heimischen SHK-Branche. Auf der anderen Seite sinkt mitunter das Niveau der Produktsicherheit, weil in anderen Ländern eben auch andere (oftmals geringere) Sicherheitsstandards gelten. Blicken wir auf unsere Branche: In der Vergangenheit hat in den sensiblen Bereichen der Gas- und Trinkwasser-Installation das DVGW-Zertifikat dem Installateur die Gewissheit gegeben, ein zugelassenes Produkt zu verbauen. Nach dem Frabo-Urteil (siehe Bericht im Innenteil ab Seite 12) steht diese Zertifizierung zumindest auf dem Prüfstand. Denn nationale Konformitätszeichen wie das DVGW-Zertifikat stehen im Verdacht, den freien Warenverkehr zu behindern. Und solche Marktzugangshemmnisse sind in der EU bekanntlich nicht gewünscht.
Dass das entzinkungsbeständige Messing CW602N im Zuge der Grenzwertabsenkung für Blei ab Dezember seine allgemeine trinkwasserhygienische Eignung verliert, gleichwohl es im Markt noch zertifizierte Armaturen und Fittings aus eben diesem Werkstoff gibt, macht eines deutlich: Ein DVGW-Zertifikat ist lediglich eine Konformitätsbestätigung mit den Anforderungen, die zum Zeitpunkt der Ausstellung des Zertifikates gültig waren.
SHK-Fachunternehmer tun also gut daran, unabhängig von einem DVGW-Zertifikat eine Erklärung vom Hersteller zu verlangen, dass seine Produkte den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen und bedenkenlos verbaut werden können. Bei Bestellungen über den SHK-Großhandel sollte darüber hinaus der Verwendungszweck – beispielsweise „für den Einsatz in der Trinkwasser-Installation“ – nicht fehlen. Denn als sogenannter Inverkehrbringer steht auch der Großhandel in der Pflicht, unbedenkliche Produkte zu liefern. Trotz aller Risikominimierung gilt letztlich aber immer: Die Verantwortung für eine mangelfreie Installation trägt der Werkunternehmer. Also Obacht bei der Produktauswahl.
Unterdessen stehen weitere Zertifizierungen auf dem Prüfstand. Die Europäische Kommission hat angekündigt, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Hersteller aus dem EU-Ausland hätten sich beschwert, dass Bauprodukte gemäß deutschen Rechtsvorschriften zusätzliche nationale Kennzeichnungen tragen oder Genehmigungen aufweisen müssen, obwohl diese bereits mit einem CE-Zeichen versehen sind und in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig vertrieben werden. Im Kern geht es bei diesem Verfahren um Bauprodukte, die von harmonisierten Normen abgedeckt sind, wie etwa Türen und Wärmedämmprodukte. Das Gerichtsurteil könnte aber Auswirkungen auf das gesamte deutsche System der DIBt-Bauregellisten haben.

Markus Sironi
Chefredakteur
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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